Verwaltungsgericht Köln:
Urteil vom 12. Dezember 2013
Aktenzeichen: 1 K 1795/07
(VG Köln: Urteil v. 12.12.2013, Az.: 1 K 1795/07)
Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung
Das Verwaltungsgericht Köln hat mit seinem Urteil vom 12. Dezember 2013 (Aktenzeichen 1 K 1795/07) den Beschluss der Bundesnetzagentur vom 30.03.2007 (BK 4b-07-001/E 19.01.07) aufgehoben. In dem Beschluss ging es um die Genehmigung von monatlichen Entgelten für den Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung (TAL) der Beigeladenen. Die Beklagte und die Beigeladene tragen die Kosten des Verfahrens jeweils zur Hälfte. Die außergerichtlichen Kosten tragen sie jeweils selbst. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, wenn eine Sicherheitsleistung in Höhe von 120 Prozent des beizutreibenden Betrages erbracht wird. Die Revision wurde zugelassen.
Im Tatbestand wird erläutert, dass die Beigeladene Eigentümerin von Telekommunikationsnetzen und den dazugehörigen technischen Einrichtungen ist. Sie hat eine marktbeherrschende Stellung auf dem Markt für Netzzugangsdienstleistungen im Teilnehmeranschlussbereich und ist gesetzlich dazu verpflichtet, ihren Wettbewerbern Zugang zu ihren Netzen und TAL zu gewähren. Die Entgelte für diesen Zugang unterliegen einer Entgeltgenehmigung. Die Beigeladene hatte einen Entgeltgenehmigungsantrag gestellt, der von der Beklagten genehmigt wurde. Die genehmigten monatlichen Entgelte wurden bis zum 31.03.2009 befristet.
Die Klägerin hat daraufhin Klage eingereicht und geltend gemacht, dass die genehmigten Entgelte nicht den Anforderungen des Telekommunikationsgesetzes entsprechen und gegen das Missbrauchsverbot verstoßen. Insbesondere sei die Berechnung der Investitionskosten fehlerhaft.
Das Gericht kommt zu dem Ergebnis, dass die genehmigten Entgelte die Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung überschreiten. Die Beklagte hat bei der Ermittlung der Kosten den Wert des Anlagevermögens auf Basis des WIK-Anschlussnetzmodells bestimmt, was nicht den gesetzlichen Anforderungen entspricht. Es fehlt eine methodische Auseinandersetzung mit historischen Kosten und den Vor- und Nachteilen der verschiedenen Bewertungsmethoden. Dadurch wurde der Beurteilungsspielraum der Behörde nicht ordnungsgemäß ausgeübt.
Das Gericht kommt zu dem Schluss, dass die Klägerin durch die rechtswidrige Entgeltgenehmigung in ihren Rechten verletzt ist. Es besteht die Möglichkeit, dass eine fehlerfreie Ermittlung der Investitionskosten zu niedrigeren Entgelten geführt hätte. Die Kosten des Verfahrens tragen die Beklagte und die Beigeladene jeweils zur Hälfte. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, die Revision wurde zugelassen.
Die Gerichtsentscheidung im Volltext:
VG Köln: Urteil v. 12.12.2013, Az: 1 K 1795/07
Tenor
Der Beschluss der Bundesnetzagentur vom 30.03.2007 (BK 4b-07-001/E 19.01.07) wird aufgehoben.
Die Beklagte und die Beigeladene tragen die Kosten des Verfahrens jeweils zur Hälfte. Ihre außergerichtlichen Kosten tragen die Beklagte und die Beigeladene jeweils selbst.
Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 Prozent des jeweils beizutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beigeladene ist Rechtsnachfolgerin der E. C. bzw. der E. C. U. und Eigentümerin der von diesen errichteten Telekommunikationsnetzen und der hierzu gehörenden technischen Einrichtungen. Bestandteil der Telekommunikationsnetze sind unter anderem Teilnehmeranschlüsse (TAL), mit denen der Netzabschlusspunkt in den Räumlichkeiten des Teilnehmers mit den Hauptverteilerknoten oder mit einer gleichwertigen Einrichtung in festen öffentlichen Telefonnetzen verbunden wird.
Die Beigeladene bietet ihren Wettbewerbern den Zugang zur TAL in verschiedenen Varianten "entbündelt" (ohne vorgeschaltete Übertragungs- bzw. Vermittlungstechnik) und "gebündelt" (mit vorgeschalteten übertragungstechnischen Systemen) am Hauptverteiler (HVt) und am Kabelverzweiger (KVz) an. Mit der Klägerin besteht ein Vertrag über den Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung, der hinsichtlich des Entgeltes auf die von der Beklagten genehmigten Entgelte verweist.
Die Beigeladene hatte während des gesamten Geltungszeitraumes des Telekommunikationsgesetzes (TKG) 1996 eine marktbeherrschende Stellung auf dem Markt für Netzzugangsdienstleistungen im Teilnehmeranschlussbereich. Deswegen war sie nach den Bestimmungen des TKG 1996 gesetzlich dazu verpflichtet, ihren Wettbewerbern auf Nachfrage Zugang zu ihren Netzen und zu ihren TAL zu gewähren.
Die Entgelte, die die Wettbewerber dafür an die Beigeladene zu entrichten haben, unterlagen der Entgeltgenehmigung nach Maßgabe des § 39 1. Alt. TKG 1996.
Am 26.06.2004 trat das Telekommunikationsgesetz vom 22.06.2004 in Kraft. Das Gesetz sieht die oben genannten Verpflichtungen eines Unternehmens mit beträchtlicher Marktmacht vor, wenn ihm diese aufgrund des Ergebnisses eines zuvor nach den §§ 10 ff TKG durchgeführten Marktdefinitions- und Marktanalyseverfahrens durch eine Regulierungsverfügung gemäß § 13 TKG auferlegt werden. Eine solche Regulierungsverfügung für den Markt Nr. 11 "Entbündelter Großkunden-Zugang (einschließlich des gemeinsamen Zugangs) zu Drahtleitungen und Teilleitungen für die Erbringung von Breitband- und Sprachdiensten" der Empfehlung der Kommission vom 11.02.2003 über relevante Produkt- und Dienstmärkte des elektronischen Kommunikationssektors, die aufgrund der Richtlinie 2002/21/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und -dienste für eine Vorabregulierung in Betracht kommen (Empfehlung 2003/311/EG) (ABI. EU Nr. L 114 S. 45), erging am 20.04.2005 (Az BK 4-04-075, Amtsblatt der RegTP Nr. 7/2005 vom 20.04.2005, Mitteilung Nr. 83/2005, S. 578 ff.). Darin wurde die Beigeladene wegen ihrer auf dem bundesweiten Markt für den Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung bestehenden Marktmacht dazu verpflichtet, anderen Unternehmen vollständig entbündelten Zugang zum Teilnehmeranschluss in Form der Kupferdoppelader am Hauptverteiler oder einem näher an der Teilnehmeranschlusseinheit gelegenen Punkt (Kabel- bzw. Endverzweiger - APL) sowie des gemeinsamen Zuganges zu diesen Teilnehmeranschlüssen durch Aufteilung des nutzbaren Frequenzspektrums als auch im erforderlichen Umfang gebündelten Zugang zum Teilnehmeranschluss in Form der Kupferdoppelader einschließlich der Varianten OPAL/ISIS (Optisches Anschlussleitungsnetz/Integriertes System zur Bereitstellung von Netzinfrastruktur auf optischer Basis) am Hauptverteiler zu gewähren.
Die monatlichen Überlassungsentgelte für den Zugang zur TAL wurden zuletzt mit dem Beschluss BK 4a/b-05-004/E 17.02.05 vom 28.04.2005 bis zum 31.03.2007 genehmigt.
Im Hinblick auf die bis Ende März 2007 befristeten Entgeltgenehmigungen reichte die Beigeladene am 19.01.2007 einen neuen Entgeltgenehmigungsantrag ein. Im Rahmen des Verfahrens gab ein Teil der am Verfahren beteiligten Unternehmen eine schriftliche Stellungnahme zum Entgeltantrag ab. Der Beigeladenen und der Klägerin wurde in der am 28.02.2007 durchgeführten mündlichen Verhandlung Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.
Mit Beschluss vom 30.03.2007 (BK 4b-07-001/E 19.01.07) genehmigte die Beklagte monatliche Entgelte für die Überlassung des Zugangs zur TAL und den Zugang am KVz. Unter Ziffer 1 der Entscheidung wurden ab dem 01.04.2007 für 19 Produkte folgende Beträge festgesetzt:
Produkt
Preis (netto/mtl.) EUR
CuDA 2 Dr
10,50
CuDA 2 Dr mit hochbitratiger Nutzung
10,50
CuDA 2 Dr für KVz-TAL
7,55
CuDA 2 Dr mit hochbitratiger Nutzung für KVz-TAL
7,55
CuDA 4 Dr
19,75
CuDA 4 Dr mit hochbitratiger Nutzung
19,75
CuDA 4 Dr mit hochbitratiger Nutzung für KVz-TAL
14,05
CuDA 2 Dr mit ZWR
18,75
CuDA 4 Dr mit ZWR
39,10
Zusätzlicher ZWR für CuDA 4 Dr
16,55
CCA-A
19,80
CCA-B ohne ZWR
13,15
CCA-B mit ZWR
20,40
CCA-P
48,70
TelAsl bei OPAL
13,25
BaAsl bei OPAL
19,60
TelAsl bei ISIS-outdoor
13,25
BaAsl bei ISIS-outdoor
19,60
PMxAsI bei ISIS-outdoor
124,10
Die so erteilte Genehmigung der Entgelte wurde bis zum 31.03.2009 befristet. Den weitergehenden Antrag der Beigeladenen lehnte die Beklagte ab (Ziffer 3).
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die beantragten Entgelte seien genehmigungsbedürftig im Sinne des § 30 Abs. 1 Satz 1 TKG und im ausgesprochenen Umfang auch genehmigungsfähig (§ 35 Abs. 3 TKG).
Bei der Beurteilung des Antrags der Beigeladenen sei zunächst davon auszugehen, dass die vorgelegten Kostenunterlagen u. a. hinsichtlich der Investitionswerte nicht den gesetzlichen Voraussetzungen genügten (Ziffer 4.1.1 des Beschlusses).
Die von der Beigeladenen als Grundlage der TAL-Tarife geltend gemachten Kosten umfassten auch die Kosten für die Netzinfrastruktur (Kapitalkosten). Die Beigeladene habe die Investitionswerte über die "bottomup-Kalkulation" unter Verwendung des sogenannten "KZN (Kalkulation Zugangs Netz)-Tools" ermittelt, um die Investitionswerte je Anschlussbereich zu berechnen. Die Ergebnisse von 600 Stichproben-Anschlussbereichen seien auf alle kupferbasierten Anschlussbereiche hochgerechnet worden, und die Beschlusskammer habe diesen Teil der Ermittlungsmethodik der Investitionswerte nachvollziehen können. Eine abschließende Quantifizierung der Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung sei jedoch anhand der Kostenunterlagen der Beigeladenen bzgl. der Netzinfrastrukturkosten nach wie vor nicht möglich. Die Kostenunterlagen ließen wesentliche effizienzorientierte Modifizierungen der Netzgestaltung, die auch im Rahmen eines "scorched-Node-Ansatzes" geboten seien, nicht zu. Mit dem gesetzlichen Bewertungsmaßstab sei es nicht vereinbar, in die Ermittlung der Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung, die u. a. unter Verwendung von Wiederbeschaffungspreisen und ökonomischen Nutzungsdauern erfolge, eine ohne jede Effizienzbetrachtung übernommene Ist-Struktur des vorhandenen Netzes der Beigeladenen einzubeziehen. Die Bewertung eines in Teilen bereits abgeschriebenen Netzes, das in dieser Form zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht mehr errichtet werden würde, und der gleichzeitige Verzicht auf wesentliche effizienzorientierte Modifizierungen führe zu Beträgen, die die Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung erheblich überschritten. Es seien die Wiederbeschaffungspreise und ökonomischen Nutzungsdauern mit effizienzbezogenen Korrekturen innerhalb der durch Hauptverteiler und Endverzweiger vorgegebenen Netztopologie zu verbinden. Dies sei anhand der Kostenunterlagen der Beigeladenen nicht leistbar.
Aufgrund der im Beschluss unter Ziffer 4.1.1 erörterten Mängel der von der Beigeladenen vorgelegten Kostenunterlagen erfolge die Bestimmung der maßgebenden Investitionswerte auf der Grundlage des vom wissenschaftlichen Institut für Infrastruktur und Kommunikationsdienste GmbH (WIK) im Auftrag der Regulierungsbehörde entwickelten "Analytischen Kostenmodells - Anschlussnetz 2.0". Die Berechnungen seien weitgehend nach der gleichen Vorgehensweise wie in dem vorausgegangenen TAL-Verfahren durchgeführt worden (siehe Beschluss BK 4a/b-05-004/E 17.02.05 vom 28.04.2005). Änderungen erfolgten lediglich im Hinblick auf die gebotene Aktualisierung von Eingabedaten.
Die frühere Klägerin P. GmbH hat am 03.05.2007 Klage erhoben. Die P. GmbH ist mit Gesellschafterbeschluss vom 26.05.2009 und Eintragung in das Handelsregister am 18.06.2009 auf die F. U1. GmbH - die Klägerin - zur Aufnahme verschmolzen worden.
Zur Klagebegründung macht die Klägerin unter anderem geltend:
Die genehmigten Entgelte entsprächen nicht dem Maßstab der Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung nach § 31 Abs. 1 Satz 1 TKG. Die Beklagte habe die Prüfung der Kapitalkosten für die Netzinfrastruktur und für die weiteren Kostenbestandteile des monatlichen Überlassungsentgelts fehlerhaft durchgeführt. Auch die von der Beklagten ergänzend durchgeführte Vergleichsmarktprüfung rechtfertige die Höhe des genehmigten Entgelts nicht. Die Entgelte verstießen außerdem gegen das Missbrauchsverbot nach § 28 Abs. 1 Satz 1 TKG.
Der überwiegende Anteil des genehmigten Entgelts von 10,50 EUR für die Standard-Zugangsvariante CuDA 2 Dr entfalle auf die Kapitalkosten für die Netzinfrastruktur. Diese beliefen sich nach der Berechnung der Beklagten auf 69 Prozent der Gesamtkosten. Die Beklagte habe die Kapitalkosten anhand der fiktiven Kosten eines heute neu errichteten Netzes ermittelt. Diese Kostenprüfung entspreche nicht dem Kostenmaßstab der effizienten Leistungsbereitstellung nach § 31 TKG. Die Beklagte habe ausdrücklich davon abgesehen, die Kosten anhand der Kostenunterlagen zu ermitteln und habe den durchschnittlichen Investitionswert einer Teilnehmeranschlussleitung anhand der Kosten eines heute neu errichteten Netzes ermittelt. Sie habe dabei, wie auch in den vorangegangen Entgeltgenehmigungen, auf das vom WIK entwickelte Kostenmodell für das Anschlussnetz - Referenzdokument 2.0 - zurückgegriffen. Dies sei fehlerhaft. Auf die Kosten eines neuen Netzes könne aber nur abgestellt werden, soweit die Gegenüberstellung mit dem vorhandenen Netz ergebe, dass die Leistung durch ein neues Netz oder neue Netzbestandteile kosteneffizienter erbracht werden könnte.
Die Klägerin beantragt,
den Beschluss der Bundesnetzagentur vom 30.03.2007 (BK 4b-07-001/E 19.01.07) aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verteidigt den angefochtenen Beschluss und trägt unter anderem vor, bei der Ermittlung der Kosten effizienter Leistungsbereitstellung stehe ihr ein Beurteilungsspielraum anerkanntermaßen zu. Nachdem sie die von der Beigeladenen vorgelegten Kostenunterlagen geprüft, bewertet und entschieden habe, den Entgeltantrag trotz Unvollständigkeit der Kostenunterlagen nicht vollständig abzulehnen, habe sie den ihr zustehenden Beurteilungsspielraum rechtmäßig ausgefüllt und zunächst den Investitionswert bestimmt. Dazu habe sie unter Nutzung des WIK-Modells die durchschnittlichen Investitionen zur Schaffung einer TAL ermittelt.
Die Beigeladene beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung führt sie u. a. aus, die Berechnung der kalkulatorischen Kosten habe auf der Basis von Wiederbeschaffungswerten erfolgen können. Der Beklagten stehe im Rahmen der streitgegenständlichen Entgeltgenehmigung bei der Berechnung der kalkulatorischen Kosten ein Beurteilungsspielraum zu. Zu prüfen sei nur, ob die hergebrachten Kriterien, die für die Prüfung der Rechtmäßigkeit einer auf einer Beurteilungsermächtigung beruhenden Behördenentscheidung anzulegen sind, eingehalten worden seien und ob eine hinreichende Argumentation vorliege. Die Beklagte habe sich dabei als alternative Erkenntnisquelle auf das WIK-Kostenmodell stützen können.
Die Entgeltgenehmigung sei auch hinreichend begründet. Die Beklagte habe bezüglich der für die Verwendung des konkreten Kostenmodells streitenden Gründe konkret auf die dem verfahrensgegenständlichen Beschluss vorhergehende Entgeltgenehmigung verwiesen. Dieser setze sich auf Blatt 17 des Abdrucks ausreichend mit der Frage auseinander, ob die kalkulatorischen Kosten auf der Basis historischer Kosten oder von Bruttowiederbeschaffungswerten zu ermitteln seien.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge ergänzend Bezug genommen.
Gründe
Die Kammer kann gemäß § 101 Abs. 2 VwGO im Einverständnis mit den Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
Die Klage ist zulässig und begründet.
Die Klägerin ist gemäß § 42 Abs. 2 VwGO klagebefugt, da sie geltend machen kann, durch den angefochtenen Bescheid möglicherweise in eigenen Rechten verletzt zu sein. Die in Rede stehende Entgeltgenehmigung gestaltet gemäß § 37 Abs. 2 TKG in der zum Zeitpunkt der Behördenentscheidung anzuwendenden Fassung,
vgl. BVerwG, Urteil vom 25.04.2001 - 6 C 6.00 - BVerwGE 114, 160 (166 ff.); Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Beschlüsse vom 27.05.2004 - 13 A 1699/02 und 13 A 1701/02 -,
vom 18.02.2007 unmittelbar die zwischen der Klägerin und der Beigeladenen bestehende privatrechtliche Vereinbarung über die Gewährung des Zugangs zu den Teilnehmeranschlussleitungen der Beigeladenen, so dass das vom Grundgesetz gewährleistete Recht verletzt sein kann, den Inhalt von vertraglichen Vereinbarungen mit der Gegenseite frei von staatlichen Bindungen auszuhandeln,
vgl. BVerwG, Beschluss vom 13.12.2006 - 6 C 23.05 -, Buchholz 442.066 § 24 TKG Nr. 2, Rn. 15.
Dabei geht die Kammer mangels anderweitigen Vortrags davon aus, dass die Klägerin sämtliche Produkte, für die in dem angefochtenen Beschluss Entgelte festgesetzt worden sind, im Genehmigungszeitraum in Anspruch genommen hat.
Unter diesen Umständen kann auf sich beruhen, ob sich die Klagebefugnis bei gemeinschaftsrechtskonformer Auslegung des § 42 Abs. 2 VwGO auf solche potenziell Betroffenen erstreckt, die noch keine Vertragsbeziehungen eingegangen sind,
so: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH), Urteil vom 24.04.2008, C-55/06 , Rn.177 (http://curia.europa.eu/jurisp/).
Die Klage ist auch begründet. Die Genehmigung von monatlichen Entgelten für die Überlassung des Zugangs zur Teilnehmeranschlussleitung im Beschluss vom 30.03.2007 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Die Rechtmäßigkeit der angegriffenen Entgeltgenehmigung beurteilt sich nach § 35 Abs. 3 Satz 1 TKG. Nach dieser Vorschrift, die hier in der im Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Beschlusses geltenden Fassung des Gesetzes zur Änderung telekommunikationsrechtlicher Vorschriften vom 18.02.2007 (BGBl. I, 106) anzuwenden ist, ist die Genehmigung ganz oder teilweise zu erteilen, soweit die Entgelte den Anforderungen der §§ 28 und 31 TKG nach Maßgabe des § 35 Abs. 2 TKG entsprechen und keine Versagungsgründe nach § 35 Abs. 3 Satz 2 oder 3 TKG vorliegen. Die hier streitigen, aufgrund der Regulierungsverfügung der Bundesnetzagentur vom 20.04.2005 nach Maßgabe des § 30 Abs. 1 Satz 1 TKG genehmigungsbedürftigen Entgelte sind nach § 31 Abs. 1 Satz 1 TKG genehmigungsfähig, wenn sie die Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung nicht überschreiten. Die Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung ergeben sich nach § 31 Abs. 2 Satz 1 TKG aus den langfristigen zusätzlichen Kosten der Leistungsbereitstellung und einem angemessenen Zuschlag für leistungsmengenneutrale Gemeinkosten, einschließlich einer angemessenen Verzinsung des eingesetzten Kapitals, soweit diese Kosten jeweils für die Leistungsbereitstellung notwendig sind.
Die im angefochtenen Beschluss ausgesprochene Genehmigung der hier noch streitigen Entgelte genügt diesen rechtlichen Vorgaben nicht.
Ob die vorliegend genehmigten Entgelte die Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung nicht überschreiten, hängt u.a. von dem Wert des Anlagevermögens ab, das zur Herstellung der Netzinfrastruktur erforderlich ist, um die den Gegenstand der Entgeltgenehmigung bildenden Verbindungsleistungen (effizient) bereitzustellen. Denn zum einen ist der Wert des Anlagevermögens für die Ermittlung der langfristigen zusätzlichen Kosten der Leistungsbereitstellung von Belang, weil durch das Merkmal "langfristig" vorgegeben ist, den tatsächlichen Wertverlust (als Abschreibungen), dem die Anlagegüter über ihre Nutzungsdauer unterliegen, zu erfassen und zu berücksichtigen. Zum anderen ist der Wert des Anlagevermögens für die Festlegung der angemessenen Verzinsung des eingesetzten Kapitals von entscheidender Bedeutung; mit diesem Bestandteil der Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung sollen nämlich die Einkünfte des regulierten Unternehmens Berücksichtigung finden, die erzielt worden wären, wenn das eingesetzte Kapital nicht in die Anlagegüter investiert worden wäre, die zur Erbringung der hier in Rede stehenden Verbindungsleistungen erforderlich sind.
Vgl. zu diesem Zusammenhang: BVerwG, Urteil vom 23.11.2011 - 6 C 11.10 -.
Der Wert des für die Leistungserbringung erforderlichen Anlagevermögens als Grundlage für die Ermittlung von Zinsen und Abschreibungen kann auf unterschiedliche Weise berechnet werden. Es können die Kosten zugrunde gelegt werden, die der Netzbetreiber für die Herstellung und Anschaffung des vorhandenen Anlagevermögens seinerzeit aufgebracht hat, vermindert um die seither vorgenommenen Abschreibungen ("historische" Kosten). Es können aber auch die Kosten zugrunde gelegt werden, die im jeweiligen Bewertungszeitpunkt nach aktuellen Tagespreisen für die Wiederbeschaffung des Anlagevermögens aufzuwenden sind (Wiederbeschaffungswert). Insoweit kann weiter danach unterschieden werden, ob von dem Wiederbeschaffungswert die Abschreibungen abgezogen werden, die auf das Anlagevermögen (im Bewertungszeitpunkt) bereits vorgenommen worden sind (Nettowiederbeschaffungswert), oder ob der Wiederbeschaffungswert ohne diesen Abzug angesetzt wird (Bruttowiederbeschaffungswert). Bei dem Wiederbeschaffungswert kann weiterhin danach unterschieden werden, ob er auf das tatsächlich vorhandene Netz oder auf ein Netz gleicher Funktion bezogen wird, wie es zum Bewertungszeitpunkt nach dem Stand der Technik effizient aufgebaut würde.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 23.11.2011 - 6 C 11.10 -.
Die dargestellten Vorgehensweisen können zu beträchtlichen Unterschieden bei der Ermittlung des Wertes des Anlagevermögens führen und damit die Höhe der berücksichtigungsfähigen Kosten der Leistungsbereitstellung, von denen die Genehmigungsfähigkeit der Entgelte abhängt, entscheidend beeinflussen. Die jeweilige Höhe der genehmigten Entgelte ihrerseits wirkt sich in jeweils unterschiedlicher Weise und unterschiedlicher Intensität auf die Verwirklichung der Ziele der Entgeltregulierung aus. So birgt die Berücksichtigung ausschließlich der ursprünglichen Anschaffungs- und Herstellungskosten abzüglich inzwischen getätigter Abschreibungen die Gefahr einer Beeinträchtigung des Ziels, es dem regulierten Unternehmen zu ermöglichen, seine Kosten zu decken und zugleich einen angemessenen Gewinn zu erzielen, damit die langfristige Entwicklung und Verbesserung der Netzinfrastruktur gesichert ist und effiziente Infrastrukturinvestitionen gefördert und Innovationen unterstützt werden (§ 2 Abs. 2 Nr. 3 TKG). Denn eine ausschließlich die historischen Kosten berücksichtigende Berechnung würde bei einem weitgehend abgeschriebenen Netz zu einem niedrigen Kostenniveau und damit zu einem geringen Entgelt führen mit der Folge, dass dem regulierten Unternehmen kein angemessener Gewinn verbleibt, der einen hinreichenden Anreiz für Infrastrukturinvestitionen und Innovationen bietet. Würde man demgegenüber allein Wiederbeschaffungskosten in Ansatz bringen, führte dies regelmäßig zu höheren berücksichtigungsfähigen Kosten. Mit den auf einer solchen Grundlage genehmigten Entgelten würden die Bedingungen für die Verwirklichung des Ziels, Infrastrukturinvestitionen zu fördern und Innovationen zu unterstützen, günstig gestaltet. Eine Bewertung des Anlagevermögens ausschließlich auf der Grundlage von Wiederbeschaffungskosten kann aber auch mit dem Nachteil verbunden sein, dass der marktmächtige Netzbetreiber die Möglichkeit hätte, diejenigen Kosten zu wählen, die es ihm erlaubten, die Preise auf dem höchsten Niveau festzusetzen und die für die Nutzer vorteilhaften Preisbildungselemente außer Acht zu lassen.
Vgl. zu den Auswirkungen der unterschiedlichen Ermittlungsmethoden auf die Regulierungsziele für den Bereich des Zugangs zur Teilnehmeranschlussleitung: BVerwG, Urteil vom 23.11.2011 - 6 C 11.10 -unter Bezugnahme auf EuGH, Urteil vom 24.04.2008 - C-55/06 -, Slg. 2008, I-2931.
Bei der Auswahl der genannten Methoden zur Bestimmung des Wertes des Anlagevermögens ist der Bundesnetzagentur ein Beurteilungsspielraum zugewiesen, dessen Ausfüllung eine Bewertung der Vor- und Nachteile der jeweiligen Methoden für die Erreichung der mit der Entgeltregulierung verfolgten Ziele erfordert. Dies setzt eine Prüfung und Abwägung dazu voraus, welche der verfügbaren Methoden dem Ziel der Wahrung der Nutzer-, insbesondere der Verbraucherinteressen, dem Ziel der Sicherstellung eines chancengleichen und nachhaltigen Wettbewerbs sowie dem Ziel, effiziente Infrastrukturinvestitionen zu fördern und Innovationen zu unterstützen, am ehesten gerecht wird.
Vgl. ähnlich zur Genehmigung von Entgelten für die Überlassung von Teilnehmeranschlüssen nach Art. 3 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 2887/2000 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18.12.2000 über den entbündelten Zugang zum Teilnehmeranschluss - TAL-VO - (ABl. Nr. L 336 vom 30.12.2000 S. 4) bzw. nach § 24 Abs. 1 Satz 1 TKG 1996: BVerwG, Urteil vom 23.11.2011 - 6 C 11.10 -.
Soweit § 31 Abs. 1 Satz 1 TKG als die die unmittelbare Rechtsgrundlage des angefochtenen Beschlusses bildende Vorschrift bestimmt, dass Entgelte genehmigungsfähig sind, wenn sie die Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung "nicht überschreiten", widerspricht dies nicht dem Bestehen eines eine Abwägung im oben genannten Sinne erfordernden Beurteilungsspielraums. Zwar gibt § 31 Abs. 1 Satz 1 TKG abweichend von der Vorgängervorschrift des § 24 Abs. 1 Satz 1 TKG 1996 (Entgelte haben sich an den Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung "zu orientieren") nunmehr mit dem Merkmal "nicht überschreiten" eine feste Obergrenze für die Genehmigungsfähigkeit von Entgelten vor. Diese Obergrenze stellt den Maßstab für die Genehmigungsfähigkeit dar; sie schränkt indessen nicht den Entscheidungsspielraum der Regulierungsbehörde bei der Auswahl der im Hinblick auf die Ziele der Entgeltregulierung am besten geeignet erscheinenden Methoden zur Bestimmung einzelner bei der Ermittlung der Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung zu berücksichtigender Berechnungsgrundlagen ein.
§ 31 Abs. 1 Satz 1 TKG ist daher dahin auszulegen, dass der Bundesnetzagentur bei der Auswahl der Verfahren bzw. Methoden, die für die Ermittlung des Wertes des Anlagevermögens im Rahmen der Bestimmung der Kosten der effizienten Bereitstellung der hier in Rede stehenden Verbindungsleistungen anzuwenden sind, ein Beurteilungsspielraum in dem vorgenannten Sinne zugewiesen ist. Neben den hergebrachten Kriterien, die für die Prüfung der Rechtmäßigkeit einer auf einer Beurteilungsermächtigung beruhenden Behördenentscheidung anzulegen sind, ist in Fällen der vorliegenden Art, die wegen der unionsrechtlich vorgegebenen Abwägung widerstreitender Regulierungsziele eine besondere Nähe zum Regulierungsermessen aufweisen, darüber hinaus (jedenfalls) auch die eigentliche Bewertung der Behörde darauf zu prüfen, ob sie im Hinblick auf die Kriterien, die in der Rechtsnorm ausdrücklich hervorgehoben oder doch in ihr angelegt sind, plausibel und erschöpfend argumentiert hat.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 23.11.2011 - 6 C 11.10 -, zuletzt BVerwG, Urteil vom 25.09.2013 - 6 C 17.12 -.
Diesen Anforderungen genügt der angefochtene Beschluss nicht.
Die Beklagte hat die Ermittlung des Investitionswerts auf das sog. WIK-Anschlussnetzmodell gestützt und damit die Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung aus dem Blickwinkel der "Wiederbeschaffungswerte" beurteilt. Eine methodische Auseinandersetzung mit historischen Kosten im Sinne einer Bewertung der Vor- und Nachteile der einen oder anderen Betrachtungsweise für die Erreichung der Regulierungsziele findet in dem angefochtenen Beschluss nicht erkennbar statt. Insoweit bedürfte es der Abwägung und Prüfung, welcher Kostenmaßstab beispielsweise den Nutzerinteressen, dem Ziel der Sicherstellung eines chancengleichen Wettbewerbs sowie dem Ziel, effiziente Infrastrukturinvestitionen und Innovationen sicherzustellen, jeweils am ehesten gerecht wird. Soweit die Beklagte ausführt, sie habe in dem angefochtenen Beschluss auf die vorhergehende Entgeltgenehmigung Bk 4a/b-05-004/E 17.02.05 vom 28.05.2005 verwiesen, in dem sich hinreichend mit der Frage auseinandergesetzt worden sei, ob die kalkulatorischen Kosten auf Basis historischer Kosten oder auf Basis von Wiederbeschaffungskosten zu ermitteln seien, hat die Kammer mit Urteil vom 30.08.2012 - 1 K 3105/05 u. a. - den Beschluss u. a. aufgrund der beurteilungsfehlerhaften Bewertung des Anlagevermögens teilweise aufgehoben.
Die Klägerin wird durch die Rechtswidrigkeit der Entgeltgenehmigung schließlich in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Es besteht die Möglichkeit, dass eine fehlerfreie Ermittlung des Investitionswertes zu niedrigeren Entgelten geführt hätte. Ob die von der Klägerin weiter erhobenen Einwände gegen die Rechtmäßigkeit der Genehmigung ebenfalls zu einer Rechtswidrigkeit führen würden, bedarf insofern keiner weiteren Prüfung.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1 und 3, 159 Satz 1 VwGO, § 100 Abs. 1 ZPO. Die Beigeladene war an den Kosten zu beteiligen, weil sie einen Klageabweisungsantrag gestellt hat.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i. V. m. § 709 ZPO.
Die Revision war gemäß §§ 135, 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen.
VG Köln:
Urteil v. 12.12.2013
Az: 1 K 1795/07
Link zum Urteil:
https://www.admody.com/gerichtsentscheidung/aefb789118a2/VG-Koeln_Urteil_vom_12-Dezember-2013_Az_1-K-1795-07