Bundespatentgericht:
Beschluss vom 29. September 2010
Aktenzeichen: 26 W (pat) 122/09
(BPatG: Beschluss v. 29.09.2010, Az.: 26 W (pat) 122/09)
Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung
In dieser Gerichtsentscheidung geht es um eine Wortmarke, die für verschiedene Dienstleistungen angemeldet wurde. Das Deutsche Patent- und Markenamt hat die Anmeldung abgelehnt, da die Marke keine Unterscheidungskraft aufweist und ein Freihaltebedürfnis besteht. Die Markenstelle begründet dies damit, dass die Wortmarke direkt die Stilrichtung eines Radiosenders beschreibt und in werblicher Weise auf einen Radiosender hinweist, der Karaokemusik spielt. Die Beschwerde der Anmelderin wird vom Bundespatentgericht zurückgewiesen. Das Gericht stützt seine Entscheidung darauf, dass die Wortmarke aus beschreibenden Zeichen und Angaben besteht und daher keinen betrieblichen Herkunftshinweis darstellt. Die Zusammenschreibung des Zeichens führt nicht zu seiner Schutzfähigkeit. Das Gericht verweist auch darauf, dass die Markenstelle nicht verpflichtet ist, die angemeldete Marke mit bereits eingetragenen Zeichen zu vergleichen. Die Voraussetzungen für eine Zurückverweisung des Verfahrens an das Markenamt liegen nicht vor. Die Beschwerde wird daher abgelehnt.
Die Gerichtsentscheidung im Volltext:
BPatG: Beschluss v. 29.09.2010, Az: 26 W (pat) 122/09
Tenor
BPatG 152 Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die Wortmarke 30 2008 009 122.3/38 mykaraokeradioist für folgende Dienstleistungen angemeldet worden:
"Klasse 35: Werbung Klasse 38: Telekommunikation, insbesondere Sendung von Rundfunkprogrammen, Telekommunikation im Internet, insbesondere im Bereich Hörfunk und Unterhaltungsmusik; Bereitstellung des Zugriffs auf Informationen im Internet im Bereich Hörfunk Klasse 41: Rundfunkunterhaltung, Durchführung von Veranstaltungen unterhaltender, kultureller und sportlicher Art, auch über Internet."
Mit zwei Beschlüssen, von denen einer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, hat die Markenstelle für Klasse 38 des Deutschen Patentund Markenamtes die Markenanmeldung wegen Fehlens jeglicher Unterscheidungskraft und eines bestehenden Freihaltebedürfnisses zurückgewiesen. Mit der Bedeutung "mein Karaokeradio" beschreibe die angemeldete Marke direkt und unmittelbar die Stilrichtung eines Radiosenders. In Verbindung mit den beanspruchten Dienstleistungen bringe sie in werbeüblicher Weise zum Ausdruck, dass sich diese auf einen Radiosender beziehen, der den Hörer direkt anspricht und der überwiegend Karaokemusik spielt, sei es instrumentale Musiktitel zum Mitsingen oder Aufnahmen von Karaokegesang zu bestimmten Titeln. Die Voranstellung des Wortes "my" sei werbeüblich und erwecke die Vorstellung, dass die angebotenen Dienstleistungen auf den Abnehmer persönlich zugeschnitten seien.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, mit welcher sie beantragt, 1.
den Beschluss des Deutschen Patentund Markenamtes vom 19.3.2009 aufzuheben, 2.
hilfsweise unter Aufhebung des Beschlusses vom 19.3.2009 die Sache an das Deutsche Patentund Markenamt zurückzuverweisen.
Die Anmelderin ist der Ansicht, der Begriff "mykaraokeradio" sei interpretationsbedürftig. Bevor sich seine Bedeutung erschließe, müsse der Begriff zunächst wieder gedanklich in die ursprünglichen Wortbestandteile zerlegt werden. Die Zusammenschreibung sei ungewöhnlich und stelle eine Wortneubildung dar. Die Bezeichnung "karaokeradio" sei schon deshalb nicht rein beschreibend, weil dem Radio als auditivem Medium die visuelle Komponente, also die Vorgabe eines zu singenden Textes, die für die Durchführung von Karaoke zwangsläufig erforderlich sei, fehle. Ihren hilfsweise gestellten Zurückverweisungsantrag begründet die Anmelderin damit, dass das Deutsche Patentund Markenamt eine Pflicht zum Vergleich eines angemeldeten mit eingetragenen vergleichbaren Zeichen treffe. Innerhalb dieses Vergleiches müsse das Amt die Gründe für eine differenzierende Beurteilung angeben oder zum Ausdruck bringen, dass es die Voreintragungen für rechtswidrig halte.
Ergänzend wird auf den Inhalt der Akte des Deutschen Patentund Markenamtes Az. 30 2008 009 122.3 Bezug genommen.
II.
Die gemäß § 66 Abs. 1 und 2 MarkenG zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Sie ist zurückzuweisen, weil einer Eintragung der angemeldeten Marke "mykaraokeradio" für die beanspruchten Dienstleistungen die Schutzhindernisse fehlender Unterscheidungskraft und eines bestehenden Freihaltebedürfnisses im Sinne der §§ 37, 8, Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG entgegenstehen.
Nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG sind solche Marken von der Eintragung ausgeschlossen, die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, die im Verkehru. a. zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Bestimmung oder sonstiger Merkmale der Waren und Dienstleistungen dienen können. Insbesondere hat eine Marke, die sich aus einem Wort mit mehreren Bestandteilen zusammensetzt, von denen jeder Merkmale der beanspruchten Waren oder Dienstleistungen beschreibt, selbst einen die genannten Merkmale beschreibenden Charakter im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG, es sei denn, dass ein merklicher Unterschied zwischen dem Wort und der bloßen Summe seiner Bestandteile besteht. Dabei führt die bloße Aneinanderreihung solcher beschreibender Bestandteile ohne Vornahme einer ungewöhnlichen Änderung, insbesondere syntaktischer oder semantischer Art, nur zu einer Marke, die ausschließlich aus beschreibenden Zeichen oder Angaben besteht (EuGH GRUR Int. 2004, 410, 413 -BIOMILD; EuGH GRUR Int. 2004, 500, 507 - Postkantoor).
Von den drei der englischen Sprache entstammenden Markenbestandteilen "my", "karaoke" und "radio" werden die letzten beiden im Deutschen mit gleichem Bedeutungsinhalt und in gleicher Schreibweise ebenfalls verwendet. Dabei bezeichnet der Begriff "Karaoke" das Singen von Musiktexten zu entsprechend unterlegter bzw. gespielter Instrumentalmusik (vgl. Duden, Dt. Universalwörterbuch, 5. Aufl. 2003, S. 878). Der Oberbegriff "Radio" umfasst nicht nur die Übermittlung von Signalen durch einen terrestrischen Rundfunksender über elektromagnetische Wellen; Hörfunk wird heutzutage ebenso mithilfe von Computern als sogenanntes Internetradio oder Streamingaudio übertragen. Die meisten terrestrischen Radiosender versenden ihr Signal inzwischen auch über das Internet; zusätzlich existieren zahlreiche reine Webradioanbieter. Radiosendungen, die häufig ergänzend auf den Inhalt sendereigener Internetseiten verweisen, haben dieses Internetangebot inzwischen allgemein bekannt gemacht. Das Wort "Radio" hat insoweit eine Erweiterung seines ursprünglichen Begriffsinhalts erfahren. Das Possessivpronomen "my" gehört mit seiner Bedeutung "mein, meine" zum englischen Grundwortschatz. Die drei Wortbestandteile der angemeldeten Marke sind der deutschen und der englischen Grammatik entsprechend ihrer Reihenfolge nach so zusammengesetzt, dass sie mit der Bedeutung "mein Karaoke-Radio" die Stilrichtung eines Radiosenders bzw. einer Radiosendung beschreiben, in der ohne Singstimme aufgenommene Instrumentalmusik zu bekannten Musikstücken zum Mitsingen gespielt wird. Eine vergleichbare, ebenfalls beschreibende Wortzusammensetzung ist dem durchschnittlichen deutschen Verbraucher beispielsweise durch die werbefinanzierte Website "MySpace" (von engl. "my space", übersetzt "mein Raum/Platz") bekannt, die es im so genannten "sozialen Netzwerk" (web2.0) ermöglicht, kostenlose Benutzerprofile einzurichten. Anders als es der Europäische Gerichtshof (EuGH GRUR 2001, 1145) für die Wortbildung "Babydry" entschieden hat, handelt es sich bei der Bezeichnung "mykaraokeradio" daher gerade nicht um eine ihrer Struktur nach ungewöhnliche Verbindung, die vom allgemeinen (englischen) Sprachgebrauch abweicht.
Die Zusammenschreibung des gesamten angemeldeten Zeichens führt nicht zu seiner Schutzfähigkeit. In der beschreibenden Werbesprache und insbesondere bei der Eingabe von Suchbegriffen im Internet oder in Domainadressen ist eine Zusammenschreibung als Hinweis und Sachinformation häufig anzutreffen, ohne dass der beschreibende Begriffsinhalt dadurch in den Hintergrund tritt (vgl. BPatG PAVIS PROMA 29 W (pat) 192/01 - Travaelagain).
Sein beschreibender Charakter ist dem angemeldeten Zeichen nicht deshalb abzusprechen, weil es, wie die Anmelderin einwendet, über den Hörfunk nicht möglich wäre, die für Karaoke eingespielte Instrumentalmusik zeitgleich mit den entsprechenden Musiktexten zu unterlegen. Das Medium Internet bietet diese Möglichkeit. Es wird von terrestrischen Radiosendern überwiegend ergänzend und von Webradioanbietern sogar ausschließlich zur Übertragung genutzt.
Für die angemeldeten Dienstleistungen erschöpft sich der Begriff "mykaraokeradio" in einer unmittelbar beschreibenden Sachaussage. So gehört das Internetradio zur Telekommunikation im Internet, welche sich mit den Bereichen Hörfunk und Unterhaltungsmusik und der Sendung von Rundfunkprogrammen befasst und im Bereich Hörfunk den Zugriff auf Informationen im Internet bereitstellt. Karaokeangebote im Internetradio zählen zur Rundfunkunterhaltung. Wird Karaoke als Wettbewerb durchgeführt, handelt es sich um eine Veranstaltung nicht nur unterhaltender, sondern auch kultureller oder sportlicher Art über das Internet. Für die Dienstleistung "Werbung" stellen die angemeldeten Zeichen lediglich eine Sachangabe dazu dar, wofür geworben werden soll.
Der Eintragung der angemeldeten Marke steht überdies - ohne dass es darauf angesichts des vorstehend festgestellten Schutzhindernisses des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG noch entscheidend ankäme - auch das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG entgegen. Weil sich der Begriff "mykaraokeradio" für die angemeldeten Dienstleistungen in einer unmittelbar beschreibenden Sachaussage erschöpft, wird er vom Publikum jeweils nicht als betrieblicher Herkunftshinweis wahrgenommen werden. Dem Zeichen fehlt zugleich jegliche Unterscheidungskraft.
Die Voraussetzungen für eine von der Anmelderin hilfsweise beantragte Zurückverweisung des Verfahrens an das Deutsche Patentund Markenamt liegen nicht vor. Es fehlt weder eine Entscheidung des Markenamtes in der Sache selbst, noch leidet das Verfahren dort an einem wesentlichen Mangel; neue Tatsachen oder Beweismittel, die für die Entscheidung wesentlich sind, sind nicht bekannt geworden, § 70 Abs. 3 Nr. 1 -3 MarkenG. Entgegen der Auffassung der Anmelderin ist der Markenstelle insbesondere nicht vorzuwerfen, dass sie die angemeldete Marke nicht mit bereits eingetragenen Zeichen verglichen und im Rahmen dieses Vergleichs eine differenzierte Beurteilung abgegeben hätte. Voreintragungen führen weder für sich noch in Verbindung mit dem Gleichheitssatz des Grundgesetzes zu einer Selbstbindung derjenigen Stellen, welche über die Eintragung zu befinden haben, denn die Entscheidung über die Schutzfähigkeit einer Marke ist keine Ermessens-, sondern eine Rechtsfrage (vgl. EuGH MarkenR 2008, 163, 167 [Rz. 39] -Terranus; GRUR 2004, 674, Nrn. 43, 44 -Postkantoor; GRUR 2004, 428, Nr. 63 -Henkel; BPatG MarkenR 2007,351, 352 f. -Topline; GRUR 2007, 333, 335 ff. -Papaya; GRUR 2010, 423 amazing discoveries; GRUR 2010, 425 -Volksflat). Der 29. Senat des Bundespatentgerichts, aus dessen Beschluss vom 5.8.2009 (BPatG PAVIS PROMA Az. 29 W (pat) 5/06 - TV Schwaben) die Anmelderin eine Pflicht zum Vergleich des angemeldeten mit anderen bereits eingetragenen Zeichen herleitet, hat die aus seiner Sicht maßgeblichen Fragen dem Europäischen Gerichtshof zur Vorabentscheidung vorgelegt. Der Europäische Gerichtshof hat u. a. daraufhin klargestellt, dass es die Markenrechtsrichtlinie den nationalen Eintragungsbehörden und den mit der Markeneintragung befassten nationalen Gerichten verbietet, bei Bestehen eines Eintragungshindernisses dem Eintragungsbegehren allein deshalb stattzugeben, weil bereits identische oder vergleichbar gebildete Marken für identische oder ähnliche Waren oder Dienstleistungen eingetragen sind. Niemand kann sich auf eine fehlerhafte Rechtsanwendung zu Gunsten eines anderen berufen, um eine identische Entscheidung zu erlangen (vgl. EuGH, GRUR 2009, 667, 668 [Rz. 15 ff.] -Bild.T-Online.de und ZVS; EuGH, Slg. 1984, 3465 BeckRS. 2004, 7211 Rdn. 510 White/Parlament; Slg. 1985, 2225 BeckRS. 2004, 71557 Rdn. 14 Wilems/Rechnungshof).
Der Beschwerde des Anmelders war aus diesen Gründen der Erfolg zu versagen.
Dr. Fuchs-Wissemann Reker Dr. Schnurr Bb
BPatG:
Beschluss v. 29.09.2010
Az: 26 W (pat) 122/09
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