Bundespatentgericht:
Beschluss vom 10. Dezember 2008
Aktenzeichen: 17 W (pat) 58/08
(BPatG: Beschluss v. 10.12.2008, Az.: 17 W (pat) 58/08)
Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung
Die Anmelderin hat gegen den Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse G 06 F des Deutschen Patent- und Markenamts vom 8. Februar 2008 Beschwerde eingelegt. Die Prüfungsstelle hatte die Anmeldung zur Erteilung eines Patents zurückgewiesen, da der beantragte Verfahrensanspruch lediglich die im Vorrichtungsanspruch beanspruchten Schritte wiederholen würde. Die Prüfungsstelle beruft sich dabei auf eine Entscheidung des BGH, wonach es nicht gestattet sei, eine Vorrichtung zu verändern und anschließend mit Bezug auf einen Verfahrensanspruch deren bestimmungsgemäße Benutzung zu untersagen. Die Anmelderin argumentiert, dass diese Rechtsauffassung in diesem Fall nicht zutrifft, da der Verfahrensanspruch eine andere Lehre beinhaltet als der Vorrichtungsanspruch. Sie beantragt die Aufhebung des Beschlusses und die Erteilung des Patents auf Grundlage der eingereichten Patentansprüche und Beschreibung. Das Bundespatentgericht hebt den Beschluss der Prüfungsstelle auf und erklärt, dass das Patenterteilungsverfahren fortgesetzt wird. Das Gericht stellt fest, dass die beantragten Ansprüche zulässig sind und dass das Patent aufgrund der Neuheit und erfinderischen Tätigkeit der Erfindung rechtens ist. Das Gericht lehnt jedoch die Rückerstattung der Beschwerdegebühr ab, da keine unangemessene Sachbehandlung durch das Patentamt festgestellt wurde. Eine mündliche Verhandlung wird nicht abgehalten, da der Antragsteller im Ergebnis obsiegt hat.
Die Gerichtsentscheidung im Volltext:
BPatG: Beschluss v. 10.12.2008, Az: 17 W (pat) 58/08
Tenor
Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse G 06 F des Deutschen Patentund Markenamts vom 8. Februar 2008 aufgehoben und das Patent mit folgenden Unterlagen erteilt:
Patentansprüche 1 bis 6, eingegangen am 11. August 2008, Beschreibung mit Seiten 1 -35, eingegangen am 11. August 2008, 6 Blatt Zeichnungen mit Figuren 1 -8, eingegangen am 10. Mai 1999.
Gründe
I.
Die vorliegende Patentanmeldung ist am 8. August 1997 unter Beanspruchung einer US-Priorität vom 13. November 1996 als internationale Anmeldung mit der Nr. PCT/US97/14024 in englischer Sprache unter der Bezeichnung "Data cache with data storage and tag logic with different clocks" eingereicht worden. Mit der am 10. Mai 1999 eingegangenen Übersetzung mit dem Titel:
"Daten-Cache mit Datenspeicherung und Tag-Logik bei unterschiedlichen Takten"
wurde die nationale Phase beim Deutschen Patentund Markenamt eingeleitet.
Die Anmeldung wurde von der Prüfungsstelle für Klasse G 06 F des Deutschen Patentund Markenamts durch Beschluss vom 8. Februar 2008 zurückgewiesen. Zur Begründung führte sie aus, das mit dem Patentanspruch 4 beanspruchte Arbeitsverfahren wiederhole mit den angegebenen Verfahrensschritten lediglich die mit der (im Patentanspruch 1) beanspruchten Vorrichtung für deren Betrieb bzw. Inbetriebnahme durchgeführten bzw. durchzuführende Schritte. Durch die Entscheidung "Mikroprozessor" habe der BGH seine Rechtsmeinung zur Entscheidung "Handhabungsgerät" nicht geändert. Demnach seien derartige Verfahrensansprüche nicht zulässig, da es einer Anmelderin verwehrt sei, sich eine Vorrichtung patentieren zu lassen und sich gleichzeitig deren bestimmungsgemäße Verwendung (Betrieb bzw. Inbetriebnahme) mit patentrechtlichen Mitteln vorzubehalten. Nichts anderes aber versuche sie mit dem nebengeordneten Patentanspruch 4 zu erreichen.
Gegen diesen Beschluss wendet sich die Beschwerde der Anmelderin vom 25. März 2008. Unter Berücksichtigung der Eingabe vom 8. August 2008 beantragt sie sinngemäß:
den Beschluss aufzuheben und ein Patent zu erteilen auf Grundlage der Patentansprüche 1 bis 6 und der Beschreibung mit Seiten 1 -35 gemäß Eingabe vom 8. August 2008 sowie der ursprünglichen Figuren 1 -8;
hilfsweise die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung.
Es wurde angeregt, die Beschwerdegebühr zurückzuzahlen.
Sie macht geltend, dass mit ihrer Eingabe vom 17. Januar 2008 ein Patentbegehren eingereicht wurde, mit dem die Beanstandungen der Prüfungsstelle hinsichtlich einer vollständigen Lehre zum technischen Handeln ausgeräumt worden seien. Die nunmehr beanspruchte Lehre sei zudem durch den im Prüfungsverfahren genannten Stand der Technik weder bekannt noch nahegelegt und demzufolge patentfähig. Entgegen der Auffassung der Prüfungsstelle sei die Nebenordnung des geltenden Patentanspruchs 4 zulässig, wie dies bereits in den Eingaben der Anmelderin vom 16. März 2007 und 17. Januar 2007 begründet worden sei. Es sei aus dem Prüfungsverfahren nicht erkennbar, aus welchem rechtlichen Grund die Nebenordnung des Anspruchs 4 unzulässig sei.
Zur weiteren Klarstellung der beanspruchten Lehre hat die Anmelderin im Verlauf des Beschwerdeverfahrens neue Patentansprüche 1-6 und eine daran angepasste Beschreibung eingereicht.
Die nunmehr geltenden nebengeordneten Patentansprüche 1 und 4 lauten:
"1. Daten-Cache-Speicheranordnung zur Verwendung mit einem eine spekulative Datenverarbeitung ausführenden Prozessor, wobei die Daten-Cache-Speicheranordnung eine Datenspeichereinheit aufweist, die bei einer ersten Taktfrequenz betrieben wird;
wobei die Daten-Cache-Speicheranordnung eine Tag-Einheit und eine Treffer/Fehlversuch-Logik aufweist, die bei einer zweiten Taktfrequenz betrieben werden, wobei auf die Tag-Einheit bei der zweiten Taktfrequenz zugegriffen wird, wobei die zweite Taktfrequenz geringer als die erste Taktfrequenz ist, wobei die Daten der Datenspeichereinheit bei Ausführung eines Befehls spekulativ verarbeitet werden, bevor die Treffer/Fehlversuch-Logik die Korrektheit der Daten feststellt, wobei ein Wiederhol-Mechanismus, der mit der Treffer/Fehlversuch-Logik gekoppelt ist, im Falle eines Fehlversuchs eine Wiederholung der Ausführung des Befehls, der die spekulative Verarbeitung der Daten bewirkte, veranlasst."
"4. Verfahren zum Ausführen eines Befehls in einem Prozessor, der eine spekulative Datenverarbeitung ausführt, wobei der Befehl abgerufen wird, wobei der Befehl eine Operation an Daten spezifiziert, die Daten aus einer Datenspeichereinheit eines Cache-Speichers von einer Einrichtung zum Durchführen verzögerungskritischer ALU-Funktionen bei einer ersten Taktfrequenz ausgelesen werden, wobei die Daten spekulativ verarbeitet werden, indem in der Einrichtung zum Durchführen verzögerungskritischer ALU-Funktionen die von dem Befehl spezifizierte Operation ausgeführt wird, Tag-Nachschlageoperationen in einer Tag-Einheit des Cache-Speichers und eine Treffer/Fehlversuch-Bestimmung in einer Treffer-Fehlversuchs-Logik bei einer zweiten Taktfrequenz ausgeführt werden, welche geringer als die erste Taktfrequenz ist, so dass die Daten spekulativ verarbeitet werden, bevor die Treffer/Fehlversuch-Bestimmung abgeschlossen ist, wobei dann, wenn bei der Treffer/Fehlversuch-Bestimmung ein Fehlversuch festgestellt wird, eine wiederholte Ausführung des Befehls veranlasst wird."
Bezüglich der Unteransprüche 2, 3 und 5, 6 wird auf die Akte verwiesen.
Ihnen liegt die Aufgabe zugrunde, eine maximale Verarbeitungsgeschwindigkeit bei minimalen Kosten einer eine Cache-Speicheranordnung verwendenden Verarbeitungsschaltung (beispielsweise eines Prozessors) zu erreichen (siehe Beschreibung Seite 8 Abs. 2, eingeg. am 11.08.08).
II.
Die Beschwerde ist fristund formgerecht eingereicht worden und auch im Übrigen zulässig. Sie hat auch Erfolg, da das nunmehr geltende Patentbegehren keine formalen Mängel mehr aufweist, eine Nebenordnung der beanspruchten Gegenstände zulässig ist, der im Verfahren zitierte Stand der Technik nicht entgegensteht und auch sonst die Kriterien zur Patenterteilung erfüllt sind (PatG §§ 1 bis 5).
1. Die Anmeldung betrifft eine Daten-Cache-Speicheranordnung und ein Verfahren zur spekulativen Datenverarbeitung in einem Prozessor.
In der Anmeldung wird davon ausgegangen, dass ein Ausführungskern bzw. Verarbeitungsmittel eines Prozessors zur schnellen Befehlsabarbeitung mit einer höheren Taktfrequenz betrieben wird, als sein I/O-Ring (S. 1 Abs. 2 der Anmeldeunterlagen) und dabei die Cache-Speicheranordnung insgesamt im mit höherer Taktfrequenz getakteten Ausführungskern angeordnet ist. Zur weiteren Beschleunigung der Befehlsabarbeitung ist es bekannt, mehr Parallelität vorzusehen, was jedoch begrenzt ist, oder eine Verringerung der Verzögerung zu erreichen (S. 4 Abs. 5 f. der Anmeldeunterlagen). Zur schnelleren Befehlsabarbeitung wird deshalb im Stand der Technik eine spekulative Verarbeitung vorgenommen (S. 5 Abs. 4 der Anmeldeunterlagen). Als nachteilig wird angesehen, dass der gesamte Ausführungskern darauf beschränkt ist, bei der gleichen Taktfrequenz zu arbeiten, was einige Komponenten innerhalb des Ausführungskerns wegen vorhandener langsamster Pfade einschränkt (S. 5 Abs. 2 in Verbindung mit S. 16 Z. 9-21 der Anmeldeunterlagen).
Die Kernidee der Anmeldung liegt demgegenüber in der Anordnung der Datenspeichereinrichtung der Daten-Cache-Speicheranordnung in einer Taktdomäne des Prozessors mit höherem Takt und die Anordnung der Tag-Einheit sowie der Treffer/Fehlversuch-Logik der Daten-Cache-Speicheranordnung in einer Taktdomäne des Prozessors mit niedrigerem Takt.
Die Datenspeichereinrichtung der Daten-Cache-Speicheranordnung wird von nur einem Abschnitt der effektiven Adresse (Index-Teil) indiziert und die in der schneller getakteten Datenspeichereinrichtung unter diesem partiellen Adressteil gespeicherten Daten werden sofort ohne Freigabe durch die Tag-Einheit dem verzögerungskritischen Verarbeitungsmittel (Ausführungskern) des Prozessors spekulativ zur Verarbeitung zugeführt. Die Ermittlung der tatsächlichen physikalischen Adresse erfolgt in der langsamer getakteten Tag-Einheit aus der vollständigen virtuellen bzw. linearen Adresse. Die damit ermittelte physikalische Adresse wird mit der physikalischen Adresse der Datenspeichereinrichtung in der ebenfalls langsamer getakteten Treffer-Fehlversuch-Logik verglichen und eine Aussage getroffen, ob es sich bei den bereits aus der Datenspeichereinrichtung abgerufenen Daten um korrekte Daten gehandelt hat. Falls die Auswertung einen Fehler ergibt, werden die inzwischen aus den abgerufenen Daten ermittelten Daten als ungültige Daten gekennzeichnet und es erfolgt eine Wiederholung des Befehls.
Als Fachmann für die genannte Aufgabenstellung ist ein Entwicklungsingenieur (Universität) der Fachrichtung Elektronik mit mehrjähriger Berufserfahrung im Bereich der schnellen Befehlsabarbeitung in einem Prozessor und des damit verbundenen schnellen Datentransfers beim Speicherzugriff anzusehen.
2. Der Erteilungsantrag liegt im Rahmen der ursprünglichen Offenbarung.
2.1 Die geltenden Patentansprüche sind zulässig.
Der geltende Anspruch 1 wurde aus dem ursprünglichen Anspruch 1 durch Aufnahme der aus den ursprünglichen Patentansprüchen 6, 10, 11, 14 und der auf S. 21 Abs. 2 und 3 der Anmeldeunterlagen erkennbaren Merkmale gebildet. Im geltenden Anspruch 4 sind die aus den ursprünglichen Patentansprüchen 7, 10, 11, 14 und S. 21 Abs. 2 und 3 der Anmeldeunterlagen offenbarten Merkmale aufgenommen worden. Die geltenden Unteransprüche 2, 3, 5, 6 entsprechen im Wesentlichen den ursprünglichen Ansprüchen 2, 5, 12 und 13.
2.2. Die Änderungen in der Beschreibung sind durch die ursprüngliche Offenbarung gedeckt bzw. stellen redaktionelle Anpassungen dar. Nicht notwendige Beschreibungsteile wurden gestrichen, der im Prüfungsverfahren genannte Stand der Technik gewürdigt und eine Aufgabe explizit genannt.
2.3.
Ferner ist die Lehre der Patentansprüche in der vorliegenden Fassung in der Anmeldung deutlich und vollständig offenbart, dass ein Fachmann sie ausführen kann.
3.
Die im Zurückweisungsbeschluss geltend gemachten Mängel können die Zurückweisung der Anmeldung nicht tragen.
3.1 Der Zurückweisungsbeschluss der Prüfungsstelle wurde i. W. damit begründet, dass das mit dem Patentanspruch 4 beanspruchte Arbeitsverfahren mit den angegebenen Verfahrensschritten lediglich die mit der (im Patentanspruch 1) beanspruchten Vorrichtung für deren Betrieb bzw. Inbetriebnahme durchgeführten bzw. durchzuführenden Schritte wiederhole. Durch die Entscheidung "Mikroprozessor" habe der BGH seine Rechtsmeinung zur Entscheidung "Handhabungsgerät" nicht geändert. Gemäß der BGH-Entscheidung "Handhabungsgerät" seien derartige Verfahrensansprüche nicht zulässig, da es einer Anmelderin verwehrt sei, sich eine Vorrichtung patentieren zu lassen und sich gleichzeitig deren bestimmungsgemäße Verwendung (Betrieb bzw. Inbetriebnahme) mit patentrechtlichen Mitteln vorzubehalten. Nichts anderes aber versuche sie mit dem nebengeordneten Patentanspruch 4 zu erreichen. Mit Verweis auf die BGH-Entscheidung "Handhabungsgerät" sei es nicht gestattet, die beanspruchte Daten-Cache-Speicheranordnung zu veräußern und anschließend mit Bezug auf Anspruch 4 deren bestimmungsgemäße Benutzung zu untersagen oder sich dafür noch einmal eine Lizenz auszahlen zu lassen.
3.2 Dieses Verständnis des Patentanspruchs 4 erweist sich jedoch als unzutreffend.
3.2.1 Zu Recht geht die Prüfungsstelle zwar davon aus, dass - entsprechend der von ihr zitierten BGH-Entscheidung "Handhabungsgerät" (GRUR 1998, 130) - an der Gewährung eines Verfahrensanspruchs kein schutzwürdiges Interesse besteht, wenn dieser nichts enthält, was über den sachlichen Gehalt des Vorrichtungsanspruchs hinausgeht, und sich nach Art einer Bedienungsanleitung in der bestimmungsgemäßen Verwendung der in dem Vorrichtungsanspruch beschriebenen Vorrichtung zu dem dort bereits genannten Zweck erschöpft. Wie der Bundesgerichtshof aber in seiner späteren Entscheidung "Mikroprozessor" (BlPMZ 2006, 285) festgestellt hat, betraf die "Handhabungsgerät"-Entscheidung einen nicht verallgemeinerungsfähigen Fall, in dem der Senat an die Feststellung der Vorinstanz gebunden war, dass der dortige Verfahrensanspruch keine über eine "Bedienungsanleitung" für das konkrete Gerät gemäß dem dortigen Vorrichtungsanspruch hinausgehende Lehre enthielt. Als wesentliches Kriterium für das Vorliegen eines Rechtsschutzbedürfnisses wurde in der "Mikroprozessor"-Entscheidung herausgestellt, dass "der Erteilungsantrag nicht auf eine mehrfache Patentierung ein und desselben Gegenstands gerichtet" sein darf; Übereinstimmungen im Schutzbereich der Ansprüche berühren das Rechtsschutzbedürfnis hingegen nicht. Insbesondere führt der Bundesgerichtshof aus: "Die Beanspruchung eines Patents mit mehreren Patentansprüchen ein und derselben oder mehrerer Patentkategorien kann allenfalls dann als unzulässig angesehen werden, wenn ... der Anmelder mit einem der kumulierten Patentansprüche keinen weitergehenden Schutz erreichen kann als den, den er mit der Gewährung der anderen Patentansprüche bereits erhält."
3.2.2 Im vorliegenden Fall ist der Vorrichtungsanspruch 1 auf eine "Daten-Cache-Speicheranordnung" gerichtet. Dieser Anspruch zielt auf die Ausgestaltung der Cache-Speicheranordnung zur Verwendung mit einem Prozessor, der eine spekulative Datenverarbeitung ausführt. Der nebengeordnete Verfahrensanspruch 4 bezieht sich auf ein "Verfahren zum Ausführen eines Befehls in einem Prozessor, der eine spekulative Datenverarbeitung ausführt". Das Verfahren hat seinen Schwerpunkt in der Ausführung der spekulativen Verarbeitung in einem Prozessor. In dem Verfahren wird zusätzlich zum Anspruch 1 angegeben, dass mit einer Einrichtung zum Durchführen verzögerungskritischer ALU-Funktionen die Daten gelesen und spekulativ verarbeitet werden. Diese Einrichtung zum Durchführen verzögerungskritischer ALU-Funktionen ist neben der Daten-Cache-Speicheranordnung Bestandteil des Prozessors. Darin liegt ein unterschiedlicher sachlicher Gehalt. Der Verfahrensanspruch 4 gibt somit einen anderen Schutz als der Vorrichtungsanspruch 1. Von einer "mehrfachen Patentierung ein und desselben Gegenstands" kann keine Rede sein.
Sonach liegt hier die der BGH-Entscheidung "Handhabungsgerät" zugrundeliegende Voraussetzung nicht vor. Ein Rechtsschutzbedürfnis an der Gewährung des Patentanspruchs 4 neben dem Patentanspruch 1 ist daher anzuerkennen.
Der Zurückweisungsbeschluss ist daher unbegründet und war aufzuheben.
4. Die Vorrichtung gemäß Anspruch 1 und das Verfahren gemäß Anspruch 4 sind patentfähig, da sie gegenüber dem genannten Stand der Technik neu sind und auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen.
4.1 Im Verfahren befinden sich die im Prüfungsverfahren genannte Druckschrift:
D1: USDE5309561 sowie die in der Beschreibung der Anmeldung auf S. 16 genannte Druckschrift:
D2: Austin, T. M.; Pnevmatikatos, D. N.; Sohi, G. S.: Streamlining Data Cache Access with Fast Address Calculation. In: Proceedings of the 22nd Annual International Symposium on Computer Architekture, 18. bis 24. Juni 1995, Sitzung 8, Nr. 1 S. 1 -12.
4.2 Hinsichtlich dieses Standes der Technik ist der Gegenstand des Anspruchs 1 und des Anspruchs 4 neu, da keine der genannten Druckschriften eine Daten-Cache-Speicheranordnung mit allen Merkmalen des Anspruchs 1 und kein Verfahren zum Ausführen eines Befehls in einem Prozessor, der eine spekulative Datenverarbeitung ausführt, mit allen Merkmalen des Anspruchs 4 zeigt. Die beanspruchten Gegenstände beruhen darüber hinaus gegenüber dem genannten Stand der Technik auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.
D1 betrifft einen Prozessor, der in zwei Sektionen bzw. Taktdomänen unterteilt ist, die mit unterschiedlicher Taktfrequenz betrieben werden. Die Cache-Speicheranordnung befindet sich komplett, d. h. einschließlich der Datenspeichereinheit, der Tag-Einheit und der Treffer/Fehlversuch-Logik, in der Sektion mit höherer Taktfrequenz (Abstract, Fig. 1) und bezeichnet somit den Stand der Technik, von dem in der Anmeldung ausgegangen wird.
D2 beschäftigt sich mit der schnellen Adressenberechnung für den spekulativen Zugriff zu einer Daten-Cache-Speicheranordnung zur Verringerung der Latenzzeit bei der Befehlsabarbeitung in einem Prozessor, der eine spekulative Datenverarbeitung ausführt. Die Überprüfung der effektiven Adresse über deren Block Offset und Tag-Teil erfolgt parallel und nicht zeitverzögert zum spekulativen Cachezugriff über einen Teil (Index) der effektiven Adresse und ist vom Cachezugriff völlig entkoppelt. Bei Feststellen eines Fehlzugriffs wird der Zugriff mit der richtigen Adresse wiederholt (S. 1 Sp. 1 Abs. 2, Sp. 2 letzter Abs. -S. 2 Satz 1, S. 4 Sp. 1 letzter Abs., Sp. 2 Abs. 1, 3, 5). Dabei sind die Tag-Einheit und die Treffer/Fehlversuch-Logik nicht in einer anderen, langsameren Sektion bzw. Taktdomäne angeordnet, sondern genau wie die Daten-Cache-Speicheranordnung in der schnelleren Taktdomäne. Auch ein Hinweis in der Richtung, die Tag-Einheit und die Treffer/Fehlversuch-Logik in einer anderen, langsameren Taktdomäne als die Daten-Cache-Speicheranordnung anzuordnen, ist nicht zu entnehmen.
Eine Aufteilung von Komponenten einer Daten-Cache-Speicheranordnung unter verschiedene Taktdomänen ist somit weder aus D1 noch D2 entnehmbar.
Es ist daher anzuerkennen, dass die Vorrichtung nach Patentanspruch 1 und das Verfahren nach Patentanspruch 4 neu sind und auch auf erfinderischer Tätigkeit beruhen und patentfähig sind.
Die abhängigen Ansprüche 2, 3 und 5, 6 beinhalten zweckmäßige Weiterbildungen der Vorrichtung nach Patentanspruch 1 und des Verfahrens nach Patentanspruch 4 und sind ebenfalls gewährbar.
III.
Bei der konkreten Verfahrensführung sieht der Senat eine Rückzahlung der Beschwerdegebühr nicht als gerechtfertigt an (§ 80 Abs. 3 PatG).
1.
Die Anmelderin hat die Rückzahlung der Beschwerdegebühr angeregt. Hierzu wurde geltend gemacht, dass die beantragte Anhörung verfahrensfehlerhaft abgelehnt worden sei, da diese zur Erörterung der Rechtsgrundlagen der Zulässigkeit der Nebenordnung des geltenden Anspruchs 4 sachdienlich gewesen wäre. Im Zurückweisungsbeschluss sei durch Verweis auf die Mikroprozessor-Entscheidung des BGH erstmalig indirekt die Frage der Erschöpfung des Patentrechts angesprochen worden, zu der die Anmelderin keine Gelegenheit zur Stellungnahme gehabt habe. Insgesamt sei im Verlauf des Prüfungsverfahrens ein Verstoß gegen den Grundsatz der Verfahrensökonomie zu erkennen.
2.
Eine unangemessene Sachbehandlung durch das Deutsche Patentund Markenamt ist im konkret vorliegenden Fall jedoch nicht zu erkennen.
Die Beschwerdegebühr ist gemäß § 80 Abs. 3 PatG zurückzuzahlen, wenn dies der Billigkeit entspricht. Maßgebend dafür sind alle Umstände des Falles. Die Billigkeit kann danach eine Rückzahlung erfordern, wenn sich die Zurückweisung der Anmeldung als eine unangemessene Sachbehandlung darstellt, die sich z. B. aus einer sachlichen Fehlbeurteilung, einem Verfahrensfehler oder einem Verstoß gegen die Verfahrensökonomie durch das Deutsche Patentund Markenamt ergibt. Dabei sind auch das Verhalten der Beteiligten oder der Vertreter und sonstige Umstände zu berücksichtigen (vgl. Schulte, PatG, 8. Auflage (2008), § 73 Rdnr. 129, 132, 148; § 80 Rdnr. 11; Busse / Keukenschrijver, PatG, 6. Auflage (2003), § 80 Rdnr. 97, 120; Benkard / Schäfers, PatG, 10. Auflage (2006), § 80 Rdnr. 21, 25, 26, 29).
2.1 Im vorliegenden Einzelfall ist der Beurteilungsspielraum der Prüfungsstelle bei der Einschätzung der Sachdienlichkeit der Anhörung vor Beschlussfassung jedoch nicht überschritten worden.
Allerdings kann bereits die Ablehnung einer von der Anmelderin beantragten Anhörung einen solchen die Rückzahlung der Beschwerdegebühr rechtfertigenden Verfahrensverstoß darstellen. § 46 Abs. 1 Satz 2 PatG gibt vor, dass der Anmelder bis zum Beschluss über die Erteilung auf Antrag zu hören ist, wenn es sachdienlich ist. Sachdienlich ist eine Anhörung immer dann, wenn sie das Verfahren fördern kann, insbesondere wenn sie eine schnellere und bessere Klärung als eine schriftliche Auseinandersetzung verspricht. Grundsätzlich wird deshalb die einmalige Durchführung einer Anhörung im Prüfungsverfahren als sachdienlich angesehen. Eine Ablehnung eines Antrags auf Anhörung kommt deshalb nur ausnahmsweise in Betracht, nämlich wenn triftige Gründe dafür vorliegen, weil z. B. die Anhörung zu einer überflüssigen Verfahrensverzögerung führen würde (Schulte, a. a. O., § 46 Rdnr. 9) - etwa wenn die Anmelderin überhaupt keine Bereitschaft zeigt, eine als notwendig erachtete Anpassung der Patentansprüche durchzuführen. Bei der Nachprüfung der Sachdienlichkeit der Anhörung ist der Senat unter Ausschluss von Zweckmäßigkeitserwägungen beschränkt auf eine Rechtskontrolle (Benkard, a. a. O., § 46 Rdnr. 8; BPatGE 26, 44).
Vorliegend ist jedoch aufgrund der besonderen Umstände des Falls nicht zu beanstanden, dass die Anhörung als nicht sachdienlich abgelehnt worden ist. Im Laufe des Prüfungsverfahrens sind 4 Prüfbescheide ergangen. In den Prüfbescheiden vom 27. Oktober 2006 und 9. Juli 2007 wurde jeweils geltend gemacht, dass eine Nebenordnung des Verfahrensanspruchs neben dem Anordnungsanspruch gemäß Patentanspruch 1 nicht zulässig sei. Zu dieser Auffassung der Prüfungsstelle hat die Anmelderin in zwei Erwiderungen (16.3.07 und 17.1.08) ausführlich Stellung genommen. Mit Eingabe vom 17. Januar 2008 wurde von der Anmelderin ein in sachlicher Hinsicht gegenüber dem Stand der Technik gewährbares Patentbegehren eingereicht und der Antrag auf Anhörung wiederholt, um die noch strittige Rechtsfrage detailliert erörtern zu können. Zum Zeitpunkt der Beschlussfassung war somit nur noch die vom Prüfer geltend gemachte Unzulässigkeit der Nebenordnung der Patentansprüche 1 und 4 strittig. Von der Prüfungsstelle war vor Beschlussfassung einzuschätzen, ob eine Anhörung ausschließlich zu dieser strittigen Rechtsfrage sachdienlich ist. Da die Anmelderin bereits in zwei Erwiderungen (16.3.07 und 17.1.08) ausführlich dazu Stellung genommen hatte, konnte von der Prüfungsstelle die Rechtsfrage als ausdiskutiert und das rechtliche Gehör damit als gewahrt angesehen werden. Ein den Einwendungen der Prüfungsstelle entgegenkommender neuer Antrag der Anmelderin konnte nicht erwartet werden, so dass die begehrte Anhörung zu diesem Zeitpunkt nur noch eine Verzögerung der Entscheidung bewirkt hätte. Unter den konkreten Umständen ist es somit ausnahmsweise nicht als verfahrensfehlerhaft zu beanstanden, dass die Anhörung als nicht sachdienlich abgelehnt worden ist (vgl. hierzu Schulte, a. a. O., § 46 Rdn. 9, 12 Buchstabe a; BPatGE 13, 69, Leitsatz 1; BPatGE 18, 30; 17 W (pat) 57/04).
2.2 Durch die Prüfungsstelle wurden in ihrem Beschluss keine neuen Gründe genannt, zu denen die Anmelderin noch keine Stellung nehmen konnte, so dass auch diesbezüglich das rechtliche Gehör gewahrt wurde. Die Argumentation im Beschluss ist fast wortidentisch zu der im Bescheid vom 27. Oktober 2006. Mit Bescheid vom 9. Juli 2007 wird diese Argumentation durch Bezug auf den vorhergehenden Bescheid nochmals wiederholt. Im Beschluss wird mit Verweis auf die Entscheidung des BGH "Handhabungsgerät" zwar zusätzlich aufgeführt, dass es nicht gestattet sei, die beanspruchte Daten-Cache-Speicheranordnung zu veräußern und anschließend mit Bezug auf Anspruch 4 deren bestimmungsgemäße Benutzung zu untersagen oder sich noch einmal eine Lizenz auszahlen zu lassen. Dies wurde im Beschluss jedoch nicht als neue Argumentation oder unabhängiger Versagensgrund aufgeführt, sondern ergänzend zur Erläuterung der als nicht möglich angesehenen Nebenordnung der Ansprüche 1 und 4 herangezogen, so wie dies auch in der Entscheidung "Handhabungsgerät" im Absatz 3c) im Zusammenhang mit dem Rechtsschutzbedürfnis für einen Verfahrensanspruch, der sich in einer Bedienungsanleitung für eine ihrerseits geschützte Vorrichtung erschöpft, aufgeführt wurde. Die Anmelderin hatte zudem zur Frage der Erschöpfung des Patentrechts bereits in ihrer Eingabe vom 16. März 2007 und 17. Januar 2008 ausführlich Stellung genommen. Dem Einwand der Anmelderin, dass im Zurückweisungsbeschluss erstmalig indirekt die Frage der Erschöpfung des Patentrechts angesprochen worden sei, zu der die Anmelderin keine Gelegenheit zur Stellungnahme gehabt habe, kann daher nicht gefolgt werden.
2.3 Ein die Rückzahlung der Beschwerdegebühr rechtfertigender Verstoß gegen den Grundsatz der Verfahrensökonomie durch unangemessene Sachbehandlung liegt nicht vor.
Eine sachliche Fehlbeurteilung der Rechtslage liegt nicht vor, wenn die Prüfungsstelle das richtige Recht anwendet, aber ihre Anwendung z. B. der Rechtsprechung auf den konkreten Fall unrichtig ist, selbst wenn ein erfahrener Patentrechtler die vorgenommene Beurteilung ohne Weiteres als unzutreffend ansehen würde (Schulte, a. a. O., § 73 Rdnr. 130). Ein die Rückzahlung der Beschwerdegebühr rechtfertigender Grund liegt auch nicht bereits dann vor, wenn die rechtliche Beurteilung der Prüfungsstelle von derjenigen des Senats abweicht.
Wie im Abschnitt II. unter 3.2.1 bereits aufgeführt, wendet die Prüfungsstelle zwar die Entscheidung "Handhabungsgerät" an, obwohl in der späteren Entscheidung "Mikroprozessor" vom Bundesgerichtshof festgestellt wurde, dass die "Handhabungsgerät"-Entscheidung einen nicht verallgemeinerungsfähigen Fall betraf. In der "Mikroprozessor"-Entscheidung wurde aber auch herausgestellt, dass "der Erteilungsantrag nicht auf eine mehrfache Patentierung ein und desselben Gegenstands gerichtet" sein darf und dass die Beanspruchung eines Patents mit mehreren Patentansprüchen mehrerer Patentkategorien allenfalls dann als unzulässig angesehen werden kann, wenn der Anmelder mit einem der kumulierten Patentansprüche keinen weitergehenden Schutz erreichen kann als den, den er mit der Gewährung der anderen Patentansprüche bereits erhält. Das Festhalten der Prüfungsstelle an ihrer Rechtsauffassung kann damit nicht als mutwillige Verfahrensverzögerung angesehen werden.
Auch in der Verfahrensdauer bzw. im Verlauf des Prüfungsverfahrens ist ein Verstoß gegen den Grundsatz der Verfahrensökonomie nicht zu erkennen. Sowohl die Prüfungsstelle als auch die Anmelderin haben im Prüfungsverfahren aus ihrer Sicht jeweils verfahrensökonomisch gehandelt. Bei den 7,5 Jahren zwischen Prüfungsantrag und Beschlussfassung ist die Dauer von 2,5 Jahren zwischen der mit Eingabe vom 27. Mai 2004 beantragten Ablehnung des Prüfers wegen Besorgnis der Befangenheit bis zur endgültigen Entscheidung des 10. Senats des BPatG hierüber zu berücksichtigen. In den verbleibenden 5 Jahren wurden 4 Prüfbescheide abgesetzt und es erfolgten 4 Eingaben, um eine gegenüber dem Stand der Technik gewährbare Anspruchsfassung zu erzielen. Dies kann nicht als unzulässig lange Verfahrensdauer gewertet werden.
Auch dem Vorwurf der Anmelderin, dass im Verlauf des Prüfungsverfahrens insgesamt ein Verstoß gegen den Grundsatz der Verfahrensökonomie zu erkennen sei, kann somit nicht gefolgt werden.
3. Bei der konkreten Verfahrensführung sieht der Senat deshalb die von der Anmelderin angeregte Rückzahlung der Beschwerdegebühr nicht als gerechtfertigt an.
IV.
Von einer mündlichen Verhandlung hat der Senat nach § 78 Nr. 3 PatG abgesehen.
Der Senat konnte die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung treffen. Die Anmelderin hat zwar hilfsweise einen Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt, dem bei einer beabsichtigten Entscheidung zu Lasten der Anmelderin grundsätzlich gemäß § 78 Nr. 1 PatG auch stattzugeben wäre. Bei einer sachgerechten Auslegung ist der Antrag aber dahingehend zu verstehen, dass der Termin hilfsweise nur dann beantragt ist, wenn der Senat in der Hauptsache zu Lasten der Anmelderin entscheiden will. Dies ist nicht geschehen, da die Anmelderin in der Hauptsache obsiegt hat. Eine mündliche Verhandlung ist bei einer Entscheidung in Bezug auf eine Nebenentscheidung, wie die Frage der Rückzahlung der Beschwerdegebühr, trotz eines entsprechenden Antrags nicht zwingend i. S. d. § 78 Nr. 1 anzuberaumen (vgl. Schulte, a. a. O., § 78 Rdnr. 14 Buchstabe e) und BPatGE 13, 69 Leitsatz 2). Denn ob die Beschwerdegebühr zurückzuzahlen ist, ist bereits von Amts wegen zu prüfen. Insofern handelt es sich bei einem solchen Antrag nicht um einen echten Antrag, sondern nur um eine bloße Anregung mit der (sanktionslosen) Pflicht des Senats, ihn zu bescheiden.
Dr. Fritsch Eder Baumgardt Wickborn Ko
BPatG:
Beschluss v. 10.12.2008
Az: 17 W (pat) 58/08
Link zum Urteil:
https://www.admody.com/gerichtsentscheidung/b66f7f4d5d1c/BPatG_Beschluss_vom_10-Dezember-2008_Az_17-W-pat-58-08