Bundesgerichtshof:
Beschluss vom 26. März 2007
Aktenzeichen: NotZ 45/06
(BGH: Beschluss v. 26.03.2007, Az.: NotZ 45/06)
Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung
Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Notarsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart zurückgewiesen wird. Der Antragsteller muss die Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen und dem Antragsgegner sowie dem weiteren Beteiligten die entstandenen Auslagen erstatten. Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wurde auf 50.000 € festgesetzt.
In dem Fall hatte sich der Antragsteller neben 16 anderen Rechtsanwälten um eine vom Antragsgegner ausgeschriebene Anwaltsnotarstelle beworben. Der Antragsgegner entschied sich jedoch für den weiteren Beteiligten. Der Antragsgegner begründete seine Entscheidung damit, dass der weitere Beteiligte fachlich besser für das Notaramt geeignet sei. Er habe das Zweite Staatsexamen mit der Note vollbefriedigend abgelegt, sei seit vielen Jahren als Rechtsanwalt tätig und habe umfangreiche Erfahrungen als Notarvertreter gesammelt. Zudem habe er erfolgreich an notarspezifischen Fortbildungskursen teilgenommen.
Der Antragsteller legte gegen den Bescheid des Antragsgegners gerichtliche Beschwerde ein und argumentierte, dass die Auswahl nicht verfassungs- und gesetzeskonform sei. Er forderte ein Punktesystem für die Rangordnung der Bewerber. Das Oberlandesgericht wies die Beschwerde jedoch zurück.
Der Bundesgerichtshof stimmte dem Oberlandesgericht zu und erklärte, dass die Entscheidung des Antragsgegners im Rahmen seines Beurteilungsspielraums gerechtfertigt sei. Zwar sei es fragwürdig, ob die Transparenz der Auswahlentscheidungen der Justizverwaltung ohne eine neue Verwaltungsvorschrift gewährleistet sei, jedoch sei dies in diesem Fall unerheblich. Die Auswahlentscheidung des Antragsgegners sei nachvollziehbar und die Bewertungskriterien angemessen gewichtet worden. Der Antragsgegner habe die Dauer der Anwaltstätigkeit und die praktischen Erfahrungen beider Bewerber als annähernd gleichwertig eingestuft. Entscheidend seien daher das Zweite Staatsexamen und die theoretischen Kenntnisse in Vorbereitung auf den Notarberuf, bei denen der weitere Beteiligte besser abgeschnitten habe. Der Einwand des Antragstellers, dass der Antragsgegner nur Kandidaten mit Prädikatsexamen berücksichtigt habe, sei unbegründet. Der Antragsgegner habe auch Bewerber mit der Note "befriedigend" umfassend verglichen.
Abschließend wies der Bundesgerichtshof darauf hin, dass die Ausrichtung auf ein Punktesystem grundsätzlich geeignet sei, die Bestenauslese transparenter zu gestalten. Es sei jedoch wichtig, auf die Besonderheiten des Einzelfalls einzugehen und eine wertende Gesamtschau vorzunehmen. Im vorliegenden Fall sei die Auswahlentscheidung des Antragsgegners jedoch nicht zu beanstanden, daher könne der Antragsteller nicht erfolgreich geltend machen, dass er bei Anwendung der Punktesysteme anderer Bundesländer besser abgeschnitten hätte.
Die Gerichtsentscheidung im Volltext:
BGH: Beschluss v. 26.03.2007, Az: NotZ 45/06
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Notarsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 20. Oktober 2006 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen und dem Antragsgegner sowie dem weiteren Beteiligten die im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu erstatten.
Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 50.000 € festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller bewarb sich neben 16 anderen Rechtsanwälten um eine vom Antragsgegner am 10. Oktober 2005 - mit einer Bewerbungsfrist bis zum 7. November 2005 - ausgeschriebene Anwaltsnotarstelle im Bezirk des Amtsgerichts S. . Mit Bescheid vom 28. April 2006 gab der Antragsgegner dem Antragsteller unter Beifügung eines Auszugs aus dem Besetzungsvermerk bekannt, dass er sich entschieden habe, den weiteren Beteiligten zum Anwaltsnotar zu bestellen.
Zu seiner Beurteilung, der weitere Beteiligte sei fachlich besser für das Notaramt geeignet als der Antragsteller, gelangte der Antragsgegner in Auswertung folgender Umstände:
- Der weitere Beteiligte hat das Zweite Staatsexamen mit der Note vollbefriedigend (10,23 Punkte) abgelegt. Er war bis zum Ende der Bewerbungsfrist 146 Monate hauptberuflich als Rechtsanwalt tätig. Er ist seit 1. Juli 2005 Mitglied des Prüfungsausschusses Fachanwalt für Erbrecht der Rechtsanwaltskammer. Er hat 1999 und 2000 erfolgreich am Einführungskursus für Notare des Deutschen Anwaltsinstituts teilgenommen und 2000 an 50 Halbtagen erfolgreich notarspezifische Fortbildungskurse besucht. Seit 1994 war der weitere Beteiligte vielfach als Notarvertreter tätig, davon in acht Fällen länger als jeweils zwei Wochen. Dabei wurden 2.538 Urkundsgeschäfte erledigt, hierunter 933 Niederschriften gemäß §§ 8, 36, 38 BeurkG. Der weitere Beteiligte ist seit September 2000 Dozent an der Notarakademie Baden-Württemberg. Seit 2003 wirkt er bei den Notarprüfungen mit. Er beteiligt sich ferner durch Vortragstätigkeit an der Fortbildung von Notaren.
- Der Antragsteller hat das Zweite Staatsexamen mit der Note befriedigend (8,16 Punkte) abgelegt. Er war bis zum Ende der Bewerbungsfrist 194 Monate hauptberuflich als Rechtsanwalt tätig. Er absolvierte 1995 und 1996 erfolgreich den Einführungskurs für Notare des Deutschen Anwaltsinstituts und nahm 1994 bis 1997 sowie 1999 und 2004 an 57 Halbtagen (der angefochtene Bescheid geht noch von 55 Halbtagen aus) erfolgreich an notarspezifischen Fortbildungsveranstaltungen teil. Er übernahm seit 1992 Notarvertretungen für vier Notare, davon in elf Fällen länger als jeweils zwei Wochen. Insgesamt tätigte er mehr als 8.800 Urkundsgeschäfte, hierunter 4.081 (der angefochtene Bescheid geht noch von 3.872 aus) Niederschriften gemäß §§ 8, 36, 38 BeurkG.
In der Gesamtschau hielt der Antragsgegner "die höhere allgemeine Befähigung für juristische Berufe zusammen mit dem breiteren, ausgeprägteren theoretischen in Vorbereitung auf den Notarberuf erworbenen Kenntnissen" des weiteren Beteiligten für gewichtiger als "die größeren praktischen Erfahrungen in Vorbereitung auf den Notarberuf" des Antragstellers.
Mit seinem gegen den Bescheid vom 28. April 2006 gerichteten Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat der Antragsteller geltend gemacht, die vom Antragsgegner getroffene Auswahl sei nicht verfassungs- und gesetzeskonform. Nach welchen Maßstäben Fortbildungskurse und Beurkundungen jeweils qualitativ und quantitativ gewichtet worden seien, werde nicht deutlich. Die neuen Verwaltungsvorschriften in anderen Bundesländern zeigten auf, dass auch nach der Änderung der Verfassungsrechtslage ein Punktesystem für die Rangordnung der Bewerber für ein Anwaltsnotariat möglich sei. Bei Anwendung dieser Vorgaben wäre ihm gegenüber dem weiteren Beteiligten eine höhere Punktzahl und damit eine höhere Qualifikation zuzuordnen gewesen.
Das Oberlandesgericht (Senat für Notarsachen) hat den Antrag auf gerichtliche Entscheidung zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Antragstellers.
II.
Die nach § 111 Abs. 4 Satz 1 BNotO i.V.m. § 42 Abs. 4 BRAO zulässige sofortige Beschwerde ist unbegründet. Das Oberlandesgericht hat den Antrag auf gerichtliche Entscheidung mit Recht zurückgewiesen. Ihm ist jedenfalls im Ergebnis darin beizutreten, dass der Antragsgegner sich mit seiner Beurteilung im Sinne einer geringeren fachlichen Eignung des Antragstellers für das Notaramt im Verhältnis zu dem weiteren Beteiligten im Rahmen des ihm gegebenen Beurteilungsspielraums gehalten hat.
1. Es ist allerdings nicht unbedenklich, wenn der Antragsgegner und ihm folgend das Oberlandesgericht meinen, das Gebot der Transparenz der von der Justizverwaltung zu treffenden Auswahlentscheidungen werde - auch auf Dauer - ohne eine zugrunde liegende generelle (neue) Verwaltungsvorschrift in Baden-Württemberg dadurch gewährleistet, dass in der jeweiligen Entscheidung dargelegt werde, von welchen tatsächlichen Voraussetzungen die Landesjustizverwaltung ausgegangen ist und welche Überlegungen ihre Entscheidung tragen.
a) Die Auffassung des Antragsgegners, wonach für die nach "neuem" Recht erforderliche individuelle Prognose über die Eignung der Bewerber ein Punktesystem oder ein sonstiges, wie auch immer geartetes Bewertungsschema grundsätzlich ungeeignet sei, lässt sich nicht aufrechterhalten.
aa) Ausgangspunkt sind die Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts vom 20. April 2004 (BVerfGE 110, 304 = NJW 2004, 1935) und vom 8. Oktober 2004 (NJW 2005, 50), in denen die durch die bisherigen Verwaltungsvorschriften einzelner Bundesländer (auch die des Landes Baden-Württemberg) konkretisierte Auslegung und Anwendung der in § 6 BNotO normierten Auswahlmaßstäbe für die Bewertung freier Notarstellen für verfassungswidrig erklärt worden ist mit der Begründung, die chancengleiche Bestenauslese, die zur Gewährleistung der verfassungsrechtlich garantierten Berufsfreiheit geboten sei, sei auf der Grundlage dieser Maßstäbe nicht sichergestellt.
Der Senat hat zur Umsetzung dieser verfassungsrechtlichen Entscheidung bereits mehrfach Stellung genommen (siehe die Beschlüsse vom 22. November 2004 - NotZ 16/04 - ZNotP 2005, 155; vom 11. Juli 2005 - NotZ 29/04 - DNotZ 2005, 942; vom 24. Juli 2006 - NotZ 3/06 - ZNotP 2006, 362 und NotZ 11/06 - ZNotP 2006, 455 sowie vom 20. November 2006 - NotZ 4/06 - ZNotP 2007, 109). Erforderlich ist eine Bewertung der Bewerber, bei der auch die von ihnen bei der Vorbereitung auf den angestrebten Zweitberuf als Anwaltsnotar gezeigten theoretischen Kenntnisse und praktischen Erfahrungen differenziert zu berücksichtigen sind. Solange es insoweit an einem ausdifferenzierten Bewertungssystem noch fehlt, ist eine individuelle Eignungsprognose im weiteren Sinne zu treffen, bei der diese beiden notarspezifischen Eignungskriterien mit eigenständigem höheren Gewicht als bisher im Verhältnis zu der Anwaltspraxis und dem Ergebnis des die juristische Ausbildung abschließenden, die allgemeine juristische Qualifikation des Bewerbers erfassenden Staatsexamens einfließen müssen.
bb) Der Senat hat danach, wie bereits mehrfach ausgesprochen (für die neue AVNot in Hessen: Beschlüsse vom 24. Juli 2006 aaO S. 393 f Rn. 13 bzw. Rn. 7; für die neue AVNot in Schleswig-Holstein: Beschluss vom 20. November 2006 aaO S. 110 f Rn. 10; vgl. auch - für die neue AVNot in Nordrhein-Westfalen - Beschluss vom heutigen Tage in NotZ 38/06), keine Bedenken, wenn für das Bewerbungsverfahren grundsätzlich an einem Punktesystem festgehalten wird. Auch das Bundesverfassungsgericht (aaO) hat ein solches Punktesystem prinzipiell nicht beanstandet; es ist durch die gesetzlichen Auswahlkriterien des § 6 Abs. 3 BNotO gedeckt (BGHZ 124, 327, 335). Das Punktesystem ermöglicht ein Auswahlverfahren nach objektiven, nachvollziehbaren und transparenten Bewertungskriterien (Examensnote, Dauer der anwaltlichen Tätigkeit, theoretische Fortbildung, praktische Beurkundungserfahrungen). Der einzelne Bewerber kann sich auf feste und für ihn durchschaubare Auswahlkriterien einstellen. Er kann ihnen entnehmen, welches Anforderungsprofil zu erfüllen ist und auf dieser Grundlage beantworten, ob eine Bewerbung Erfolg verspricht und welche Nachweise er für die von ihm erworbenen theoretischen und praktischen Fähigkeiten in das Bewerbungsverfahren einzuführen hat. Der Justizverwaltung wiederum erlaubt das Punktesystem eine verlässliche Sichtung des Bewerberfeldes. Er kann die Bewerber erfassen, die nach ihrer fachlichen Eignung für die Besetzung der ausgeschriebenen Notarstelle in Frage kommen; anhand der nach dem Punktesystem vorgegebenen Kriterien ist eine Vergleichbarkeit ihrer Leistungen und sonstigen Eignungsmerkmale gewährleistet. Dieser Vergleich mit den Verhältnissen anderer Bewerber setzt ein gewisses Maß an Abstraktion, Generalisierung und Schematisierung notwendig voraus, damit ein einheitlicher und nachprüfbarer Maßstab gewonnen werden kann, nach dem sich die Justizverwaltung zu richten hat (vgl. Senatsbeschluss vom 18. März 2002 - NotZ 19/01 - NJW-RR 2002, 1142, 1143).
b) Freilich bergen, wie der Senat in seinen Beschlüssen vom 24. Juli (aaO S. 394 Rn. 14 ff bzw. Rn. 11 ff) und 20. November 2006 (aaO S. 112 Rn. 21 ff) ebenfalls betont hat, die Ausrichtung auf ein Punktesystem und die darauf beruhende Einordnung von fachlichen Qualifikationsmerkmalen die Gefahr in sich, dass den Besonderheiten des Einzelfalls nicht immer ausreichend Rechnung getragen und das Maß der Eignung des einzelnen Bewerbers nicht vollständig ermittelt wird. Die Landesjustizverwaltung hat daher, bevor sie eine endgültige Auswahl trifft, zum einen danach zu fragen, ob für die jeweiligen Bewerber Umstände ersichtlich sind, die in das an den genannten festen Kriterien ausgerichtete Punktesystem keinen Eingang gefunden haben, aber dennoch zu berücksichtigen sind, um die Kenntnisse und Fähigkeiten des Bewerbers zutreffend und vollständig zu erfassen. Zum anderen hat sie mit einer wertenden Gesamtschau das über das Punktesystem gewonnene Ergebnis, das sich regelmäßig in einer nach der erreichten Gesamtpunktzahl bestimmten Rangfolge der Bewerber ausdrückt, auf seine Richtigkeit zu hinterfragen (Senat aaO).
Letzteres stellt aber die Geeignetheit einer grundsätzlichen Ausrichtung auf ein Punktesystem bei der Bestenauslese nicht in Frage.
c) Vor diesem Hintergrund ist es zweifelhaft, ob die badenwürttembergische Justizverwaltung ihren Standpunkt, ohne ein (neues) Auswahlsystem, wie es beispielsweise (in teilweise unterschiedlichen Ausgestaltungen) Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein praktizieren, auskommen zu wollen, auf Dauer - wenn etwa die Gesetzesinitiative der Länder Niedersachsen, Berlin, Bremen und Nordrhein-Westfalen zur Neuordnung des Zugangs zum Anwaltsnotariat (BR-Drucks. 895/06) nicht zum Erfolg führen sollte - "durchhalten" kann. Eine solche Verfahrensweise birgt die Gefahr, dass die - abstrakten - Maßstäbe der Beurteilung, insbesondere auch die Gewichtung der in den Blick genommenen Beurteilungsfelder (im Wesentlichen: das Ergebnis der die juristische Ausbildung abschließenden Staatsprüfung; die Dauer der Zeit, in der der Bewerber hauptberuflich als Rechtsanwalt tätig war; die bei der Vorbereitung auf den angestrebten Zweitberuf als Anwaltsnotar gezeigten theoretischen Kenntnisse sowie die diesbezüglich vorzuweisenden praktischen Erfahrungen) untereinander nicht hinreichend offenbar werden und dass die Wertigkeit dieser Kriterien wandel- und austauschbar bleibt; insbesondere für den Fall, dass die Bewerber auf allen einzelnen Feldern leistungsmäßig eng nebeneinander liegen sollten, dürfte es zweckmäßig sein, die dauerhafte gleichmäßige Abgrenzung durch ein Punktesystem oder ein vergleichbares Auswahlsystem sicherzustellen.
2. Für den vorliegenden Fall kommt es darauf letztlich nicht an. Denn die hier von dem Antragsgegner getroffene Auswahlentscheidung ist angesichts der darin erkennbar angelegten Maßstäbe und der Nachvollziehbarkeit der konkreten Gewichtung sowohl der einzelnen Leistungsgruppen untereinander als auch der darin jeweils gezeigten Leistungen der hier zu vergleichenden Konkurrenten im Ergebnis nicht zu beanstanden. Der Umstand, dass die Justizverwaltung ihrer Auswahlentscheidung im vorliegenden Fall keine generelle Verwaltungsvorschrift vorausgeschickt hat, erweist sich deshalb als jedenfalls unschädlich und ihre Entscheidung, dem weiteren Beteiligten den Vorzug vor dem Antragsteller zu geben, beeinträchtigt den Antragsteller nicht in seinen Rechten.
a) Die vorliegende Beurteilung des Antragsgegners wird entscheidend dadurch geprägt, dass er sowohl hinsichtlich der Dauer der hauptberuflichen Tätigkeit als Rechtsanwalt (Antragsteller: gut 16 Jahre; weiterer Beteiligter: gut 12 Jahre) als auch bezüglich des Umfangs der praktischen Erfahrungen in Vorbereitung auf den Notarberuf (Antragsteller: innerhalb von 13 Jahren über 8.800 Urkundsgeschäfte, davon 4.081 Niederschriften nach §§ 8, 36, 38 BeurkG; weiterer Beteiligter: innerhalb von 11 Jahren 2.538 Urkundsgeschäfte, davon 933 Niederschriften nach §§ 8, 36, 38 Beurkundungsgesetz) trotz signifikanter Unterschiede der maßgeblichen Zeiträume und der zahlenmäßigen Urkundsaufkommen keinen entscheidenden Vorteil beim Antragsteller gesehen, sondern der Sache nach bezüglich dieser beiden Kriterien beiden Konkurrenten jedenfalls annähernd die "Höchststufe" zugebilligt hat. In dieser Sicht, wonach weder die vier Jahre länger währende Anwaltstätigkeit des Antragstellers ins Gewicht fällt, noch sich wesentlich auswirkt, dass der Antragsteller "eine hinsichtlich Dauer ... und Zahl ... nochmals höhere Erfahrung aus Notarvertretungen als der bereits sehr erfahrene (weitere Beteilige) ... hat" - unter Berücksichtigung dessen, dass die Zahl der Beurkundungen eine rein quantitative Größe sei, die nur bedingt, vor allem nicht proportional, Rückschlüsse auf die Eignung für das Notaramt zulasse -, liegt methodisch eine "Kappung" in der Art, wie sie in ihrem Grundgedanken (in unterschiedlicher Ausgestaltung) auch in den neuen Ausführungsvorschriften der anderen Bundesländer betreffend die Reihenfolge bei der Auswahl unter mehreren geeigneten Bewerbern für das Amt des Anwaltsnotars ihren Niederschlag gefunden hat (vgl. Nr. 3b und d AVNot 2004 Hessen; § 3 Nr. 2 und Nr. 4 AVNot 2005 Niedersachsen; § 17 Abs. 2 Nr. 2 und Nr. 3-5 AVNot 2004 Nordrhein-Westfalen; § 6 Abs. 2 Nr. 2 und Nr. 4 AVNot 2005 Schleswig-Holstein). Sachliche Bedenken gegen eine solche (allgemeine) Begrenzung des Ansatzes dieser beiden in Rede stehenden Beurteilungsfelder bestehen nicht. Auch konkret bezogen auf die Konkurrenzsituation zwischen dem Antragsteller und dem weiteren Beteiligten ist aus Rechtsgründen nichts dagegen einzuwenden, dass der Antragsgegner beide Konkurrenten hinsichtlich der Kriterien: Dauer der Anwaltstätigkeit und notarielle Erfahrungen jedenfalls annähernd gleich eingestuft hat.
b) Ausgehend hiervon durfte der Antragsgegner - wie das Oberlandesgericht in dem angefochtenen Beschluss, auf den Bezug genommen wird, im Einzelnen ausgeführt hat - den beiden weiteren Kriterien (Zweites Staatsexamen und theoretische Kenntnisse in Vorbereitung auf den Notarberuf) die ausschlaggebende Bedeutung beimessen. Dass der Antragsgegner dabei die von dem weiteren Beteiligten in Vorbereitung auf den Notarberuf erworbenen theoretischen Kenntnisse - unbeschadet dessen, dass der Antragsteller fünf (richtig: sieben) Halbtage mehr an erfolgreich besuchten notarspezifischen Fortbildungskursen vorzuweisen hat - im Hinblick auf seine notarspezifischen Dozenten- und Prüfertätigkeiten höher eingestuft hat, lässt keinen Rechtsfehler erkennen. Hinzu kam das um eine Notenstufe bessere Zweite Staatsexamen des weiteren Beteiligten. Der in diesem Zusammenhang geltend gemachte Einwand des Antragstellers, der Antragsgegner habe aufgrund einer "Vorauswahl" nur Kandidaten, die ein Prädikatsexamen erzielt haben, bei seiner Auswahlentscheidung berücksichtigt, greift nicht durch. Die Auswahlentscheidung des Antragsgegners macht hinreichend deutlich, dass auch bei Kandidaten, die - wie der Antragsteller - im Zweiten Staatsexamen nur die Note befriedigend erreicht haben, ein umfassender Leistungsvergleich vorgenommen wurde.
c) Gegenüber der danach insgesamt fehlerfreien Gesamtschau des Antragsgegners kann der Antragsteller nicht mit Erfolg einwenden, er wäre bei Anwendung eines der Punktesysteme der anderen Bundesländer im Verhältnis zu dem weiteren Beteiligten der Bessere gewesen. Abgesehen, dass die vom Antragsteller erstellten Vergleichsberechnungen schon deshalb nicht zutreffend sein können, weil nach den AVNot der betreffenden Länder dem weiteren Beteiligten in jedem Falle Sonderpunkte zuzubilligen waren, gilt auch insoweit dass die Justizverwaltung nach "neuem" Recht nicht einfach die Punkte ent-
sprechend ihrer allgemeinen Verwaltungsvorschrift hätte addieren dürfen, sondern eine wertende Gesamtschau vorzunehmen gehabt hätte (s. oben zu 1 b).
Schlick Streck Kessal-Wulf Doye Eule Vorinstanz:
OLG Stuttgart, Entscheidung vom 20.10.2006 - 22 Not 3/06 -
BGH:
Beschluss v. 26.03.2007
Az: NotZ 45/06
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