Landgericht Kleve:
Urteil vom 10. August 2007
Aktenzeichen: 8 O 2/07

(LG Kleve: Urteil v. 10.08.2007, Az.: 8 O 2/07)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Das Landgericht Kleve hat in einem Urteil vom 10. August 2007 (Aktenzeichen 8 O 2/07) entschieden, dass der Beklagten untersagt wird, ihre Zahnklinik als "Fachklinik für Kieferorthopädie" zu bezeichnen, wenn sie damit im geschäftlichen Verkehr konkurrierende Zwecke verfolgt. Bei Zuwiderhandlung wird ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000 € oder ersatzweise eine Ordnungshaft von bis zu 6 Monaten, zu vollstrecken am Geschäftsführer der Beklagten, festgesetzt. Zudem wird die Beklagte verurteilt, den Klägern 594,73 € zu zahlen. Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Zwangsvollstreckung kann gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des vollstreckbaren Betrages abgewendet werden, sofern die Kläger nicht vorher Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Im Tatbestand wird ausgeführt, dass die Kläger und die Beklagte kieferorthopädische zahnärztliche Leistungen anbieten. Die Kläger argumentieren, dass es der Beklagten nicht erlaubt sein sollte, ihre Klinik als "Fachklinik für Kieferorthopädie" zu bezeichnen, da dies irreführend sei und den potentiellen Patienten den Eindruck vermitteln würde, dass dort hauptsächlich oder ausschließlich Fachzahnärzte für Kieferorthopädie arbeiten. Die Kläger fordern neben dem Unterlassungsanspruch auch den Ersatz ihrer vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten.

Die Beklagte hingegen behauptet, dass die Bezeichnung "Fachklinik für Kieferorthopädie" keine irreführende Angabe über ihre geschäftlichen Verhältnisse sei. Sie betont, dass sie als Privatklinik mit Konzession nach § 30 Gewerbeordnung tätig sei und in den Bereichen Implantologie, Zahnästhetik und Kieferorthopädie hochqualifiziert sei. Die Beklagte argumentiert, dass sie berechtigt sei, darauf hinzuweisen, dass sie sich auf zahnärztliche Fachgebiete konzentriere, indem sie sich als Fachklinik für Kieferorthopädie bezeichne.

Das Gericht entscheidet, dass die Bezeichnung der Zahnklinik der Beklagten als "Fachklinik für Kieferorthopädie" irreführend sei und somit nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb unzulässig sei. Die Bezeichnung suggeriere dem potentiellen Patienten fachliche Qualifikationen, die das medizinische Personal der Beklagten nicht habe. Die Kammer betont, dass durch die Bezeichnung "Fachklinik für..." das Vertrauen der Patienten gewonnen und ihre Nachfrage angeregt werde. Den Patienten sei zu Recht wichtig, von spezialisierten Fachärzten behandelt zu werden und nicht von Ärzten, die keine formale Qualifikation aufweisen können. Die Beurteilung der Qualität der Leistungen sei für den Patienten in der Regel nicht möglich, weshalb er sich darauf verlasse, dass er in einer Fachklinik qualifizierte Leistungen erhält. Da die Beklagte diese Erwartungen nicht erfüllt, täuscht sie potentielle Patienten.

Die Beklagte könne sich auch nicht auf die Zusatzausbildung ihrer Zahnärztin oder die Zusammenarbeit mit einem ausländischen Zahnarzt berufen, da dies nicht ausreiche, um sich als Fachklinik für Kieferorthopädie zu bezeichnen. Die Bezeichnung "Fachklinik für Kieferorthopädie" sei weiterhin irreführend, unabhängig von der fachlichen Kompetenz des Personals.

Die Kläger haben außerdem Anspruch auf Ersatz ihrer vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 594,73 €.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt und das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

LG Kleve: Urteil v. 10.08.2007, Az: 8 O 2/07


Tenor

Der Beklagten wird bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu vollstrecken an ihrem Geschäftsführer, untersagt, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken die von ihr betriebene Zahnklinik als „Fachklinik für Kieferorthopädie" zu bezeichnen.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger 594,73 € zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des aus diesem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Kläger vor Vollstreckung in vorgenannter Höhe Sicherheit leisten.

Tatbestand

Kläger und Beklagte bieten kieferorthopädische zahnärztliche Leistungen an, die Kläger/innen in N, die Beklagte in der benachbarten Stadt Z1. Sie bezeichnet sich, u.a. auch in Werbeanzeigen, als "Fachklinik für Kieferorthopädie". Anders als die drei Kläger/Klägerinnen ist keine(r) der bei der Beklagten tätigen Ärzte/Ärztinnen berechtigt, die Berufsbezeichnung "Fachzahnarzt/Fachzahnärztin für Kieferorthopädie" zu führen.

Die Kläger/innen sind der Ansicht, es sei der Beklagten nicht gestattet, ihre Klinik als "Fachklinik für Kieferorthopädie" zu bezeichnen, denn diese Bezeichnung sei irreführend, weil sie bei potentiellen Patienten den Eindruck erwecke, dort seien nahezu ausschließlich, mindestens aber ganz überwiegend, Fachzahnärzte für Kieferorthopädie tätig.

Mit dem als weiteren Klageantrag geltend gemachten Zahlungsanspruch fordern die Kläger den Ersatz der auf die Kosten dieses Rechtsstreits nicht anrechnungsfähigen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten nach einem Gegenstandswert von 30.000 € für ihre vorprozessual an die Beklagte gerichtete anwaltliche Unterlassungsaufforderung.

Die Kläger/innen beantragen,

1. der Beklagten bei Meidung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu vollstrecken an ihrem Geschäftsführer, zu untersagen, die von ihr betriebene Zahnklinik als "Fachklinik für Kieferorthopädie"zu bezeichnen;

2. die Beklagte zu verurteilen, an sie 594,73 € zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Ansicht, die Bezeichnung "Fachklinik für Kieferorthopädie" enthalte keine irreführende Angabe über die geschäftlichen Verhältnisse der von ihr betriebenen Klinik. Tatsächlich, so trägt sie vor, betreibe sie eine nach § 30 Gewerbeordnung als Privatkrankenanstalt konzessionierte Klinik mit den Schwerpunkten lmplantologie, Zahnästhetik und Kieferorthopädie und sei auch im Bereich Kieferorthopädie sowohl sachlich als auch personell bestens und hochqualifiziert ausgestattet. Sie vertritt die Auffassung, da sie nicht Leistungen der allgemeinen Zahnheilkunde anbiete, sondern sich auf zahnärztliche Fachgebiete konzentriere, sei sie zu einem entsprechenden Hinweis berechtigt; dies geschehe, indem sie sich wahrheitsgemäß als Fachklinik für Kieferorthopädie bezeichne.

Keineswegs, so trägt die Beklagte weiter vor, würden die in der Klinik behandelten Patienten in ihren Erwartungshaltungen enttäuscht, denn sie würden dort von ausgewiesenen Fachleuten kieferorthopädisch behandelt. So sei die in der Klinik tätige Zahnärztin, Frau Dr. V T, seit fast 30 Jahren nahezu ausschließlich auf dem Gebiet der Kieferorthopädie tätig und Frau Dr. K T habe die Postgraduierung als "Master of Science für Kieferorthopädie" erworben. Darüber hinaus arbeite man seit dem Jahr 2003 auch mit Prof. Dr. H aus S, , einem international anerkannten Fachmann für kieferorthopädische Behandlungen zusammen, mit dem man komplexe Behandlungen plane und durchführe.

Auch sei, so meint die Beklagte, nicht zu befürchten, die angesprochenen Verkehrskreise könnten die Bezeichnung "Fachklinik für Kieferorthopädie" mit der Fachgebietsbezeichnung "Fachzahnarzt für Kieferorthopädie" verwechseln, denn durch die Firmierung als institutionelle Einrichtung grenze sie sich von der an die Person eines Arztes gebundene Fachzahnarztbezeichnung ab. Die Bezeichnung "Fachklinik für Kieferorthopädie sei nicht mehr als der Hinweis auf einen entsprechenden erlaubnisfrei zulässigen Tätigkeitsschwerpunkt.

Wegen weiterer Einzelheiten der Rechtsausführungen der Parteien wird auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist in vollem Umfang begründet.

Der Klageantrag zu 1 ist zulässig. Die Kläger sind gemäß § 8 Abs. III Nr. 1 UWG klagebefugt, stehen die Parteien doch als in benachbarten Gemeinden tätige Anbieter zahnärztlicher, insbesondere kieferorthopädischer Leistungen in konkretem räumlichen und sachlichen Wettbewerb zueinander (Mitbewerber).

Der mit dem Verbotsantrag geltend gemachte Anspruch folgt aus §§ 3, 5 Abs. II Nr. 3, 8 Abs. I, Abs. III Nr. 1 UWG.

Die Bezeichnung der Zahnklinik der Beklagten als "Fachklinik für Kieferorthopädie" ist irreführend im Sinne des § 5 Abs. II Nr. 3 UWG und daher gemäß § 3 UWG unzulässig, denn sie enthält eine irreführende Angabe über fachliche Qualifizierung der von ihr angebotenen kieferorthopädischen Behandlung. Diese steht nämlich in unmittelbarem Zusammenhang mit der medizinischen Qualifikation ihrer ärztlichen Mitarbeiter. Wirbt die beklagte Gesellschaft mit medizinischer Qualifizierung, die eine formale Qualifikation erfordert, über die keiner ihrer ärztlichen Mitarbeiter verfügt, so täuscht sie potentielle Patienten sowohl über deren Qualifikation, als auch über die Qualifizierung ihrer Leistungen, unabhängig von deren Qualität.

Die Bezeichnung "Fachklinik für …" hat zum Ziele, das Vertrauen potentieller Patienten zu gewinnen und ihre Nachfrageentscheidung anzuregen. Dieses Vertrauen ist gegründet auf der Erwartung der Patienten, in einer solchen Klinik "fachärztliche" Leistungen zu erhalten. Fachgerechte ärztliche Leistungen erwartet der Patient in aller Regel von einem Arzt, in dessen Behandlung er sich begibt, würde er doch ansonsten diesen Arzt meiden. In einer Fachklinik erwartet er hingegen nicht Leistungen von Ärzten, denen er aus eigener möglicherweise auch mittelbarer Beurteilung vertraut, sondern von Ärzten, die ihre spezielle Fachkenntnis und Befähigung nach den dafür geltenden gesetzlichen Regeln erworben und nachgewiesen haben und denen er aus diesem Grunde Vertrauen schenken zu dürfen glaubt.

Auch die Mitglieder der erkennenden Kammer gehörten als potentielle Patienten und Marktteilnehmer zu dem vom Auftritt der Beklagten am Markte angesprochenen Bevölkerungsteil. Für sie ist es übereinstimmend ohne jeden Zweifel selbstverständlich, dass sie, begäben sie sich in eine Fachklinik für Kieferorthopädie, erwarteten, dort zumindest unter maßgeblichem Einfluss von Fachzahnärzten für Kieferorthopädie behandelt zu werden. Da die Mitglieder der Kammer hinsichtlich der Erkenntnisse, die diese Erwartung begründen, keine vom Durchschnitt der Bevölkerung abweichende Sonderstellung einnehmen, ist die Kammer aus eigener Kenntnis in der Lage zu beurteilen, dass zumindest ein nicht unerheblicher Teil der vom Auftritt der Beklagten am Markte angesprochenen potentiellen Patienten solche Erwartungen hegt.

Der von der Beklagten angestellte Vergleich ihrer fachlichen Leistungen mit denen der Kläger/innen ist obsolet. Der durchschnittlich informierte potentielle Patient ist bei seiner Entscheidung, eine kieferorthopädische Behandlung von dem einen, nicht aber von dem anderen Zahnarzt durchführen zu lassen, auf einfache, allgemein zugängliche Beurteilungsmaßstäbe angewiesen. Die Frage, ob die Qualität der Leistungen eines Zahnarztes besser ist als die eines anderen, gehört mangels dem Patienten zur Verfügung stehender zuverlässiger Beurteilungskriterien nicht dazu. Daher verlässt er sich in aller Regel darauf, bei der Behandlung in einer "Fachklinik für Kieferorthopädie" besonders qualifizierte Leistungen zu erhalten. Das einer solchen Wahl zu Grunde liegende Beurteilungskriterium zu erfüllen, gibt die Beklagte vor, ohne es indes zu erfüllen - auch wenn ihre kieferorthopädischen Leistungen zu den Spitzenleistungen ihrer Art zählen mögen.

Eine abweichende Beurteilung ergibt sich auch nicht daraus, dass die bei der Beklagten tätige Zahnärztin, Frau Dr. med. dent. K T, in einer Zusatzausbildung den Titel des "Master of Science Kieferorthopädie" erworben hat. Auch dieser Umstand berechtigt die Beklagte nicht, sich als "Fachklinik für Kieferorthopädie" zu bezeichnen. Es ist der Zahnärztin nämlich nicht erlaubt, den Titel "Master of Science Kieferorthopädie" zu Zwecken des Wettbewerbs in Deutschland zu führen. Die Kammer nimmt insoweit Bezug auf ihre gleichzeitig mit diesem Urteil verkündete Entscheidung in dem Parallelrechtsstreit 8 O 3/07 LG Kleve, die den Parteien bekannt ist. Darf die Zahnärztin den von ihr erworbenen Titel "Master of Science Kieferorthopädie" nicht zu Wettbewerbszwecken führen, so darf auch die Beklagte den Umstand, dass ihre zahnärztliche Mitarbeiterin diesen Titel erworben hat, nicht dazu nutzen, sich im Wettbewerb als "Fachklinik für Kieferorthopädie" zu bezeichnen.

Auch der Umstand, dass die bei der Beklagten tätige Zahnärztin Dr. med. dent. V T langjährig überwiegend in der Kieferorthopädie tätig ist und daher dieses Fachgebiet als Tätigkeitsschwerpunkt mag anführen dürfen, führt zu keiner anderen Beurteilung. Die Tätigkeit einer Zahnärztin mit dem "Tätigkeitsschwerpunkt Kieferorthopädie" gehört nach den Ausführungen oben nicht zu den Voraussetzungen, unter denen die Beklagte den Eindruck erwecken darf, sie biete Leistungen durch Fachzahnärzte für Kieferorthopädie an.

Dasselbe gilt hinsichtlich der Mitwirkung eines ausländischen Zahnarztes in der Klinik der Beklagten, der nicht in Deutschland zugelassener "Fachzahnarzt für Kieferorthopädie" ist, unabhängig von dessen fachlicher Kompetenz.

Die Erheblichkeit der Beeinträchtigung des Marktgeschehens dieser Werbung zum Nachteil der angesprochenen Verkehrskreise (§ 3 UWG) ergibt sich zumindest auch aus der Intention der gesetzlichen Facharztregeln des Heilberufegesetzes NW. Diese dienen der Sicherstellung der Versorgung der Bevölkerung mit Fachärzten, die, entsprechend gesetzlicher Regelung, umfassend ausgebildet sind und von einem durch Gesetz bestimmten Gremium nach einheitlichem Maßstab geprüft (§ 39 HeilberufeG NW) die Gewähr für die vom Patienten erwartete besondere Fachkompetenz bieten. Den Fachbereichsbezeichnungen kommt angesichts dessen in den Augen der Patienten besondere Aussagekraft zu. Das Führen von zahnärztlichen Fachbereichsbezeichnungen unter Missachtung dieser strengen gesetzlichen Regelungen kann daher zu Irrtümern und damit zu einer Verunsicherung der Patienten führen. Ein solcher Irrtum aber könnte das Vertrauen in den Arztberuf untergraben und langfristig negative Rückwirkungen auf die medizinische Versorgung der Bevölkerung haben. (vgl. auch BVerfG NJW 2001, 2788 ff. 2789 unter Bezugnahme auf BVerfG NJW 1992, 2341).

Die geltend gemachten vorgerichtlichen Mahnkosten 6,5/10 RVG-Gebühr nach einem Streitwert von 30.000 €, ferner + 20 € Auslagenpauschale sowie 16% Mehrwertsteuer auf die genannten Beträge stehen den Klägern/Klägerinnen gemäß §§ 286 Abs. I BGB, 13, 14 Nr. 2400 VV RVG, Vorbemerkung 3 IV VVRVG zu.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. I ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr.11, 711 ZPO.

Streitwert für den Klageantrag zu 1): 30.000 €.






LG Kleve:
Urteil v. 10.08.2007
Az: 8 O 2/07


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/gerichtsentscheidung/af4dd9596fe2/LG-Kleve_Urteil_vom_10-August-2007_Az_8-O-2-07




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