Finanzgericht Köln:
Urteil vom 22. Juni 2005
Aktenzeichen: 13 K 5304/04

(FG Köln: Urteil v. 22.06.2005, Az.: 13 K 5304/04)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Die Klage wird vom Finanzgericht Köln abgewiesen. Die Klägerin, eine GmbH, hatte Gewinnabführungsverträge mit zwei Tochtergesellschaften abgeschlossen. Die Verlustübernahmeregelungen in den Verträgen wurden jedoch vom Finanzamt nicht anerkannt. Die Klägerin erhob Einspruch gegen die Körperschaftsteuerbescheide und beantragte, die Bescheide entsprechend den Steuererklärungen auszufertigen. Der Einspruch wurde vom Finanzamt abgewiesen. Die Klägerin erhob daraufhin Klage und beantragte die Anerkennung der Verlustübernahmeverpflichtung durch die Gewinnabführungsverträge. Das Finanzgericht Köln wies die Klage als unzulässig ab, da die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzt sei. Der Körperschaftsteuerbescheid mit einer Festsetzung von 0 DM belaste die Klägerin nicht. Darüber hinaus sei die Klage auch nicht auf die Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zur Körperschaftsteuer gerichtet worden, da hierfür keine Klage innerhalb der Frist eingereicht wurde. Schließlich könne die Klage auch nicht im Wege der Auslegung so verstanden werden, dass sie auch den Verlustfeststellungsbescheid umfassen solle. Da die Klage unzulässig ist, konnte das Gericht nicht über den Streitgegenstand entscheiden. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin. Das Urteil kann mit einer Revision angefochten werden.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

FG Köln: Urteil v. 22.06.2005, Az: 13 K 5304/04


Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die in der Rechtsform einer GmbH errichtete Klägerin ist an den in L. ansässigen Gesellschaften U.1. GmbH und U.2. GmbH zu 100 % bzw. zu 94,33 % beteiligt. Am 00.00.0000 schloss die Klägerin mit diesen Beteiligungsgesellschaften Gewinnabführungsverträge, deren Genehmigung durch die Gesellschafterversammlungen der Organgesellschaften am 00.00. und 00.00.0000 notariell beurkundet und sodann im Handelsregister eingetragen wurden. In den beiden gleichlautenden Gewinnabführungsverträgen wurde u. a. folgendes vereinbart:

"Tz. I.3. Der Organträger verpflichtet sich, jeden während der Vertragsdauer sonst entstehenden Jahresfehlbetrag auszugleichen, soweit dieser nicht dadurch ausgeglichen wird, dass gemäß 2. Satz 2 den freien Rücklagen Beträge entnommen werden, die während der Vertragsdauer in sie eingestellt worden sind. Vorvertragliche Verlustvorträge und Jahresfehlbeträge unterliegen nicht der Ausgleichsverpflichtung.

Die Verpflichtung zur Gewinnabführung gilt erstmals für den Jahresüberschuss des Geschäftsjahres, in dem dieser Vertrag wirksam wird.

Tz. II.1. Dieser Vertrag wird wirksam im Zeitpunkt der Eintragung des Vertrages in das Handelsregister der Organgesellschaft."

Ausweislich der Steuererklärungen erzielte die U.2. GmbH im Streitjahr einen dem Organträger zuzurechnenden Verlust in Höhe von ... DM und die U.1. GmbH einen dem Organträger zuzurechnenden Gewinn in Höhe von ... DM. Unter Einbeziehung dieser Zurechnungsbeträge wurde das zu versteuernde Einkommen für die U.2. GmbH als Organträgerin in Höhe von ... DM erklärt.

Mit den an die Klägerin gerichteten Bescheiden vom 00.00.0000 setzte der Beklagte die Körperschaftsteuer und den Solidaritätszuschlag auf der Grundlage eines negativen zu versteuernden Einkommens in Höhe von ... DM auf jeweils 0 DM fest. Mit weiterem Bescheid gleichen Datums bezifferte er den gesondert festzustellenden verbleibenden Verlustabzug zur Körperschaftsteuer auf den 31.12.2001 auf ... DM. Die Bescheide über die gesonderte Feststellung der Endbestände gemäß § 36 Abs. 7 KStG und über die gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen gemäß §§ 27 Abs. 2, 28 Abs. 1 und 38 Abs. 1 KStG zum 31.12.2001 ergingen schließlich gleichfalls am 00.00.0000 antragsgemäß. Zur Begründung des der Steuerfestsetzung zugrunde liegenden abweichenden Einkommens bzw. der hinter dem Antrag der Klägerin zurückbleibenden Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs wies der Beklagte darauf hin, dass der Ergebnisabführungsvertrag steuerlich nicht anerkannt werden könne, da eine Verlustübernahme lediglich nach den Vorschriften des § 302 Abs. 1 Aktiengesetz (AktG) vereinbart worden sei und ein Hinweis auf § 302 Abs. 3 AktG fehle. Dies entspreche nicht den Vorgaben des § 17 Satz 2 Nr. 2 KStG.

Ausweislich des Wortlauts ihres Schreibens vom 00.00.0000 legte die Klägerin gegen die Bescheide über Körperschaftsteuer, Solidaritätszuschlag, gesonderte Feststellung gemäß § 36 Abs. 7 KStG und gesonderte Feststellungen gemäß §§ 27 Abs. 2, 28 Abs. 1 und 38 Abs. 1 KStG für das Streitjahr Einspruch ein und beantragte, die Bescheide gemäß den eingereichten Steuererkärungen auszufertigen.

Zur Begründung verwies sie auf das Urteil des BGH vom 24.10.1988 II ZB 7/88, BGHZ 105, 324, wonach jede in einem Gewinnabführungsvertrag einer GmbH vereinbarte Verlustübernahmeregelung zwingend den Vorschriften des § 302 AktG unterliege. Damit enthalte der Gewinnabführungsvertrag die nach § 17 Satz 2 Nr. 2 KStG erforderliche Vereinbarung, ohne dass es eines ausdrücklichen Hinweises auf § 302 AktG bedürfe. Durch die Entwicklung der zivilgerichtlichen Rechtsprechung sei die Regelung des § 17 Satz 2 Nr. 2 KStG überflüssig geworden.

Durch Ergänzung der Gewinnabführungsverträge mit den beiden Tochtergesellschaften sei aber mit Vereinbarungen vom 00.00.0000 klargestellt worden, dass für die Verlustübernahme § 302 Abs. 1 AktG und § 302 Abs. 3 AktG entsprechend gälten. Die Zustimmungserklärungen vom 00.00.0000 der Gesellschafterversammlungen der Organgesellschaften zu diesen Ergänzungsvereinbarungen seien am 00.00.0000 in das Handelsregister eingetragen worden. Die Wirksamkeitsvoraussetzungen lägen damit entsprechend § 14 Abs. 1 Nr. 3 KStG bis zum Ende des dem Jahr der erstmaligen Durchführung der Gewinnabführungsverträge folgenden Wirtschaftsjahres vor.

Mit Einspruchsentscheidung vom 00.00.0000 wies der Beklagte die Einsprüche als unbegründet zurück. Als Streitgegenstände dieser Entscheidung bezeichnete er dabei die Bescheide über Körperschaftsteuer, Solidaritätszuschlag, gesonderte Feststellung gemäß § 36 Abs. 7 KStG und gesonderte Feststellungen gemäß §§ 27 Abs. 2, 28 Abs. 1 und 38 Abs. 1 KStG für das Streitjahr.

Dazu führte er aus, dass nach der Rechtsprechung (Urteil des BFH vom 17.12 1980 I R 220/78; FG Düsseldorf Urteil vom 02.12.1991 6 K 307/86) neben der Vereinbarung der Verlustübernahme selbst (§ 302 Abs. 1 AktG) zusätzlich eine Vereinbarung entsprechend § 302 Abs. 3 AktG getroffen werden müsse. Schon der Wortlaut des § 17 Satz 2 Nr. 2 KStG spreche dagegen, eine von der Rechtsprechung anhand allgemeiner Grundsätze entwickelte Verpflichtung zur Verlustübernahme anstelle einer vertraglichen Absprache genügen zu lassen. Denn danach werde eine "Vereinbarung" gefordert. Im Streitfall habe die Klägerin lediglich den Regelungsinhalt des § 302 Abs. 1 AktG durch wörtliche Aufnahme des Gesetzestextes in die Gewinnabführungsverträge im Sinne einer vertraglichen Absprache vereinbart. Die Auslegung führe daher zu der Annahme, dass durch das Auslassen jedweden Bezuges auf § 302 Abs. 3 AktG ganz bewusst dessen Regelung nicht Vertragsbestandteil werden sollte. Dies gelte umso mehr, als bei notariell beurkundeten Verträgen die Vertragsschließenden auch hinsichtlich der steuerrechtlichen Wirkungen von dem Notar aufgeklärt würden.

Die Rechtsprechung des BFH könne nicht aufgrund der geänderten Zivilrechtsprechung als überholt angesehen werden (so auch Finanzgericht Köln, Urteil vom 11.03.1999 13 K 6548/96). Denn der Gesetzgeber habe bei der Änderung des § 17 KStG im Rahmen des Steueränderungsgesetzes 1992 in Kenntnis der Entwicklung der zivilgerichtlichen Rechtsprechung § 17 Satz 2 Nr. 3 KStG a.F. unverändert gelassen. Dies bedeute, dass der Gesetzgeber an dem Erfordernis der besonderen Vereinbarung der Geltung des § 302 Abs. 3 AktG gerade festhalten wollte.

Die Entscheidung des Finanzgerichts Köln vom 11.03.1999 habe der BFH mit Urteil vom 29.03.2000 I R 43/99 bestätigt. Er habe dabei zutreffend darauf hingewiesen, dass der Gesetzgeber für die außeraktienrechtliche Organschaft die vertragliche Vereinbarung einer Verlustübernahmeverpflichtung auch dann fordern dürfe, wenn sich vergleichbare Ansprüche aufgrund zivilrechtlicher Rechtsgrundsätze ergäben. Für ein mögliches Redaktionsversehen seitens des Gesetzgebers seien demgegenüber keine Anhaltspunkte ersichtlich.

Es sei davon auszugehen, dass die Vertragsergänzungen vom 00.00.0000 schon formell unwirksam seien. Zudem komme eine Rückwirkung der Ergänzungsvereinbarungen auf den Veranlagungszeitraum 2001 nicht in Betracht.

Als Streitgegenstände der hiergegen gerichteten Klage bezeichnet die Klageschrift vom 00.00.0000 die Bescheide über Körperschaftsteuer, Solidaritätszuschlag, gesonderte Feststellung gemäß § 36 Abs. 7 KStG und gesonderte Feststellungen gemäß §§ 27 Abs. 2, 28 Abs. 1 und 38 Abs. 1 KStG für das Streitjahr.

Die Klägerin macht ergänzend geltend, dass § 17 Satz 1 KStG bezüglich der tatbestandlichen Voraussetzungen einer Organschaft an die zivilrechtlichen Voraussetzungen eines Gewinnabführungsvertrages anknüpfe. Voraussetzung sei danach bei einer GmbH, dass diese sich wirksam verpflichte, ihren ganzen Gewinn an ein anderes Unternehmen im Sinne des § 14 KStG abzuführen. Die zivilrechtlichen Voraussetzungen eines Gewinnabführungsvertrags seien nach der Rechtsprechung des BGH im GmbH-Konzernrecht an die aktienrechtlichen Bestimmungen gebunden. Dies bedeute, dass die Regelungen des § 302 Abs. 1 und 3 AktG bei einer Organ-GmbH in jedem Fall gälten und es einer explizit schriftlichen Vereinbarung im Gewinnabführungsvertrag nicht bedürfe.

Vor der Angleichung des GmbH-Konzernrechts an das AG-Konzernrecht durch die Rechtsprechung des BGH sei allerdings für die zivilrechtliche und steuerrechtliche Berücksichtigung des Minderheitenschutzes gemäß § 302 Abs. 3 AktG bei den Nicht-Aktiengesellschaften eine entsprechende zivilrechtliche Vereinbarung notwendig gewesen. Diese Notwendigkeit einer gesonderten zivilrechtlichen Vereinbarung habe der Gesetzgeber zur Angleichung der steuerlichen Folgen der körperschaftsteuerlichen Organschaft bei GmbH und AG daher für die GmbH in § 17 KStG aufgenommen. Nach der Angleichung der zivilrechtlichen Voraussetzungen könne die Erwähnung des § 302 AktG im Körperschaftssteuergesetz jedoch keine rechtsbegründende Wirkung mehr entfalten. Denn durch die von dem Beklagten geforderte Zusatzvereinbarung könne über den bestehenden Verpflichtungsumfang keine zusätzliche Rechtswirkung erzeugt werden.

Der Gesetzgeber habe § 17 Satz 2 Nr. 2 KStG auch nicht als eigenständige steuerrechtliche Formvorschrift ausgestaltet. Denn eine wichtige steuerliche Funktion, die die Einführung einer reinen Formvorschrift legitimieren würde, sei nicht erkennbar. Die rechtlichen Konsequenzen würden den Beteiligten ohnehin durch die erforderliche notarielle Beurkundung des Zustimmungsbeschlusses der Gesellschafterversammlung der Organgesellschaft bewusst gemacht.

Wolle man aus dem Fehlen eines besonderen Hinweises auf § 302 AktG nachteilige körperschaftsteuerliche Konsequenzen ziehen, so würde damit die ursprüngliche gesetzgeberische Intention, den GmbH-Konzern durch besondere steuerliche Vorschriften mit dem AG-Konzern gleich zu behandeln, auf den Kopf gestellt. Denn wenn nunmehr nach der BGH-Rechtsprechung die aktienrechtlichen Regelungen auch für den GmbH-Konzern gälten, so würde das Festhalten an zusätzlichen rein steuerlich motivierten Formerfordernissen nunmehr zu einer Schlechterstellung der GmbH und damit einem Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung führen. Eine Günstigerstellung des außeraktienrechtlichen Organträgers ohne die schriftliche Vereinbarung des § 302 Abs. 3 AktG gäbe es entgegen dem Urteil des Finanzgerichts Köln vom 11.03.1999 nicht. Auch sei der Umfang der Verlustübernahmepflicht im Streitfall eindeutig geklärt, so dass mit diesem – im Urteil des BFH vom 29.03.2000 angeführten Argument – die Ungleichbehandlung mit einer aktienrechtlichen Organschaft nicht begründet werden könne. Dieser Umfang sei in den Gewinnabführungsverträgen eindeutig in Anlehnung an § 302 Abs. 1 AktG festgelegt worden und strahle somit auch auf den Verzichtsumfang im Sinne des § 302 Abs. 3 AktG aus. Denn in § 302 Abs. 3 AktG werde der Umfang des Verlustausgleichs nicht neu definiert, sondern durch Rückgriff auf § 302 Abs. 1 AktG bestimmt.

Aus dem Erfordernis einer "Vereinbarung" in § 17 Satz 2 Nr. 2 KStG könne schließlich nicht abgeleitet werden, dass die Verlustübernahmeverpflichtung ausdrücklich schriftlich im Vertrag enthalten sein müsse. Es müsse vielmehr ausreichen, dass diese Verpflichtung durch den Abschluss des Gewinnabführungsvertrags zwingend begründet worden sei.

Die Parteien der Gewinnabführungsverträge hätten sich im Rahmen der salvatorischen Klausel in den Schlussbestimmungen die Möglichkeit der ergänzenden Vertragsauslegung offen gehalten. Danach gelte anstelle der lückenhaften oder fehlenden Regelung diejenige Regelung als vereinbart, die dem am nächsten kommt, was die Vertragsparteien gewollt haben oder nach Sinn und Zweck des Vertrages bei Bedacht gewollt hätten. Da die Parteien aufgrund der Anwendbarkeit der aktienrechtlichen Konzernvorschriften auf die GmbH zur Anerkennung der Verlustausgleichspflicht gemäß § 302 Abs. 3 AktG ohnehin verpflichtet gewesen seien, gälte diese Regel im Rahmen der ergänzenden Vertragsauslegung bereits bei Vertragsschluss in 2001 als vereinbart. Dies hätten die Vertragsparteien am 00.00.0000 lediglich schriftlich klargestellt und durch Eintragung im Handelsregister wirksam werden lassen. Die Klarstellung erfolge ausschließlich zu dem Zweck, Unklarheiten auf Seiten der Finanzverwaltung zu beseitigen, führe jedoch nicht zu einer Änderung des bereits in 2001 vollständigen Vertrages.

In Reaktion auf die am 00. und 00.00.0000 erfolgten telefonischen Hinweise des Senatsvorsitzenden zur Frage der Zulässigkeit der gegen den auf 0 € lautenden Körperschaftsteuerbescheid geführten Klage hat die Prozessbevollmächtigte der Klägerin mit Schriftsatz vom 00.00.0000 den Bescheid auf den 31.12.2001 über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzuges zur Körperschaftsteuer als weiteren Gegenstand der Klage bezeichnet und ergänzend zur Klagebegründung folgendes ausgeführt:

Gegen alle Körperschaftsteuerbescheide der Gesellschaften des Organkreises sei mit Ausnahme des Bescheides der Klägerin zum verbleibenden Verlustabzug zur Körperschaftsteuer zum 31.12.2001 Einspruch eingelegt worden. Dieser letztgenannte Bescheid werde als Grundlagenbescheid i.S.d. § 10 d Abs. 4 Satz 4 EStG i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG angesehen, der zu ändern sei, soweit sich die zu berücksichtigenden Beträge aus dem Körperschaftsteuerbescheid änderten.

Auch der Beklagte sei offensichtlich selbstverständlich von einer Beschwer durch den die Klägerin betreffenden Körperschaftsteuerbescheid ausgegangen, da er den hiergegen gerichteten Einspruch als unbegründet abgewiesen und damit als zulässig erachtet habe.

Die Voraussetzungen einer Beschwer i.S.d. § 350 AO seien vorliegend bezüglich des Körperschaftsteuerbescheides ungeachtet der Nullfestsetzung gegeben, da die Klägerin aufgrund der zivilrechtlich wirksam abgeschlossenen Gewinnabführungsverträge verpflichtet sei, den bei der Organgesellschaft U.2. GmbH entstandenen Verlust auszugleichen, ohne den bei der Organgesellschaft U.1. GmbH entstandenen Gewinn mit diesem Verlust verrechnen zu können, wenn die unzutreffende steuerliche Behandlung durch den Beklagten unverändert beibehalten würde. Die besondere Situation der Verflechtung der Gesellschaften im Organkreis müsse berücksichtigt werden.

Überdies sei davon auszugehen, dass der Beklagte in seiner Einspruchsentscheidung über die auf dem Deckblatt aufgeführten Bescheide hinaus auch einen Einspruch wegen Verlustfeststellung auf den 31.12.2001 beschieden habe. Denn in der Einspruchsentscheidung Seite 3 oben, wo zunächst auf die verschiedenen Bescheide, insbesondere auch den Bescheid über die Verlustfeststellung gemäß § 10 d Einkommensteuergesetz verwiesen werde, finde sich der Satz: "Die Einspruchsführerin legte am 00.00.0000 Einspruch gegen die Bescheide ein."

In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin die Klagen gegen die Feststellungen gemäß §§ 27, 28, 36, 38 KStG zurückgenommen und klargestellt, dass sie eine Klage gegen die Folgefestsetzung des Solidaritätszuschlages zur Körperschaftsteuer nicht habe erheben wollen.

Die Klägerin beantragt,

die Einspruchsentscheidung vom 00.00.0000 aufzuheben und die Bescheide über Körperschaftssteuer 2001 und Verlustfeststellung auf den 31.12.2001 dergestalt zu ändern, dass die Organschaft zwischen der Klägerin und ihren beiden Tochtergesellschaften steuerlich berücksichtigt wird.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er weist ergänzend darauf hin, dass in den Gewinnabführungsverträgen eine Regelung im Sinne des § 302 Abs. 3 AktG darüber fehle, dass die Organgesellschaft auf ihren Ausgleichsanspruch erst drei Jahre nach der Bekanntmachung der Beendigung des Vertrages verzichten oder sich über diesen vergleichen könne. Der Vertrag entspreche somit nicht den in § 17 KStG enthaltenen Anforderungen.

Die in § 17 Satz 2 Nr. 2 KStG statuierten zusätzlichen Anforderungen führten nicht zu einem Verstoß gegen die Gleichmäßigkeit der Besteuerung. Denn angesichts der unterschiedlichen zivilgesetzlichen Regelung befänden sich AG und GmbH nicht in einer gleichen Situation, so dass eine ungleiche Behandlung gerechtfertigt sei.

Der Gegenstand der Einspruchsentscheidung ergebe sich aus deren Deckblatt und umfasse somit nicht die Verlustfeststellung zur Körperschaftsteuer auf den 31.12.2001.

Gründe

Die Klage ist unzulässig.

Durch die Festsetzung der Körperschaftsteuer auf 0 DM wird die Klägerin nicht im Sinne des § 40 Abs. 2 FGO beschwert. Hinsichtlich des weiteren Streitgegenstands der Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zur Körperschaftsteuer auf den 31.12.2001 durch Bescheid vom 00.00.0000 ist demgegenüber innerhalb der Frist des § 47 Abs. 1 Satz 1 FGO keine Klage erhoben worden. Mangels Vorliegen der Sachurteilsvoraussetzungen ist es dem Senat daher verwehrt, in eine sachliche Prüfung des Klagebegehrens einzutreten.

Nach § 40 Abs. 2 FGO ist die Klage zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts oder einer anderen Leistung in seinen Rechten verletzt zu sein. Die Rechtsbeeinträchtigung durch den angefochtenen Steuerbescheid muss der Kläger substantiiert darlegen. Die Beschwer durch einen Steuerbescheid ergibt sich grundsätzlich aus der Steuerfestsetzung und nicht aus einzelnen mangels gesonderter Feststellung nicht selbständig anfechtbaren Besteuerungsgrundlagen im Sinne des § 157 Abs. 2 AO (Urteile des BFH vom 20.12.1994 IX R 124/92, BStBl. II 1995, 628 und vom 17.02.1998 VIII R 21/95, BFH/NV 1998, 1356). In aller Regel ist daher eine Anfechtungsklage gegen einen Körperschaftsteuerbescheid, in dem die Steuerschuld auf 0 DM festgesetzt worden ist, unzulässig (Urteile des BFH vom 15.02.2001 III R 10/99, BFH/NV 2001, 1125; vom 17.02.1998, a.a.O.; vom 08.11.1989 I R 174/86, BStBl. II 1990, 91). Dabei ist auf den unmittelbar umstrittenen Steuerbetrag abzustellen und nicht auf das geldwerte Interesse des Steuerpflichtigen schlechthin. Eine auf 0 DM lautende Steuerfestsetzung belastet den Steuerpflichtigen regelmäßig nicht.

Zwar ist anerkannt, dass eine Rechtsverletzung auch bei einer auf 0 DM lautenden Steuerfestsetzung in Betracht kommt, wenn eine Besteuerungsgrundlage für andere Verfahren bindend ist (Urteile des BFH vom 08.11.1989, a.a.O.; vom 20.12.1994, a.a.O.) oder nach der Darlegung des Steuerpflichtigen mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit damit gerechnet werden muss, das ihm der Vorgang, auf dem die Festsetzung beruht, bei der gleichen Steuer für spätere Steuerabschnitte steuerrechtliche Nachteile verursachen wird (Urteil des BFH vom 27.09.1988 VIII R 432/83, BStBl. II 1989, 225). Die streitbefangene Körperschaftsteuerfestsetzung hat demgegenüber weder Bindungswirkung für andere Steuerfestsetzungen noch ist eine solche Bindungswirkung nach den Darlegungen der Klägerin für anderweitige außersteuerliche Verfahren ersichtlich. Insbesondere ist die nach dem ab dem Jahre 2001 geltenden Körperschaftsteuergesetz in der Fassung des UntStFG erfolgte Körperschaftsteuerfestsetzung nicht mit einer für den Verlustfeststellungsbescheid bindenden Einkommensfeststellung verbunden, wie sie noch nach § 47 Abs. 2 Nr. 3 KStG i.d.F. vom 22.4.1999 vorzunehmen war, sondern weist die der Berechnung der Körperschaftsteuer zugrunde liegende Einkommensermittlung als unselbständige Besteuerungsgrundlagen im Sinne des § 157 Abs. 2 AO aus. Die Vorschrift des § 29 Nr. 2 KStG i.d.F. des StSenkG, wonach der Körperschaftsteuerbescheid auch nach dem Systemwechsel Grundlagenbescheid für die Verlustfeststellung sein sollte, ist ebenfalls durch das UntStFG aufgehoben und mit Wirkung für den Veranlagungszeitraum 2001 (§ 34 Abs. 2 a KStG in der Fassung des UntStFG vom 20.12.2001) durch eine an seine Stelle tretende nicht das Veranlagungsverfahren betreffende Regelung des materiellen Rechts ersetzt worden. Weiterhin ist nicht erkennbar, wie die auch nach der Steuererklärung der Klägerin auf 0 DM festzusetzende Körperschaftsteuer bei der gleichen Steuer für spätere Steuerabschnitte korrespondierend steuerrechtliche Nachteile verursachen könnte.

Eine Beschwer kann schließlich auch nicht aus der in § 10 d Abs. 4 Sätze 4 und 5 i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG vorgesehenen Änderungsmöglichkeit der Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zur Körperschaftsteuer in dem Falle abgeleitet werden, dass ungeachtet einer Änderung der bei Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte nicht ausgeglichen Verlustes eine Änderung des Körperschaftsteuerbescheides mangels steuerlicher Auswirkung unterbleibt. Denn eine derartige Änderungsverpflichtung der Finanzbehörde kann jedenfalls nicht durch Anfechtung eines auf 0 DM lautenden Körperschaftsteuerbescheides ausgelöst werden. Die Änderungsmöglichkeit nach § 10 d Abs. 4 Sätze 4 und 5 EStG setzt vielmehr voraus, dass eine Änderung des Körperschaftsteuerbescheides allein deshalb unterbleibt, weil der Bescheid auf 0 DM lautet, dem Rechtsgrund nach aber eine Änderungsmöglichkeit nach den Vorschriften der Abgabenordnung gegeben wäre. Diese Auslegung ergibt sich daraus, dass § 10 d Abs. 4 Satz 5 EStG eine entsprechende Anwendbarkeit des Satzes 4 anordnet, die dort getroffene Regelung aber voraussetzt, dass der maßgebliche Steuerbescheid geändert werden kann. Eine solche Änderungsmöglichkeit wird indessen durch einen wegen fehlender Beschwer nicht zulässigen Einspruch nicht eröffnet (Urteile des BFH vom 09.12.1998 XI R 62/97, BStBl. II 2000, 3 und vom 14.06.2000 XI R 4/00, BFH/NV 2000, 1465). Der Rechtsschutz der Klägerin wird durch diese Auslegung des § 10 d Abs. 4 Satz 5 EStG nicht in unzulässiger Weise verkürzt. Sie hätte vielmehr die Möglichkeit gehabt, innerhalb der für den Körperschaftsteuerbescheid laufenden Anfechtungsfrist den Erlass eines geänderten Verlustfeststellungsbescheids zu beantragen oder den zeitgleich mit dem Körperschaftsteuerbescheid ergangenen Verlustfeststellungsbescheid selbst mit Einspruch und Klage anzufechten (vgl. dazu Urteile des BFH vom 09.12.1998, a.a.O.; vom 09.05.2001 XI R 25/99, BStBl. II 2002, 817).

Entgegen der Auffassung der Klägerin kann die von ihr erhobene Klage nicht dahingehend ausgelegt werden, dass sie den Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zur Körperschaftsteuer auf den 31.12.2001 als Streitgegenstand umfassen sollte. Die vorliegende Klage kann daher hinsichtlich der Verlustfeststellung zur Körperschaftsteuer auch keinesfalls als Untätigkeitsklage im Sinne des § 46 Abs. 1 Satz 1 FGO gewertet werden, die sich auf einen entsprechenden von dem Einspruchsschreiben vom 00.00.0000 umfassten und bislang nicht beschiedenen Rechtsbehelf beziehen könnte.

Nach ständiger Rechtssprechung des BFH sind Prozesserklärungen und außerprozessuale Rechtsbehelfe in entsprechender Anwendung des § 133 BGB auszulegen, wenn es an einer eindeutigen und zweifelsfreien Erklärung des wirklich Gewollten fehlt. Der in der Erklärung verkörperte Wille ist dabei anhand der dem Empfänger erkennbaren Umstände zu ermitteln (Urteil des BFH vom 30.08.1994 VIIII R 42/91, BFH/NV 1995, 481; vom 19.06.1997 IV R 51/96, BFH/NV 1998, 6; vom 01.09.1998 VIII R 46/93, BFH/NV 1999, 596; vom 31.10.2000 VIII R 47/98, BFH/NV 2001, 589). Eine solche Auslegung kommt auch bei Erklärungen rechtskundiger Personen in Betracht; anderes gilt nur für die sogenannte Umdeutung (Urteil des BFH vom 29.07.1986 IX R 123/82, BFH/NV 1987, 359; vom 19.06.1997 und 31.10.2000, a.a.O.). Dabei ist im Zweifel davon auszugehen, dass der Steuerpflichtige denjenigen Rechtsbehelf hat einlegen wollen, der seinem materiellrechtlichen Begehren am ehesten zum Erfolg verhilft und damit seiner recht verstandenen Interessenlage entspricht (BFH-Urteile vom 11.09.1986 IV R 11/83, BStBl. II 1987, 5; vom 08.11.1996 VI R 37/94, BFH/NV 1997, 363; vom 31.10.2000, a.a.O.). Ein offenkundiges Versehen bei der Bezeichnung des anzufechtenden Verwaltungsakts, das der Adressat der Verfahrenserklärung hätte erkennen können, ist auch dann für die Bestimmung des Erklärungsinhalts irrelevant, wenn es auf Rechtsirrtum beruht (Urteil des BFH vom 31.10.2000, a.a.O.; Beschluss des BFH vom 02.11.2004 X B 59/04, BFH/NV 2005, 209).

Die Auslegung setzt allerdings Auslegungsbedürftigkeit voraus. Hieran fehlt es, wenn die Erklärung nach Wortlaut und Zweck einen eindeutigen Inhalt hat. Die Auslegung einer Verfahrenserklärung darf nicht zur Annahme eines Erklärungsinhalts führen, für den sich in der verkörperten Erklärung selbst keine Anhaltspunkte mehr finden lassen (ständige Rechtsprechung, vgl. zuletzt Beschluss des BFH vom 02.11.2004, a.a.O., und die Nachweise bei Gräber/von Groll, FGO, 5. Auflage, vor § 33, Tz. 16).

Ob eine solche Manifestation des auf die Anfechtung des Verlustfeststellungsbescheids zur Körperschaftsteuer zielenden Willens deshalb in dem mit dem Einspruchsschreiben vom 00.00.0000 vorgebrachten Begehren der erklärungsgemäßen Veranlagung gesehen werden kann, weil diese Erklärungen dem Beklagten vorlagen und die Bedeutung dieser Bezugnahme ihm deshalb erkennbar gewesen sein könnte, kann im Streitfall dahinstehen. Denn vergleichbare Erkenntnismöglichkeiten in Bezug auf die fehlende Eindeutigkeit der verkörperten Prozesserklärung haben sich jedenfalls für das Finanzgericht nicht dadurch ergeben können, dass die Klägerin in der Klageschrift auf die Einspruchsbegründung verwiesen hat. Vielmehr lag dem erkennenden Senat bis zum Ablauf der Klagefrist weder diese Einspruchsbegründung oder sonstige Teile der Steuerakten noch eine ergänzende Begründung der Klage vor, so dass aus seiner Sicht die Möglichkeit einer dem materiellrechtlichen Begehren der Klägerin schädlichen Einschränkung des Klagebegehrens aufgrund rechtsirrtümlicher Auswahl der anzufechtenden Verwaltungsakte nicht wahrgenommen werden und deshalb zur Bestimmung des Erklärungsinhalts nicht beitragen konnte. Für den Senat stellte sich der Inhalt der Klageschrift vielmehr als klar, eindeutig und widerspruchsfrei dar, so dass für eine rechtsschutzgewährende Auslegung kein Raum blieb. Dass die Veranlagung der Klägerin für das Streitjahr überhaupt Auswirkungen auf die Verlustfeststellung zur Körperschaftsteuer zeitigte, ist für den Senat erstmals durch die Monate später erfolgte Übersendung der Steuerakten erkennbar geworden.

Nach der zutreffenden Auffassung von von Groll (in:Gräber, a.a.O., Vor § 33, Tz. 14 und 16, § 65 Tz. 11 ff. und 20), der der Senat folgt, besteht der Zweck der prozessualen Formvorschriften für die Klageerhebung nicht nur darin, den Erklärenden vor Übereilung zu schützen, sondern mindestens gleichrangig darin, dem Gericht als dem Adressaten prozessualer Willensbekundungen, aber auch den anderen Prozessbeteiligten und schließlich auch in Betracht kommenden Dritten gegenüber klare und eindeutige Verhältnisse für den weiteren Prozessverlauf zu schaffen. Nach Funktion und Zweck der einschlägigen Regelungen im § 64 und 65 FGO zu Formgebundenheit und Adressat der Klageerhebung sind Verweisungen auf Umstände außerhalb der bestimmenden Schriftsätze nur insoweit geeignet, zur Bestimmung des Erklärungsinhalts beizutragen, als sie dem Gericht zumindest erkennbar sind und, soweit es sich um fristgebundene Erklärungen handelt, diese Mindestvoraussetzungen bei Fristablauf erfüllt sind. Ist die Aussage der Prozesserklärung dagegen deshalb klar und eindeutig, weil das Gericht mangels Kenntnis von dem Bedeutungsinhalt allgemeiner Verweisungen auf außerhalb der Erklärung liegende Umstände einen Widerspruch zu dieser Aussage oder die Möglichkeit eines offenkundigen Irrtums nicht erkennen kann, so kann auch kein Anlass bestehen, den Kläger zu einer Ergänzung seiner Angaben nach § 65 Abs. 2 FGO aufzufordern. Maßgebend muss in diesem Fall vielmehr der bei Ablauf der Klagefrist unverändert bestehende eindeutige Inhalt der Prozesserklärung sein.

Hinzu kommt im Streitfall, dass auch aus der Einspruchsbegründung, auf die die Klageschrift verweist, nicht offenkundig erkennbar ist, dass die Klägerin allein aufgrund eines Rechtsirrtums anstelle des Bescheides über die Verlustfeststellung zur Körperschaftsteuer den Körperschaftsteuerbescheid selbst angefochten haben könnte. Denn die Einspruchsbegründung verhält sich nur über die Voraussetzungen für die steuerliche Anerkennung der Gewinnabführungsverträge, ohne dass eine Rechtsverletzung in Gestalt der Nichtfeststellung eines aus dieser Gewinnabführung resultierenden Verlustes ausdrücklich benannt wird. Es fehlt auch ein Hinweis darauf, dass eine der Organgesellschaften tatsächlich einen der Klägerin zuzurechnenden Verlust erzielt haben soll. Überdies hat die Klägerin in der unter dem gleichen Datum eingegangenen und in der Begründung identischen Klageschrift für die Organgesellschaft U.2. GmbH neben dem Körperschaftsteuerbescheid auch die Verlustfeststellung zur Körperschaftsteuer auf den 31.12.2001 angefochten, was die Annahme einer rechtsirrtümlichen Einschränkung des Streitgegenstands bei der Klageerhebung für den Organträger eher fernliegend erscheinen lässt.

Soweit sich demgegenüber in der Rechtsprechung des BFH die Auffassung findet, dass bei Auslegung einer beim Finanzgericht eingereichten Klage wegen deren alternativ möglicher Anbringung bei dem Finanzamt (§ 47 Abs. 2 FGO) auch die im Zeitpunkt des Klageeingangs dem Finanzamt bekannten oder vernünftiger Weise erkennbaren Umstände mit zu berücksichtigen seien(Beschluss des BFH vom 29.11.1995 X B 328/94, BStBl. II 1996, 322, Tz. II.I.a, m.w.N. der Rechtsprechung), vermag der Senat dem zumindest für den Fall nicht zu folgen, dass sich durch die Fiktion derartiger Kenntnis eine klare und eindeutige Prozesserklärung in eine unklare und damit auslegungsbedürftige Willensmanifestation verwandeln soll.

Zwar mag für die Bestimmung des Inhalts einer auslegungsbedürftigen Erklärung auf bislang nicht vorliegende Steuerakten der Finanzbehörde zurückgegriffen werden können. Indessen kann die hierfür vorauszusetzende Auslegungsbedürftigkeit aufgrund in der Erklärung selbst enthaltener Anhaltspunkte nicht dadurch hergestellt werden, dass zunächst die noch heranzuziehenden Steuerakten umfänglich daraufhin geprüft werden, ob die nach den dem Gericht präsent erkennbaren Umständen eindeutige Klageschrift tatsächlich geeignet ist, dem materiellrechtlichen Begehren am ehesten zum Erfolg zu verhelfen. Den Umfang seiner Entscheidungsbefugnis im Sinne des § 65 Abs. 1 Satz 1 FGO kann das Gericht vielmehr nur auf der Grundlage der ihm präsent vorliegenden Akten bestimmen. Ergibt sich danach, dass die Angaben nicht eindeutig sind, so kann der Kläger nach § 65 Abs. 2 Satz 1 FGO zu einer Präzisierung aufgefordert werden, die auch nach Ablauf der Klagefrist erfolgen kann. Hat der Kläger indessen in seiner Klageschrift die angefochtenen Verwaltungsakte eindeutig bezeichnet und lässt das bisherige Klagevorbringen nicht erkennen, dass die Klage weitere Anfechtungsgegenstände haben könnte, so können nach Ablauf der Klagefrist weitere Verwaltungsakte nicht mehr zum Gegenstand der Anfechtung gemacht werden, weil für die Beteiligten jederzeit feststellbar sein muss, ob ein Verwaltungsakt noch anfechtbar ist (so auch Stöcker in: Beermann, steuerliches Verfahrensrecht, § 65 FGO, Tz. 17 und 26.1; vgl. auch Tipke in Tipke/Kruse, Lfg. 106, § 65 FGO, Tz. 21 und 34). Wären demgegenüber für die Bestimmung des angefochtenen Verwaltungsakts durch das Gericht stets auch die nur der Finanzbehörde bekannten Umstände einzubeziehen, so bliebe unverständlich, warum für die Bezeichnung des Gegenstands des Klagebegehrens dessen alleinige Konkretisierung gegenüber dem Finanzamt nicht ausreichen soll (vgl. dazu Beschlüsse des BFH vom 11.06.1999 V B 168/98, BFH/NV 1999, 1501 und vom 20.09.2002 IV B 198/01, BFH/NV 2003, 190; Urteil des BFH vom 22.04.1998 XI R 31-32/97, BFH/NV 1998, 1245).

Nach alledem konnte nach Ablauf der Klagefrist am 00.00.0000 (§ 47 Abs. 1 Satz 1 FGO, § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO) keine zulässige Klage mit dem Ziel der geänderten Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zur Körperschaftsteuer auf den 31.12.2001 mehr erhoben werden. Im Zeitpunkt des Eingangs der Steuerakten und des erstmals die Verlustfeststellung als Streitgegenstand benennenden Schriftsatzes der Klägerin vom 00.00.0000 bei Gericht war diese Frist abgelaufen. Gründe für die Wiedereinsetzung der Klägerin in den vorigen Stand gemäß § 56 Abs. 1 FGO in Bezug auf die Einhaltung dieser Klagefrist sind nicht ersichtlich. Soweit die Prozessbevollmächtigten sich im Rechtsirrtum über die Eigenschaft des angefochtenen Körperschaftsteuerbescheides als Grundlagenbescheid für die deshalb nicht angefochtene Verlustfeststellung zur Körperschaftsteuer befunden haben sollten, wäre dieser Irrtum nicht unverschuldet, da nach gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung Angehörige der rechts- und steuerberatenden Berufe das Verfahrensrecht kennen müssen (vgl. die Nachweise bei Gräber/Koch, FGO, 5. Auflage, § 56, Tz. 20 "Rechtsirrtum über Verfahrensfragen"). Die Ausnahmesituation, dass in Rechtsprechung und Literatur Unklarheit über die einschlägigen Fragen des Verfahrensrechts bestanden hätte, liegt im Streitfall nicht vor. Die geltende Verfahrensrechtslage wird vielmehr klar und eindeutig durch das KStG i.d.F des UntStFG bestimmt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Die Revision war wegen einer möglichen Abweichung von der Rechtsprechung des BFH in der Frage der Auslegungsbedürftigkeit von Prozesserklärungen zuzulassen.






FG Köln:
Urteil v. 22.06.2005
Az: 13 K 5304/04


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/gerichtsentscheidung/b48dc68d71f7/FG-Koeln_Urteil_vom_22-Juni-2005_Az_13-K-5304-04




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