Bundespatentgericht:
Beschluss vom 28. November 2000
Aktenzeichen: 17 W (pat) 24/99
(BPatG: Beschluss v. 28.11.2000, Az.: 17 W (pat) 24/99)
Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung
Das Bundespatentgericht hat mit seinem Beschluss vom 28. November 2000 entschieden, dass das Patent mit der Nummer 42 42 579 aufrechterhalten wird. Die Patentabteilung des Deutschen Patent- und Markenamts hatte zuvor das Patent widerrufen, da ihrer Meinung nach der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht. Die Patentinhaberin hatte dagegen Beschwerde eingelegt und argumentiert, dass der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nicht nahegelegt sei. Das Patentgericht gab der Beschwerde der Patentinhaberin statt und entschied, dass der Gegenstand des Patentanspruchs 1 auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht. Das Verfahren betrifft die Echtheitsprüfung von Datenträgern, insbesondere von Chipkarten. Es werden physikalische Eigenschaften von E2PROM-Speicherzellen zur Echtheitsprüfung genutzt. Der Patentanspruch 1 beschreibt ein Verfahren zur Echtheitserkennung eines Datenträgers, der zu einem Datenaustauschsystem, wie einer Chipkarte, gehört. Das Verfahren beinhaltet das Messen und Auswerten einer analogen physikalischen Kenngröße an einem zusätzlichen Bauelement, das in der integrierten Schaltung des Datenträgers enthalten ist. Die anderen Merkmale des Patentanspruchs 1 sind zumindest teilweise durch den Stand der Technik bekannt. Die Patentansprüche 2 bis 8 betreffen Weiterbildungen und Ausgestaltungen des Gegenstands des Patentanspruchs 1. Insgesamt ist das Patent aufgrund der erfinderischen Tätigkeit des Gegenstands des Patentanspruchs 1 aufrechtzuerhalten.
Die Gerichtsentscheidung im Volltext:
BPatG: Beschluss v. 28.11.2000, Az: 17 W (pat) 24/99
Tenor
Auf die Beschwerde der Patentinhaberin wird der Beschluß der Patentabteilung 53 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 19. April 1999 aufgehoben. Das Patent 42 42 579 wird mit den erteilten Unterlagen gemäß Patentschrift DE 42 42 579 C2 aufrechterhalten, mit der Maßgabe, daß in der Beschreibung in Spalte 1, Zeile 47 die Worte "bzw des Anspruchs 9" gestrichen werden.
Gründe
I.
Gegen die Erteilung des Patents mit der Bezeichnung
"Verfahren zur Echtheitserkennung von Datenträgern"
hat die Firma G... GmbH Einspruch erhoben.
Die Patentabteilung 53 hat nach Prüfung des Einspruchs mit Beschluß vom 19. April 1999 das Patent widerrufen. In den Gründen ist ausgeführt, daß der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.
Gegen diesen Beschluß richtet sich die Beschwerde der Patentinhaberin.
Der erteilte Patentanspruch 1, der dem Hauptantrag zugrunde liegt lautet (mit einer möglichen Gliederung):
1.) Verfahren zur Echtheitserkennung eines zu einem Datenaustauschsystem gehörenden Datenträgers, 2.) der zumindest eine einen nichtflüchtigen Speicher und dessen Steuer- und Adressierschaltung bildende integrierte Schaltung enthält, 3.) wobei bei dem Datenaustauschsystem mittels einer Datenein-/ausgabeeinrichtung (15) Daten aus dem Datenträger lesbar und in diesen einschreibbar sind, 4.) wobei die Datenein-/ausgabeeinrichtung (15) zur Versorgung des Datenträgers mit Betriebs- und Steuersignalen ausgebildet ist, 5.) wobei die integrierte Schaltung ein zusätzliches Bauelement (4) enthält, und 6.) zur Echtheitserkennung des Datenträgers eine analoge veränderbare physikalische Kenngröße des zusätzlichen Bauelementes von der Datenein-/ausgabeeinrichtung (15) gemessen und ausgewertet wird, dadurch gekennzeichnet, 7.) daß als physikalische Kenngröße die Spannung an einem analogen Ausgang des zusätzlichen Bauelementes (4) gemessen wird, und 8.) daß während des Meßvorgangs eine der Betriebsspannungen des zusätzlichen Bauelementes (4) verändert wird.
Die Patentinhaberin ist der Meinung, daß der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nicht nahegelegt sei. Das aus der EP 0 313 967 A1 bekannte Verfahren sei darauf ausgerichtet, eine Individualisierung einer Chipkarte zu ermöglichen. Dazu werde ein Parameter als digitales Muster ermittelt, der für die einzelne Schaltung charakteristisch sei. Beim Gegenstand des Patents diene ein zusätzliches Bauelement dazu, einen Nachweis darüber zu liefern, daß ein Chip mit einer bestimmten Technologie vorliege und keine Simulation mit Hilfe einer Platine versucht werde. Dazu solle nach dem Patentanspruch geschützt werden, daß eine physikalische Kenngröße an einen analogen Ausgang geführt werde.
Die Patentinhaberin stellt den Antrag, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und das Patent 42 42 579 mit den erteilten Unterlagen gemäß Patentschrift DE 42 42 579 C2 aufrechtzuerhalten, mit der Maßgabe, daß in der Beschreibung in Spalte 1, Zeile 47 die Worte "bzw des Anspruchs 9" gestrichen werden.
Die Einsprechende stellt den Antrag, die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie vertritt die Auffassung, daß das Verfahren nach dem Patentanspruch 1 durch die EP 0 313 967 A1 nahegelegt werde. Hieraus seien vergleichbare Abläufe der Meßvorgänge an einem E2PROM bekannt. In dieser Druckschrift werde als Parameter für die Erkennung auch eine dynamische Spannungskennlinie vorgeschlagen. Die Überprüfung diene auch zur Erkennung der Echtheit des Chips. Das Streitpatent mache im Übrigen keine näheren Angaben bezüglich des zusätzlichen Bauelementes.
II.
Die frist- und formgerecht eingereichte Beschwerde ist zulässig. Sie hat auch Erfolg, da der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nach den §§ 1 bis 5 PatG patentfähig ist, insbesondere auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.
Beim vorliegenden Patent geht es um die Echtheitsprüfung von Chipkarten. Dabei werden physikalische Eigenschaften von E2PROM-Speicherzellen ausgenutzt. Echtheitsprüfung heißt eigentlich nur, daß geprüft wird, ob eine bestimmte Technologie, z.B. E2PROM-Speicherzellen auf der Karte Verwendung finden. Beim vorliegenden Patent wird, nach der Beschreibung, eine Speicherzelle mit Impulsen unterschiedlicher Länge aufgeladen und die zugehörigen Spannungsverläufe an einem Ausgang gemessen.
Der Patentanspruch 1 betrifft ein Verfahren zur Echtheitserkennung eines zu einem Datenaustauschsystem (Chipkarte) gehörenden Datenträgers. Die integrierte Schaltung auf der Karte enthält zumindest einen nichtflüchtigen Speicher und dessen Steuer- und Adressierschaltung. Eine Datenein-/ausgabeeinrichtung ist zur Versorgung des Datenträgers mit Betriebs- und Steuersignalen ausgebildet und dient dem Lesen und Schreiben der Daten.
Die integrierte Schaltung enthält ein zusätzliches Bauelement (eine E2PROM-Speicherzelle). Zur Echtheitserkennung des Datenträgers wird eine analoge veränderbare physikalische Kenngröße des zusätzlichen Bauelementes von der Datenein-/ausgabeeinrichtung (15) gemessen und ausgewertet. Dazu wird als physikalische Kenngröße die Spannung an einem analogen Ausgang des zusätzlichen Bauelementes gemessen, wobei während des Meßvorgangs eine der Betriebsspannungen des zusätzlichen Bauelementes (4) verändert wird.
In der mündlichen Verhandlung wurden folgende Druckschriften aufgegriffen:
1.) DE 37 36 882 A1 2.) EP 0 313 967 A1 3.) EP 0 112 461 A1 Die DE 37 36 882 A1 und die EP 0 313 967 A1, welche die Priorität der DE 37 36 882 A1 in Anspruch nimmt, betreffen ein Verfahren zur Echtheitsprüfung eines Datenträgers mit integriertem Schaltkreis. Dieser enthält eine Vielzahl von Speicherzellen (E2PROM). Diese werden in einem vorbereitenden Betrieb programmiert, wohl eine 1 eingespeichert. Dazu werden Impulse zum Laden an das Speicherelement gelegt und ermittelt, nach wievielen Impulsen die jeweilige Zelle programmiert ist. Aufgrund der individuellen Fertigungstoleranzen entsteht über eine Gruppe von Zellen gesehen ein für jeden Datenträger spezifisches Muster, welches zusätzlich auf dem Datenträger abgespeichert wird.
Bei der Echtheitsprüfung wird dieser Vorgang wiederholt und das jetzt ermittelte Muster mit dem gespeicherten verglichen. Die Beschreibungseinleitung enthält noch den Hinweis, die statische oder dynamische Eingangskennlinie als Echtheitsmerkmal zu verwenden. Nähere Ausführungen werden nicht gemacht.
Aus der EP 0 112 461 A1 ist ein Verfahren zum Erhöhen der Fälschungssicherheit einer Identitätskarte bekannt. Dazu werden elektrische Eigenschaften von Bauteilen - Antenne, Halbleiter- und Gleichrichterschaltung - auf der Karte ermittelt und über einen geheimen Algorithmus zu einer Codezahl umgerechnet, die auf der Karte gespeichert wird. Zur Echtheitsprüfung wird dieser Vorgang wiederholt und der ermittelte Wert mit dem gespeicherten verglichen.
Aus der nächstkommenden EP 0 313 967 A1 sind somit folgende Merkmale des Gegenstands nach dem Patentanspruch 1 bekannt:
1.) Ein Verfahren zur Echtheitserkennung eines zu einem Datenaustauschsystem gehörenden Datenträgers (vgl. insb. Spalte 1, Zeilen 2 bis 6).
2.) Der Datenträger enthält zumindest eine einen nichtflüchtigen Speicher und dessen Steuer- und Adressierschaltung bildende integrierte Schaltung (vgl. insb. Spalte 9, Zeilen 52 bis 57).
3.) Bei dem Datenaustauschsystem sind mittels einer Datenein-/ausgabeeinrichtung Daten aus dem Datenträger lesbar und in diesen einschreibbar (vgl. insb. Spalte 9, Zeilen 38 bis 57).
4.) Die Datenein-/ausgabeeinrichtung ist zur Versorgung des Datenträgers mit Betriebs- und Steuersignalen ausgebildet (Figur 5, Teile 21,22).
In dieser Druckschrift wird auch angeregt, zur Echtheitserkennung des Datenträgers eine analoge veränderbare physikalische Kenngröße (Eingangskennlinie) eines Bauelementes zu messen und auszuwerten (vgl. insb. Spalte 4, Zeilen 13-28).
Dem Wortlaut nach ist auch das Merkmal 8 des Patentanspruchs 1, daß während des Meßvorgangs eine des Betriebsspannungen des zusätzlichen Bauelementes verändert wird, bekannt, da bei einem impulsförmigen Signal die Spannung zwischen den beiden Werten wechselt.
Nicht bekannt sind die Merkmale 5 und 7 des Patentanspruchs 1, daß die integrierte Schaltung, die dem beanspruchten Verfahren zugrunde liegt, ein zusätzliches Bauelement enthält und als physikalische Kenngröße die Spannung an einem analogen Ausgang des zusätzlichen Bauelementes gemessen wird. Dabei mag auch der Hinweis der Einsprechenden, die Beschreibung enthalte keine weiteren Ausführungen bezüglich dieses Bauelementes, dahinstehen, da der Wortlaut des Patentanspruchs eindeutig auf ein zusätzliches Bauelement gerichtet ist, dessen Funktion hinreichend zu erkennen ist. Nach Figur 5 der EP 0 313 967 A1 ist für den Datenaustausch eine I/O-Datenleitung vorgesehen, die zwei Logikschaltungen verbindet (vgl. insb. Steuerlogik 21, 29 und Spalte 13, Zeilen 9 bis 13). Der Fachmann geht dabei davon aus, daß zwischen den Logikschaltungen auch logische (digitale) Signale ausgetauscht werden. Der Fachmann hat keinerlei Anlaß, hier mit analogen Signalen zu arbeiten. Er erhält somit aus dem Stand der Technik keine Anregung, das Ergebnis der Messung an einem analogen Ausgang zu erhalten.
Der Hinweis im Beschluß des Patentamts, die Eingangskennlinie des integrierten Schaltkreises setze eine Meßbarkeit von außen voraus, vermag nicht zu überzeugen. Die Druckschrift weist nur auf die Kennlinie hin, ohne nähere Angaben zu machen. Da in den übrigen Ausführungen in dieser Druckschrift nur von gespeicherten Meßwerten die Rede ist, erhält der Fachmann keine Anregung analoge Werte zu messen.
Die EP 0 313 967 A1 gibt dem Fachmann auch keinen Anlaß in Richtung der beiden genannten Merkmale zu überlegen, da den beiden Lehren grundsätzlich unterschiedliche Ansätze zugrunde liegen. Beim Stand der Technik wird ein spezielles Muster aufgrund von physikalischen Eigenschaften der für den normalen Betrieb verwendeten Schaltteile ermittelt und so ein individuelles Muster für diesen Schaltkreis erzeugt. Dieses Muster wird bei der späteren Echtheitsüberprüfung verwendet. Beim Gegenstand des Patents soll dagegen nur überprüft werden, ob eine bestimmte Schaltkreis-Technologie vorliegt. Dafür wird eine spezielle Kennlinie verwendet, die wie in der Beschreibung zusätzlich erläutert wird, nicht ohne weiteres simuliert werden kann. Dazu wird nach dem Streitpatent ausdrücklich ein zusätzliches Bauteil auf der Schaltung vorgesehen und ein analoges Signal aus der Schaltung geführt.
Auch die EP 0 112 461 A1, nach der die Eigenschaften der Antenne überprüft werden, gibt keinen Hinweis, ein zusätzliches Bauteil vorzusehen.
Nach allem hatte der Fachmann bei Kenntnis des Standes der Technik keinen Anlaß, bei der Schaltung nach der EP 0 313 967 A1 bei der hieraus bekannten Schaltung ein zusätzliches Bauteil vorzusehen und ein analoges Signal herauszuführen. Der Patentanspruch 1 ist somit patentfähig.
Dies trifft auch bei zusätzlicher Berücksichtigung der in der mündlichen Verhandlung nicht wieder aufgegriffenen im Verfahren befindlichen EP 0 321 728 A1 zu, in der ebenfalls nur logische Signale zur Echtheitserkennung verwendet werden.
Die Patentansprüche 2 bis 8 betreffen nicht selbstverständliche Weiterbildungen und Ausgestaltungen des Gegenstandes des Patentanspruchs 1. Sie können deshalb bestehen bleiben.
Da auch die übrigen Unterlagen den an sie zu stellenden Anforderungen entsprechen, wobei die Streichung in Spalte 1 der Patentschrift nur eine offenbare Unrichtigkeit beseitigt hat, war der Beschwerde der Patentinhaberin stattzugeben.
Grimm Bertl Prasch Püschel Ko
BPatG:
Beschluss v. 28.11.2000
Az: 17 W (pat) 24/99
Link zum Urteil:
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