Bundespatentgericht:
Beschluss vom 10. Mai 2000
Aktenzeichen: 32 W (pat) 393/99

(BPatG: Beschluss v. 10.05.2000, Az.: 32 W (pat) 393/99)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Das Bundespatentgericht hat in einem Beschluss vom 10. Mai 2000 die Urteile der Markenstelle des Deutschen Patentamts vom 26. Mai 1997 und 8. April 1998 aufgehoben. Die Markenstelle hatte die Anmeldung einer Wortmarke für verschiedene Lebensmittel- und Süßwaren aufgrund des Freihaltebedürfnisses abgelehnt. Sie argumentierte, dass "Unter den Linden" der Name einer bekannten Straße in Berlin sei und von Mitbewerbern als Hinweis auf die Herkunft ihrer Waren genutzt werde. Die Anmelderin erhob Beschwerde gegen diese Entscheidung und verwies dabei auf ein Urteil des Bundespatentgerichts, welches feststellte, dass Straßennamen nur in Ausnahmefällen als Herkunftsangabe für bestimmte Produkte verstanden würden.

Das Bundespatentgericht stellte fest, dass in Bezug auf die beanspruchten Waren kein Freihaltebedürfnis für die angemeldete Straßenbezeichnung bestehe. Um ein Freihaltungsbedürfnis festzustellen, müssten sichere Anhaltspunkte dafür vorhanden sein, dass der Straßenname als Herkunftsangabe benötigt wird. Die Beziehung zwischen den Waren und der geographischen Angabe müsse nicht unbedingt auf der Herstellung der Waren an diesem Ort beruhen, sondern könne sich auch aus anderen Faktoren ergeben. Im vorliegenden Fall konnte jedoch keine Herstellung der Produkte in dieser Straße oder andere Anknüpfungspunkte festgestellt werden. Das Interesse, auf einen Vertrieb in dieser Straße hinzuweisen, begründet kein relevantes Freihaltungsbedürfnis, da Geschäfte in dieser Straße auf den Geschäftssitz hinweisen können. Das Bundespatentgericht kam daher zu dem Schluss, dass die angemeldete Bezeichnung nicht als geographische Herkunftsangabe dienen kann.

Zusätzlich stellte das Bundespatentgericht fest, dass auch kein anderer Grund vorliegt, die angemeldete Bezeichnung abzulehnen. Der angesprochene Verkehr werde in "Unter den Linden" keinen Hinweis auf eine bestimmte Herkunft der Waren oder ihren Vertrieb in dieser Straße sehen, sondern lediglich den Flair und die Tradition dieser bekannten Straße. Dies allein reicht jedoch nicht aus, um die Eignung von "Unter den Linden" als Kennzeichnung für ein bestimmtes Unternehmen auszuschließen. Das Bundespatentgericht gab daher der Beschwerde der Anmelderin statt.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

BPatG: Beschluss v. 10.05.2000, Az: 32 W (pat) 393/99


Tenor

Auf die Beschwerde werden die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 30 des Deutschen Patentamts vom 26. Mai 1997 und 8. April 1998 aufgehoben.

Gründe

I Beim Deutschen Patentamt ist

"Unter den Linden"

für Kakao, Haferkakao, Kakao-Extrakte für Nahrungs- und Genußzwecke, Schokoladenmassen und Kuvertüren, Schokolade, Zuckerwaren, Marzipan, Marzipanersatz, Füllmassen für Back- und Konditorwaren, Schokolade und Zuckerwaren als Christbaumschmuck, Pralinen, auch mit flüssiger Füllung, insbesondere aus Weinen und Spirituosen; Back- und Konditoreiwaren, Backpulver, Puddingpulver, Rahmspeiseeis, Fruchtspeiseeis, Hefeextrakte für Nahrungszwecke, Speiseeispulver. GK 30 zur Eintragung als Wortmarke angemeldet worden.

Die Markenstelle für Klasse 30 hat die Anmeldung mit Beschluß vom 26. Mai 1997 durch einen Beamten des gehobenen Dienstes wegen bestehenden Freihaltebedürfnisses zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, "Unter den Linden" sei der Name eines bekannten und berühmten Berliner Straßenzuges. Namen bekannter Straßen würden von den Mitbewerbern als Hinweis auf die Herkunft ihrer Waren aus einem in der betreffenden Straße ansässigen Unternehmen benötigt (unter Bezugnahme auf BPatGE 4, 74, 76 "Champs elysee"). So sei es auch nicht unüblich, als Herkunftsort der Ware nicht nur den Städtenamen, sondern auch den genauen Stadtteil oder Straßennamen mitanzugeben.

Die hiergegen gerichtete Erinnerung hat die Markenstelle - besetzt mit einem Beamten des höheren Dienstes - durch Beschluß vom 8. April 1998 unter Bezugnahme auf die Gründe des Erstbeschlusses zurückgewiesen, nachdem eine Begründung der Erinnerung noch nicht eingegangen war.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin mit dem Antrag, die Beschlüsse des Deutschen Patentamts vom 26. Mai 1997 und 8. April 1998 aufzuheben und die Marke zur Eintragung zuzulassen.

Sie macht unter Bezugnahme auf BPatGE 38, 191 "BROADWAY" geltend, der Name bekannter Straßen werde im Verkehr nur ausnahmsweise als Angabe über den Ort der Herstellung bestimmter Produkte verstanden. Der Verkehr werde deshalb die angemeldete Wortmarke nicht als geographische Herkunftsangabe auffassen. Dies liege insbesondere in Verbindung mit den beanspruchten Waren fern. Zudem sei durch § 23 MarkenG sichergestellt, daß "Unter den Linden" als Herkunftsangabe benutzt werden dürfe.

Wegen der Einzelheiten wird auf den gesamten Akteninhalt einschließlich der Amtsakte der Anmeldung 396 48 290.2 Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde der Anmelder ist zulässig (§ 66 Abs 2 und 5 MarkenG), in der Sache erweist sie sich auch als begründet.

Entgegen der Auffassung der Markenstelle besteht an der angemeldeten Straßenbezeichnung kein Freihaltungsbedürfnis im Sinne von § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG. Wenngleich auch Straßennamen grundsätzlich als freizuhaltende geographische Herkunftsangabe in Betracht kommen, läßt sich im Hinblick auf die beanspruchten Waren ein Freihaltungsbedürfnis nicht feststellen. Hierfür müßten sichere Anhaltspunkte vorhanden sein, daß der betreffende Straßenname als Herkunftsangabe benötigt wird (BGH GRUR 1983, 768, 769 "Capri-Sonne"). Hierbei ist allerdings nach der neueren Rechtsprechung des EuGH (GRUR 1999, 723, 725 f "Chiemsee") die Feststellung ausreichend, daß die beteiligten Verkehrskreise eine Verbindung zu der einschlägigen Warengruppe herstellen könnten. Diese Beziehung zwischen den beanspruchten Waren und der fraglichen geographischen Angabe muß dabei nicht notwendigerweise auf der Herstellung der Waren an diesem Ort beruhen, sondern kann sich auch aus anderen Anknüpfungspunkten ergeben, wie zB dem Umstand, daß die Ware an dem betreffenden geographischen Ort entworfen worden ist oder die verwendeten Rohstoffe von dort stammen könnten (BPatG GRUR 2000, 149, 150 "WALLIS").

Hiervon ausgehend ist eine Eignung der angemeldeten Marke, als geographischer Herkunftshinweis dienen zu können, im Hinblick auf die beanspruchten Waren zu verneinen. Für eine Herstellung der fraglichen Produkte in dieser Straße gibt es keine Anhaltspunkte. Auch lassen sich andere Anknüpfungspunkte nicht feststellen. Das Interesse auf einen Vertrieb in der Straße "Unter den Linden" in Berlin hinzuweisen, begründet kein markenrechtlich relevantes Freihaltungsbedürfnis. Sollte es dort entsprechende Verkaufsstätten geben, was angesichts der Größe dieser Straße sogar wahrscheinlich ist, bleibt es den Inhabern dieser Geschäfte nach § 23 Nr 1 MarkenG unbenommen, auf den Geschäftssitz in dieser bekannten Berliner Straße hinzuweisen (vgl BPatGE 38, 191, 194 "BROADWAY").

Demgemäß ist kein Anknüpfungspunkt ersichtlich, aus dem sich die Eignung von "Unter den Linden" herleiten ließe, als geographische Herkunftsangabe iSv § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG zu dienen. Die angemeldete Straßenbezeichnung mag allenfalls geeignet sein, als Synonym für den besonderen Flair dieser bekannten Straße zu dienen. Insoweit handelt es sich indes nicht um einen Hinweis auf die geographische Herkunft und damit nicht um eine freizuhaltende Herkunftsangabe (BPatGE 38, 194 "BROADWAY").

Darüber hinaus steht auch § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG der Eintragung der angemeldeten Bezeichnung nicht entgegen. Der angesprochene Verkehr wird in "Unter den Linden" nicht einen Hinweis auf eine irgendwie geartete Herkunft der Waren oder ihrer Rohstoffe bzw ihren Vertrieb speziell in dieser Straße auffassen. Da aus der Sicht des Verkehrs eine Herstellung oder ein sonstiger Anknüpfungspunkt zu dieser Straße eher unwahrscheinlich ist, werden die Verbraucher hierin lediglich einen Hinweis auf einen mit dieser Traditionsstraße verbundenen Flair sehen. Dies allein läßt indes die Eignung von "Unter den Linden" zur Kennzeichnung eines bestimmten Unternehmens nicht entfallen (BGH GRUR 1963, 482, 485 "Hollywood Duftschaumbad").

Nach alledem war der Beschwerde der Anmelder der Erfolg nicht zu versagen.

Dr. Fuchs-Wissemann Klante Sekretaruk Fa






BPatG:
Beschluss v. 10.05.2000
Az: 32 W (pat) 393/99


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/gerichtsentscheidung/bf510bea76d8/BPatG_Beschluss_vom_10-Mai-2000_Az_32-W-pat-393-99




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