Hessischer Verwaltungsgerichtshof:
Beschluss vom 27. August 1992
Aktenzeichen: 14 S 1581/92
(Hessischer VGH: Beschluss v. 27.08.1992, Az.: 14 S 1581/92)
Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung
Der Hessische Verwaltungsgerichtshof hat in einem Beschluss entschieden, dass der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle zu Recht die Beweisgebühr im Kostenfestsetzungsbeschluss abgesetzt hat. Die Erinnerungsführer, die Prozessbevollmächtigten des Beklagten, hatten dagegen Einspruch eingelegt, da sie der Ansicht waren, dass der Verwaltungsgerichtshof die TÜV-Gutachten benötigt hätte, um eine Entscheidung treffen zu können. Die Erinnerungsführer argumentierten, dass dies die Entstehung einer Beweisgebühr rechtfertigen würde. Die Erinnerungsgegner widersprachen dieser Ansicht.
Der Verwaltungsgerichtshof begründete seine Entscheidung damit, dass die Gutachten bereits im Verwaltungsverfahren verwendet worden seien und somit nicht als Beweismittel im Gerichtsverfahren herangezogen werden mussten. Die Gutachten wurden dem Gericht vom beklagten Land vorgelegt, was die Qualifizierung als "Beiziehung zum Beweis" ausschließt. Eine Beweisgebühr entsteht nur dann, wenn Akten oder Urkunden nicht eines Prozessbeteiligten zum Beweis beigezogen wurden. Zudem hat der Verwaltungsgerichtshof die Gutachten nicht als Beweis verwertet, sondern zur Unterstützung des Verständnisses von fachwissenschaftlichen Zusammenhängen und Plausibilitätsbetrachtungen verwendet.
Die Erinnerung wurde daher mit den Kosten gemäß § 154 Abs. 2 VwGO abgewiesen. Der Beschluss ist unanfechtbar.
Der Streitwert wurde entsprechend der angesetzten Beweisgebühr und der darauf entfallenden Mehrwertsteuer festgesetzt.
(Hessischer VGH: Beschluss vom 27. August 1992, Aktenzeichen 14 S 1581/92)
Die Gerichtsentscheidung im Volltext:
Hessischer VGH: Beschluss v. 27.08.1992, Az: 14 S 1581/92
Gründe
I.
Die Erinnerungsführer wenden sich als Prozeßbevollmächtigte des Beklagten dagegen, daß der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle in dem Kostenfestsetzungsbeschluß die von den Erinnerungsführern im Kostenfestsetzungsgesuch vom 5. November 1991 beantragte Beweisgebühr in Höhe von 2.455,70 DM mit der damit verbundenen Verringerung der Mehrwertsteuer abgesetzt hat. Zur Begründung hat der Urkundsbeamte ausgeführt, eine Beweisgebühr sei deshalb nicht entstanden, weil die vorgelegten Unterlagen (Gutachten) weder erkennbar durch den Senat zu Beweiszwecken herangezogen noch als Beweismittel verwertet worden seien. Die Erinnerungsführer halten dies für unzutreffend. Sie sind der .Ansicht, der Hessische Verwaltungsgerichtshof wäre ohne die Beiziehung der in Rede stehenden TÜV-Gutachten nicht zu einer Sachentscheidung in der Lage gewesen; daraus folgern sie die Entstehung einer Beweisgebühr. Dem sind die Erinnerungsgegner entgegengetreten.
II.
Die nach § 165 VwGO hier von den Prozeßbevollmächtigten des Beklagten zulässigerweise eingelegte Anfechtung ist unbegründet; denn der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat die Beweisgebühr zu Recht abgesetzt. Nach § 31 Abs. 1 Nr. 3 der Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte - BRAGO - erhält der zum Prozeßbevollmächtigten bestellte Rechtsanwalt eine Gebühr "für die Vertretung im Beweisaufnahmeverfahren". Nach der einschränkenden Bestimmung des § 34 Abs. 1 BRAGO kommt die Beweisgebühr jedoch dann nicht zur Entstehung, wenn die Beweisaufnahme lediglich in der Vorlegung der in den Händen eines Beteiligten befindlichen Urkunden besteht. So liegt der Fall hier. Bei den fraglichen Vorgängen handelt es sich um die Gutachten des TÜV Hannover und des TÜV Rheinland. Diese Gutachten haben bereits im Verwaltungsverfahren in die behördliche Entscheidung der Genehmigungsbehörde des beklagten Landes Eingang gefunden und sind im Tatbestand des Urteils des Senats vom 29. Oktober 1991 - 14 A 2767/90 - unter C II. als Inhalt der Behördenakten bezeichnet worden (Bl. 39 des Urteilsabdrucks). Diese Akten sind vom Beklagten dem Gericht im Sinne des § 34 Abs. 1 BRAGO "vorgelegt" und nicht im Sinne des § 34 Abs. 2 BRAGO "zum Beweis beigezogen" worden. Der Qualifizierung einer "Beiziehung zum Beweis" steht bereits die Tatsache entgegen, daß das beklagte Land über diese Unterlagen verfügen konnte und sie dem Gericht - sei es aus eigenem Antrieb, sei es auf Aufforderung des Berichterstatters - vorgelegt hat. Die Zuerkennung einer Beweisgebühr nach § 34 Abs. 1 BRAGO kommt von vornherein reicht in Betracht, wenn es sich bei den - auch auf Aufforderung vorgelegten - Akten um solche eines Prozeßbeteiligten handelt. Es ist dann unerheblich, ob die Akten nach § 34 Abs. 2 BRAGO auch ohne Beweisbeschluß erkennbar zum Beweis beigezogen oder doch wenigstens als Beweis verwertet werden. Die Vorschrift des § 34 Abs. 2 BRAGO, auf die die Erinnerungsführer den von ihnen geltend gemachten Gebührenanspruch stützen, kann nur dann erheblich werden, wenn Akten oder Urkunden nicht am Prozeß beteiligter Behörden beigezogen werden.
Abgesehen davon, daß dem Entstehen einer Beweisgebühr bereits der "Ausschlußtatbestand" des § 34 Abs. 1 BRAGO entgegensteht, hat der Senat die als Akten oder Urkunden in Betracht kommenden Gutachten des TÜV Hannover und des TÜV Rheinland nicht als Beweis verwertet. Bei der vom Senat in dem dem Kostenfestsetzungsverfahren vorausgegangenen Verwaltungsstreitverfahren zu entscheidenden Frage, ob die beigeladene Betreiberin des Kohlekraftwerkes ihre vom Bundesimmissionsschutzgesetz geforderten Grundpflichten erfüllt, dienten die Aussagen in den fraglichen schriftlichen Gutachten - ebenso wie die Erläuterungen der Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung - in erster Linie nicht der Nachprüfung streitiger Tatsachenbehauptungen, sondern auch und gerade dem Verständnis von fachwissenschaftlichen Zusammenhängen. Gerade bei der Behandlung von Einwendungen der Kläger, die die Erinnerungsführer unter Hinweis auf die Seiten 62 ff. des Urteilsabdrucks als Ausdruck der "Beweisverwertung" für sich reklamieren, hat sich der Senat anstatt auf tatsächliche Ermittlungen auf die in den Gutachten enthaltenen Prognosen und Erfahrungssätze unter dem Gesichtspunkt einer Plausibilitätsbetrachtung gestützt.
Die Erinnerung mußte daher insgesamt mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 2 VwGO zurückgewiesen werden.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 13 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. dem entsprechend anzuwendenden § 14 des Gerichtskostengesetzes - GKG -. Sie entspricht der Summe, die aus der vom Kostenbeamten angesetzten Beweisgebühr in Höhe von 2.455,70 DM und der gemäß § 25 Abs. 2 BRAGO darauf entfallenden 14 %-igen Mehrwertsteuer in Höhe von 343,80 DM zu bilden ist.
Der Beschluß ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 25 Abs. 2 Satz 2 GKG).
Hessischer VGH:
Beschluss v. 27.08.1992
Az: 14 S 1581/92
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