Landgericht Paderborn:
Urteil vom 27. April 2004
Aktenzeichen: 2 O 583/03
(LG Paderborn: Urteil v. 27.04.2004, Az.: 2 O 583/03)
Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung
Das Landgericht Paderborn hat mit Urteil vom 27. April 2004 (Aktenzeichen 2 O 583/03) die Klage abgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits wurden der Klägerin auferlegt. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Im Tatbestand wird beschrieben, dass die Klägerin eine Rechtsanwaltskanzlei ist und die Beklagte Windkraftanlagen errichtet. Die Beklagte hatte die Klägerin damit beauftragt, sie außergerichtlich bei der Errichtung von Windkraftanlagen gegenüber den Behörden zu vertreten. Hierzu schlossen sie eine Honorarvereinbarung. Diese sah vor, dass die Klägerin für ihre Tätigkeit eine Vergütung nach Zeitaufwand erhält. Es war auch geregelt, welche Stundensätze abgerechnet werden sollen und wie die Arbeitsnachweise erfolgen sollen. Die Auslagen sollten gesondert erstattet werden. Jedoch enthielt die Vereinbarung auch den Satz, dass der Ausgang des Verfahrens keinen Einfluss auf die Höhe des Honorars hat und dass im Falle des Obsiegens nur die gesetzlichen Gebühren erstattet werden.
Nach Beendigung der Mandate rechnete die Klägerin die Leistungen teilweise nach den vereinbarten Stundensätzen ab. Später rechnete die Klägerin die Mandate komplett nach den Gebührensätzen der Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung ab und verlangte die Zahlung entsprechender Rechnungen. Die Klägerin berief sich dabei auf den letzten Satz der Honorarvereinbarung.
Die Beklagte war jedoch der Meinung, dass der letzte Satz der Vereinbarung unwirksam sei, da es sich um eine ungewöhnliche und überraschende Klausel handle. Auch sei es ihr Wille gewesen, eine Vergütung nach Zeitaufwand zu vereinbaren, da es bei der Errichtung von Windkraftanlagen oft um hohe Streitwerte gehe. Die Beklagte argumentierte zudem, dass die Mandate teilweise bereits nach den vereinbarten Stundensätzen abgerechnet und bezahlt wurden.
Das Gericht entschied, dass die Klage unbegründet ist. Die Klägerin kann nicht nach den gesetzlichen Gebühren auf Basis der Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung abrechnen, da der letzte Satz der Honorarvereinbarung wegen Verstoßes gegen das Bürgerliche Gesetzbuch (§ 305 c BGB) keine Vertragsbestandteil geworden ist. Das Gericht stellte fest, dass die Klausel objektiv ungewöhnlich sei und die Beklagte nicht damit zu rechnen brauchte. Nach dem Gesamtinhalt der Honorarvereinbarung sollte die Regel sein, dass nach Zeitaufwand abgerechnet wird. Bei den vorliegenden Mandaten mit hohen Streitwerten sei es jedoch der Regelfall, dass die gesetzlichen Gebühren nicht erreicht werden. Die Abrechnung nach den gesetzlichen Gebühren sei daher äußerst ungewöhnlich und überraschend. Die Klage wurde abgewiesen und die Klägerin muss die Kosten des Rechtsstreits tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gemäß § 708 Ziff. 11 der Zivilprozessordnung.
Die Gerichtsentscheidung im Volltext:
LG Paderborn: Urteil v. 27.04.2004, Az: 2 O 583/03
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Klägerin ist eine ..., bestehend aus Rechtsanwälten, die Beklagte betreibt die Errichtung von Windkraftanlagen. Die Beklagte beauftragte die Klägerin in den Monaten März/April 2002 in insgesamt 6 Fällen, sie bei der Errichtung von Windkraftanlagen gegenüber den Behörden außergerichtlich zu vertreten. Die Parteien schlossen unter dem 21.01.2002 eine Honorarvereinbarung, die sich über 2 DINA-4 Seiten erstreckt. In Ziffer I ist vereinbart, dass die Rechtsanwälte für ihre Tätigkeit eine Vergütung nach Zeitaufwand erhalten sollen. Es ist geregelt, zu welchen Stundensätzen abgerechnet werden soll und wie die Arbeitsnachweise erfolgen sollen. In Ziffer I 3 heißt es: "Mit diesem Honorar sind alle Kosten und Gebühren bis auf die nachfolgende Ziffer II abgegolten".
In Ziffer II ist geregelt, dass die Auslagen im Sinne der Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte wie Mehrwertsteuer, Reisekosten, Abwesenheitsgelder und Schreibauslagen gesondert zu erstatten sind. Ferner werden die einzelnen in Ansatz zu bringenden Beträge aufgeführt. In Ziffer III ist ausgeführt, dass das Honorar jeweils mit Rechnungsstellung fällig wird und bei hohem Arbeitsaufwand Zwischenabrechnungen erstellt werden können.
In der - letzten - Ziffer IV heißt es wie folgt:
"Der Ausgang des Verfahrens ist ohne Einfluss auf die Höhe des Honorars. Den Parteien ist bekannt, dass die vorstehende Vereinbarung von der gesetzlichen Regelung abweicht und dass auch im Falle des Obsiegens eine Erstattungsfähigkeit nur im Ramen der gesetzlichen Gebühren gegeben ist. Soweit die gesetzlichen Gebühren das vereinbarte Honorar übersteigen, ist nach der Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung abzurechnen."
Nach Beendigung der Mandate rechnete die Klägerin diese teilweise auf Grund der vereinbarten Stundensätze ab. Diese Rechnungen wurden von der Beklagten auch bezahlt. Einige Zeit später rechneten die Klägerin sämtliche Mandate neu ab nach den Gebührensätzen der Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung. Sie macht diese neuen Rechnungen mit der vorliegenden Klage geltend und beruft sich auf den letzten Satz der Honorarvereinbarung, in der es heißt, dass nach der Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung abzurechnen ist, soweit die gesetzlichen Gebühren das vereinbarte Honorar übersteigen.
Die Klägerin hält diese Honorarvereinbarung für wirksam und trägt vor, gem. § 3 BRAGO i.V.m. § 49 b BRAGO sei es unzulässig, geringere Gebühren oder Auslagen zu vereinbaren als die Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte vorsehe. Die Abrechnung nach BRAGO sei in jedem Fall gerechtfertigt, da bei hohen Investitionskosten ein großes wirtschaftliches Interesse bestehe, das den gesetzlichen Gebühren zu Grunde liege. Im Übrigen erhöhe sich dadurch auch das Haftungsrisiko des Rechtsanwalts. Die Regelung sei für die Beklagte auch nicht überraschend. Sie sei auch nicht ungewöhnlich, da sie sich am gesetzlichen Leitbild des § 3 BRAGO orientiere.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 12.605,04 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz aus 12.398,69 € seit dem 11.10.2002 und aus 206,35 € seit dem 25.03.2003 sowie 2,50 € Mahnkosten zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hält den letzten Satz der Honorarvereinbarung für unwirksam und beruft sich darauf, es handele sich um eine ungewöhnliche und überraschende Klausel. Es sei gerade ihr Wille gewesen, eine Vergütung nach Zeitaufwand zu vereinbaren, da sich bei der Errichtung von Windkraftanlagen häufig hohe Streitwerte ergäben. Da sich die gesamte Honorarvereinbarung darauf beziehe, wie bei dem vereinbarten Zeithonorar abzurechnen sei, habe sie mit dem letzten Satz der Vereinbarung, die praktisch die gesamte vorherige Regelung außer Kraft setze, nicht rechnen können. Die Vereinbarung orientiere sich auch nicht an einem gesetzlichen Leitbild, da es kein gesetzliches Leitbild dergestalt gebe, dass bei außergerichtlichen Tätigkeiten nach den Gebührensätzen der BRAGO abzurechnen sei. Die Beklagte beruft sich im Übrigen darauf, dass die Mandate teilweise auf Zeithonorarbasis abgerechnet und auch bereits bezahlt worden seien.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Gründe
Die Klage ist unbegründet.
Die Klägerin kann nicht nach den gesetzlichen Gebühren auf Basis der Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung abrechnen, da die diesbezügliche Vereinbarung im letzten Satz der Honorarvereinbarung wegen Verstoßes gegen § 305 c BGB nicht Vertragsbestandteil geworden ist.
Da die Kläger unstreitig häufig mit der von ihr formulierten Honorarvereinbarung arbeiten, handelt es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen.
Nach § 305 c Abs. 1 werden Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht Vertragsbestandteil, wenn sie nach den Umständen, insbesondere nach dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrages, so ungewöhnlich sind, dass der Vertragspartner mit ihnen nicht zu rechnen braucht.
Es handelt sich vorliegend nach den Gesamtumständen des Falles und auch nach dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrages um eine objektiv ungewöhnliche Klausel. Es ist eine Honorarvereinbarung zwischen den Parteien getroffen worden, die die Regelung enthält, dass der Rechtsanwalt für seine Tätigkeit eine Vergütung nach Zeitaufwand erhalten soll. Auf nahezu 2 DIN A-4 Seiten ist dann geregelt, wie die Abrechnung im Einzelnen erfolgen soll, welche Stundensätze zu zahlen sind und welche Nebenkosten in Rechnung gestellt werden dürfen. Nach dem gesamten Inhalt der Honorarvereinbarung soll der Regelfall sein, dass nach Zeitaufwand abgerechnet wird. Bei den Mandanten der Beklagten ging es durchweg um die Errichtung von Windkraftanlagen, also um rechtliche Angelegenheiten mit sehr hohen Streitwerten. Es handelte sich in sämtlichen Fällen um Mandate, in denen die Klägerin zur Führung von außergerichtlichen Verhandlungen beauftragt wurden. Gerade bei sehr hohen Streitwerten ist es aber der Regelfall, dass bei der Abrechnung nach Zeitaufwand die gesetzlichen Gebühren der Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung nicht erreicht werden. Die Beklagte konnte daher davon ausgehen, dass sie in der Regel geringere Gebühren zu zahlen hatte als bei der Abrechnung nach den gesetzlichen Gebühren. Die tatsächliche Abrechnung hat aber ergeben, dass die Abrechnung nach gesetzlichen Gebühren - wie für den Fachkundigen voraussehbar - in jedem Fall zum Tragen kam, da das Zeithonorar wegen der hohen Streitwerte niedriger war. Es stellt sich daher als äußerst ungewöhnlich dar, eine nahezu zweiseitige Honorarvereinbarung zu treffen, bei der zumindest der Klägerin klar sein musste und klar gewesen sein wird, dass sie wegen des letzten Satzes überhaupt nicht zum Tragen kommen würde.
Die Klausel des letzten Satzes bekommt auch nicht deshalb ihre Berechtigung, weil für Prozessvertretungen die gesetzlichen Gebühren nicht unterschritten werden dürfen. Gem. § 3 Abs. 5 BRAGO können in außergerichtlichen Angelegenheiten Pauschalvergütungen und Zeitvergütungen vereinbart werden, die niedriger sind als die gesetzlichen Gebühren. In den vorliegenden Fällen ging es nur um die Vertretung in außergerichtlichen Angelegenheiten.
Die Klausel stellt sich für die Beklagte auch derart ungewöhnlich dar, dass sie mit ihr nicht zu rechnen brauchte. Wie bereits ausgeführt, stand im Vordergrund der Honorarvereinbarung die Abrechnung nach Zeitaufwand. Da dies auf nahezu 2 Seiten detailliert geregelt ist, konnte die Beklagte davon ausgehen, dass ihre Mandate nach Zeitaufwand abgerechnet würden. Sie konnte und brauchte nicht damit zu rechnen, dass im letzten Satz der Vereinbarung geregelt wurde, dass die gesamte Honorarvereinbarung praktisch nicht zum Tragen kommen würde. Dies war sehr überraschend.
Die Klage war daher mit der Kostenfolge aus § 91 ZPO abzuweisen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 708 Ziff. 11 ZPO.
LG Paderborn:
Urteil v. 27.04.2004
Az: 2 O 583/03
Link zum Urteil:
https://www.admody.com/gerichtsentscheidung/b2bb9c4d1e01/LG-Paderborn_Urteil_vom_27-April-2004_Az_2-O-583-03