Bundespatentgericht:
Beschluss vom 18. Februar 2002
Aktenzeichen: 15 W (pat) 14/00
(BPatG: Beschluss v. 18.02.2002, Az.: 15 W (pat) 14/00)
Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung
Das Bundespatentgericht hat in einem Beschluss vom 18. Februar 2002 (Aktenzeichen 15 W (pat) 14/00) entschieden, dass die Beschwerden gegen die Erteilung eines Patents zurückgewiesen werden.
In dem Fall ging es um eine Patentanmeldung für ein Verfahren zum Prüfen von Pflanzen und Holzwerkstoffen mit einem rotierenden Draht. Das Patent wurde erteilt und nach Einsprüchen von insgesamt fünf Einsprechenden aufrechterhalten. Die Aufrechterhaltung des Patents wurde damit begründet, dass der Gegenstand der Patentansprüche aus den ursprünglichen Unterlagen herleitbar ist und im Hinblick auf den Stand der Technik neu und erfinderisch ist.
Die beiden Einsprechenden haben gegen diesen Beschluss Beschwerde eingelegt und argumentiert, dass das beanspruchte Verfahren nicht ausführbar sei und auch nicht neu oder erfinderisch im Vergleich zum Stand der Technik ist.
Das Bundespatentgericht hat entschieden, dass das Verfahren ausführbar ist und die Merkmale der Patentansprüche ausreichend offenbart wurden. Es wurde festgestellt, dass die Neuheit des Verfahrens gegeben ist, da in den vorhandenen Druckschriften kein Verfahren mit sämtlichen Merkmalen des Patentanspruchs beschrieben wird. Außerdem wurde festgestellt, dass der Gegenstand des Patentanspruchs auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht, da das Verfahren eine genaue und unverfälschte Aussage über den inneren Zustand von Bäumen und Holzbauteilen ermöglicht.
Das Bundespatentgericht hat die Beschwerden der Einsprechenden daher zurückgewiesen. Es wurde keine Kostenentscheidung getroffen.
Anmerkung: Der vollständige Beschluss des Bundespatentgerichts umfasst mehrere Seiten und enthält weitere detaillierte rechtliche Ausführungen. Die vorliegende Inhaltsangabe gibt lediglich eine vereinfachte und verkürzte Darstellung der Entscheidung wieder.
Die Gerichtsentscheidung im Volltext:
BPatG: Beschluss v. 18.02.2002, Az: 15 W (pat) 14/00
Tenor
Die Beschwerden werden zurückgewiesen.
Gründe
I.
Auf die am 6. April 1994 eingereichte Patentanmeldung hat das Deutsche Patentamt das Patent 44 11 746 mit der Bezeichnung
"Verfahren zum Prüfen von Pflanzen und Holzwerkstoffen mit einem rotierenden Draht"
erteilt. Der Veröffentlichungstag der Patenterteilung ist der 2. Oktober 1996.
Nach Prüfung zweier zulässiger von insgesamt fünf dagegen eingelegten Einsprüchen wurde das Patent mit Beschluß der Patentabteilung 52 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 20. Dezember 1999 in vollem Umfang aufrechterhalten.
Dem Beschluß lagen die erteilten Patentansprüche 1 bis 3 mit folgendem Wortlaut zugrunde:
"1. Verfahren zum Prüfen des inneren Zustandes von Holzwerkstoffen und Pflanzen, bei dem ein vorne angespitzter Draht mit einer Schneide im Übergang vom angespitztem Draht zum normalen Drahtdurchmesser rotierend in den Prüfling eindringt, wobei die Dichte und Festigkeit des Prüflings in Abhängigkeit von der Schneidenkantenlage im Prüfling registriert wird, wobei die angeschliffene Drahtspitze mit gerichteten, spiraligen Schleifriefen sich durch die Rotation selbst mit einer frei vorgebbaren Vortriebsgeschwindigkeit in den Prüfling zieht, dadurch gekennzeichnet,
- dass der Drahtvortrieb durch einen einstellbaren Brems- und Vortriebsmechanismus gezielt gesteuert wird,
- dass der Schneidkantendurchmesser größer als der eigentliche Drahtdurchmesser ist,
- dass der in den Prüfling eingedrungene Draht mit einem einstellbaren Ausziehmechanismus wieder herausgezogen wird,
- und dass der beim Herausziehen bewirkte Schneidwiderstand an der dann wirkenden Schneide gemessen wird.
2. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die Rotationsdrehzahl des einziehenden Drahtes größer als 1500 Umdrehungen je Minute ist und dadurch beim Drahteindringen eine Verkohlung oder Vergasung des Prüflingwerkstoffes im Drahtbereich bewirkt wird.
3. Verfahren nach Anspruch 1 und 2, dadurch gekennzeichnet, dass zusätzlich zur Messung des Schneidwiderstandes beim Herausziehen des Drahtes auch die Verkohlungs- oder Vergasungsenergie beim Einziehen des Drahtes in den Prüfling gemessen wird."
Die Aufrechterhaltung des Patents wurde im wesentlichen damit begründet, dass der Gegenstand der Patentansprüche 1 bis 3 in den ursprünglichen Unterlagen offenbart, mit den Kenntnissen eines Fachmanns ausführbar und im Hinblick auf den Stand der Technik nicht nur neu sei, sondern auch auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.
Gegen diesen Beschluß haben die beiden am Verfahren beteiligten Einsprechenden Beschwerde eingelegt. Zur Begründung haben sie im wesentlichen vorgetragen, dass das beanspruchte Verfahren gemäß den Patentansprüchen 1 und 3 nicht ausführbar sei, ihm darüber hinaus gegenüber dem Stand der Technik, wie er inder DE 35 01 841 A1, der DE 40 04 242 C2 bzw. der entsprechenden vorveröffentlichten DE 40 04 242 A1, und der Veröffentlichung von Frank Rinn: "Neue Meßmethode für Baumuntersuchungen und Holzprüfungen" in der in der Zeitschrift Garten + Landschaft 6/89, S.55-56, beschrieben sei, die Neuheit fehle und es demgegenüber auch nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhe.
Die Einsprechende II reicht Auszüge aus einer Diplomarbeit von Andreas Blatt und Petra Jaskula: "Resistograph - Teredo - Zuwachsbohrer: erste Ergebnisse einer Feldstudie" ein, die ausweislich des Publikationsjahres darin enthaltener Zitate nachveröffentlicht und somit ggf. nur gutachtlich zu bewerten ist. Daraus sei zu entnehmen, dass mit dem Teredo-Verfahren, das beim Rücklauf messe, und mit der Bohrwiderstandsmessung im Vorlauf mit dem Resistographen, von Nuancen abgesehen, identische Ergebnisse erzielt werden.
Die Einsprechenden beantragen übereinstimmendden angefochtenen Beschluß aufzuheben und das Patent zu widerrufen.
Der Patentinhaber beantragt, die Beschwerden zurückzuweisen.
Er hat dem Vorbringen der Einsprechenden widersprochen und die Ansicht vertreten, dass der Patentgegenstand alle Voraussetzungen der Patentfähigkeit aufweise. Darüber hinaus reicht er einen in der Zeitschrift "Schützen und Erhalten, Juni 2000, S 18-19" erschienenen Bericht ein, aus dem hervorgehe, dass mit dem Teredo-Verfahren gemäß Streitpatent gegenüber dem Resistographen des Standes der Technik wertvolle Zusatzinformationen zu erhalten seien.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten verwiesen.
II.
1. Die Beschwerden der Einsprechenden sind frist- und formgerecht eingelegt worden. Sie sind mit Gründen versehen und zulässig (PatG § 73). Sie sind jedoch nicht erfolgreich.
2. Bezüglich einer ausreichenden Offenbarung des Gegenstands der Patentansprüche in der erteilten Form bestehen keine Bedenken, da deren Merkmale aus den ursprünglichen Unterlagen herleitbar sind (vgl. Erstunterlagen, Anspr 1 iVm Anspr 2 und der Beschreibung S 2, letzter Halbsatz, sowie die bis auf die Numerierung und den Rückbezug unverändert übernommenen Anspr 3 und 4). Die Herausnahme des Passus "jedoch nicht notwendiger auch" aus dem Attribut der "Schleifriefen" des ursprünglichen Patentanspruchs 1 stellt eine zulässige Einschränkung dar.
3. Das patentgemäße Verfahren ist auch ausführbar.
Die Merkmale gemäß Patentanspruch 1 reichen aus, um die Nacharbeitbarkeit der darin beschriebenen technischen Lehre sicherzustellen.
Betreffend die Ausgestaltung des Untersuchungswerkzeugs handelt es sich dabei um - einen vorne angespitzten Draht, dessen Spitze durch Anschliff mit gerichteten, spiraligen Schleifriefen den Selbsteinzug bei Rotation bedingt,
- eine Schneide im Übergang vom angespitzten Draht zum normalen Drahtdurchmesser, deren Schneidkantendurchmesser größer ist als der eigentliche Drahtdurchmesser, wobei beim Herausziehen an der dann wirkenden Schneide, und somit rückseitig relativ zur Drahtspitze wirkend, eine Widerstandsmessung möglich ist.
Die Steuerung des Drahtvortriebs durch einen einstellbaren Brems- und Vortriebsmechanismus ist eine Regelungsvorgang, der von einem Durchschnittsfachmann - hier einem Ingenieur mit beruflicher Erfahrung bei der Untersuchung von Holz - ohne weiteres ausführbar ist. Hinzu kommt, dass in der vorveröffentlichten, gattungsgleichen DE 40 04 242 A1 (3) bereits das gesteuerte Einziehen einer ähnlich ausgebildeten Drahtspitze beschrieben ist (vgl (3), Sp 3 Z 15 ff, insbes Z 60 bis 67).
Diesen Sachverhalt erkennt auch der Einsprechende I an, indem er darauf verweist, dass das erste Merkmal des Kennzeichens des Patentanspruchs 1 gemäß Streitpatentschrift durch (3) vorbeschrieben sei (vgl Beschwerdeschriftsatz vom 11. Februar 2000, S 3 unten bis S 5 unten).
Die Einsprechenden haben darüber hinaus in der mündlichen Verhandlung übereinstimmend erklärt, daß der fragliche Verfahrensschritt auch mit einem geregelten Motor mit einer regulierbaren Vortriebsgeschwindigkeit, wie er im Stand der Technik für Bohrverfahren zur Verfügung steht, ausführbar sei.
Schließlich wird auch die Fähigkeit eines vorne angespitzten Drahtes, der eine angeschliffene Drahtspitze mit gerichteten, spiraligen Schleifriefen aufweist, sich bei Rotation in den Prüfling einzuziehen, von dem Einsprechenden I nicht in Frage gestellt (vgl hierzu den Beschwerdeschriftsatz vom 11. Februar 2000, S 2 Abs 2 ff iVm (3), Sp 1, Z 63 bis Sp 2 Z 3).
Betreffend die angegriffene Ausführbarkeit eines Verfahrens mit den zusätzlichen Merkmalen des Patentanspruchs 3 gemäß Streitpatent (vgl hierzu Beschwerdeschriftsatz des Einsprechenden I vom 11. Februar 2000, S 8 VII.) ist zunächst festzustellen, dass es sich bei der Messung des Energieaufwands beim Einziehen der Drahtspitze in den Prüfling um eine zusätzlich zur Auszugsmessung optionale Messung handelt. Die Summe aus der zum Einziehen durch Rotation erforderlichen Energie und der bei höheren Drehzahlen auftretenden Verkohlungs- oder Vergasungsenergie wird aufgezeichnet. Da diese Energiesumme unbestritten abhängig von der Dichte bzw. der Konsistenz des Holzes ist, lassen sich daraus zusätzliche Informationen über den inneren Zustand des Prüflings gewinnen.
4. Die Neuheit des Gegenstandes des Patentanspruchs 1 ist anzuerkennen, denn in keiner der im Verfahren befindlichen Druckschriften wird ein Verfahren zum Prüfen des inneren Zustandes von Holzwerkstoffen und Pflanzen mit sämtlichen Merkmalen gemäß Patentanspruch 1 beschrieben.
Den Ausführungen des Einsprechenden I zur Neuheit ist zwar insoweit beizutreten, als bereits einzelne Merkmale bzw. Teilmerkmale des angegriffenen Verfahrens aus dem vorgebrachten Stand der Technik bekannt sind. Die Neuheit eines Gesamtverfahrens mit sämtlichen Merkmalen gemäß Patentanspruch 1 des Streitpatents wird hierdurch jedoch nicht in Frage gestellt.
5. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit ist von der Aufgabe auszugehen, ein Prüfverfahren bereitzustellen, das eine möglichst genaue und unverfälschte Aussage über den inneren Zustand von Bäumen und von Holzbauteilen erlaubt.
Gelöst wird diese Aufgabe durch ein
(1) Verfahren zum Prüfen des inneren Zustandes von Holzwerkstoffen und Pflanzen,
(2) bei dem ein vorne angespitzter Draht
(2.1) mit einer Schneide im Übergang vom angespitzten Draht zum normalen Drahtdurchmesserrotierend in den Prüfling eindringt,
(3) wobei die Dichte und Festigkeit des Prüflings
(3.1) in Abhängigkeit von der Schneidenkantenlage im Prüfling registriert wird,
(4) wobei die angeschliffene Drahtspitze
(4.1) mit gerichteten, spiraligen Schleifriefensich durch die Rotation selbst mit einer frei vorgebbaren Vortriebsgeschwindigkeit in den Prüfling zieht, d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t, daß
(5) der Drahtvortrieb
(5.1) durch einen einstellbaren Brems- und Vortriebsmechanismus gezielt gesteuert wird,
(6) der Schneidkantendurchmesser größer als der eigentliche Drahtdurchmesser ist,
(7) der in den Prüfling eingedrungene Draht
(7.1) mit einem einstellbaren Ausziehmechanismus wieder herausgezogen wird,
(8) und der beim Herausziehen bewirkte Schneidwiderstand
(8.1) an der dann wirkenden Schneidegemessen wird.
Aus der DE 40 04 242 A1 (3), die dem Gegenstand des Streitpatents bezüglich der Ausgestaltung des eingesetzten Untersuchungswerkzeuges am nächsten kommt, sind zwar die gegenständlichen Merkmale 2, 4 und 4.1 sowie Verfahrensmerkmale 1, 5 und 5.1 zu entnehmen. Zum Prüfen von Holzquerschnitten hinsichtlich der Dichte und Festigkeit wird dabei eine konische, spiralig angeschliffene Drahtspitze durch Rotation mittels eines einstellbaren Brems- und Vortriebsmechanismus gesteuert in den Prüfling hineingeschraubt (vgl (3), Anspr 1, Anspr 12, Anspr 7 iVm Sp 3 Z 60 bis 67). Der Übergang von der Drahtspitze zum normalen Drahtschaft ist beim Untersuchungswerkzeug als Verdickung ausgeführt zu dem Zweck, die Verdrillung des Drahtes beim Hineinschrauben in das Holz teilweise zu kompensieren bzw. soweit abzuschwächen, dass die Wandreibung des Drahtschaftes überwunden werden kann (vgl (3), Anspr 11 iVm Anspr 2 iVm Sp 3 Z 1 bis 4 iVm Sp 1 Z 63 bis Sp 2 Z 8).
Eine Schneide im Übergang vom angespitzten Draht zum normalen Drahtdurchmesser ist in der DE 40 04 242 A1 (3) jedoch nicht beschrieben. Wegen der fehlenden Ausbildung des Drahtkopfes an der verdickten Stelle als beim Herausziehen wirkende und somit relativ zur Drahtspitze rückwärts gerichtete Schneide (vgl Merkmale 2.1, 6 bis 8) bestand für den Fachmann auch keine Aussicht, unter Einsatz dieses Untersuchungswerkzeugs einen verwertbaren Ausziehwiderstand zu messen. Eine Anregung zur Messung eines Ausziehwiderstands bzw. zur Aufnahme einer Rücklaufkurve beim Herausziehen des Werkzeuges konnte daher von der DE 40 04 242 (3) nicht ausgehen.
In der DE 35 01 841 A1 (2) ist ein Verfahren und eine Vorrichtung zur Feststellung des inneren Zustandes von Bäumen oder Holzbauteilen beschrieben, bei dem eine rotierende Nadel in das Holz eindringt und dabei die Leistungsaufnahme des Rotations- und/oder Vorschubantriebs der Nadel gemessen wird. Die Nadel besteht aus einem Stahldraht mit einem Durchmesser von weniger als 2 mm und weist einen als flache, dreieckförmige Spitze ausgebildeten Nadelkopf auf, dessen Rotationsdurchmesser größer als 2 mm und damit größer als der Schaftdurchmesser ausgebildet ist (vgl (2), Anspr 1 und 8). Die Nadelspitze/Drahtspitze ist jedoch nicht spiralig angeschliffen. Eine Auszugsmessung ist nicht beschrieben. Dieser Druckschrift sind keine Anregungen zu entnehmen, die den Fachmann dazu hätten veranlassen können, an Stelle oder zusätzlich zu der vorgenommenen Messung des Einzugswiderstandes eine Messung des Widerstandes beim Herausziehen des Werkzeuges vorzunehmen.
Ähnliches gilt für die dem Senat als englische Übersetzung sowie als in Englisch abgefasstes Abstract vorliegende JP-Kokai 58-18165 A (4), die ebenfalls ein gattungsgemäßes Prüfverfahren für den inneren Zustand von Bäumen betrifft.
In der Fachzeitschrift Garten + Landschaft 6/89, S 55-56 (7) wird unter Bezugnahme auf die beiden in der DE 35 01 841 A1 (2) benannten Erfinder eine neue Meßmethode für Baumuntersuchungen und Holzprüfungen mit einer Bohrnadel vorgestellt. Dabei wurde in einer Abbildung neben der Bohrwiderstandskurve beim Vorlauf auch die Rücklaufkurve aufgezeichnet (vgl (7), S 56 Abb).
Entgegen den Ausführungen der Einsprechenden II (vgl Beschwerdeschriftsatz vom 14. Februar 2000, S 2 Mitte fettgedruckt iVm S 3 Abs 4) reichen die Angaben dieser Druckschrift betreffend das Untersuchungswerkzeug Bohrnadel mit vorder- und rückseitigem Anschliff der Nadelspitze bei glattem Nadelschaft (vgl (7), S 55 re Sp Z 9 bis 12) nicht aus, daraus ein Untersuchungswerkzeug mit den Merkmalen des Patentanspruchs 1 abzuleiten. Dies gilt insbesondere für das Merkmal 2.1 einer Schneide, die beim Herausziehen des Drahtes wirkt (Merkmal 8.1), mit einem Schneidkantendurchmesser, der größer als der eigentliche Drahtdurchmesser ist (Merkmal 6).
Im Gegensatz zur Bewertung der Vorlaufmessung wird in der Beschreibung dieser Druckschrift auch keinerlei Bezug auf die abgebildete Rücklaufkurve genommen. Vielmehr wird ausgeführt, dass Messgröße über den inneren Zustand des Holzes die Leistungsaufnahme des Bohrmotors bei konstantem Vortrieb ist (vgl (7), S 55 li Sp letzter Satz). Eine Anregung zur praktischen Verwertung der dargestellten Rücklaufmessung ist dieser Veröffentlichung somit nicht zu entnehmen.
Gemäß einer Veröffentlichung in der Fachzeitschrift Bauen mit Holz 12/90, S 904, 906-908 (1) kann die Ausziehkraft einer Schraube zur Prüfung von Holzbauteilen gemessen werden (vgl (1), insbes S 904, re Sp bis S 906 Mitte). Das betreffende Messverfahren sieht eine gewöhnliche Holzschraube als Untersuchungswerkzeug vor, wobei aufgrund der speziellen Versuchs- und Messanordnung eine kontinuierliche und lokale Messung nicht vorgesehen, aber auch nicht ohne weiteres möglich ist.
Vielmehr handelt es sich dabei um die Messung der Zugbeanspruchung im Schraubenschaft, die beim Abscheren des Holzes im Bereich der gesamten Länge des Schraubengewindes auf einen Messzylinder wirkt (vgl (1), S 904, Anfang re Sp bis S 906, li Sp Mitte, insbes S 906, erster Abs). Anregungen zur Abänderung des Untersuchungswerkzeuges Holzschraube oder der Messanordnung gehen von (1) nicht aus.
Aber selbst wenn der Fachmann - angeregt durch die Veröffentlichungen in Garten + Landschaft (7) und/oder in Bauen mit Holz (1) - die Messung einer Rücklaufkurve bzw. eines Ausziehwiderstandes zur Ermittlung des inneren Zustandes von Holz in Betracht zöge, so wäre es mangels geeignetem Vorbild nicht ohne weiteres möglich, die im vorgebrachten Stand der Technik beschriebenen Werkzeuge und Verfahren entsprechend den Merkmalen des Patentanspruchs 1 des Streitpatents abgeändert auszubilden.
Da ein technischer Fortschritt als Patentierungsvoraussetzung nicht erforderlich ist, (vgl Schulte, PatG 6. Aufl. § 1 Rdn 12) kann dahinstehen, ob das Verfahren gemäß Streitpatent gegenüber einem Verfahren, bei dem eine Bewertung des inneren Zustands von Bäumen oder Holzwerkstoffen nur anhand einer Bohrwiderstandsmessung beim Einzug bzw. im Vorlauf erfolgt, Vorteile aufweist (vgl gutachtlich die nachveröffentlichte Druckschrift Schützen & Erhalten, Juni 2000, S 18 bis 19) oder zu diesem, von Nuancen abgesehen, identische Ergebnisse liefert (vgl gutachtlich den von der Einsprechenden II eingereichten Auszug aus einer Diplomarbeit von Andreas Blatt und Petra Jaskula, S 125 bis 133).
Nach alledem ist der Gegenstand des Patentanspruchs 1 in der erteilten Form, über dessen gewerbliche Anwendbarkeit keine Zweifel bestehen, neu und beruht auch auf erfinderischer Tätigkeit, so dass dieser Patentanspruch gewährbar ist.
Das gleiche gilt auch für die auf ihn rückbezogenen Patentansprüche 2 und 3, die bevorzugte Ausführungsformen betreffen.
Nach Erörterung der Frage einer Kostenentscheidung in der mündlichen Verhandlung, wonach im vorliegenden Fall keine Gründe erkennbar sind, die aus Billigkeitsgründen ein Abweichen von dem Grundsatz der eigenen Kostentragung (vgl BGH "Lewapur" BlPMZ 73, 23, sowie BGH "Beschwerdekosten" GRUR 1962, 273) rechtfertigen könnten, hielten die Beschwerdeführer und der Beschwerdegegner ihre zuvor schriftsätzlich gestellten Anträge auf Kostenauferlegung in der mündlichen Verhandlung nicht aufrecht.
Kahr Niklas Harrer Egerer Ko
BPatG:
Beschluss v. 18.02.2002
Az: 15 W (pat) 14/00
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