Bundespatentgericht:
Beschluss vom 28. Januar 2011
Aktenzeichen: 7 W (pat) 332/09
(BPatG: Beschluss v. 28.01.2011, Az.: 7 W (pat) 332/09)
Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung
Das Bundespatentgericht hat in einem Beschluss vom 28. Januar 2011 entschieden, dass das Einspruchsverfahren in der Hauptsache erledigt ist. Die Patentinhaberin ist Inhaberin eines Patents, das am 7. August 1999 angemeldet und am 2. Dezember 2004 veröffentlicht wurde. Nachdem die 11. Jahresgebühr nicht gezahlt wurde, ist das Patent am 2. März 2010 erloschen. Gegen das Patent haben Einsprechende Einspruch eingelegt und behauptet, dass das Patent mangels Patentfähigkeit zu widerrufen sei und dass es nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht. Eine Einsprechende hat außerdem den Widerrufsgrund der unzureichenden Offenbarung geltend gemacht. Die Patentinhaberin ist auch Inhaberin eines europäischen Patents, gegen das ein Einspruch eingelegt wurde, der jedoch vom Europäischen Patentamt zurückgewiesen wurde. Nach dem Erlöschen des Streitpatents hat eine der Einsprechenden um Fortsetzung des Einspruchsverfahrens gebeten. In der mündlichen Verhandlung haben sowohl die Patentinhaberin als auch die Einsprechende beantragt, das Einspruchsverfahren für erledigt zu erklären. Das Gericht hat festgestellt, dass das Einspruchsverfahren in der Hauptsache erledigt ist, da die Patentinhaberin alle von dem Streitpatent möglicherweise Betroffenen von Ansprüchen aus dem Patent freigestellt hat. Es wurden keine Gründe für eine Kostenauferlegung vorgebracht.
Die Gerichtsentscheidung im Volltext:
BPatG: Beschluss v. 28.01.2011, Az: 7 W (pat) 332/09
Tenor
Das Einspruchsverfahren ist in der Hauptsache erledigt.
Gründe
I.
Die Patentinhaberin ist Inhaberin des am 7. August 1999 angemeldeten Patents 199 37 463 mit der Bezeichnung Verfahren zum Betrieb einer Multifunktionsbedieneinrichtung bei Kraftfahrzeugen, sowie Multifunktionsbedieneinrichtung selbstdessen Erteilung am 2. Dezember 2004 veröffentlicht worden ist. Nach Nichtzahlung der 11. Jahresgebühr ist das Patent erloschen, was am 2. März 2010 in das Patentregister eingetragen worden ist.
Gegen das Patent haben die Einsprechenden mit Schreiben vom 1. März 2005 (per Fax am selben Tag eingegangen) und 2. März 2005 (per Fax am selben Tag eingegangen) mit der Behauptung Einspruch erhoben, das Patent sei nach § 21 Abs. 1 Nr. 1 PatG mangels Patentfähigkeit zu widerrufen, weil es ihm -worauf sich nur die Einsprechende zu 1) berufen hat -nicht neu sei und zudem -wie beide Einsprechende geltend machen -nicht auf einer erfinderische Tätigkeit beruhe.
Darüber hinaus hat die Einsprechende zu 2) auch den Widerrufsgrund des § 21 Abs. 1 Nr. 2 PatG wegen unzureichender Offenbarung geltend gemacht. Beide Einsprechenden haben zu den von ihnen behaupteten Widerrufsgründen weitere Ausführungen gemacht.
Die Patentinhaberin ist darüber hinaus auch Inhaberin des am 6. Juli 2000 unter Inanspruchnahme der Priorität des Streitpatents angemeldeten europäischen Patents EP 1 075 979, dessen Erteilung am 5. Oktober 2005 veröffentlicht worden ist. Den gegen dieses Patent eingelegten Einspruch der Einsprechenden zu 1) hat das Europäische Patentamt mit seit 18. Dezember 2008 rechtskräftigem Beschluss vom 17. September 2008 zurückgewiesen und das europäische Patent im erteilten Umfang aufrecht erhalten.
Nach dem Erlöschen des Streitpatents hat die Einsprechende zu 1) zunächst mit Schreiben vom 18. Oktober 2010 um Fortsetzung des Einspruchsverfahrens gebeten.
An der mündlichen Verhandlung vom 28. Januar 2011 hat die ordnungsgemäß geladene Einsprechende zu 2), die schriftlich den Widerruf des Patents beantragt hat, nicht teilgenommen. In der mündlichen Verhandlung hat die Patentinhaberin erklärt, alle Dritte, seien sie ihr bekannt oder nicht, von allen möglichen Ansprüchen aus dem deutschen Streitpatent, gleich ob bekannt oder geltend gemacht, freizustellen.
Die Patentinhaberin und die Einsprechende zu 1) beantragen aus diesem Grund, das Einspruchsverfahren für erledigt zu erklären.
II. A. Der Senat ist für die Entscheidung im vorliegenden Einspruchsverfahren auch nach der -mit Wirkung vom 1. Juli 2006 erfolgten -Aufhebung der Übergangsvorschriften des § 147 Abs. 3 PatG auf Grund des Grundsatzes der "perpetuatio fori" gemäß § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO analog i. V. m. § 99 Abs. 1 PatG zuständig (vgl. BGH GRUR 2009, 184, 185 -Ventilsteuerung; GRUR 2007, 862 f. -
Informationsübermittlungsverfahren II).
B. Nachdem das Patent nach § 20 Abs. 1 Nr. 3 PatG erloschen ist und die frühere Patentinhaberin alle von dem Patent Betroffenen von Ansprüchen aus der Vergangenheit ausdrücklich freigestellt hat, so dass solche möglichen Ansprüche aus dem angemeldeten und erteilten Patent nach § 362 BGB ebenfalls erloschen sind, ist das Einspruchsverfahren in der Hauptsache erledigt.
1.
Nach allgemeiner Meinung ist ein Gerichtsverfahren erledigt, wenn ein nach Verfahrenseinleitung eingetretenes außerprozessuales Ereignis vorliegt, das sich auf die materiellrechtlichen Voraussetzungen der Zulässigkeit oder Begründetheit des Rechtsschutzbegehrens (also der Klage oder des verfahrenseinleitenden Antrags) in der Weise auswirkt, dass sie das ursprünglich zulässige und begründete Rechtsschutzziel nachträglich rechtlich oder tatsächlich gegenstandslos macht, weil dieses entweder bereits außerhalb des Prozesses erreicht wurde oder nicht mehr mit Aussicht auf Erfolg weiterverfolgt werden kann (vgl. BGHZ 155, 392 [398]; BGH NJW 2007, 3721 [3722]; BVerwG NVwZ 1989, 48; NVwZ 1993, 979; BVerwGE 46, 81 [83]; 73, 312 [314]; s. a. Zöller/Vollkommer, ZPO, 27. Aufl., § 91a Rn. 3 m. w. N.; Sodann/Ziekow/Neumann, VwGO, 3. Aufl., § 161 Rn. 130 ff.).
2.
Eine solche Erledigung ist vorliegend allerdings nicht schon infolge des Erlöschens des Streitpatents nach § 20 Abs. 1 Nr. 3 PatG eingetreten, weil mit dem sich nur für die Zukunft auswirkenden Erlöschen nach § 20 PatG das auf die rückwirkende (vgl. § 21 Abs. 3 Satz 1 PatG) Beseitigung der Patenterteilung gerichtete Ziel des Einspruchs nicht vollständig verwirklicht wird (vgl. BPatG 7. Senat, Beschluss vom 20. Oktober 2010, Az. 7 W (pat) 333/06 -Vorrichtung zum Heißluftnieten, veröffentlicht unter http://juris.bundespatentgericht.de/cgibin/rechtsprechung/document.py€Gericht=bpatg&Art=en&sid=0ce4213559e634a37e5ba6f9b56b24a9&nr=17598&pos=0&anz=1&Blank=1.pdf). Aus demselben Grund führt auch der Umstand, dass mit rechtkräftigem Abschluss des das europäische Patent EP 1 075 979 betreffenden Einspruchsverfahrens das Streitpatent bereits vor seinem Erlöschen nach § 20 PatG aufgrund des Doppelschutzverbots in Art II § 8 Abs. 1 Nr. 2 IntPatÜG keine Wirkung mehr hatte, soweit es denselben Umfang wie das europäische Patent aufweist, nicht zu einer Erledigung der Hauptsache; denn die Wirkungslosigkeit des Streitpatents ist danach erst mit dem Abschluss des europäischen Einspruchsverfahrens (vorliegend also erst am 18. Dezember 2008) eingetreten, so dass auch durch sie -ungeachtet der weiteren Frage ihres Umfangs -das Einspruchsziel einer auf den Anmeldetag rückwirkenden Beseitigung der Patenterteilung nicht erreicht werden kann.
3.
Das Einspruchsverfahren ist aber dadurch in der Hauptsache erledigt, dass die Patentinhaberin über das Erlöschen des Streitpatents nach § 20 PatG hinaus in der mündlichen Verhandlung alle von dem Streitpatent zwischen seiner Anmeldung und seinem Erlöschen von ihm möglicherweise Betroffenen wirksam freigestellt hat. Dabei kann die streitige Frage dahinstehen, ob nach Erlöschen eines Streitpatents ohne Geltendmachung eines eigenen Rechtsschutzbedürfnisses des Einsprechenden entweder der Einspruch unzulässig wird (vgl. BPatG [20. Senat] GRUR 2009, 612 -Auslösevorrichtung) oder zur in einem förmlichen Beschluss festzustellenden Erledigung der Hauptsache führt (so BPatG [21. Senat] GRUR 2010, 363 -Radauswuchtmaschine), oder ob das Erlöschen des Streitpatents unabhängig von einem Rechtsschutzbedürfnis des Einsprechenden keine Auswirkungen hat, solange nicht das Allgemeininteresse an der rückwirkenden Beseitigung der Wirkungen der Patenterteilung auch für die Vergangenheit konkret festgestellt wurde (vgl. BPatG [7. Senat], a. a. O. -Vorrichtung zum Heißluftnieten). Denn nach allen Auffassungen ist das Einspruchsverfahren jedenfalls dann beendet, wenn -wie vorliegend -über das bloße Erlöschen des Streitpatents hinaus der Patentinhaber Dritte (wozu auch die am Einspruchsverfahren noch beteiligten Einsprechenden gehören) von allen möglichen Ansprüchen aus dem Patent auch für die Zeit vor dem Erlöschen des Streitpatents freigestellt hat, da infolge dessen sowohl das Allgemeininteresse als auch jegliches eigene Rechtsschutzbedürfnis der Einsprechenden entfallen ist. Da hierdurch dieselben (wirtschaftlichen) Folgen wie beim Widerruf des Streitpatents eintreten, so dass das auf Beseitigung der Folgen der Patenterteilung gerichtete Ziel des Einspruchs auf eine andere Art und Weise als durch eine gerichtliche Entscheidung über den Einspruch erreicht wird, ist die Hauptsache erledigt. Dies war daher auf den übereinstimmenden Antrag der an der mündlichen Verhandlung teilnehmenden Beteiligten in einem förmlichen Beschluss festzustellen.
C. Gründe für eine Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen nach § 80 Abs. 1 Satz 1 PatG sind weder vorgetragen noch anderweitig ersichtlich.
Höppler Dr. Hartung Schwarz Maile Hu
BPatG:
Beschluss v. 28.01.2011
Az: 7 W (pat) 332/09
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