Amtsgericht Itzehoe:
Beschluss vom 22. Juli 2014
Aktenzeichen: 28 IE 1/14

(AG Itzehoe: Beschluss v. 22.07.2014, Az.: 28 IE 1/14)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Das Amtsgericht Itzehoe hat entschieden, dass die Stimmrechte der Gläubiger, die eine Vollmacht für Herrn S. unterzeichnet haben, vorläufig auf Null festgesetzt werden. Diese Entscheidung betrifft auch etwaige erteilte Untervollmachten.

In dem Verfahren ging es um die Insolvenz der Schuldnerin, die im Bereich der regenerativen Energieanlagen tätig ist. Die Schuldnerin hatte rund 75.000 Genussrechtsinhaber, die insgesamt rund 1,4 Mrd. EUR hielten. Ein großer Teil der Genussrechtsinhaber sind ältere Menschen, die ihre Anlage auch für die Alterssicherung genutzt haben. Aufgrund von Berichten in Fachzeitschriften und Zeitungen hatten einige Genussrechtsinhaber ihre Genussrechte gekündigt und die Rückzahlung ihres Kapitals gefordert. Da die Schuldnerin die gekündigte Summe nicht fristgerecht bezahlen konnte, stellte sie den Insolvenzantrag.

Im vorläufigen Insolvenzverfahren gab es Differenzen zwischen dem Geschäftsführer R. und dem Insolvenzverwalter. Der Geschäftsführer äußerte sich negativ über den Zustand der Schuldnerin in der Presse. Aufgrund von Störungen im Betriebsablauf wurde der Geschäftsführer daraufhin freigestellt. Seitdem versuchte er, die Genussrechtsinhaber von seinen Plänen zur Fortführung des Unternehmens zu überzeugen und warb intensiv um Vollmachten zur Vertretung im Insolvenzverfahren. Diese Vollmachten sollten auf Herrn S. ausgestellt werden.

Nahezu alle Vollmachten wurden mit einem Stimmrechtsvolumen von rund 190 Mio. EUR beim Gericht eingereicht. Mittlerweile wurde der Geschäftsführer abberufen und ist nicht mehr an der Schuldnerin beteiligt.

Mehrere Beteiligte stellten Anträge, die Vollmachten von Herrn S. und eventuell erteilte Untervollmachten bei der Zuweisung der Stimmrechte in der Gläubigerversammlung nicht zu berücksichtigen oder die von ihm vertretenen Stimmrechte auf Null festzusetzen.

Das Gericht ordnete an, dass die Stimmrechte der Gläubiger, die eine Vollmacht für Herrn S. unterzeichnet haben, auf Null festgesetzt werden. Es wurde festgestellt, dass Herr S. nicht zur Vertretung der Genussrechtsinhaber berechtigt ist, da er nur als Strohmann des Geschäftsführers agiert.

Die Entscheidung beruht auf objektiv feststehenden Tatsachen. Der Geschäftsführer hat die Kampagne zur Sammlung der Vollmachten gesteuert und betrieben. Der Bevollmächtigte ist lediglich ein Werkzeug des Geschäftsführers und kann keine eigene Willensbekundung für die Genussrechtsinhaber abgeben. Daher wurden die Stimmrechte auf Null festgesetzt, da diese einem Stimmverbot unterliegen.

Die Entscheidung des Gerichts beruht auf der Gesamtanalogie aus dem Verbandsrecht und anderen Rechtsgebieten. Der Interessenkonflikt zwischen dem Bevollmächtigten und dem Geschäftsführer führt dazu, dass die Stimmrechte der Genussrechtsinhaber auf Null festgesetzt werden. Es wurde jedoch festgestellt, dass die Stimmrechte der Gläubiger, die anderen Interessenvertretungen ihre Vollmacht erteilt haben, nicht auf Null festgesetzt werden müssen, da dort keine Interessenkollision besteht.

Dies ist eine vorläufige Entscheidung, da die endgültige Festsetzung der Stimmrechte erst im Berichtstermin erfolgen wird.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

AG Itzehoe: Beschluss v. 22.07.2014, Az: 28 IE 1/14


Tenor

Die Stimmrechte derjenigen Gläubiger, die eine auf Herrn S. ausgestellte Vollmacht unterzeichnet haben, werden vorläufig auf Null festgesetzt. Das gilt auch für etwa erteilte Untervollmachten.

Gründe

I.

Die Schuldnerin, vertreten durch ihre damaligen drei Gescha€ftsfu€hrer, stellte im Januar 2014 einen Antrag auf Ero€ffnung des Insolvenzverfahrens u€ber ihr Vermo€gen wegen Zahlungsunfa€higkeit. Zum vorla€ufigen Insolvenzverwalter wurde Rechtsanwalt Dr. P. ernannt. Das Insolvenzverfahren wurde mit Datum vom 01. Mai 2014 ero€ffnet.

Das Unternehmen der Schuldnerin ist schwerpunktma€ßig mit der Projektierung, Finanzierung, Realisierung und dem Betrieb regenerativer Energieanlagen, insbesondere Windenergieanlagen, befasst. Sie finanzierte sich im Wesentlichen u€ber Genussrechtskapital. Insgesamt etwa 75.000 Genussrechtsinhaber hielten zum Zeitpunkt der Insolvenzantragstellung Genussrechte in Ho€he von rund EUR 1,4 Mrd. Gruppen von Genussrechtsinhabern sind und waren organisiert in einem Verein €Freunde von P. e.V.€, der sich intensiv mit dem Schicksal der Schuldnerin bescha€ftigte und diese unterstu€tzte. Weitere Genussrechtsinhaber sind in anderen Vereinen und Verba€nden organisiert. Ein großer Anteil der Genussrechtsinhaber sind a€ltere Menschen, die eine Anlage z.T. auch fu€r ihre Alterssicherung in den Genussrechten der Schuldnerin gefunden und sich fu€r den Ausbau der erneuerbaren Energien eingesetzt haben. Aufgrund diverser Berichte in Fachzeitschriften und Zeitungen haben insbesondere Ende 2013 und Anfang 2014 diverse Genussrechtsinhaber ihre Genussrechte geku€ndigt und die Ru€ckzahlung ihres Kapitals verlangt. Da die geku€ndigte Summe von der Schuldnerin nicht fristgerecht bezahlt werden konnte, stellte sie den Insolvenzantrag.

Bereits im vorla€ufigen Insolvenzverfahren kam es zu Differenzen zwischen dem Gescha€ftsfu€hrer R. und dem Insolvenzverwalter. Der Gescha€ftsfu€hrer a€ußerte sich in der Presse negativ u€ber den Zustand der Schuldnerin. Da diese A€ußerungen zu erheblichen Sto€rungen im Betriebsablauf gefu€hrt haben, stellte der vorla€ufige Insolvenzverwalter den Gescha€ftsfu€hrer R. sowie den damaligen Vertriebsleiter am 31.03.2014 mit sofortiger Wirkung frei. Seit diesem Tag versuchte der Gescha€ftsfu€hrer, in unterschiedlichen Rechtsformen und Erscheinungsbildern die Genussrechtsinhaber von seinen Pla€nen der Fortfu€hrung des Unternehmens der Schuldnerin zu u€berzeugen, und warb bei diesen intensiv um Vollmachten zur Vertretung im Insolvenzverfahren. Diese Vollmachten sollten auf Herrn S. ausgestellt werden. Herr S. ist einer der Gru€ndungsmitglieder des Vereins €Freunde von P. e.V.€ und Genussrechtsinhaber in einer Gro€ßenordnung von EUR 240.000,- -.

Auf nahezu allen Seiten der von dem Gescha€ftsfu€hrer anschließend initiierten Internetpra€sentationen war und ist weiterhin ein Link zum Herunterladen einer vorgefertigten Vollmacht fu€r Herrn S. enthalten. Als Adresse des Herrn S. wurde auf den Vordrucken die Privatanschrift des Gescha€ftsfu€hrers aufgefu€hrt.

Bis einschließlich heute sind so fu€r Herrn S. abzu€glich der zugegangenen Widerrufe etwa 12.829 Vollmachten mit einem Stimmrechtsvolumen von etwa EUR 190.000.000,-- beim Gericht eingereicht worden.

Mittlerweile wurden die beiden u€brigen Gescha€ftsfu€hrer vom Gescha€ftsfu€hrer R., der gleichzeitig Gesellschafter der Schuldnerin ist, abberufen. Dies ist bereits im Handelsregister eingetragen, so dass der Gescha€ftsfu€hrer R. mittlerweile alleiniger Gescha€ftsfu€hrer der Schuldnerin ist.

Mit Antrag vom 10. Juli 2014 stellte Rechtsanwalt N., Mitglied im Gla€ubigerausschuss der Schuldnerin, fu€r den von ihm vertretenen Genussrechtsinhaber den Antrag, die Herrn S. erteilten Vollmachten bei der Zuweisung der Stimmrechte in der Gla€ubigerversammlung nicht zu beru€cksichtigen. Herr S. sei wegen einer offensichtlichen Interessenkollision von der Vertretung von Gla€ubigern ausgeschlossen. Er sei nur Strohmann des Gescha€ftsfu€hrers der Schuldnerin und als solcher von der Vertretung von Gla€ubigern im Insolvenzverfahren ausgeschlossen.

Mit bei Gericht am 14. Juli 2014 eingegangenem Schreiben beantragt Rechtsanwa€ltin M., ebenfalls Mitglied im Gla€ubigerausschuss der Schuldnerin, fu€r den von ihr vertretenen Genussrechtsinhaber, Herrn S. wie auch einen etwaigen Dritten, welchem ggf. von Herrn S. Untervollmacht erteilt wu€rde, von allen ihm durch Vollmachten u€bertragenen Stimmrechten bei der Gla€ubigerversammlung am 22. Juli 2014 auszuschließen bzw. die von ihm vertretenen Stimmrechte insgesamt auf Null festzusetzen.

Auch ein Vertreter der SdK, Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger e.V., stellte mit Schriftsatz vom 16. Juli 2014 einen entsprechenden Antrag. Ein weiterer Antrag mit gleicher Zielrichtung ist mit Schriftsatz vom 16. Juli 2014 durch den Personalleiter der Schuldnerin, ebenfalls Genussrechtsinhaber, gestellt worden.

Hinsichtlich dieser Antra€ge haben der Bevollma€chtigte S. sowie der Insolvenzverwalter Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten. Auf die entsprechenden Stellungnahmen wird inhaltlich Bezug genommen.

II.

Die Stimmrechte derjenigen Gla€ubiger, die eine auf Herrn S. ausgestellte Vollmacht unterzeichnet haben, sind auf Null festzusetzen, da Herr S. (Bevollma€chtigter) nicht zur Vertretung der Genussrechtsinhaber auf der Gla€ubigerversammlung berechtigt ist.

Eine Einigung auf ein bestimmtes Stimmrecht gem. § 77 Abs. 2 S. 1 InsO ist angesichts der Gro€ße der Gla€ubigerversammlung und der Vielzahl der betroffenen Fa€lle von vornherein ausgeschlossen. Daru€ber hinaus hat bereits die Vertreterin der gro€ßten Gla€ubigergruppe, Frau Rechtsanwa€ltin M., in ihrem Antrag angeku€ndigt, mit einer Einigung u€ber das Stimmrecht des Bevollma€chtigten nicht einverstanden zu sein. Insofern war eine Einigung in diesem Fall von vornherein aussichtslos. Ein ausdru€cklicher Einigungsversuch in der Gla€ubigerversammlung selbst konnte daher unterbleiben.

Die dem BEvollma€chtigten erteilten Vollmachten sind als Prozessvollmachten gem. §§ 4 InsO, 78 ff. ZPO, erteilt an einen Streitgenossen, unabha€ngig von einer etwaigen Unwirksamkeit des Grundgescha€ftes nicht nichtig, so dass der Bevollma€chtigte grundsa€tzlich zur Vertretung der Gla€ubiger in der Gla€ubigerversammlung berechtigt wa€re.

Die Bevollma€chtigungen sind auch nicht gem. § 79 Abs. 3 S. 3 ZPO zuru€ckzuweisen, weil der Bevollma€chtigte ggf. nicht in der Lage ist, das Sach- und Streitverha€ltnis sachgerecht darzustellen. Jedenfalls fehlen dafu€r dem Gericht die notwendigen konkreten auf die Person des Bevollma€chtigten bezogenen Hinweise.

Die Vertretung von Gla€ubigern in der Gla€ubigerversammlung stellt grundsa€tzlich keine so hohen Anforderungen an die Person des Bevollma€chtigten wie beispielsweise die Vertretung in einer streitigen Zivilverhandlung, auch wenn in einem Großverfahren an den Bevollma€chtigten dann jedenfalls besondere Anforderungen zu stellen sind, wenn ein Bevollma€chtigter eine Vielzahl bzw. sogar tausende von Gla€ubigern vertritt. Auch wird man erwarten ko€nnen, dass der Bevollma€chtigte ausreichend an der Vorbereitung des Termins mitwirkt. Die Tatsache, dass bisher nicht der Bevollma€chtigte sondern der Gescha€ftsfu€hrer sich um die gesamten Angelegenheiten geku€mmert hat, die Genussrechtsinhaber u€ber seine Auffassung informiert und fu€r die Erstellung einer Vollmacht auf den Bevollma€chtigten geworben hat, genu€gt nicht, diesem die grundsa€tzliche Eignung zur Vertretung abzusprechen. Das Gericht hat sich bisher kein eigenes Bild von den Fa€higkeiten und Fertigkeiten des Bevollma€chtigten machen ko€nnen, um positiv die fachliche Eignung zu verneinen. Die Tatsache, dass der Bevollma€chtigte es nicht geschafft hat, die von ihm geltend gemachten Vollmachten fristgerecht einzureichen, fu€hrt ebenfalls noch nicht dazu, dass der Bevollma€chtigte aufgrund fehlender fachlicher und perso€nlicher Eignung ungeeignet zur Vertretung der Genussrechtsinhaber auf der Gla€ubigerversammlung ist.

Jedoch unterliegen die Stimmrechte, die der Bevollma€chtigte u€ber die Vollmachten der weiteren Genussrechtsinhaber erlangt hat, aufgrund von Interessenkonflikten einem Stimmverbot und sind daher auf Null festzusetzen. Dies gilt auch fu€r den Fall, dass der Bevollma€chtigte desbezu€glich an einen Unterbevollma€chtigten Untervollmacht erteilt.

Gem. § 77 InsO analog sind im Berichtstermin die Stimmrechte mangels bereits vollsta€ndig erfolgter Anmeldung und Feststellung der Forderungen vorla€ufig festzusetzen. Danach kann das Insolvenzgericht die Stimmrechte fu€r alle anwesenden Gla€ubiger nach Pru€fung etwaiger Fragen der Vertretung vorla€ufig festsetzen abha€ngig davon, ob die Forderungen unstreitig oder bestritten sind. In der Rechtsprechung anerkannt ist auch, dass es trotz fehlender ausdru€cklicher Regelung in der Insolvenzordnung Stimmverbote gibt. Insbesondere ist das Stimmrecht eines Gla€ubigers bei schwerwiegenden Interessenkollisionen ausgeschlossen (vgl. BGH Urt. V. 22.01.1985 € VI ZR 131/83; Mu€Ko € Ehricke, InsO, § 77 Rn. 35 ff.; Frind, ZInsO 2011, 1726). Das Stimmverbot aufgrund von Interessenkonflikten wird in der Gesamtanalogie aus dem Verbandsrecht, beispielsweise § 34 BGB, § 47 Abs. 4 GmbHG, § 25 Abs. 5 WEG oder auch §§ 136 Abs. 1, 142 Abs. 1 S. 2, 3 AktG, hergeleitet. Ebenso wie fu€r das Verbandsrecht ist auch fu€r das Insolvenzrecht anzuerkennen, dass ein Bedu€rfnis besteht, Gla€ubiger und Gla€ubigervertreter in bestimmten Situationen von der Willensbildung in der Gla€ubigerversammlung auszuschließen (vgl. Uhlenbruck- Uhlenbruck, Insolvenzordnung, 10. Aufl., § 77, Rn. 5 m.w.N.). Insoweit la€sst sich aus den Vorschriften des Gesellschafts- und Wohnungseigentumsrechts der allgemeine Rechtsgrundsatz herleiten, dass auch im Insolvenzverfahren Gla€ubiger insoweit von der Ausu€bung des Stimmrechts ausgeschlossen sind, als fu€r sie entweder ein Insichgescha€ft vorliegt oder ein Richten in eigener Sache (vgl. Uhlenbruck, a.a.O). Aus der Rechtsprechung zum Konkurs- und Insolvenzrecht sind zahlreiche Einzelfa€lle fu€r Stimmverbote aufgrund von Interessenkonflikten bekannt (AG Go€ttingen, ZInsO 2009, 1821 (wg. Interessenkollision); AG Duisburg, NZI 2007, 728 ff. (wg. Interessenkollision des organschaftlichen Vertreters der Schuldnerin bei Wahl eines neuen Insolvenzverwalters); AG Dresden, ZInsO 2006, 891 (wg. In-sich-Gescha€fts); AG Kaiserslautern, NZI 2006, 46 f. (wg. Richtens in eigener Sache); AG Wolfratshausen, ZIP 1990, 597 f. (wg. enger wirtschaftlicher Verflechtung des Gla€ubigers mit dem Gemeinschuldner bei Wahl eines neuen Konkursverwalters)).

Die Feststellung eines Interessenkonfliktes bedarf stets einer wertenden Betrachtung. Im Zusammenspiel aller dem Gericht aufgrund des Inhaltes der Akte, der erfolgten Vero€ffentlichungen in der Presse, der zuga€nglichen Internetseiten sowie eigener Erkenntnisse vorliegenden Tatsachen steht ein Interessenkonflikt des Bevollma€chtigten fest. Er steht einerseits auf Seiten der Genussrechtsinhaber, d.h. der Gla€ubiger des Insolvenzverfahrens, und andererseits auf Seiten des Gescha€ftsfu€hrers der Schuldnerin, der das Abstimmungsverhalten des Bevollma€chtigten ausschließlich bestimmt. Damit versto€ßt die Bevollma€chtigung von Herrn S. gegen den allgemeinen zivilprozessualen und insolvenzverfahrensrechtlichen Grundsatz, dass man nicht auf unterschiedlichen Seiten in derselben Sache ta€tig werden darf. Der Bevollma€chtigte ist nach allen verwerteten Erkenntnissen lediglich ein Strohmann des Gescha€ftsfu€hrers und als solcher von der Vertretung der Gla€ubiger in der Gla€ubigerversammlung ausgeschlossen.

Die Kampagne, aus der die etwa urspru€nglich 14.000 Vollmachten fu€r den Bevollma€chtigten herru€hren, wurde ausschließlich vom Gescha€ftsfu€hrer und Alleingesellschafter der Schuldnerin gesteuert und betrieben.

Dies erfolgte u€ber verschiedene Rechtsformen, zuna€chst u€ber eine Genossenschaft, dann u€ber eine AG, schließlich u€ber zwei unterschiedliche Arbetisgemeinschaften.

Hinsichtlich der P. AG erwarb der Gescha€ftsfu€hrer die Aktien einer Vorrats - AG aus G.. Der Sitz der AG wurde an die Wohnanschrift des Gescha€ftsfu€hrers in H. verlegt, die Gesellschaft dann umfirmiert und ins Handelsregister eingetragen. Der Bevollma€chtigte ist nach Angaben aus dem Impressum der Internetseite der Aufsichtsratsvorsitzende dieser AG. Diese AG warb auf der Internetseite dafu€r, dem Bevollma€chtigten eine Vollmacht zur Vertretung im Insolvenzverfahren zu erteilen. Ab Mai 2014 traten der Gescha€ftsfu€hrer, der Bevollma€chtigte und der ehemalige Vertriebsleiter als Arbeitsgemeinschaft unter der bezeichneten Internetadresse auf. Auch hier wurde dafu€r geworben, dem Bevollma€chtigten eine Vollmacht zur Vertretung im Insolvenzverfahren zu erteilen. Das Landgericht H. hat u.a. dem Bevollma€chtigten sowie dem Gescha€ftsfu€hrer mit Beschluss vom 18.06.2014 verboten, im gescha€ftlichen Verkehr ohne Zustimmung des Insolvenzverwalters die Bezeichnung €P. - AG€ und / oder €P. Arbeitsgemeinschaft€ und / oder den Domainnamen €p.-ag.de€ zu verwenden oder verwenden zu lassen. Die Antragsschrift bezog sich dabei insbesondere darauf, dass die Aufmachung des Internetauftritts sowie der abrufbare Inhalt die Irrefu€hrung des Verkehrs versta€rken, der bereits durch die Verwendung der Bezeichnung €P.€ als Name sowie einer Vielzahl von weiteren Merkmalen, die der Verkehr mit der Schuldnerin in Verbindung bringe, hervorgerufen werde.

Unter der Bezeichnung €Arbeitsgemeinschaft P.€ erscheinen seitdem wesentliche Inhalte der abgeschalteten Internetseite in leicht vera€nderter Form unter der Internetseite des Gescha€ftsfu€hrers. Fu€r diese Seite ist ausschließlich der Gescha€ftsfu€hrer verantwortlich.

Alle diese Bezeichnungen wurden vom Gescha€ftsfu€hrer benutzt, um Werbung bei den Genussrechtsinhabern fu€r seine Ideen und seine Vorstellungen hinsichtlich des Insolvenzverfahrens zu machen.

Es wurden mit seiner Unterschrift zumindest 5 Rundschreiben per E-mail und / oder Post an die Genussrechtsinhaber versandt, in denen der Gescha€ftsfu€hrer die Genussrechtsinhaber fu€r seine Sicht des Insolvenzverfahrens gewinnen wollte und um eine Vollmacht fu€r Herrn S. bat. Die Anschrift des Bevollma€chtigten lautete auf die Privatanschrift des Gescha€ftsfu€hrers, obwohl der Bevollma€chtigte in Su€ddeutschland wohnhaft ist und nach Auskunft des Einwohnermeldeamtes jedenfalls nicht in H. gemeldet ist. Die zum Teil mit fehlerhaften Inhalten hinsichtlich der Absichten des Insolvenzverwalters versehenen Schreiben wurden alle vom Gescha€ftsfu€hrer perso€nlich unterschrieben und mit seinem Namen und Anschrift im Briefkopf versehen. Auf den entsprechenden Internetseiten waren diverse Links zu einer vorformulierten Vollmacht an den Bevollma€chtigten zu finden. Der Gescha€ftsfu€hrer warb vehement fu€r die Erteilung der Vollmacht. Die dem Gericht eingereichten Vollmachten bestanden fast alle (etwa 99%) aus den im Internet herunter zu ladenden vorformulierten Vollmachten, woraus zu entnehmen ist, dass die Genussrechtsinhaber im Wesentlichen aufgrund der Werbekampagne des Gescha€ftsfu€hrers und nicht etwa aufgrund perso€nlicher Ansprache des Bevollma€chtigten diesem ihre Vollmacht erteilt haben.

Dass der Bevollma€chtigte selbst in irgendeiner Weise ta€tig wurde, seine Auffassung zum Insolvenzverfahren verlautbarte und um Vollmachten warb, ist u€berhaupt nicht ersichtlich. Vielmehr erkla€rte er gegenu€ber einem Presseorgan (vgl. Anlage 2 zur Antragsschrift RA€in M.) auf die Frage, warum er Vollmachten einsammle: € Ich sammle keine Vollmachten ein.€ Und €Ich habe mich mit Herrn R. abgestimmt. Wenn die Vollmachten gesammelt sind, dann ko€nnen sie sich an mich wenden.€ Daraus ergibt sich schon, dass sich der Bevollma€chtigte nur als €Namensgeber€ fu€r etwaige Vollmachten zur Verfu€gung gestellt hat, nicht jedoch als jemand, der tatsa€chlich die Interessen der Genussrechtsinhaber fu€r diese vertreten wollte. Daru€ber hinaus hat auch nicht der Bevollma€chtigte, der vom Gericht aufgefordert wurde, die gesammelten Vollmachten fu€r die Durchfu€hrung der Gla€ubigerversammlung bis zum 15. Juli 2014 einzureichen, damit sie rechtzeitig in die EDV eingespeist werden ko€nnen, die Vollmachten dem Gericht u€bergeben, sondern der Gescha€ftsfu€hrer. Dieser hatte bereits in einem Gespra€ch mit dem Gericht am 15. Juli 2014 Fragen zur Organisation der U€bergabe der Vollmachten gestellt und dem Gericht mitgeteilt, wann die Vollmachten wie eingereicht wu€rden. Es war ersichtlich, dass sich der Gescha€ftsfu€hrer um das Sammeln und Weiterleiten der Vollmachten ku€mmerte und nicht etwa der Bevollma€chtigte selbst, der bis zu diesem Zeitpunkt noch nie beim Amtsgericht erschienen war. Die Vollmachten selbst wurden dann auch vom Gescha€ftsfu€hrer perso€nlich beim Amtsgericht abgegeben.

Aus einem weiteren Punkt ergibt sich ebenfalls, dass der Gescha€ftsfu€hrer €das Sagen€ hat und nicht etwa der Bevollma€chtigte. Mitarbeiter der Schuldnerin haben mehrfach wo€chentlich die bei der Schuldnerin fu€r den Bevollma€chtigten eingegangenen Vollmachten zur Wohnanschrift des Gescha€ftsfu€hrers gebracht. Allein schon aus der Tatsache, dass diese vorformulierten Vollmachten nicht an die angegebene Anschrift sondern an die Anschrift der Schuldnerin geschickt wurden, kann entnommen werden, dass die Genussrechtsinhaber den Unterschied zwischen der Schuldnerin und der vom Gescha€ftsfu€hrer geleiteten Kampagne zum großen Teil nicht verstanden haben, sondern davon ausgingen, dass sie der Schuldnerin und nicht etwa dem freigestellten Gescha€ftsfu€hrer Vollmacht erteilen wollten. Dies geht auch aus den diversen vom Insolvenzverwalter zur Akte gereichten Widerrufen von Vollmachten hervor. So fu€hlen sich die Genussrechtsinhaber zum Teil geta€uscht. Sie gingen nach dem Inhalt der u€berreichten Widerspruchsschreiben aufgrund der Aufmachung der Schreiben und der Internetpra€sentation davon aus, dass es sich bei dem Bevollma€chtigten um einen vom Insolvenzverwalter oder dem Gericht €autorisierten€ Bevollma€chtigten handelt, und haben ihren Irrtum erst durch die diversen Richtigstellungen des Insolvenzverwalters in der Presse und in den offiziellen Rundschreiben an die Gla€ubiger bemerkt.

Wie sich aus einem Geda€chtnisprotokoll dieser zwei die Vollmachten u€berbringenden Mitarbeiter der Schuldnerin (Anlage 6 zum Ss. des Insolvenzverwalters v. 17.07.2014) ergibt, kam es bei einer der U€bergaben der Vollmachten an die Wohnanschrift des Gescha€ftsfu€hrers zu einem Gespra€ch zwischen den u€berbringenden Mitarbeitern und dem Bevollma€chtigten. Dies versuchte der Gescha€ftsfu€hrer zu unterbinden, indem er den Bevollma€chtigten aufforderte, nicht alles zu unterschreiben und nicht mit den Mitarbeitern zu reden. Daran hielt sich der Bevollma€chtigte umgehend. Nach Beendigung eines zwischenzeitlichen Telefonates unterschrieb der Gescha€ftsfu€hrer dann selbst das Empfangsbekenntnis hinsichtlich der Vollmachten. Allein aus diesem kurzen Ereignis kann man unzweifelhaft entnehmen, dass der Gescha€ftsfu€hrer alles in der Hand haben will und dem Bevollma€chtigten noch nicht einmal die Mo€glichkeit belassen mo€chte, das Empfangsbekenntnis fu€r die auf ihn lautenden Vollmachten zu unterzeichnen und mit den Mitarbeitern small talk zu u€ben. Der Gescha€ftsfu€hrer traut dem Bevollma€chtigten diese einfachsten Dinge nicht zu und will ihn auch dort kontrollieren.

Aus alldem kann das Gericht nur die Schlussfolgerung ziehen, dass der Bevollma€chtigte nur Strohmann und Werkzeug des Gescha€ftsfu€hrers ist und gar keine eigene Willenserkla€rung fu€r die u€brigen Genussrechtsinhaber abgeben kann. Als solcher ist er allenfalls Bote einer Erkla€rung des Gescha€ftsfu€hrers. Es steht zur U€berzeugung des Gerichtes fest, dass der Bevollma€chtigte bei der Vertretung in der Gla€ubigerversammlung den Weisungen des Gescha€ftsfu€hrers Folge leisten wird. Dies ergibt sich auch aus den dargestellten Strukturen der Arbeitsgemeinschaft, aber auch aus der Tatsache, dass selbst der Gescha€ftsfu€hrer dem Bevollma€chtigten eine Vollmacht zur Vertretung in der Gla€ubigerversammlung erteilt hat. Da diesem als Partei aber unzweifelhaft kein Stimmrecht in der Gla€ubigerversammlung zusteht, kann auch dem formal Bevollma€chtigten fu€r die u€brigen Genussrechtsinhaber kein Stimmrecht auf der Gla€ubigerversammlung zustehen. Im U€brigen hat der Gescha€ftsfu€hrer ein u€berragendes perso€nliches Interesse daran, die Insolvenzverwaltung daran zu hindern, den von ihr eingeschlagenen Weg weiter zu verfolgen. So hat der Insolvenzverwalter angeku€ndigt, noch in diesem Jahr eine umfangreiche Schadensersatzklage gegen den Gescha€ftsfu€hrer zu erheben.

Bei der Entscheidung u€ber die Festsetzung des Stimmrechtes auf Null sind nur die objektiv feststehenden Tatsachen zugrunde zu legen. Auf die subjektive Einstellung einiger Genussrechtsinhaber im Hinblick auf den Wunsch, trotz der feststehenden Tatsachen Herrn S. zu bevollma€chtigen, kommt es in der Gesamtschau nicht an.

Selbst aufgrund der eigenen Rechtsauffassung des Bevollma€chtigten wa€re ein Stimmrechtsausschluss fu€r einzelne Abstimmungen mo€glich, die den Gescha€ftsfu€hrer perso€nlich betreffen. Auch dies ist, abweichend von der Rechtsauffassung des Bevollma€chtigten, bereits in der Gla€ubigerversammlung vom 22. Juli 2014 der Fall. Es soll ggf. u€ber die Wahl eines neuen Insolvenzverwalters abgestimmt werden. Nachdem der Insolvenzverwalter angeku€ndigt hat, gegen den Gescha€ftsfu€hrer voraussichtlich noch dieses Jahr einen Schadensersatzanspruch in Millionenho€he geltend zu machen, betrifft bereits diese Abstimmung den Gescha€ftsfu€hrer perso€nlich und abgeleitet auch den Bevollma€chtigten.

Entgegen der Auffassung des Bevollma€chtigten in seiner Stellungnahme waren die Stimmrechte der Gla€ubiger, die den anderen Interessenvertretungen ihre Vollmacht erteilt haben, nicht auf Null festzusetzen. In diesen Interessenvertretungen hat nicht die Schuldnerin oder ein Gescha€ftsfu€hrer der Schuldnerin die Meinungsbildung betrieben und die Vollmachten eingesammelt, so dass es dort die beim Bevollma€chtigten ausgefu€hrte Interessenkollision nicht gibt.






AG Itzehoe:
Beschluss v. 22.07.2014
Az: 28 IE 1/14


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/gerichtsentscheidung/bb41a3e335ff/AG-Itzehoe_Beschluss_vom_22-Juli-2014_Az_28-IE-1-14




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