ArbG Düsseldorf:
Urteil vom 6. Dezember 2011
Aktenzeichen: 2 Ca 3194/11

(ArbG Düsseldorf: Urteil v. 06.12.2011, Az.: 2 Ca 3194/11)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Die Klage der Klägerin wird von dem Arbeitsgericht Düsseldorf abgewiesen. Die Klägerin begehrt die Unterlassung von nachvertraglichen Pflichtverstößen. Sie ist ein Unternehmen im Bereich der Metallverarbeitung und hat ein Reinsteisenprodukt entwickelt und vertrieben. Der Beklagte war ehemals bei der Klägerin angestellt und ist nun in der Geschäftsführung eines Konkurrenzunternehmens tätig. Die Klägerin wirft dem Beklagten vor, Betriebsgeheimnisse weitergegeben zu haben und verlangt daher eine Unterlassung. Das Gericht entscheidet, dass die Klägerin keinen Anspruch auf Unterlassung gegen den Beklagten hat. Es fehlt an einem nachvertraglichen Wettbewerbsverbot, da dies nicht vereinbart wurde. Zudem sind die Betriebsgeheimnisse der Klägerin nicht ausreichend geschützt, da sie offenkundig sind. Die Klage wird daher abgewiesen und die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens. Der Streitwert beträgt 900.000,00 €.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

ArbG Düsseldorf: Urteil v. 06.12.2011, Az: 2 Ca 3194/11


Aus einer nachvertraglichen Verschwiegenheitspflicht folgt kein Unterlassungsanspruch, am Vertrieb eines Konkurrenzprodukts mitzuwirken.

Zur Frage, ob ein Herstellungsverfahren ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis darstellt. Einzelfallentscheidung zur Frage, ob das Sichbedienen eines bekannten Verfahrens ein Geschäftsgeheimnis ist,, wenn dies geheim ist und besondere Erfolge aufweist (BGH, 01.07.1960 I ZR 72/59).

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

3. Der Streitwert beträgt 900.000,00 €.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt u. a. die Unterlassung von nachvertraglichen Pflichtverstößen.

Bei der Klägerin handelt es sich um ein Unternehmen, das seit 1954 im Bereich der Metallverarbeitung tätig ist. Sie verarbeitet und vertreibt seit 1995 auch hochreine Einschmelzmaterialien. Hierzu zählt auch das Reinsteisenprodukt F.. Die hohe Dichte des Produkts erlaubt eine exzellente Koppelung, reduzierte Schmelzzeiten und Energiekosten sowie ein problemloses Lagern. Abnehmer sind Gießereien, die Induktionsschmelzen betreiben. Bis Juli 2010 war die Klägerin die einzige Anbieterin eines solchen Reinsteisenproduktes. Grundlage des Produkts ist sog. IF- oder ULC-Stahl (IF-Stahl), der von Stahlherstellern produziert wird. Der Marktpreis des Produkts F. liegt bei ca. 750,00 € pro Tonne. Die Klägerin beschäftigt in diesem Bereich ca. 10 ihrer weltweit 120 Arbeitnehmer.

Der Beklagte war bei der Klägerin vom 1.9.2005 bis zum 31.12.2007 auf Grundlage des Arbeitsvertrages vom 22.4.2005 (Blatt 58 ff. d. A.) als Direktor angestellt. In dem Arbeitsvertrag heißt es auszugsweise wie folgt:

"§ 9 Vertraulichkeit/Dokumentenrückgabe

(1) Während der Dauer des Arbeitsverhältnisses und für jede Zeit danach, ist es dem Arbeitnehmer untersagt, vertrauliche Informationen bekanntzugeben oder zu benutzen, es sei denn im Rahmen der Gesellschaft. Eingeschlossen sind Berufsgeheimnisse bzgl. der Tätigkeiten, vertraglichen Beziehungen, Handel, Transaktionen oder Geschäfte der Gesellschaft und deren Tochtergesellschaften. Diese vertraulichen Informationen betreffen insbesondere, aber nicht ausschließlich, den Schutz geistigen Eigentums der Gesellschaft und deren Tochtergesellschaften, den Kundenkreis, Preislisten, Preisfestsetzungsmethoden, Gehaltsdaten, die taktische Vorgehensweise in verschiedenen Arbeitsgebieten, strategische Arbeitsentscheidungen und jegliche andere Vorkommnisse in der Gesellschaft, die als vertraulich oder als im Eigentum der Gesellschaft befindlich angesehen werden könnten.".

Zur Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses schlossen die Parteien einen nicht datierten Aufhebungsvertrag (Blatt 64 ff. d. A.), in dessen Übersetzung es wie folgt heißt (vgl. Blatt 44 d. A.):

"Der Arbeitnehmer stimmt darüber hinaus zu, seine vertraglichen und nachvertraglichen Pflichten, insbesondere im Hinblick auf das Verbot der Weitergabe von Betriebsgeheimnissen bzgl. der Preise, Herstellungsmethoden, Geschäftsentwicklung und andere Betriebsgeheimnisse auch nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu erfüllen."

Der Beklagte ist seit Juli 2010 in der Geschäftsführung der N. in Zürich tätig. Diese Gesellschaft bietet seit dem 3. Quartal 2010 ebenfalls Reinsteisenprodukte mit der Bezeichnung "q." an. Die N. ist Tochtergesellschaft einer amerikanischen Muttergesellschaft, die Edelstahlprodukte vertreibt. Der Gesellschaftszweck der N. ist nach einem Auszug des Handelsregisters (Blatt 67 d. A.) der Ankauf, Handel, Austausch, Bearbeitung und Verkauf von Nichteisenmetallen aller Qualitäten. Zu ihren Geschäftsbereichen zählt auch der Vertrieb von Reinstaluminium.

Der Beklagte bot mit Email vom 30.11.2010 (Blatt 69 d. A.) einer Kundin der Klägerin solche Reinsteisenprodukte der N. zum Kauf an. Mit Schreiben vom 17.3.2011 (Blatt 74 ff. d. A.) forderte die Klägerin den Beklagten auf, eine Unterlassungserklärung abzugeben. Dem kam der Beklagte nicht nach.

Die Klägerin meint, der Kläger habe eine nachvertragliche Verschwiegenheitspflicht verletzt und sich schadensersatzpflichtig gemacht.

Sie behauptet, sie habe ihr Produkt F. in jahrelanger intensiver Forschungsarbeit entwickelt. Sie habe hierfür 8 Jahre benötigt.

Ausgangspunkt seien Stahlnebenprodukte, die im Rahmen der Stahlproduktion anfielen. Sie habe solche Produkte identifiziert und Methoden entwickelt, sie in hochwertiger Qualität auszusondern und Verunreinigungen zu verhindern. Es habe eines langwierigen Prozesses bedurft, entsprechende Stahlwerke zu identifizieren, bei denen entsprechende Stahlprodukte in verwertbarer Menge anfielen. Sie habe auch ein Verfahren zur Aussonderung entwickelt. Es sei unerlässlich, eine Verunreinigung durch kohlenstoffreichere Produkte zu vermeiden. Sie sei im Rahmen der Entwicklung zunächst gezwungen gewesen, unter finanziellen Verlusten ungeeignete Produkte von den Stahlwerken abzunehmen.

Sie lasse die ausgesonderten Stahlprodukte in einem Quarantänebereich lagern und nochmals auf ihre chemische Zusammensetzung prüfen. Anschließend würden geeignete Produkte zur Verarbeitungsstätte nach Lüttich transportiert, was unstrittig ist. Die dort genutzten Einrichtungen seien einmalig, was ebenfalls unstrittig ist. Nach Ankunft dort werde das Material nochmals mittels einer Spektralanalyse untersucht. Die Perfektionierung des Zuschneideprozesses durch Azetylenbrenner habe ca. 1.000.000,00 € gekostet.

Sie sei bislang das einzige Unternehmen gewesen, das solche Stahlprodukte angeboten habe, was unstrittig ist. Öffentlich verfügbare Abhandlungen, Anleitungen oder sonstige Darstellungen zum Fertigungsprozess gebe es nicht, was ebenfalls unstrittig ist. Das Produkt sei auf einen kleinen Kreis hochspezialisierter Abnehmer zugeschnitten. Der weltweite monatliche Bedarf liege bei 1.500 Tonnen, was unstrittig ist.

Sie habe umfassend Vorsorge zur Geheimhaltung getroffen. Das notwendige Wissen habe sie nur den Arbeitnehmern zur Verfügung gestellt, die hierüber Kenntnis haben mussten. Ihre Arbeitnehmer seien alle zur Verschwiegenheit verpflichtet.

Der Beklagte sei vor der Beschäftigung bei ihr nur im Bereich Aluminium und Nichteisenprodukte beschäftigt gewesen. Erst bei ihr sei er in den Bereich Reinsteisenprodukte eingearbeitet worden. Er habe Zugriff auf die Informationen des Herstellungs- und Verarbeitungsprozesses gehabt. Die Entwicklung des Produkts und Herstellungsverfahrens sei zu Beginn seiner Beschäftigung bereits abgeschlossen gewesen, was unstrittig ist.

Die Reinsteisenprodukte der N. wiesen exakt die Eigenschaften ihres Produkts F. auf (vgl. dazu die Aufstellung Blatt 49 d. A.). N. habe keine Fachkompentenz in diesem Produktbereich, da die Gesellschaft auf Nichteisenprodukte spezialisiert gewesen sei. Ihr Mitarbeiter E. habe sich am 20.1.2011 bei einem Abnehmer der N.-Produkte davon überzeugen können, dass die Produkte übereinstimmen.

N. sei die Nachahmung ihres Produktes nur möglich gewesen, weil der Beklagte unter Verstoß gegen seine Verschwiegenheitspflicht Betriebsgeheimnisse weitergegeben habe. Er sei die einzige Verbindung zwischen ihrem Produkt und N., die eben Nichteisenprodukte vertreibe. Es sei nicht möglich, ohne Rückgriff auf ihre Herstellungsmethoden solche Reinsteisenprodukte zu fertigen.

Die Klägerin meint, der Beklagte sei verpflichtet, ihre Betriebsgeheimnisse nicht für seine neue Arbeitgeberin zu verwenden. Die Herstellungs-, Auswahl- und Bearbeitungsprozesse seien Betriebsgeheimnisse. Bis zur Tätigkeit des Beklagten bei N. seien sie keinem Wettbewerber bekannt gewesen. Deswegen sei es seit 1995 auch keinem Konkurrenten gelungen, ein solches Produkt herzustellen. Die Herstellungsmethoden seien nicht offenkundig.

Bereits die Kenntnis der Stahlwerke sei ein Betriebsgeheimnis. Diese Werke benötigten bestimmte Einrichtungen, um die Herstellung und Aussonderung des IF-Stahls zu sichern, was unstrittig ist. Die Anforderungen seien erheblich. Das bloße Wissen geeigneter Stahlwerke verkörpere eine Entwicklungsleistung von mehreren Jahren. Es sei nicht offensichtlich, welche der Stahlwerke geeignet seien.

Die Klägerin behauptet hierzu, dass die benötigten und geeigneten Nebenprodukte nicht von Stahlwerken auf dem Markt angeboten würden. Dort seien nur vermischte Materialien verfügbar.

Auch das Verfahren zur Identifizierung und Aussonderung der Nebenprodukte stelle ein Betriebsgeheimnis dar. Nebenprodukte der Stahlproduktion würden im Normalfall ohne Rücksicht auf die chemische Zusammensetzung vermischt und als Schrott verkauft.

Auch die Bearbeitung der ausgesonderten Stahlprodukte stelle ein Betriebsgeheimnis dar. Sie lasse die Produkte in einer speziell ausgestatteten Verarbeitungsstätte in Lüttich verarbeiten, was unstrittig ist. Es müsse eine Oxidation vermieden werden. Die hierzu erforderlichen Schritte seien in der herkömmlichen Stahlproduktion unbekannt. Das gelte auch für das Zuschneideverfahren.

Abnehmer seien lediglich Unternehmen, die Edelstahl und Nickellegierungen durch Induktionsschmelze herstellten. Der Kreis sei sehr eingeschränkt und nur durch das Ergebnis jahrelanger Marktforschung zu ermitteln. Nur relativ wenige Gießereien nutzten Induktionsschmelze. Der Kreis der Abnehmer sei nicht offenbar.

Im Übrigen könne auch ein an sich bekanntes Verfahren ein Betriebsgeheimnis darstellen. Sie habe die einzelnen Herstellungsschritte in einer unbekannten Weise kombiniert. Das Geschäftsmodell F. stelle ein Betriebsgeheimnis dar.

Sie habe ihren Geheimhaltungswillen auch bekundet. Die Anstellungsverträge mit ihren Arbeitnehmern sähen Geheimhaltungsklauseln, Aufhebungsverträge eine nachvertragliche Geheimhaltungspflicht vor.

Die Klägerin behauptet, der Beklagte habe seiner neuen Arbeitgeberin die Betriebsgeheimnisse offengelegt und gegen seine Pflichten verstoßen. Er sei nur für ca. 2 Jahre bei ihr tätig gewesen, so dass der Beklagte sich nicht auf diesen Bereich spezialisiert habe. Er sei nicht auf die Verwertung dieser Betriebsgeheimnisse angewiesen gewesen.

Ihr Anspruch ergebe sich auch aus §§ 8, 3 UWG. Die Verwertung eines Betriebs- und Geschäftsgeheimnisses sei unlauterer Wettbewerb.

Die Klägerin beantragt zuletzt:

1. Der Beklagte wird bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,00 € verurteilt, es zu unterlassen, an der Herstellung und dem Vertrieb des Produktes "q." des Unternehmens N. N., T., Schweiz, mit den Spezifikationen

- "plate material" mit den Abmessungen 45 x 200 x 200 mm, einem Gewicht von 15 Kilogramm und einem Kohlenstoffgehalt von maximal 0,02 % oder

- "blank material" mit den Abmessungen 5 x 200 x 200 mm, einem Gewicht von 1 bis 2 Kilogramm und einem Kohlenstoffgehalt von maximal 0,02 % oder

- "plate material" mit den Abmessungen 45 x 200 x 200 mm, einem Gewicht von 15 Kilogramm und einem Kohlenstoffgehalt von maximal 0,01 %

- "blank material" mit den Abmessungen 5 x 200 x 200 mm, einem Gewicht von 1 bis 2 Kilogramm und einem Kohlenstoffgehalt von maximal 0,01 %

mitzuwirken.

2. Der Beklagte wird bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgelds von bis zu € 250.000,00 verurteilt, es zu unterlassen, an der Herstellung und dem Vertrieb des Produktes "q." des Unternehmens N. N., T., , mit den Spezifikationen

- "plate material" und einem Kohlenstoffgehalt von maximal 0,03 % oder

- "blank material" und einem Kohlenstoffgehalt von maximal 0,03 %

mit einer Abmessung und/oder einem Gewicht, die bzw. das von den unter 1) aufgeführten Abmessungen und Gewichten abweicht, mitzuwirken.

3. Der Beklagte wird bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgelds von bis zu € 250.000,00 verurteilt, es zu unterlassen, an der Herstellung und dem Vertrieb von Reinsteisenprodukten zum Einschmelzen mit einem Kohlenstoffgehalt von maximal 0,03 %, die unter Verwendung des Herstellungsverfahren ihres Reinsteisenproduktes F. hergestellt werden, das folgende Schritte beinhaltet:

- Identifikation von Stahlwerken, in denen aufgrund der technischen Einrichtungen IF-Stahl oder ULC-Stahl mit einem Kohlenstoffgehalt von maximal 0,03 % als Nebenprodukt anfällt und in denen dieser IF-Stahl oder ULC-Stahl von Materialien mit anderen Spezifikationen durch unverzügliches Entfernen aus dem Produktionsablauf und Markierung isoliert werden kann, wobei diese Stahlwerke über die folgenden Einrichtungen und Materialien verfügen müssen, um die gewünschten Nebenprodukte in der erforderlichen Qualität herzustellen:

- ausreichender Vorrat an Eisenerz und Kalk mit geringem Schwefelgehalt

- Vorhandensein eines LD-Konverters und einer Vakuum-Entgasungspfanne

- Einrichtungen zur röntgenspektrographischen Analyse von Material im LD-Konverter

- Schattenrohre mit qualitativ hochwertigem Kalk zur Verhinderung einer ungewünschten Gas- oder Schwefelaufnahme

- etablierte Guss- und Walztechnologie für Stahl mit niedrigem Kohlenstoff- und Mangangehalt;

- Aussonderung von Nebenprodukten mit diesen Spezifikationen in einem solchen Stahlwerk, wobei jeweils Gruppen von Nebenprodukten mit gleicher chemischer Zusammensetzung unter Verhinderung einer Vermischung mit anderen Materialien oder Nebenprodukten anderer chemischer Zusammensetzung durch unverzügliche Markierung und Aussonderung der anfallenden Nebenprodukte gebildet werden;

- Identifikation von Abnehmern im Bereich der Induktionsgießereien, die Reinsteisen zum Einschmelzen benötigen;

- Zuschneiden des Produktes nach Vorgaben des Abnehmers in speziell ausgestatteten Bearbeitungsstätten mit Scheren, Sägen oder Azetylenbrennern, die geeignet sind, das Material auch in kleine Stücke zuzuschneiden, wobei zur Verhinderung von Oberflächenbeschädigungen Flüssigkeitsreste entfernt, Kohlenstoffrückstände durch Sandstrahlung entfernt und eine Oxidation durch

- Schrumpffolienverpackung oder

- Abdeckung mit Stahldecken oder schwerem Papier und Verpackung in Trommeln aus gestrahltem Stahl

verhindert werden, teilzunehmen.

4. Der Beklagte wird bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeld von bis zu € 250.000,00 verurteilt, es zu unterlassen, das Herstellungsverfahren ihres Reinsteisenproduktes F. mit einem Kohlenstoffgehalt von maximal 0,03 %, das folgende Schritte beinhaltet

- Identifikation von Stahlwerken, in denen aufgrund der technischen Einrichtungen IF-Stahl oder ULC-Stahl mit einem Kohlenstoffgehalt von maximal 0,03 % als Nebenprodukt anfällt und in denen dieser IF-Stahl oder ULC-Stahl von Materialien mit anderen Spezifikationen durch unverzügliches Entfernen aus dem Produktionsablauf und Markierung isoliert werden kann, wobei diese Stahlwerke über die folgenden Einrichtungen und Materialien verfügen müssen, um die gewünschten Nebenprodukte in der erforderlichen Qualität herzustellen:

- ausreichender Vorrat an Eisenerz und Kalk mit geringem Schwefelgehalt

- Vorhandensein eines LD-Konverters und einer Vakuum-Entgasungspfanne

- Einrichtungen zur röntgenspektrographischen Analyse von Material im LD-Konverter

- Schattenrohre mit qualitativ hochwertigem Kalk zur Verhinderung einer ungewünschten Gas- oder Schwefelaufnahme

- etablierte Guss- und Walztechnologie für Stahl mit niedrigem Kohlenstoff- und Mangangehalt;

- Aussonderung von Nebenprodukten mit diesen Spezifikationen in einem solchen Stahlwerk, wobei jeweils Gruppen von Nebenprodukten mit gleicher chemischer Zusammensetzung unter Verhinderung einer Vermischung mit anderen Materialien oder Nebenprodukten anderer chemischer Zusammensetzung durch unverzügliche Markierung und Aussonderung der anfallenden Nebenprodukte gebildet werden;

- Identifikation von Abnehmern im Bereich der Induktionsgießereien, die Reinsteisen zum Einschmelzen benötigen;

- Zuschneiden des Produktes nach Vorgaben des Abnehmers in speziell ausgestatteten Bearbeitungsstätten mit Scheren, Sägen oder Azetylenbrennern, die geeignet sind, das Material auch in kleine Stücke zuzuschneiden, wobei zur Verhinderung von Oberflächenbeschädigungen Flüssigkeitsreste entfernt, Kohlenstoffrückstände durch Sandstrahlung entfernt und eine Oxidation durch

- Schrumpffolienverpackung oder

- Abdeckung mit Stahldecken oder schwerem Papier und Verpackung in Trommeln aus gestrahltem Stahl

verhindert werden, Dritten mittelbar oder unmittelbar zur Kenntnis zu geben.

5. Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, ihr allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die unter Ziffern 1 bis 4 bezeichneten Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er meint, die Anträge seien bereits unzulässig, jedenfalls unbegründet.

Der Beklagte behauptet, das von der Klägerin vertriebene Produkt F. sei in den Fachkreisen allgemein bekannt, was unstrittig ist. Er könne nicht beurteilen, ob bislang ein Konkurrent überhaupt versucht habe, ein Konkurrenzprodukt auf den Markt zu bringen. Jedenfalls sei es nur konsequent gewesen, dass N. neben dem Geschäftsbereich Reinstaluminium auch den Bereich Reinsteisen aufgebaut habe. Im Übrigen entsprächen die von N. vertriebenen Produkte nicht F..

Lieferanten des IF-Stahls seien die im Marktumfeld bekannten Prozenten, wie z. B. B., S., T., U., U. und W., was unstrittig ist. Diese könnten unproblematisch unter dem Stichwort "IF-Stahl" gegoogelt werden. Zwar müssten diese Produzenten die von der Klägerin angesprochene Ausstattung haben. Dies sei aber eine Selbstverständlichkeit. Die Herstellung des IF-Stahls erfolge allein durch die Stahlproduzenten, was unstrittig ist. Auch die Analyse erfolge durch die Produzenten. Gleiches gelte für die Aussonderung. Die Produzenten erstellten dann Bestandslisten und versendeten diese an Kaufinteressenten.

Die Verarbeitung in Lüttich erfolge auch nicht von der Klägerin, sondern von einem Drittunternehmen. Dieses schneide das Vormaterial nach den Kundenwünschen zu. Der Zuschnitt erfolge mittels allgemein bekannter Verfahren. Auch Stahlproduzenten böten bereits den gewünschten Zuschnitt an.

Die chemische Spezifikationen veröffentliche die Klägerin selbst auf ihrer Internetseite. Der Herstellerprozess sei offenkundig. Dieser könne ohne größere Schwierigkeiten ermittelt werden. Die Klägerin habe auch ihre potentiellen Abnehmer veröffentlicht. Diese seien in Fachkreisen bekannt und ohne größere Schwierigkeiten zu ermitteln. Es handele sich sämtlichst um Gießereien.

N. verwende ein von der Klägerin abweichendes Herstellungsverfahren. N. kaufe das Vormaterial bei Stahlproduzenten, transportiere es zu einem Drittunternehmen, das nicht dasselbe sei wie das der Klägerin, was unstrittig ist, und veräußere dann die Produkte an die Kunden. Insbesondere lasse N. das Material nach allgemein gekannten Verfahren zuschneiden. Das Material werde ohne Schutzvorrichtungen und unter freiem Himmel gelagert.

Der Beklagte meint, aus dem Arbeitsvertrag könne sich keine Pflichtverletzung ergeben. Dieser Vertrag sei beendet. Im Übrigen sei es ihm nicht verwehrt, Wettbewerb zu betreiben.

Die Klägerin meint hierzu, der Verweis auf die Herstellung von Reinstaluminium sei ein Vergleich von Äpfeln mit Birnen. Weder der Rohstoff noch die Produktion hätten etwas gemein.

IF-Stahl werde nur auf Bestellung der Abnehmer hergestellt. Nur ca. 2,2 % der Stahlerzeugung in der EU seien IF-Stahl, was unstrittig ist. Die Hersteller seien in der Regel bestrebt, entsprechende Nebenprodukte selbst zu verwerten. Der Beklagte belege durch die Vorlage seiner Email, dass er auf langjährige Lieferanten zurückgreife. Auch ihre Internetseite führe nicht zur Offenkundigkeit der Betriebsgeheimnisse. Dort sei insbesondere nicht dargestellt, wie sie in der Lage sei, das Produkt auf kostengünstige Weise herzustellen.

Sie habe mit ihrem Produkt auch einen Mehrwert für ihre Abnehmer geschaffen. Stahlproduzenten böten nicht an, IF-Stahl zuzuschneiden. Die Maschinen in Lüttich ständen in ihrem Eigentum, lediglich das Personal stamme von einem Drittanbieter.

Der Beklagte macht hierzu abschließend geltend, etwaige Ansprüche seien verjährt. Es gelte die dreimonatige Frist des § 61 Abs. 2 HGB.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Parteienschriftsätze sowie den gesamten weiteren Akteninhalt Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet. Die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Unterlassung an der Mitwirkung bei Herstellung und Vertrieb des Produkts "q." durch den Beklagten. Es besteht ebenfalls kein Anspruch auf Unterlassung, das Herstellungsverfahren des Produkts F. Dritten zur Kenntnis zu geben. Schließlich ist ein möglicher Schadensersatzanspruch mangels Pflichtverletzung nicht zu erkennen.

A.

Die Klageanträge sind zulässig.

1.

Der Feststellungsantrag ist zulässig. Können Schäden noch nicht abschließend bezifefrt werden, so besteht ein entsprechendes Feststellungsinteresse i.S.d. § 256 Abs. 1 ZPO.

2. Die Unterlassungsanträge sind ebenfalls zulässig.

a)

Dabei ist zu unterscheiden: Ein hinreichend bestimmter, aber zu weit gefasster Antrag (Globalantrag) ist zulässig, aber unbegründet (vgl. nur BAG, 13.10.2009 - 9 AZR 139/08). Der Unterlassungsantrag muss andererseits so hinreichend bestimmt sein, dass es für den Antragsgegner zu erkennen ist, welche Handlungen er künftig unterlassen soll (vgl. auch BGH, 17.7.2003 - I ZR 259/00). Nur wenn die danach gebotenen Verhaltensweisen hinreichend erkennbar sind, kann eine der materiellen Rechtskraft zugänglichen Sachentscheidung ergehen. Der Streit der Parteien darf nicht in die Vollstreckung verlagert werden. Es lässt sich aber nicht stets vermeiden, dass das Vollstreckungsgericht bei der Beurteilung der Frage, ob ein Verstoß gegen ein ausgesprochenes Verbot vorliegt, in gewissem Umfang auch Wertung vornehmen muss. Welche Anforderungen dabei an die Konkretisierung des Streitgegenstandes im Unterlassungsantrag zu stellen sind, ist auch abhängig von den Besonderheiten des anzuwendenden materiellen Rechts und den Umständen des Einzelfalles (vgl. LAG Sachsen-Anhalt, 10.7.2009 - 9 Sa 167/08).

Die Verwendung auslegungsbedürftiger Begriffe im Antrag ist nicht grundsätzlich und generell unzulässig. Der Gebrauch solcher Begriffe ist geboten, wenn über den Sinngehalt der verwendeten Begriffe kein Zweifel besteht, so dass auch die Reichweite des Antrags feststeht (BGH, 6.10.1999 - I ZR 92/97). Die Anforderungen an die Bestimmtheit des Antrags dürfen nicht derart sein, dass letztlich der Rechtsgewährungsanspruch unangemessen eingeschränkt wird.

b)

Unter Anwendung dieser Grundsätze sind die Anträge hinreichend bestimmt. Anträge sind auslegungsfähig und auch unter Berücksichtigung der Klagebegründung auszulegen.

Vor diesem Hintergrund können die Klageanträge entsprechend ausgelegt werden, so dass sie hinreichend bestimmt sind. Zunächst hat die Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 8.9.2011 Stellung genommen, was sie mit ihren Anträgen erreichen will. Des Weiteren sind auch die von der Klägerin verwendeten Begriffe auszulegen. Womöglich mag der Antrag darauf, an der Herstellung und dem Vertrieb mitzuwirken, zu weit gefasst sein. Dies ist aber eine Frage der Begründetheit. Ein Antrag, der die Unterlassung einer Mitwirkung an der Herstellung und dem Vertrieb bestimmter Produkte zum Ziel hat, ist zulässig (vgl. etwa BAG, 16.3.1982 - 3 AZR 83/79; LAG Hamm, 23.5.2003 - 7 Sa 76/03)

Auch der Klageantrag zu 3) kann entsprechend ausgelegt werden. Zwar ist zwischen den Parteien streitig, ob das Vormaterial ein "Nebenprodukt" oder ein "Hauptprodukt" des Stahlherstellungsprozesses darstellt. Aus der Begründung der Klägerin ergibt sich aber, dass sie damit allein die Herstellung von IF-Stahl meint. Das Herstellungsverfahren hat die Klägerin im Rahmen ihres Antrags beschrieben. Das Herstellungsverfahren des Reinsteisenprodukts F. ist auch hinreichend bestimmt beschrieben. Würden die Anforderungen erhöht, so wäre nach Auffassung der Kammer der Rechtsgewährungsanspruch der Klägerin unangemessen eingeschränkt. Unter Berücksichtigung der Klagebegründung kann der Klageantrag so ausgelegt werden, dass der von der Klägerin beanspruchte Herstellungsprozess des Produkts F. hinreichend klar ist.

B.

Der Klageantrag zu 1) ist unbegründet. Die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Unterlassung, an der Herstellung und Vertrieb des Produkts "q." des Unternehmens N. mitzuwirken.

I.

Der Klageantrag ist bereits insoweit unbegründet, als die Klägerin die Mitwirkung am Vertrieb des Produkts "q." dem Beklagten verbieten will. Nach Auffassung der Kammer käme ein solches Verbot bzw. ein solcher Unterlassungsanspruch einem nachvertraglichen Wettbewerbsverbot gleich. Ein solches ist zwischen den Parteien aber nicht vereinbart worden. Gemäß §§ 74 ff. HGB hätte die Klägerin ein solches nachvertragliches Wettbewerbsverbot auch nur gegen Zahlung einer Karrenzentschädigung verbindlich vereinbaren können. Diese Anforderungen können nicht aufgrund eines zu weit gefassten Verständnisses von nachvertraglichen Verschwiegenheitspflichten unterlaufen werden.

1.

Nach der Rechtsprechung des BAG (16.3.1982 - 3 AZR 83/79) muss einem Arbeitnehmer die Freiheit bleiben, seine im Betrieb des früheren Arbeitgebers rechtmäßig erlangten Kenntnisse und Erfahrungen beliebig zu verwerten. Dieses Recht geht allerdings nicht soweit, dass er ein Betriebsgeheimnis für Wettbewerbszwecke verwerten darf.

Arbeitsvertragsparteien können eine Pflicht zur Wahrung von Betriebsgeheimnissen über das Ende des Arbeitsverhältnisses hinaus auch ohne Karrenzentschädigung wirksam vereinbaren. Eine solche Pflicht zur Wahrung von Betriebsgeheimnissen schränkt die berechtigten Interessen eines Arbeitnehmers nicht unzulässig ein (BAG, 16.3.1982 a.a.O.). Die Wahrung von Betriebsgeheimnissen schließt eine Konkurrenztätigkeit nicht aus. Eine solche Bindung des Arbeitnehmers darf aber nicht zu einer Umgehung der Vorschriften über das nachvertragliche Wettbewerbsverbot führen. Aus einer nachvertraglichen Verschwiegenheitspflicht kann sich lediglich eine Verpflichtung zur Unterlassung der Handlungen begründen, in denen eine Verletzung der Verschwiegenheitspflicht liegt. Die Verschwiegenheitspflicht kann nicht ein entschädigungsloses Verbot der Umwerbung von Kunden umfassen, weil dann die Grenze zum Wettbewerbsverbot überschritten würde (vgl. BAG, 15.6.1993, a.a.O.).

Die Rechtsordnung stellt Betriebsgeheimnisse unter einen besonderen Schutz. Wer sich Betriebsgeheimnisse unlauter verschafft, sie verrät oder sinnwidrig verwertet, kann auf Unterlassung und Schadensersatz in Anspruch genommen werden (§§ 1, 17 UWG, §§ 823, 826 BGB). Auch im Arbeitsrecht ist der Schutz von Betriebsgeheimnissen anerkannt. Selbst ohne einen ausdrücklichen Geheimhaltungsvertrag kann die Nachwirkung des Arbeitsvertrages den Arbeitnehmer verpflichten, ein Betriebsgeheimnis weiter zu wahren (BAG, 16.3.1982, a.a.O.). Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses kann ein Arbeitgeber seinen bisherigen Arbeitnehmer aber grundsätzlich nicht daran hindern, seine rechtmäßig erlangten beruflichen Kenntnisse und Erfahrungen zu verwerten und zu seinem früheren Arbeitgeber auch in Wettbewerb zu treten (BAG, 15.6.1993 - 9 AZR 558/91). Der Arbeitnehmer kann so auch in den Kundenkreis des ehemaligen Arbeitgebers eindringen. Eine Nachwirkung vertraglicher Pflichten kann nur in einem eng begrenzten Umfang angenommen werden.

2.

Unter Anwendung dieser Grundsätze hat die Klägerin keinen Anspruch gegen den Kläger auf Unterlassung, allgemein am Vertrieb der Reinsteisenprodukte der N. mitzuwirken. Ein solcher Anspruch aufgrund der Verschwiegenheitspflicht könnte sich allein auf den Vertrieb gegenüber den Kunden der Klägerin beziehen. Nur diese wären von der Verschwiegenheitspflicht erfasst. Der Antrag der Klägerin ist daher zu weit gefasst und insoweit unbegründet.

II.

Der Klageantrag zu 1) ist aber auch bezüglich der Mitwirkung an der Herstellung des Reinsteisenproduktes der N. unbegründet.

1.

Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse sind Tatsachen, die im Zusammenhang mit einem Geschäftsbetrieb stehen, nicht offenkundig, sondern nur einem eng begrenzten Personenkreis bekannt sind und nach dem bekundeten Willen des Betriebsinhabers geheim gehalten werden sollen, wenn dieser an deren Geheimhaltung ein berechtigtes wirtschaftliches Interesse hat (BAG, 10.3.2009 - 1 ABR 87/07; BAG, 13.2.2007 - 1 ABR 14/06). Betriebsgeheimnisse beziehen sich auf den technischen Betriebsablauf, etwa Herstellung, Herstellungsverfahren; Geschäftsgeheimnisse betreffen den allgemeinen Geschäftsverkehr des Unternehmens, etwa auch Kundenlisten (vgl. hierzu etwa BAG, 16.8.1988 - 3 AZR 664/87).

Ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis liegt dann nicht vor, wenn etwas offenkundig ist. Offenkundig ist das, was sich jeder Interessierte ohne besondere Mühe zur Kenntnis beschaffen kann. Offenkundig ist ein Betriebsgeheimnis nur dann, wenn es in einer Weise an die Öffentlichkeit gelangt ist, die es jedermann zugänglich macht, d. h. ohne Schwierigkeiten in Erfahrung gebracht werden kann, weil es etwa dem Stand der Technik entspricht. Das Offenkundigkeitsmerkmal bezieht sich auf die Möglichkeit der Kenntniserlangung und nicht auf die tatsächliche Kenntnis (ErfK/Preis, 12. Auflage 2012, § 611 BGB, Rn. 712).

2.

Unter Anwendung dieser Grundsätze liegen weder Betriebs- noch Geschäftsgeheimnisse vor.

a)

Die Identifikation von Stahlwerken, die IF-Stahl produzieren und verkaufen, ist kein solches Geschäftsgeheimnis.

Die Klägerin selbst stellt keinen IF-Stahl her. Sie hat auch kein Verfahren neu entwickelt, IF-Stahl herzustellen. Sie selbst beruft sich auch lediglich darauf, dass sie in einem aufwendigen, jahrelangen Verfahren die Stahlhersteller sondiert hat, die bereit und in der Lage waren bzw. sind, IF-Stahl in der von ihr verlangten Qualität auszusondern und an sie zu veräußern.

Diese Identifikation von solchen Stahlwerken ist kein Geschäftsgeheimnis. Es handelt sich vielmehr um offenkundige Tatsachen. Sie sind nämlich ohne größeren Aufwand für jedermann zugänglich. Wie bereits ausgeführt kommt es insoweit lediglich auf die Möglichkeit der Kenntniserlangung an.

Der Beklagte hat bereits dargestellt, dass Hersteller von IF-Stahl ohne weiteres zu googeln sind. Des Weiteren sind die von der Klägerin aufgeführten geeigneten Stahlhersteller überwiegend allgemein bekannte Stahlhersteller. Es bedarf insoweit keines größeren Aufwandes, sich mit solchen Stahlherstellern in Verbindung zu setzen und letztlich anzufragen, ob sie IF-Stahl in einer bestimmten Qualität herstellen, aussondern und an Interessenten (ggf. auf Besetllung) auch veräußern.

Dabei kommt es nicht darauf an, dass die Klägerin die Ausstattung der Stahlhersteller besonders geprüft hat (ausreichender Vorrat an Eisenerz und Kalk mit geringem Schwefelgehalt, Vorhandensein eines LD-Konverters und einer Vakuum-Entgasungspfanne, Einrichtungen zur röntenspektografischen Analyse von Material im LD-Konverter …). Für Interessenten ist allein die Information ausreichend, dass Stahlhersteller IF-Stahl von geeigneter Qualität herstellen, aussondern und veräußern. Mit welcher Ausstattung und welchem Verfahren bzw. Aufwand ein Stahlhersteller sich in eine solche Lage versetzt, kann letztlich für den Kaufinteressenten dahinstehen. Es mag mit Blick auf eine mögliche Qualitätssicherung und der Pflege von Vertragsbeziehungen vorteilhaft sein, eine solche Ausstattung des IF-Stahlveräußerers zuvor zu überprüfen. Zwingend ist dies allerdings nicht.

b)

Die obigen Ausführungen gelten auch für die Aussonderung des IF-Stahls mit einem Kohlenstoffgehalt von maximal 0,03 %. Letztlich ist es Aufgabe des veräußernden Stahlproduzenten, die Qualität seiner Produkte sicherzustellen, jedenfalls dann, wenn dies Gegenstand des Kaufvertrages ist. Wie bereits beschrieben mag die Klägerin aus Gründen der Qualitätssicherung besondere Vorkehrungen getroffen haben. Sofern allerdings Stahlproduzenten IF-Stahl mit einer bestimmten Spezifikation (Kohlenstoffgehalt) veräußern, kann ein potentieller Kaufinteressent es dabei belassen, sich auf die Angaben des Verkäufers zu verlassen.

Soweit die Klägerin daran mitgewirkt haben sollte, bei den Stahlherstellern ein Verfahren zur Aussonderung von IF-Stahl und zur Qualitätssicherung zu entwickeln, so hätte sie womöglich sich gegenüber diesen Herstellern besondere Rechte absichern können. Im Ergebnis bieten die Stahlhersteller aber den IF-Stahl mit niedrigem Kohlenstoffgehalt zum (freien) Verkauf an. Dies steht nach Auffassung der Kammer aufgrund des konkreten und belegten Vortrags des Beklagten fest (vgl. etwa die Email von U., Bl. 214 ff. d.A.). Andernfalls wäre es N. auch nicht möglich gewesen, innerhalb von drei Monaten nach Eintritt des Beklagten in die Geschäftsführung diesen Geschäftsbereich aufzubauen und das Produkt "q." anzubieten (sollte N. die Herstellung ihres Produkts bereits vor Eintritt des Beklagten in die Wege geleitet haben, so gäbe es kein Indiz für die Vermutung der Klägerin, der Beklagte habe gegen seien Verschwiegenheitspflicht verstoßen, da dieser gerade das entscheidende Verbindungsglied sein soll). Dabei spielt es keine Rolle, dass U. auch ein Lieferant der Klägerin ist. Wäre der IF-Stahl nicht auf dem freien Markt zu erwerben, hätte N. keinen solchen beziehen können. Die Klägerin hat ihren Vortrag, die benötigten "Nebenprodukte" würden nicht auf dem Markt angeboten, letztlich auch nicht aufrecht erhalten. In ihrem Schriftsatz vom 7.10.2011 heißt es nunmehr, die Hersteller produzierten nur auf Bestellung (Bl. 256 d.A.). Es bleibt im Übrigen auch unklar, aus welchen Gründen die Klägerin den IF-Stahl als Nebenprodukt bezeichnet, wenn dieser nur auf Bestellung produziert wird. Vor diesem Hintergrund scheint ihre Bezeichnung des "Nischenprodukts" (S. 8, Schriftsatz vom 8.10.2011, Bl. 256 d.A.) treffender.

c)

Die Identifikation von potentiellen Abnehmern im Bereich der Induktionsgießereien für die Reinsteisenprodukte ist ebenfalls kein Geschäftsgeheimnis im obigen Sinne.

Auch diese Tatsache ist offenkundig. Die Klägerin führt auf ihrer Internetseite selbst auf, wofür ihr Produkt F. benötigt wird, nämlich für die Grundschmelze für Induktions- und Vakuumöfen (vgl. Blatt 221 d. A.). Entsprechende Gießereien wird N., in deren Konzerngesellschaft auch Gesellschaften sind, die sich mit Stahlprodukten beschäftigen, ohne weiteres in Kenntnis bringen können. Es mag sein, dass die Klägerin 1995 wesentlich aufwendiger potentielle Gießereien in Erfahrung bringen musste. Die Umstände können sich aber bis zum Jahr 2010 geändert haben.

d)

Auch das Zuschneiden des IF-Stahlprodukts nach Vorgaben eines Abnehmers ist kein derartiges Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis.

aa)

Die Klägerin selbst hat nicht vorgetragen, dass es sich bei dem Verfahren um eine technische Neuheit handelt. Entsprechend hat sie auch offensichtlich kein Patent oder ähnliches zum Schutz eines solchen technischen Verfahrens beantragt.

bb)

Es steht im Übrigen nicht fest, dass N. dasselbe Verfahren für den Zuschnitt der Reinsteisenprodukte verwendet. Unstrittig werden die Reinsteisenprodukte von N. nicht in demselben Betrieb in Lüttich verarbeitet. Der Beklagte hat hierzu vorgetragen, dass N. das Reinsteisenmaterial zu einem Drittanbieter transportiert, der das Material mit herkömmlichen Schneideverfahren zuschneidet. Dieser Vortrag ist von der Klägerin nicht konkret bestritten worden. Die Klägerin hat vielmehr ihren Vortrag wiederholt, dass ihr Zuschnitt aufgrund einer langwierigen und kostspieligen Entwicklung mittels eines besonderen Verfahrens zugeschnitten wird. Es ist aufgrund des Vortrags der Klägerin nicht zu erkennen, dass der Beklagte bzw. N. in der Lage gewesen wären, ein solches Zuschnittverfahren binnen kürzester Zeit (nämlich allenfalls 3 Monate) zu entwickeln bzw. eine entsprechende neue Betriebsstätte nachzubauen. Von daher ist die Kammer davon überzeugt, dass N. für den Zuschnitt ihrer Reinsteisenprodukte ein anderes Verfahren verwenden muss. Ein Verstoß gegen eine etwaige Verschwiegenheitspflicht des Beklagten ist insoweit nicht zu erkennen (und wäre auch nicht kausal für einen etwaigen Schaden).

cc)

Es ist ebenfalls aufgrund des Vortrags der Klägerin nicht zu erkennen, dass N. unter Mithilfe des Beklagten das Reinsteisenmaterial in dem von ihr beschriebenen Verfahren vor Oxidation schützt, nämlich durch Schrumpffolienverpackungen oder Abdeckung mit Stahldecken oder schwerem Papier und Verpackung in trommelausgestrahltem Stahl. Es mag sein, dass die Klägerin so vorgeht. Anhaltspunkte dafür, dass N. in gleicher Weise Reinsteisenprodukte schützt, sind nicht ersichtlich. Der Beklagte behauptet stattdessen ausdrücklich (Seite 11 des Schriftsatzes vom 29.9.2011, Blatt 200 d. A. unter Verweis auf beigefügte Fotos), dass das angekaufte Vormaterial bei den Stahlproduzenten ohne eine irgendwie geartete Schutzvorrichtung unter freiem Himmel gelagert wird.

e) Es ist auch kein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis darin zu erkennen, dass sich die Klägerin bekannter Verfahren bedient, dies aber geheim ist, und dabei besondere Erfolge erzielt.

aa)

Nach der Rechtsprechung des BGH (BGH, 1.7.1960 - 1 ZR 72/59) kann auch an sich bekanntes Verfahren oder eine an sich bekannte Herstellungsvorrichtung Gegenstand eines Betriebsgeheimnisses sein, sofern geheim ist, dass sich dieses Unternehmen dieses Verfahrens oder dieser Anlage bedient und dadurch möglicherweise besondere Erfolge erzielt.

bb)

Auch vor diesem Hintergrund liegt nach Auffassung der Kammer kein Geschäftsgeheimnis vor.

In dem Ankauf von IF-Stahl, Maßnahmen zur Qualitätssicherung und dem Zuschnitt zu einer bestimmten Größe (unter Verwendung eines besonderen Zuschnittverfahrens) ist kein schützenswertes Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis zu erkennen. Letztlich besteht die Geschäftsidee der Klägerin daraus, ein Produkt der Stahlindustrie von bestimmter Qualität auf die für die Abnehmer interessante Größe zuzuschneiden. Insoweit hat die Klägerin 1995 eine Marktnische entdeckt und genutzt. Es mag auch sein, dass die Klägerin ein besonderes, eigentlich bekanntes Zuschnittverfahren nutzt. Ein damit erzielter, besonderer Erfolg ist nicht zu erkennen.

Es steht zudem nicht fest, dass N. eben exakt dieses Verfahren nutzt. Gerade der Zuschnitt des IF-Stahls erfolgt mittels einer anderen Methode. Auf die obigen Ausführungen wird Bezug genommen. Was bleibt ist: N. hat die Geschäftsidee der Klägerin kopiert. Dies mag angesichts der Herstellung von Reinstaluminum naheliegend sein, womöglich aber gegen den Gesellschaftszweck der N. verstoßen. Hierauf kommt es rechtlich nicht an. Die Klägerin befürchtet keinen Nachteil ihrer Wettbewerbsfähigkeit, sondern sie versucht, Wettbewerb als solchen zu verhindern.

3.

Vor diesem Hintergrund ist nicht zu erkennen, dass der Beklagte unter Verstoß gegen eine nachvertragliche Verschwiegenheitspflicht an der Herstellung des Reinsteisenprodukts von N. mitwirkt.

C.

Der Klageantrag zu 2) ist ebenfalls unbegründet. Auf die obigen Ausführungen unter B. wird Bezug genommen.

D.

Der Antrag zu 3) ist ebenfalls unbegründet. Auch insoweit kann auf die obigen Ausführungen Bezug genommen werden. Gleiches gilt für den Antrag zu 4). Auch dieser ist aus denselben Gründen unbegründet.

E.

Der Feststellungsantrag zu 5) ist ebenfalls unbegründet. Es liegt kein Verstoß gegen eine nachvertragliche Verschwiegenheitspflicht vor. Es sind keine Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse betroffen. Ein Wettbewerbsverbot besteht nicht.

F.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO, 46 Abs. 2 ArbGG.

G.

Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 61 Abs. 1 ArbGG. Die Kammer hat den von der Klägerin im Termin am 6.12.2011 genannte mögliche Schaden i. H. v. 900.000,00 € zugrundegelegt.

RECHTSMITTELBELEHRUNG

Gegen dieses Urteil kann von der klagenden Partei Berufung eingelegt werden. Für die beklagte Partei ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben.

Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist* von einem Monat schriftlich beim

Landesarbeitsgericht Düsseldorf

Ludwig-Erhard-Allee 21

40227 Düsseldorf

Fax: 0211-7770 2199

eingegangen sein.

Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach dessen Verkündung.

Die Berufungsschrift muss von einem Bevollmächtigten unterzeichnet sein. Als Bevollmächtigte sind nur zugelassen:

1. Rechtsanwälte,

2. Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,

3. juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in Nummer 2 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.

Eine Partei, die als Bevollmächtigte zugelassen ist, kann sich selbst vertreten.

* Eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.






ArbG Düsseldorf:
Urteil v. 06.12.2011
Az: 2 Ca 3194/11


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/gerichtsentscheidung/bd082348f7cd/ArbG-Duesseldorf_Urteil_vom_6-Dezember-2011_Az_2-Ca-3194-11




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