Bundespatentgericht:
Beschluss vom 30. Januar 2007
Aktenzeichen: 21 W (pat) 46/04
(BPatG: Beschluss v. 30.01.2007, Az.: 21 W (pat) 46/04)
Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung
Das Bundespatentgericht hat in seinem Beschluss vom 30. Januar 2007 (Aktenzeichen 21 W (pat) 46/04) entschieden, dass der Beschluss der Patentabteilung des Deutschen Patent- und Markenamts vom 9. Juni 2004 aufgehoben wird. Das Patent wird beschränkt aufrechterhalten. Bei dem Patent handelt es sich um eine Bedieneinheit für ein Beatmungsgerät. Die Patentinhaberin hatte ursprünglich Patentansprüche 1 und 2 eingereicht, diese wurden jedoch auf eine Bedieneinheit für ein Beatmungsgerät beschränkt.
Die Patentabteilung 44 hatte das Patent widerrufen und begründete dies damit, dass der Gegenstand des ursprünglichen Patentanspruchs 1 nicht neu sei. Die Patentinhaberin reichte eine Beschwerde gegen den Beschluss ein und verteidigte das Patent mit geänderten Patentansprüchen 1 bis 10. Die Patentinhaberin argumentierte, dass der Stand der Technik dem Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 nicht entgegenstehe.
Das Bundespatentgericht stellte fest, dass der Einspruch zulässig erhoben worden sei und dass die verteidigten Patentansprüche 1 bis 10 eine ausreichende Stütze in der ursprünglichen Offenbarung finden. Das Gericht entschied, dass der Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 gegenüber dem Stand der Technik neu sei und dass er auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe. Das Patent wurde daher beschränkt aufrechterhalten.
In der Entscheidung wurden verschiedene druckschriftliche Entgegenhaltungen berücksichtigt, jedoch konnte keine der Entgegenhaltungen den Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 vollständig offenbaren. Das Bundespatentgericht stellte fest, dass der zuständige Fachmann beim Stand der Technik nicht dazu veranlasst werde, die aus der bekanntesten Druckschrift D1 bekannte Bedieneinheit für ein Beatmungsgerät durch die Merkmale des geltenden Patentanspruchs 1 weiterzubilden. Die geltenden Patentansprüche 2 bis 10 wurden ebenfalls als zulässig erachtet, da sie den ursprünglich eingereichten Unteransprüchen entsprachen. Das Gericht kam zu dem Schluss, dass der Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 neu und auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe. Daher wurden die Patentansprüche aufrechterhalten.
Die Gerichtsentscheidung im Volltext:
BPatG: Beschluss v. 30.01.2007, Az: 21 W (pat) 46/04
Tenor
Auf die Beschwerde der Patentinhaberin wird der Beschluss der Patentabteilung des Deutschen Patent- und Markenamts vom 9. Juni 2004 aufgehoben.
Das Patent wird mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrechterhalten:
Bezeichnung: Bedieneinheit für ein Beatmungsgerät Patentansprüche 1 bis 10 überreicht in der mündlichen Verhandlung Beschreibung, Spalten 1 - 2 überreicht in der mündlichen Verhandlung Spalten 3 - 4 gemäß Patentschrift 2 Blatt Zeichnungen, Figuren 1 und 2 gemäß Patentschrift
Gründe
I Auf die am 11. Januar 1995 beim Patentamt eingereichte Patentanmeldung ist das nachgesuchte Patent 195 00 529 mit der Bezeichnung "Bedieneinheit für ein Beatmungsgerät" erteilt worden. Die Veröffentlichung der Erteilung ist am 12. August 1999 erfolgt.
Die Patentabteilung 44 hat das Patent nach Prüfung des für zulässig erachteten Einspruchs mit Beschluss vom 9. Juni 2004 widerrufen. Zur Begründung ist in der Entscheidung ausgeführt, dass der Gegenstand erteilten Patentanspruchs 1 gegenüber dem aus der Entgegenhaltung D1: US 5 231 981 bekannten Standes der Technik nicht mehr neu sei. Der Patentanspruch 1 gemäß dem Hilfsantrag der Patentinhaberin vom 13. April 2000 offenbare die Erfindung nicht so deutlich und vollständig, dass ein Fachmann sie ausführen könne.
Im Einspruchs- und Einspruchsbeschwerdeverfahren sind neben der eingangs genannten D1 noch die Druckschriften D2: Broschüre "Narkomed 4", North American Dräger, 1990 D3: "Narkomed 4", Operators's Instruction Manual, Seiten 2-25 - 2-29, 5-9-1 - 5-9-8, 5-9-17 - 5-9-26, 5-10-3, 5-11-1, 5-12-3, 5-13-4, 5-14-5, 5-15-3, 5-16-2 und 5-18-30 - 5-18-31, North American Dräger, 1993 D4: US 5 189 609 D5: "Servo Ventilator 300", Operating Manual, Siemens-Elema AB, Dezember 1994 D6: G. Noack: "Ventilatory treatment of neonates and infants", Issued by Siemens-Elema AB, April 1993 D7: "Servo Ventilator 300", Operating Manual, Siemens-Elema AB, Mai 1993 D8: "Servo Ventilator 300", Clinical Workbook, Siemens-Elema AB, September 1994 und D9: EP 0 623 357 A1 in Betracht gezogen worden. Darüber hinaus ist im Prüfungsverfahren auf die Entgegenhaltungen P2: DE 34 17 425 A1 P3: DE 32 08 136 A1 P4: US 5 097 424 P5: DE 39 23 568 C1 P6: US 4 895 376 P7: US 4 509 526 und P8: EP 0 274 996 A2 verwiesen worden. Schließlich wird in der Beschreibungseinleitung des Streitpatents noch die US 5 237 987 genannt.
Gegen den vorgenannten Beschluss richtet sich die Beschwerde der Patentinhaberin.
Sie verteidigt das angegriffene Patent mit den in der mündlichen Verhandlung überreichten Patentansprüchen 1 bis 10. Die Patentinhaberin vertritt die Auffassung, dass der im Verfahren befindliche Stand der Technik dem Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 nicht patenthindernd entgegenstehe.
Die Patentinhaberin beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das Patent beschränkt mit den in der mündlichen Verhandlung eingereichten Patentansprüchen 1 bis 10 sowie der in der mündlichen Verhandlung eingereichten geänderten Beschreibung, Spalten 1 - 2, die übrigen Unterlagen gemäß Patentschrift, aufrecht zu erhalten.
Die Einsprechende beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Die Einsprechende vertritt die Auffassung, dass der Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 angesichts des aus den Druckschriften D1 bis D5, D8 sowie P2 und P3 bekannten Standes der Technik nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit des zuständigen Fachmanns beruhe.
Der geltende, mit Gliederungspunkten versehene Patentanspruch 1 lautet:
M1 Bedieneinheit für ein Beatmungsgerät, M2 wobei das Beatmungsgerät eine Gasdosiervorrichtung (15) für Beatmungsgase M3 und eine die Gasdosierung beeinflussende und überwachende Steuereinheit (8) umfasst, M4 mit einer Anzeigeeinheit zum Ausgeben von Parametern, M5 mit einem Eingabeelement (21) zum Verändern eines vorgewählten Parameters M6 und mit einem Quittierschalter (22) zum Übernehmen des veränderten Parameters in die Steuereinheit (8) als neuen Einstellwert, dadurch gekennzeichnet, M7 dass die Bedieneinheit (14) einen interaktiven Flachbildschirm (19) (Touch Screen) mit einer berührungsempfindlichen Oberfläche aufweist, M8 dass der Flachbildschirm (19) die Anzeigeeinheit umfasst, M9 dass innerhalb des der Flachbildschirms (19) erste und zweite Eingabesektoren (23, 24)
M10 und Ausgabesektoren (25, 26, 27) für Beatmungsformen und Beatmungsparameter vorhanden sind, M11 dass eine als ein Tastenfeld (20) ausgebildete Eingabeeinheit (20) vorgesehen ist, die zur Aktivierung vorgewählter Eingabesektoren (23, 24) auf dem Flachbildschirm (19) dient, M12 wobei innerhalb des ersten Eingabesektors (23) Beatmungsparameter-Einstellsegmente (231, 232, 233, 234, 235, 236, 237) und innerhalb des zweiten Eingabesektors (24) Beatmungsform-Einstellsegmente (241, 242, 243) für einstellbare Beatmungsformen vorgesehen sind, M13 wobei bei Berührung eines der Beatmungsform-Einstellsegmente (241, 242, 243) zu dem ausgewählten Beatmungsform-Einstellsegment (241) korrespondierende Beatmungsparameter-Einstellsegmente (231, 232, 234, 235, 236, 237) innerhalb des ersten Eingabesektors (23) angezeigt sind, M14 und dass durch Berührung zumindest eines der Beatmungsparameter-Einstellsegmente (231, 232, 233, 234, 235, 236, 237) eine Wirkverbindung des ausgewählten Beatmungsparameter-Einstellsegments (231, 232, 233, 234, 235, 236, 237) mit dem Eingabeelement (21) und/oder dem Quittierschalter (22) hergestellt wird.
Hinsichtlich der geltenden Unteransprüche 2 bis 10 sowie hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II Die zulässige Beschwerde der Patentinhaberin ist insoweit begründet, als sie zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur beschränkten Aufrechterhaltung des Streitpatents führt, da sich der Gegenstand des verteidigten Patentanspruchs 1 nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung als patentfähig erweist.
1) Die seitens des Senats von Amts wegen vorzunehmende Überprüfung des Einspruchsvorbringens hat ergeben, dass der Einspruch zulässigerweise erhoben worden ist. Denn der auf mangelnde Patentfähigkeit des Streitpatentgegenstandes gestützte Einspruch ist innerhalb der gesetzlichen Einspruchsfrist im Sinne des § 59 Abs. 1 Satz 4 PatG ausreichend substantiiert worden. Die Zulässigkeit des Einspruchs ist von der Patentinhaberin im Übrigen nicht bestritten worden.
2) Die verteidigten Patentansprüche 1 bis 10 finden eine ausreichende Stütze in der ursprünglichen Offenbarung und erweitern den Schutzbereich des Streitpatents nicht.
Der geltende Patentanspruch 1 umfasst die Merkmale der ursprünglich eingereichten Patentansprüche 1 und 2, ist jedoch - im Gegensatz zu diesen - in zulässiger Weise nicht mehr auf ein Beatmungsgerät, sondern nur noch auf eine Bedieneinheit für ein solches Beatmungsgerät gerichtet. Die geltenden Unteransprüche 2 bis 10 entsprechen - in dieser Reihenfolge - den ursprünglich eingereichten Unteransprüche 3 bis 11. Sie bilden wie der geltende Hauptanspruch nunmehr ebenfalls eine Bedieneinheit für ein Beatmungsgerät weiter.
Die geltenden Patentansprüche 1 bis 10 sind demnach zulässig. Im Übrigen ist die Zulässigkeit dieser Ansprüche von der Einsprechenden nicht bestritten worden.
3) Das Streitpatent betrifft eine Bedieneinheit für ein Beatmungsgerät (Streitpatentschrift Spalte 1, Zeilen 3 und 4). Eine derartige Bedieneinheit ist nach den Angaben in der Beschreibungseinleitung (Spalte 1, Zeilen 13 bis 21) aus der eingangs genannten Druckschrift US 5 237 987 bekannt.
Die Patentinhaberin sieht es bei diesem Stand der Technik als nachteilig an, dass einzustellende Parameter mittels eines Drehknopfes zunächst selektiert werden müssen, um dann verändert werden zu können. Dies erschwere die Bedienung des Beatmungsgerätes im klinischen Routinebetrieb, da häufig ein unmittelbarer Zugriff auf den zu ändernden Parameter notwendig sei (Spalte 1, Zeilen 35 bis 40).
Dem Streitpatent liegt die Aufgabe zugrunde, ein Beatmungsgerät der genannten Art derart zu verbessern, dass Einstellparameter übersichtlich darstellbar und für den Anwender einfach zu verändern sind (Spalte 1, Zeilen 64 bis 67).
4) Der hier zuständige Fachmann ist ein mit der Entwicklung von Beatmungsgeräten befasster, berufserfahrener Diplom-Physiker, der bei seiner Tätigkeit in ständigem Kontakt zu einem auf dem Gebiet der Anästhesie tätigen Mediziner steht.
5) Dem Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 stehen Schutzhindernisse nicht entgegen. Denn die in diesem Patentanspruch beanspruchte - zweifelsohne gewerblich anwendbare - Bedieneinheit für ein Beatmungsgerät ist gegenüber dem nachgewiesenen Stand der Technik neu und beruht diesem gegenüber auch auf einer erfinderischen Tätigkeit des zuständigen Durchschnittsfachmanns.
a) Der Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 ist - wie sich den nachfolgenden Ausführungen zur erfinderischen Tätigkeit entnehmen lässt - neu, da keine der im Verfahren befindlichen Druckschriften eine Bedieneinheit für ein Beatmungsgerät mit sämtlichen, in diesem Patentanspruch aufgeführten Merkmalen offenbart.
b) Der Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit des zuständigen Fachmanns.
) Aus der Druckschrift D1 ist ein Gegenstand mit den Merkmalen des Oberbegriffs des geltenden Patentanspruchs 1 bekannt. Denn die D1 (vgl. insbesondere die Figuren 1 bis 3 und die Beschreibung Spalte 2, Zeile 45 bis Spalte 6, Zeile 20) offenbart bereits eine Bedieneinheit für ein Beatmungsgerät (anesthesia machine 22) [Merkmal M1], wobei das Beatmungsgerät eine Gasdosiervorrichtung für Beatmungsgase (oxygen concentration) [Merkmal M2] und eine die Gasdosierung beeinflussende und überwachende Steuereinheit (control/display assembly 20) [Merkmal M3] mit einer Anzeigeeinheit (screen 28) zum Ausgeben von Parametern (system/patient data) umfasst [Merkmal M4], wobei ferner ein Eingabeelement (soft keys 80, 82, 84, 86, 88, 90, 92) zum Verändern eines vorgewählten Parameters vorhanden ist [Merkmal M5] und ein Quittierschalter (trigger element 58) zum Übernehmen des veränderten Parameters in die Steuereinheit (20) als neuem Einstellwert [Merkmal M6].
Der D1 kann jedoch keines der Merkmale des kennzeichnenden Teils des geltenden Patentanspruchs 1 als bekannt entnommen werden. Was die Merkmale M7 bis M11 anbelangt, so offenbart die D1 jedenfalls keinen interaktiven Flachbildschirm mit ersten und zweiten Eingabesektoren sowie keine als Tastenfeld ausgebildete Eingabeeinheit, sondern statt dessen ein nicht näher beschriebenes "display panel" (28), welches zwar wie ein interaktiver Flachbildschirm aussieht (appearance of a conventional touch key, vgl. Spalte 4, Zeile 64), aber gänzlich anders funktioniert. Bei den vermeintlich interaktiven Segmenten dieses Bildschirms handelt es sich nämlich um sogenannte "soft keys", die von einem durch ein Einstellrad (selection wheel 54) bewegten Cursor der Reihe nach angefahren werden können. Mit Hilfe des Quittierschalters (58) lässt sich die den einzelnen Segmenten zugeordnete Funktion (z. B. Alarm ein, Alarm aus) bestätigen, ehe der Cursor zum nächsten Segment verfahren wird.
An einen interaktiven Flachbildschirm mit zwei unterschiedlichen Eingabesektoren sowie mit Beatmungsform- und Beatmungsparameter-Einstellsegmenten, die so beschaffen sind, dass bei Berührung eines der Beatmungsform-Einstellsegmente nur die jeweils korrespondierenden Beatmungsparameter-Einstellsegmente innerhalb eines der beiden Eingabesektoren angezeigt werden - wie dies insoweit vom sinnvoll verstandenen, geltenden Patentanspruch 1 (Merkmale M12 bis M14) gelehrt wird - ist beim Stand der Technik gemäß Druckschrift D1 nicht gedacht.
Die D1 vermag dem zuständigen Fachmann auch keinerlei Hinweis in Richtung der Lehre des geltenden Patentanspruchs 1 zu liefern, da beim Stand der Technik - wie dargelegt - eine völlig andere "Bedienphilosophie" verfolgt wird, die darin besteht, dass Eingabesektoren mittels eines Cursors der Reihe nach angefahren werden.
) Auch der übrige, im Verfahren befindliche Stand der Technik kann den Fachmann nicht dazu veranlassen, die aus der gattungsbildenden Druckschrift D1 bekannte Bedieneinheit für ein Beatmungsgerät durch die Merkmale des Kennzeichens des verteidigten Patentanspruchs 1 weiterzubilden.
Die Broschüre D2 (vgl. insbesondere Blatt 7, linke Spalte, letzter Absatz und Blatt 8, rechte Spalte, 2. Absatz) offenbart lediglich ein Patientenüberwachungssystem, mit welchem Patientendaten angezeigt werden können. An Einstellsegmente, mit denen sich Beatmungsformen und die jeweils zugehörigen Beatmungsparameter aufrufen lassen, ist bei diesem Stand der Technik ersichtlich nicht gedacht.
) Auch die Broschüre D3 (vgl. insbesondere die Seiten 2-25 und 2-26 sowie 5-9-1, 5-9-7 und 5-9-17) beschreibt ein System, das ausschließlich der Erfassung und Überwachung von Patientendaten, nicht jedoch der Einstellung unterschiedlicher Beatmungsformen und der aktiven Beeinflussung von Beatmungsparametern dient, wie dies insoweit vom geltenden Patentanspruch 1 gelehrt wird.
) Die Druckschrift D4 (vgl. insbesondere die Figur 6 und die Beschreibung Spalte 2, Zeile 38 bis Spalte 4, Zeile 32 sowie Spalte 10, Zeile 22 bis Spalte 11, Zeile 4) offenbart ein Patientenüberwachungssystem (medical monitoring system) mit einer Bedieneinheit (keyboard), welche einen berührungsempfindlichen Flachbildschirm aufweisen kann. Einen Hinweis dahingehend, mit Hilfe dieses Flachbildschirms unterschiedliche Beatmungsformen und die damit korrespondierenden Beatmungsparameter aufzurufen bzw. zu verändern, vermag die D4 dem zuständigen Fachmann nicht zu geben.
) Die Druckschrift D5 (vgl. Seite 12) lehrt lediglich, eine nicht näher beschriebene Kontrolleinheit (control unit 1) mittels eines Kabels (interconnection cable 3) mit einer Patienteneinheit (patient unit 2) zu verbinden. Weitere Merkmale, die diesen Stand der Technik in die Nähe der im verteidigten Patentanspruch 1 beanspruchten Bedieneinheit rücken könnten, lassen sich der D5 nicht entnehmen.
) Entsprechendes gilt für die Entgegenhaltung D8 (vgl. Seite 11), die ein Patientenüberwachungssystem mit einem berührungsempfindlichen Flachbildschirm (touch pad) offenbart, auf dem der Reihe nach (vgl. die Ziffernfolge "1" bis "11") einzelne, nicht näher beschriebene Funktionen aufgerufen werden können. Eine Anregung, die aus der D1 bekannte Bedieneinheit gemäß der Lehre des verteidigten Patentanspruchs 1 mit hierarchisch strukturierten Bedienebenen weiterzubilden, vermag die D8 dem Fachmann somit nicht zu liefern.
) Die Druckschrift P2 (vgl. insbesondere die Figur 1 und die Beschreibung Seite 10) lehrt, bei einem Beatmungsgerät einzelne Beatmungsparameter zu verändern, indem beispielsweise die Taste PROG im Tastenfeld (9) berührt wird, so dass die zu verändernden Parameter im Feld (5) der Reihe nach aufleuchten und mittels eines numerischen Tastenfeldes (8) bedarfsweise verändert werden können. Eine Anregung in Richtung der vom geltenden Patentanspruch 1 davon abweichend gelehrten hierarchischen Bedienphilosophie vermag die P2 dem Fachmann nicht zu geben.
) Aus der Entgegenhaltung P3 (vgl. den Anspruch 1 und die Figur 3 mit zugehöriger Beschreibung Spalte 9, Zeile 5 bis Spalte 10, Zeile 37) schließlich ist ein elektronisches Messgerät bekannt, bei dem verschiedene Betriebsartenebenen hierarchisch geordnet sind. So können auf einem Bildschirm beispielsweise die Betriebsarten Frequenz-Messung oder Periodendauer-Messung angewählt werden mit der Folge, dass dann auf dem Bildschirm die der jeweiligen Betriebsart zugeordneten Messfunktionen erscheinen. Durch Betätigung einer Rückstelltaste gelangt der Benutzer dann wieder in die übergeordnete Ebene "Betriebsartenwahl" zurück.
Es ist nicht auszuschließen, dass die Druckschrift P3 - obgleich gattungsfremd - vom zuständigen Fachmann bei einer Datenbankrecherche ermittelt wird, wenn es ihm um die allgemeine Fragestellung geht, wie Bedieneinheiten mit interaktivem Flachbildschirm im Stand der Technik zweckmäßigerweise ausgestaltet werden. Gleichwohl ist auch diese Druckschrift nicht geeignet, ihm die Lehre des geltenden Patentanspruchs 1 nahezulegen. Denn die P3 beschreibt - wie bereits angesprochen - lediglich ein Messgerät. Insofern geht diese Entgegenhaltung nicht über den Offenbarungsgehalt der Druckschriften D2, D3 und D4 hinaus, die sich mit Patientenüberwachungssystemen befassen, welche ebenfalls nur im Stande sind, Messungen durchzuführen, jedoch keine aktive Beeinflussung von Beatmungsparametern vornehmen können.
Aber selbst wenn der Fachmann die Lehre der P3 auf eine Bedieneinheit für ein Beatmungsgerät übertragen würde, wie sie beispielsweise aus der gattungsbildenden D1 bekannt ist, würde er nicht zum Gegenstand des verteidigten Patentanspruchs 1 gelangen. Denn weder geht aus der P3 hervor, eine als Tastenfeld ausgebildete Eingabeeinheit vorzusehen, die zur Aktivierung vorgewählter Eingabesektoren auf dem Bildschirm dient, noch lehrt die P3, durch Berühren von Einstellsegmenten eine Wirkverbindung zwischen diesen Einstellsegmenten und einem Eingabeelement und/oder Quittierschalter herzustellen, wie dies insoweit in den Merkmalen M11 und M14 des geltenden Patentanspruchs 1 beansprucht wird.
) Die verbleibenden, eingangs genannten Druckschriften gehen - wie der Senat im Einzelnen überprüft hat - über den Offenbarungsgehalt der vorstehend abgehandelten Entgegenhaltungen D1 bis D5, D8, P2 und P3 nicht hinaus. Sie haben in der mündlichen Verhandlung im Übrigen keine Rolle gespielt.
6) Die auf den verteidigten Patentanspruch 1 rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 10 betreffen vorteilhafte und nicht selbstverständliche Ausgestaltungen der Bedieneineinheit nach Patentanspruch 1. Sie haben deshalb zusammen mit diesem Bestand.
BPatG:
Beschluss v. 30.01.2007
Az: 21 W (pat) 46/04
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