Landesarbeitsgericht Niedersachsen:
Beschluss vom 9. März 2009
Aktenzeichen: 15 Ta 53/09

(LAG Niedersachsen: Beschluss v. 09.03.2009, Az.: 15 Ta 53/09)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Das Landesarbeitsgericht Niedersachsen hat mit einem Beschluss vom 9. März 2009, Aktenzeichen 15 Ta 53/09, den Beschluss des Arbeitsgerichts Braunschweig vom 20.11.2008, Aktenzeichen 4 Ca 175/08, abgeändert. In dem Fall hatte der Kläger die Unwirksamkeit seiner ordentlichen Kündigung durch den Arbeitgeber geklagt und zusätzlich die vorläufige Weiterbeschäftigung bis zur Rechtskraft des Urteils sowie die Feststellung der Höhe seiner Sozialplanabfindung verlangt. Vor der streitigen Verhandlung hat der Kläger seine Klage jedoch zurückgenommen und die Festsetzung seines Gebührenstreitwerts beantragt. Das Arbeitsgericht hat den Wert auf 42.248,00 Euro festgesetzt, wobei es den Kündigungsschutzantrag mit drei Monatsgehältern in Höhe von insgesamt 11.841,00 Euro, den Weiterbeschäftigungsantrag mit einem Monatsgehalt in Höhe von 3.947,00 Euro und den hilfsweisen Feststellungsantrag mit 26.460 Euro bewertet hat. Der Kläger hat daraufhin Streitwertbeschwerde eingelegt, da seiner Meinung nach der Wert des Hilfsantrags zu hoch angesetzt wurde. Das Landesarbeitsgericht hat der Beschwerde des Klägers stattgegeben und festgestellt, dass der Hilfsantrag nicht zum Wert des Kündigungsschutzantrags hinzuzurechnen ist. Dadurch wird der Streitwert auf 11.841,00 Euro festgesetzt. Zudem entsteht keine gerichtliche Beschwerdegebühr und es werden keine Kosten erstattet. Gegen den Beschluss ist kein Rechtsmittel möglich.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

LAG Niedersachsen: Beschluss v. 09.03.2009, Az: 15 Ta 53/09


Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Braunschweig vom 20.11.2008 € 4 Ca 175/08 € abgeändert.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 11.841,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Der Kläger hat mit seiner Klage die Unwirksamkeit der ordentlichen Kündigung seines Arbeitsverhältnisses durch die Beklagte geltend gemacht und für den Fall des Obsiegens seine vorläufige Weiterbeschäftigung bis zur Rechtskraft des Urteils verlangt. Klageerweiternd hat er für den Fall des Unterliegens die Feststellung der Höhe seiner Sozialplanabfindung zum Streit gestellt.

Nachdem der Kläger vor streitiger Verhandlung seine Klage zurückgenommen hat, hat sein Prozessbevollmächtigter die Festsetzung seines Gebührenstreitwertes beantragt.

Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 20.11.2008 den Wert auf 42.248,00 Euro festgesetzt, wobei es den Kündigungsschutzantrag mit drei Monatsgehältern in Höhe von insgesamt 11.841,00 Euro, den Weiterbeschäftigungsantrag mit einem Monatsgehalt in Höhe von 3.947,00 Euro und den hilfsweisen Feststellungsantrag mit 26.460 Euro bewertet hat.

Gegen den nur seinem Prozessbevollmächtigten am 25.11.2008 förmlich zugestellten Beschluss hat der Kläger am 27.01.2009 Streitwertbeschwerde eingelegt, weil sowohl der unechte als auch der echte Hilfsantrag entgegen § 23 Abs. 1 Satz 1 RVG i. V. m. § 45 Abs. 1 Satz 2 GKG werterhöhend berücksichtigt worden seien.

II.

1.

Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere ist die Beschwerdefrist gewahrt.

Geht man davon aus, dass ein Antrag nach § 32 Abs. 2 RVG beschieden worden ist, ist die Beschwerdefrist der §§ 63 Abs. 3,68 Abs. 1 Satz 3 GKG, über die das Arbeitsgericht in dem angefochtenen Beschluss belehrt hat, gewahrt. Geht man davon aus, dass ein Antrag nach § 33 Abs. 1 RVG beschieden worden ist, ist die Versäumung der Frist des § 33 Abs. 3 Satz 3 unschädlich, weil der Beschluss dem Kläger nicht gemäß § 33 Abs. 3 Satz 3 RVG zugestellt worden ist und er zudem eine fehlerhafte Rechtsmittelbelehrung enthält (§ 9 Abs. 5 Satz 4 ArbGG).

2.

Die Beschwerde ist begründet.

Die Hilfsanträge sind dem Wert des Kündigungsschutzantrags nicht hinzuzurechnen, weil über sie nicht entschieden worden ist (§ 23 Abs. 1 Satz 1 RVG i. V. m. § 45 Abs. 1 Satz 2 GKG), so dass der Wert lediglich vom Kündigungsschutzantrag bestimmt wird, der gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 RVG i. V. m. § 42 Abs. 4 Satz 1 GKG mit drei Monatsgehälter zu bewerten ist, also mit 3 x 3.947,00 Euro = 11.841,00 Euro.

a)

9Soweit sich die Gerichtsgebühren nach dem Wert der Klage richten, bestimmt sich der Gegenstandswert für die anwaltlichen Gebühren gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 RVG im gerichtlichen Verfahren nach den für die Gerichtsgebühren geltenden Wertvorschriften. Gemäß § 45 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 4 GKG wird ein hilfsweise geltend gemachter Klageanspruch mit dem Hauptantrag nur dann zusammen gerechnet, soweit eine Entscheidung über ihn ergeht oder er von einem Vergleich umfasst ist. Beides ist vorliegend nicht der Fall.

Zwar wird vertreten, dass gleichwohl der Gerichtsgebührenwert für die Anwaltsgebühr nicht maßgebend sei, weil sich die anwaltliche und die gerichtliche Tätigkeit nicht auf den selben Gegenstand bezögen, da das Gericht wegen der Klagerücknahme nicht in die Befassung mit dem Hilfsantrag eingetreten sei, während der Anwalt mit ihm befasst gewesen sei, so dass diese Befassung gemäß § 33 Abs. 1 RVG zusätzlich zu bewerten sei (vgl. GK-ArbGG/Wenzel, § 12, Rdnr. 186; Müller-Rabe in Gerold/Schmidt, RVG, 18. Auflage, VV 3100, Rdnr. 132; LAG Hamm, Beschluss vom 26.05.1989 € 8 Ta 65/89, LAGE § 19 GKG Nr. 6; LAG Nürnberg, Beschluss vom 13.03.2008 € 6 Ta 57/08, Der Betrieb 2008, 1332).

Dem steht jedoch der Wortlaut des Gesetzes und die Entstehungsgeschichte der Norm entgegen (vgl. beispielsweise Hartmann, Kostengesetze, 38. Auflage, § 33 RVG, Rdnr. 5; Göttlich/Mümmler/Rehberg/Xanke, RVG, 2. Auflage, "Hilfsantrag" 1.2.1; LAG Bremen, Beschluss vom 30.07.2001 € 1 Ta 51/02, LAGE § 19 GKG Nr. 18; LAG Berlin, Beschluss vom 03.03.2004 € 17 Ta 6138/03, LAGE § 19 GKG Nr. 19). Wie der Bundesgerichtshof (Beschluss vom 25.09.2008 € VII ZB 99/07, NJW 2009, 231 ff.) in Bezug auf die Hilfsaufrechnung zu dem regelungsidentischen § 10 BRAGO ausgeführt hat, ist diese Norm für andere Fälle vorgesehen gewesen. Eine Festsetzung des Gegenstandswerts nach § 10 BRAGO ist zum einen für die Fälle gedacht gewesen, in denen ein Gerichtsbeschluss nach dem Gerichtskostengesetz nicht ergehen konnte, weil sich die Gerichtsgebühr nicht nach einem Streitwert, Geschäftswert oder dergleichen, sondern beispielsweise nach einem Gebührenrahmen bestimmten oder weil das Verfahren gerichtsgebührenfrei war. Zum anderen sollten die Fälle erfasst werden, in denen der nach dem Gerichtskostengesetz ergehende Beschluss für die Berechnung der Gebühren des Rechtsanwaltes nicht maßgebend war, weil beispielsweise für seine Gebühren besondere Wertvorschriften bestanden. Ebenso ging der Gesetzgeber bei § 8 BRAGO davon aus; dass die für die Berechnung des Gegenstandswertes der gerichtlichen Tätigkeit geltenden Vorschriften sich durchweg auch für die Bewertung der anwaltlichen Tätigkeit in einem entsprechenden gerichtlichen Verfahren eigneten. Ein abweichendes Verständnis der BRAGO hatte der Gesetzgeber bei Einführung des regelungsidentischen RVG nicht. Die §§ 7 bis 10 BRAGO wurden inhaltlich ohne Veränderung in das RVG übernommen.

b)

Hilfsantrag im Sinne des § 45 Abs. 1 Satz 2 GKG ist nicht nur der Klageantrag, der für den Fall des Unterliegens mit dem Hauptantrag gestellt wird, sondern auch der sogenannte uneigentliche Hilfsantrag, der für den Fall des Obsiegens mit dem Hauptantrag gestellt wird, wie hier der Klageantrag auf vorläufige Weiterbeschäftigung.

Bei einem uneigentlichen Hilfsantrag auf Weiterbeschäftigung im Falle des Obsiegens mit dem Kündigungsschutzantrag handelt es sich um einen zulässigen Hilfsantrag (BAG, Urteil vom 08.04.1988 € 2 AZR 777/87, AP Nr. 4 zu § 611 BGB Weiterbeschäftigung = EzA § 611 BGB Beschäftigungspflicht Nr. 30). Gleichwohl wird vertreten, dass es sich nicht um einen Hilfsantrag im Sinne des § 45 Abs. 1 Satz 2 GKG handele, da Haupt- und Hilfsantrag nicht in einem Alternativverhältnis stehen (vgl. zum Beispiel Vollstädt in Schwab/Weth, ArbGG, 2. Auflage, § 12, Rdnr. 150; ArbGV-Krönig, 2. Auflage, § 12, Rdnr. 36; ebenso die ganz überwiegende Zahl der Beschwerdekammern des erkennenden Gerichts; LAG Nürnberg, a. a. O). Dagegen spricht jedoch, dass es sich auch bei dem uneigentlichen Hilfsantrag um einen zulässigen Hilfsantrag handelt und § 45 Abs. 1 Satz 2 GKG nicht zu entnehmen ist, dass die einzelnen Arten des Hilfsantrags kostenrechtlich unterschiedlich zu behandeln sind. Eine kumulative Klagehäufung, die die Zusammenrechnung von Haupt- und Hilfsantrag rechtfertigen, liegt sowohl bei einem unechten als auch bei einem echten Hilfsantrag immer erst dann vor, wenn über den Hilfsantrag entschieden worden ist (vgl. zum Beispiel Germelmann, ArbGG, 6. Auflage, § 12, Rdnr. 118; ErfK-Koch, 9. Auflage, § 12 ArbGG, Rdnr. 17; LAG Düsseldorf, Beschluss vom 16.10.2006 € 6 Ta 491/06, zit. nach juris).

c)

Wegen der Stattgabe der Beschwerde fällt keine gerichtliche Beschwerdegebühr an (Argument aus Nr. 8614 der Anlage 1 zum GKG). Kosten werden nicht erstattet (§ 33 Abs. 9 Satz 2 RVG beziehungsweise § 68 Abs. 2 Satz 2 GKG).

Gegen diesen Beschluss ist kein Rechtsmittel gegeben.

Löber






LAG Niedersachsen:
Beschluss v. 09.03.2009
Az: 15 Ta 53/09


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/gerichtsentscheidung/a81eb68ff56e/LAG-Niedersachsen_Beschluss_vom_9-Maerz-2009_Az_15-Ta-53-09




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