Bundespatentgericht:
Beschluss vom 12. April 2005
Aktenzeichen: 8 W (pat) 348/03
(BPatG: Beschluss v. 12.04.2005, Az.: 8 W (pat) 348/03)
Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung
Das Bundespatentgericht hat in seinem Beschluss vom 12. April 2005 (Aktenzeichen 8 W (pat) 348/03) entschieden, dass das Patent 197 37 162 in vollem Umfang aufrechterhalten wird.
Das Patent wurde am 26. August 1997 beim Patentamt angemeldet und am 22. Mai 2003 veröffentlicht. Gegen die Patenterteilung haben zwei Einsprechende Einspruch eingelegt. Sie argumentieren, dass der Gegenstand des Patents nicht patentfähig ist und stützen ihre Einspruchsbegründung auf verschiedene Druckschriften. Der Patentinhaber hält dagegen und beantragt die Aufrechterhaltung des Patents.
Das Gericht kommt zu dem Schluss, dass das Patent gegenüber dem Stand der Technik neu ist und auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht. Es handelt sich um eine Bohrschablone zum Bohren eines Brillenglases, die flexibel und plattenförmig ausgebildet ist. Das Patent beschreibt auch ein Verfahren zum Bohren eines Brillenglases mit dieser Schablone.
Die eingereichten Druckschriften zeigen entweder keine flexibel ausgebildete Halteeinrichtung oder weisen andere technische Merkmale auf, die nicht zur patentierten Lehre führen. Auch eine Kombination mehrerer Druckschriften führt nach Ansicht des Gerichts nicht zu der patentierten Lehre. Daher wird das Patent in vollem Umfang aufrechterhalten.
Die Entscheidung betrifft auch die Unteransprüche des Patents, die weitere Ausgestaltungen der Vorrichtung und des Verfahrens betreffen. Diese werden ebenfalls aufrechterhalten.
Im Auftrag von Kowalski Pagenberg Kuhn Hildebrandt Cl.
Die Gerichtsentscheidung im Volltext:
BPatG: Beschluss v. 12.04.2005, Az: 8 W (pat) 348/03
Tenor
Das Patent 197 37 162 wird in vollem Umfang aufrechterhalten.
Gründe
I Das Patent war am 26. August 1997 unter dem Aktenzeichen 197 37 162.0-14 beim Patentamt angemeldet worden; die Veröffentlichung der Patenterteilung erfolgte am 22. Mai 2003.
Gegen die Patenterteilung haben die M... GmbH in K...,
- Einsprechende I -
am 13. August 2003 und die R... GmbH in M...,
- Einsprechende II -
am 22. August 2003 Einspruch erhoben.
Die Einsprechenden sind der Auffassung, dass der Gegenstand des Patents nach §§ 1 und 5 PatG nicht patentfähig sei.
Die Einsprechenden stützen ihre Einspruchsbegründung auf folgende Druckschriften:
(1) DE 33 18 897 A1,
(2) DE 44 38 634 A1,
(3) CA 21 81 594,
(4) US 37 68 918,
(5) GB 646 034,
(6) DE 35 18 496 A1,
(7) US 31 08 500,
(8) DE 44 31 952 A1,
(9) US 41 78 116 und
(10) US 33 86 318.
Davon war die Druckschrift (1) bereits im Prüfungsverfahren in Betracht gezogen worden.
Die Einsprechenden beantragen, das Patent in vollem Umfang zu widerrufen.
Der Patentinhaber führt aus, dass der Patentgegenstand gegenüber dem aufgezeigten Stand der Technik patentfähig sei.
Der Patentinhaber beantragt, das Patent aufrecht zu erhalten.
II 1. Die form- und fristgerecht erhobenen Einsprüche sind substantiiert auf den Widerrufsgrund der fehlenden Patentfähigkeit gestützt und daher zulässig.
Sie sind jedoch nicht erfolgreich, da der Patentgegenstand gegenüber dem aufgezeigten Stand der Technik patentfähig ist.
2. Das Patent betrifft nach dem erteilten Patentanspruch 1 eine Bohrschablone zum Bohren eines Brillenglases, mit einer Halteeinrichtung (1), die zumindest eine Durchgangsöffnung (1a) mit einem Gewinde (5) aufweist, in das eine Hülse (2; 8) eingeschraubt ist, dadurch gekennzeichnet, dass die Halteeinrichtung (1) flexibel und plattenförmig ausgebildet ist.
Nach dem auf den Hauptanspruch rückbezogenen Verfahrensanspruch 19 betrifft das Patent ein Verfahren zum Bohren eines Brillenglases mit einer Bohrschablone nach einem oder mehreren der vorhergehenden Ansprüche, mit den folgenden Schritten:
- Aufeinanderlegen der Bohrschablone und des Brillenglases (3); - Ausrichten der Bohrschablone und des Brillenglases (3); - Fixieren der Bohrschablone und des Brillenglases (3) aneinander; - Bohren des Brillenglases (3) durch die Bohrung bzw. Bohrungen (4) der Hülse (2) der Bohrschablone.
Damit soll gemäß der in Absatz 0008 der Patentschrift angegebenen Aufgabe eine Bohrschablone für das Bohren eines Brillenglases geschaffen werden, welche eine sehr genaue Positionierung der Bohrungen erlaubt und welche zugleich einfach und kostengünstig herstellbar ist.
Wegen der Unteransprüche wird auf die Akte verwiesen.
3.1 Der unbestritten gewerblich anwendbare Gegenstand des Patentanspruchs 1 ist gegenüber dem angeführten Stand der Technik neu.
Während bei der Bohrschablone nach der DE 44 38 634 A1 die Halteeinrichtung keine Durchgangsöffnung aufweist, zeigt keine der übrigen Entgegenhaltungen eine Bohrschablone mit einer flexibel ausgebildeten Halteeinrichtung.
Dies gilt iS der patentierten Lehre insbesondere auch für die DE 33 18 897 A1, deren Gegenstand, eine Bohrlehre für Brillengläser, zwar hinsichtlich vielfältiger Brillenglasformen oder auch weiterer Anwendungszwecke "flexibel" einsetzbar sein mag. Nach dem Gesamtgehalt des erteilten Patents ist jedenfalls mit dem Begriff "flexibel" eindeutig die Materialeigenschaft der Halteeinrichtung gemeint, welche im Verständnis des Fachmanns ein relativ widerstandsarmes Nachgeben des Materials auf Verformkräfte iS einer elastischen oder (auch teil-)plastischen Verformung beinhaltet.
3.2 Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Wie der Patentinhaber in der mündlichen Verhandlung überzeugend dargelegt hat, ist ausschlaggebend für die zur Lösung der zugrunde liegenden Aufgabe im Patentanspruch 1 angegebene Lehre die flexible und plattenförmige Ausbildung der Halteeinrichtung. Diese muss einerseits hinreichend flexibel sein, um sich verschiedenen Wölbungsgraden unterschiedlicher Brillengläser anzupassen, andererseits aber eine ausreichende Dicke aufweisen, um die in die Durchgangsöffnung eingeschraubte Hülse beim Bohrvorgang in ihrer Ausrichtung zum Brillenglas sicher zu halten.
Die einzige Druckschrift, welche überhaupt eine flexible Schablone zum Bohren von Brillengläsern zeigt, ist die DE 44 38 634 A1. Diese Schablone ist nach dem dortigen Hauptanspruch auf das Brillenglas auflegbar und so ausgebildet, dass sie wenigstens in Teilbereichen auf dem Brillenglas lösbar haftet. Zur Positionierung der einzubringenden Bohrung(en) weist die Schablone eine oder mehrere Markierungen auf. Weiter kann die Schablone als flexible Folie ausgebildet sein und die Markierungen können mit einer Zentrierkörnung als Zentrierhilfe für einen angesetzten Bohrer versehen sein. Ein Hinweis darauf, zur gesicherten Führung des Bohrers eine Hülse vorzusehen, welche über ein Gewinde in einer Durchgangsöffnung der Schablone befestigt ist, und die Schablone dementsprechend plattenförmig auszubilden, ist dieser Entgegenhaltung nicht zu entnehmen. Der Durchschnittsfachmann, ein Optikermeister mit Erfahrung auf dem Gebiet der Befestigung randloser Brillengläser, wird in der Vorrichtung nach der DE 44 38 634 A1 vielmehr eine in sich fertige Lösung zur Positionierung und Zentrierung eines Bohrers zum Bohren eines Brillenglases sehen, die nicht zu einer Weiterentwicklung in Richtung der patentierten Lehre anregt.
Die einzige weitere Entgegenhaltung, die sich mit dem Bohren von Brillengläsern befasst, ist die DE 33 18 897 A1. Sie zeigt eine Bohrlehre zum Herstellen von Befestigungsbohrungen im Randbereich von Brillengläsern, welche den Brillenglasrand U-förmig übergreifende Vorsprünge mit einer Klemmvorrichtung und einer Bohrerführung aufweist. Als eine vorteilhafte Ausführungsform für die Klemmvorrichtung ist dort eine Klemmschraube beschrieben, welche über eine axiale Durchgangsbohrung die Bohrerführung mit übernimmt. Damit führt diese Druckschrift den Fachmann in eine gänzlich andere Richtung als sie mit dem Patentgegenstand beschritten wird.
Die Bohrhilfe nach der US 41 78 116 weist lediglich insoweit eine Gemeinsamkeit mit dem Gegenstand des angegriffenen Patentanspruchs 1 auf, als sie sich auf Bohrungen an einer Brille bezieht. Diese Druckschrift befasst sich jedoch mit der Befestigung der Brillenbügel über unterschiedliche Scharnierkonstruktionen am Brillenrahmen, wofür dort eine starre, an den Brillenrand anklemmbare Schablone mit einer Durchgangsöffnung als Bohrerführung vorgesehen ist. Eine Anregung zur Schaffung einer auf ein Brillenglas auflegbaren Bohrschablone mit einer flexiblen, plattenförmigen Halterung geht von diesem Stand der Technik nicht aus.
Von den übrigen Entgegenhaltungen befassen sich die US 37 68 918, die GB 646 034, die DE 35 18 496 A1 sowie die DE 44 31 952 A1 mit starren plattenförmigen Bohrschablonen für unterschiedliche Anwendungszwecke, wobei ein gemeinsamer Aspekt gerade in einer angestrebten Steifigkeit der Schablone liegt, um ein Verbiegen bzw. Verformen derselben beim Bearbeiten zu vermeiden. Weder ist dort ein Bezug auf das Bohren von Brillengläsern mit der speziellen Problematik einer gewölbten, kratzempfindlichen Oberfläche angesprochen noch geht aus diesem Stand der Technik ein Hinweis dazu hervor, die Schablone in Abkehr von dem dort gezeigten starren Prinzip flexibel auszuführen.
Die CA 21 81 594 , die US 31 08 500 und die US 33 86 318 schließlich gehen in ihrem Offenbarungsgehalt über den bisher abgehandelten Stand der Technik nicht hinaus, da sie lediglich Beispiele für verschiedene Ausführungen von Bohrbuchsen ohne konkreten Bezug auf eine zugehörige Bohrschablone aufzeigen. So ist etwa in der US 33 86 318 eine zangenartige Bohrerhalterung gezeigt, die durch ein Schraubklemmenprinzip an einem flächigen zu bohrenden Gegenstand fixierbar ist. Auch dieser Stand der Technik konnte somit den Gegenstand des Patentanspruchs 1 nicht nahelegen.
Es konnte bei der Gesamtwürdigung der Umstände auch nicht der Argumentation der Einsprechenden gefolgt werden, wonach der Fachmann in einer Zusammenschau mehrerer der zum Stand der Technik angeführten Entgegenhaltungen hinreichend Anregung zu einer Merkmalskombination gefunden haben könnte, die ohne erfinderische Tätigkeit zu der patentierten Lehre führte. So sind unter Berücksichtigung des hier zuständigen Durchschnittsfachmanns, wie er eingangs definiert wurde, als für diesen einschlägige Druckschriften lediglich die DE 44 38 634 A1 und die DE 33 18 897 A1 zu betrachten, die sich mit dem Bohren von Brillengläsern befassen. Eine etwaige Kombination der Lehren aus diesen Entgegenhaltungen kann aber schon deswegen ausgeschlossen werden, weil diese technisch unvereinbare Prinzipien aufzeigen, nämlich eine flächig auf ein Brillenglas auflegbare Folie einerseits (DE 44 38 634 A1) und eine punktuell durch Schraubklemmen an einem Brillenglas fixierbare Bohrhülse andererseits (DE 33 18 897 A1).
Selbst wenn der Fachmann sich auf dem durch die weiteren Entgegenhaltungen abgedeckten Feld der Bohrschablonen bzw. Bohrerführungen umgesehen hätte, fehlt dort, wie zu den Druckschriften im einzelnen ausgeführt, jeglicher Hinweis auf eine Eignung dieser Mittel zur Halterung einer Hülse in einer flexiblen, plattenförmigen Schablone zum Bohren von Brillengläsern.
Der Patentanspruch 1 ist daher bestandsfähig.
4. Der auf ein Verfahren zum Bohren eines Brillenglases gerichtete Patentanspruch 19 beinhaltet aufgrund seiner Rückbeziehung auf den Patentanspruch 1 auch dessen Merkmalskombination. Nachdem diese wie unter Punkt 3.1 und 3.2 begründet, patentfähig ist, gilt dies auch für den Gegenstand des Patentanspruchs 19, dem lediglich verfahrensmäßige Merkmale iS einer Anwendungsvorschrift für die mit dem Hauptanspruch beanspruchte Vorrichtung hinzugefügt sind.
Auch der Patentanspruch 19 ist somit bestandsfähig.
5. Mit den Patentansprüchen 1 und 19 sind auch die hierauf rückbezogenen Unteransprüche 2 bis 18 und 20 bis 26 bestandsfähig, da sie auf nicht platt selbstverständliche Ausgestaltungen der Vorrichtung bzw. des Verfahrens gerichtet sind, auf welche(s) sie Bezug nehmen.
Kowalski Pagenberg Kuhn Hildebrandt Cl
BPatG:
Beschluss v. 12.04.2005
Az: 8 W (pat) 348/03
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