Bundespatentgericht:
Beschluss vom 8. September 2004
Aktenzeichen: 30 W (pat) 37/03
(BPatG: Beschluss v. 08.09.2004, Az.: 30 W (pat) 37/03)
Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung
Das Bundespatentgericht hat in seinem Beschluss vom 8. September 2004 (Aktenzeichen 30 W (pat) 37/03) die Beschwerde gegen den Beschluss der Markenstelle für Klasse 6 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 10. Dezember 2002 aufgehoben.
Zur Eintragung in das Markenregister wurde eine Bildmarke angemeldet, die eine stilisierte Darstellung der Spitze eines Schlüsselblattes zeigt. Die Anmeldung umfasst Schließzylinder und Schlüssel mit zugehörigem Schlüsselprofil, Schließanlagen sowie Hauptschlüsselanlagen und Zentralschlossanlagen. Die Markenstelle hat die Anmeldung wegen fehlender Unterscheidungskraft zurückgewiesen.
Die Antragstellerin hat Beschwerde eingelegt und argumentiert, dass die angemeldete Darstellung schutzfähig sei. Unter anderem verweist sie darauf, dass die Darstellung die Zahlen vier über der Zahl zwei in einer dreidimensionalen Darstellung zeigt.
Das Bundespatentgericht entscheidet, dass weder ein Freihaltebedürfnis noch fehlende Unterscheidungskraft festgestellt werden können. Bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft von Bildmarken ist grundsätzlich ein großzügiger Maßstab anzulegen. Es reicht bereits eine geringe Unterscheidungskraft aus, um das Schutzhindernis zu überwinden.
Das angemeldete Zeichen zeigt die Spitze eines Schlüsselblattes ohne die typische Zahnung. Es stellt weder einen Schließzylinder mit Schlüssel noch eine Schließanlage dar. Die zeichnerischen Elemente des Zeichens weisen über die technische Gestaltung der Ware hinausgehende Elemente auf. Das Zeichen erschöpft sich nicht in der Abbildung der Ware als solcher.
Das Eintragungshindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG kann nicht festgestellt werden, da keine bildliche Warenbeschreibung vorliegt.
Der Schutzbereich der Marke bezieht sich nur auf die eingetragene Form und nicht auf die naturgetreue Darstellung eines Schließzylinders und Schlüssels mit zugehörigem Schlüsselprofil. Dem Zeichen kommt ein Verbietungsrecht zu, das sich im Wesentlichen auf die konkrete Form und gestalterische Besonderheiten bezieht.
Die Gerichtsentscheidung im Volltext:
BPatG: Beschluss v. 08.09.2004, Az: 30 W (pat) 37/03
Tenor
Auf die Beschwerde wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 6 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 10. Dezember 2002 aufgehoben.
Gründe
I.
Zur Eintragung in das Markenregister angemeldet als Bildmarke (schwarz/weiß) ist folgende Darstellung:
siehe Abb. 1 am Ende Das Warenverzeichnis lautet:
Schließzylinder und Schlüssel mit zugehörigem Schlüsselprofil dafür; Schließanlagen, im wesentlichen bestehend aus Schließzylindern und zugehörigen Schlüsseln dafür; mit jeweils objektbezogenen vorgegebenen unterschiedlichen Schließungen unter gegenseitigem Ausschluss von Zutrittsberechtigungen bei Wohnungstüren und gruppenweisen Zutrittsberechtigungen bei Gemeinschaftstüren; Hauptschlüsselanlagen und Zentralschlossanlagen.
Die Markenstelle für Klasse 6 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Anmeldung wegen fehlender Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG zurückgewiesen, weil sie als Abbildung der Spitze eines Schlüsselprofils angesehen werde.
Die Anmelderin hat Beschwerde eingelegt. Mit näheren Ausführungen hält sie die angemeldete Darstellung für schutzfähig. Unter anderem bezieht sie sich auch darauf, dass die Anmeldung die Zahl vier über der Zahl zwei in dreidimensionaler Darstellung zeige.
Die Anmelderin beantragt sinngemäß, den angefochtenen Beschluß der Markenstelle für Klasse 6 des Deutschen Patent- und Markenamts aufzuheben.
Ergänzend wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde der Anmelderin ist in der Sache begründet. Ein der Eintragung entgegenstehendes Freihaltebedürfnis iSv § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG wie auch fehlende Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG lassen sich nicht feststellen.
Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die von der Marke erfassten Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens gegenüber den Waren oder Dienstleistungen anderer Unternehmen aufgefaßt zu werden. Bei der entsprechenden Beurteilung ist grundsätzlich von einem großzügigen Maßstab auszugehen, d.h. jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft reicht aus, um das Schutzhindernis zu überwinden (vgl. BGH GRUR 2004, 505 - Radio-Uhr II mwNachw; EuGH MarkenR 2004, 116, 120 - Waschmittelflasche).
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gilt für als Marke angemeldete Bildzeichen nichts anderes als für Wortmarken: sie sind nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG wegen fehlender Unterscheidungskraft von der Eintragung ausgeschlossen, wenn ihnen ein im Hinblick auf die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen im Vordergrund stehender beschreibender Sinngehalt zukommt (vgl. BGH GRUR 2001, 734 - Jeanshosentasche; BGH WRP 2000, 520, 522 - St. Pauli Girl; BGH GRUR 2003, 1050 - Cityservice; BGH WRP 2004, 1173, 1174 mwN - UR-LAUB DIREKT).
So ist die naturgetreue bildliche Wiedergabe des im Warenverzeichnis genannten Erzeugnisses als bloß beschreibende Angabe nicht geeignet, die Ware ihrer Herkunft nach zu individualisieren (vgl. BGH GRUR 1997, 527, 528 - Autofelge; GRUR 1999, 495, 496 - Etiketten; GRUR 1995, 732 - Füllkörper). Anders liegt der Fall, wenn die Bildmarke zum Beispiel nicht die Ware selbst, sondern einen Teil derselben darstellt, und sie sich nicht in der Darstellung von Merkmalen erschöpft, die für die Darstellung der Ware typisch oder zur Erreichung einer technischen Wirkung erforderlich sind, sondern darüber hinausgehende charakteristische Elemente aufweist, in denen der Verkehr einen Hinweis auf die betriebliche Herkunft sieht (vgl. BGH GRUR 2001, 239 f. - Zahnpastastrang; BGH GRUR 2001, 734 - Jeanshosentasche; BGH GRUR 2004, 683, 684 - farbige Arzneimittelkapsel).
Unter diesen Umständen kann dem Zeichen nicht die Unterscheidungskraft iSv § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG abgesprochen werden.
Ein Schließzylinder ist eine Schließvorrichtung, die in ein Zylinderschloss eingebaut wird; die Mechanik im Schloss wird durch Einstecken des zugehörigen Schlüssels betätigt, dessen Blattkante mit einer Zahnung versehen ist, die im Kern des Zylinders befindliche Stifte in die richtige Stellung zur Entsperrung bringt (vgl. Brockhaus, Die Enzyklopädie, 19. Band S. 371f.). Schließanlagen sind Kombinationen verschiedener Schlösser und verschiedener Schlüssel.
Die Anmeldung zeigt stilisiert in Teilansicht die Spitze eines Schlüsselblattes eines Zylinder-Schloss-Schlüssels, dem das für das Funktionieren in einem Schließzylinder typische Merkmal der Zahnung der Schlüsselblatt-Kante fehlt. Das Zeichen stellt damit erkennbar weder einen Schließzylinder und Schlüssel, noch eine Schließanlage oder Hauptschlüsselanlagen und Zentralschlossanlagen dar. Ihr kann nichts für die Art und Beschaffenheit der mit ihr etwa gekennzeichneten Schließzylinder und Schlüssel sowie Anlagen entnommen werden. Die zeichnerischen Elemente des angemeldeten Zeichens weisen insofern über die technische Gestaltung der Ware hinausgehende Elemente auf, als ihr typische Merkmale eines Schließzylinders und Schlüssel mit zugehörigem Schlüsselprofil fehlen: vor allem die Darstellung nur eines Teils eines Schlüssels sowie die fehlende Zahnung führen von der Erkennbarkeit technischbedingter Gestaltungsmerkmale weg. Anhand der vorliegenden Zeichnung lässt sich ein funktionsfähiger Schließzylinder mit Schlüssel nicht ohne weiteres herstellen. Nichts anderes gilt für die weiter beanspruchten Anlagen.
Zwar hat der Bundesgerichtshof in der Entscheidung "Autofelge" (GRUR 1997, 525) ausgeführt, dass Abweichungen in den Gestaltungsmerkmalen, die sich auf wenig einprägsame Nuancen, denen darüber hinaus ein hohes Maß von Beliebigkeit anhaftet und die sich der Verkehr regelmäßig nicht merken könne, wenn er sie überhaupt wahrnehme, keine herkunftshinweisende Funktion beigemessen werden könne. Jedoch handelte es sich damals um Gestaltungselemente, die auf die Ausgestaltung von Autofelgen bezogen waren. Im vorliegenden Fall handelt es sich jedoch um ein Ausgestaltungselement, das gerade von der Funktion eines Schließzylinders mit Schlüssel wegführt. In der Entscheidung "Zahnpastastrang" (GRUR 2001, 239) hat der Bundesgerichtshof selbst minimale Abweichungen von einem "natürlichen" Zahnpastastrang ausreichen lassen, um festzustellen, das Zeichen erschöpfe sich nicht in der Abbildung der Ware als solcher. Nach diesen Grundsätzen erschöpft sich auch das angemeldete Zeichen nicht in der Abbildung der Ware als solcher, wie oben bereits ausgeführt. Insgesamt kann ihr als komplexer Darstellung einer unvollständigen Schlüsselspitze eine gewisse charakteristische Erscheinung nicht abgesprochen werden: sie liegt allerdings nicht in der Form der Spitze, die an die Zahl 4 über der Zahl 2 erinnert. Denn die Mitbewerber der Anmelderin dürfen in der Gestaltung von Schlüsseln nicht eingeengt werden. Die Möglichkeiten zur Ausformung von Schlüsseln sind zwar auf den ersten Blick recht mannigfaltig, jedoch bezüglich der Grundrißgestaltung doch eher eingeschränkt, da hier nur die Anordnung der für die Führung des Schlüssels maßgebenden Merkmale und nicht die für den eigentlichen Schließvorgang maßgebenden Einkerbungen oder Aussparungen maßgebend sind. Hinreichend eigenwillig erscheinen aber hier die in anderer Strichdicke und in unterschiedlicher Länge gehaltenen und deshalb von einer naturgetreuen Darstellung von Schlüsselspitzen wegführenden Profillinien.
Da nach den obigen Ausführungen eine bildliche Warenbeschreibung nicht vorliegt, kann auch das Eintragungshindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG nicht festgestellt werden.
Der Schutzbereich der Marke bezieht sich selbstverständlich nur auf die eingetragene Form. Die Anmelderin wird durch die Eintragung der vorliegenden Bildmarke nicht in die Lage versetzt, Mitbewerber in der freien Verwendung einer naturgetreuen Wiedergabe eines Schließzylinders und Schlüssels mit zugehörigem Schlüsselprofil zu behindern. Das dem Zeichen zukommende Verbietungsrechtwird sich somit im wesentlichen nur auf die konkrete Form und diesem nach dem Gesamteindruck in den gestalterischen Besonderheiten deutlich nahekommende Formen beziehen.
Dr. Buchetmann Winter Schramm Hu Abb. 1
BPatG:
Beschluss v. 08.09.2004
Az: 30 W (pat) 37/03
Link zum Urteil:
https://www.admody.com/gerichtsentscheidung/bfc50670c85f/BPatG_Beschluss_vom_8-September-2004_Az_30-W-pat-37-03