Bundespatentgericht:
Beschluss vom 6. März 2002
Aktenzeichen: 28 W (pat) 261/00
(BPatG: Beschluss v. 06.03.2002, Az.: 28 W (pat) 261/00)
Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung
In der vorliegenden Gerichtsentscheidung geht es um eine Meinungsverschiedenheit über den Schutz einer dreidimensionalen Warenverpackungsform als Marke. Die Markenstelle für Klasse 29 des Deutschen Patent- und Markenamts hat den Schutz verweigert, da die Form des Behälters nicht vom üblichen Verpackungsdesign abweiche und somit keine betriebliche Herkunftsfunktion erfülle. Die Anmelderin hat Beschwerde eingelegt und geltend gemacht, dass die Form des Behälters in ihrer konkreten Ausgestaltung nicht bei anderen Herstellern zu finden sei und somit herkunftskennzeichnend sei. Sie hat zudem auf die hohe Marktpräsenz und Bekanntheit des Zweikammerbechers hingewiesen.
Das Bundespatentgericht hat in seiner Entscheidung das Hauptbegehren der Anmelderin, den Schutz der Warenverpackungsform zu erhalten, abgewiesen, da die Form des Behälters keine konkrete Unterscheidungskraft aufweise und lediglich als Warenverpackung in Form eines Zweikammerbechers wahrgenommen werde. Jedoch hat das Gericht die Entscheidungen der Markenstelle für Klasse 29 vom 19. Oktober 1999 und 28. August 2000 aufgehoben und die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung über die behauptete Verkehrsdurchsetzung an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückverwiesen. Das Gericht hat Zweifel an der abstrakten Unterscheidungskraft der angemeldeten Verpackungsform, da sie funktional vorgegeben sei, jedoch keine zwingenden technischen Besonderheiten aufweise, die eine Markenfähigkeit ausschließen würden.
Zudem hat das Gericht festgestellt, dass die Form des Zweikammerbechers keine konkrete Unterscheidungskraft besitzt und primär als bloße Warenverpackung wahrgenommen wird. Bei Lebensmittelbehältern werde die Verpackung in der Regel nicht als Herkunftshinweis, sondern lediglich als Funktionsträger angesehen. Die beanspruchte Gestaltung des Zweikammerbechers bewege sich im Rahmen des Üblichen und Gefälligen. Es wurden jedoch Zweifel an der Verkehrsdurchsetzung der Marke geäußert, welche weitere amtliche Ermittlungen erfordern. Die Anmelderin hat zwar Unterlagen zur Benutzung und den mit der Marke erzielten Umsätzen vorgelegt, jedoch müssen noch weitere Fragen geklärt und eventuelle weitere Unterlagen eingereicht werden. Die durchgeführte Verkehrsbefragung wurde kritisch betrachtet und es wurden Vorschläge gemacht, wie eine aussagekräftigere Befragung durchgeführt werden könnte. Das Gericht führte aus, dass für die Bejahung der Verkehrsdurchsetzung keine bestimmten prozentualen Werte festgelegt werden müssen und auch keine Abhängigkeit von einem Freihaltebedürfnis besteht.
Insgesamt wurde die Beschwerde der Anmelderin in der Hauptsache abgewiesen, jedoch wurde die Entscheidung bezüglich der Verkehrsdurchsetzung an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückverwiesen zur weiteren Prüfung.
Die Gerichtsentscheidung im Volltext:
BPatG: Beschluss v. 06.03.2002, Az: 28 W (pat) 261/00
Tenor
Die Beschwerde der Anmelderin wird in der Hauptsache zurückgewiesen.
Auf den Hilfsantrag werden die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 29 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 19. Oktober 1999 und 28. August 2000 aufgehoben und die Sache zur Behandlung und Entscheidung über die behauptete Verkehrsdurchsetzung an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückverwiesen.
Gründe
I.
Angemeldet als dreidimensionale Marke ist die folgende Warenverpackungsformsiehe Abb. 1 am Endefür die Waren:
"Käse, Frischkäse, Sahne, Rahm, Sauerrahm, Joghurt, Kefir, Müslizubereitungen, im Wesentlichen bestehend aus Sauerrahm, Buttermilch, Sauermilch, Joghurt, Kefir, Quark , zubereiteten Früchten und Cerealien, Fertigdesserts aus Joghurt, Quark und Sahne, auch mit Zusatz von Kräutern und/oder zubereiteten Früchten; Milchreis, Griesbrei, Speiseeis (Klasse 29, 30)."
Die Markenstelle für Klasse 29 des Deutschen Patent- und Markenamts hat der Anmeldung den Schutz wegen fehlender Unterscheidungskraft mit der Begründung verweigert, der handelsübliche Zweikammerbecher hebe sich nicht vom üblichen Maß an Verpackungsdesign auf dem beanspruchten Warengebiet ab. Weder Art, Form und Funktion noch die plastischen Einzelheiten wiesen schutzbegründende Eigentümlichkeiten auf, die vom Verkehr als betriebskennzeichnend gewertet würden.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin mit dem Antrag, die Beschlüsse des Deutschen Patent- und Markenamtes aufzuheben, sowie hilfsweise, die Eintragung aufgrund festgestellter Verkehrsdurchsetzung zu beschließen.
Zur Begründung führt sie aus, die beanspruchte Form sei auf dem vorliegenden Warensektor zumindest in dieser konkreten Ausgestaltung nicht bei anderen Herstellern zu finden. Die Besonderheit bestehe in der gegenüber dem rechteckigen Grundriß asymmetrisch diagonalen Anordnung der beiden Kammern und in deren besonderer Form. Das Gebilde wirke daher herkunftskennzeichnend. Der Eintragung sei aber zumindest im Hinblick auf eine Verkehrsdurchsetzung der beanspruchten Form zu entsprechen. Auf dem Gebiet von Fruchtjoghurts in Zweikammerbechern halte die Anmelderin einen Marktanteil von fast 94 Prozent, was quasi eine Alleinstellung bedeute. Das Produkt sei seit 1984 mit ständig steigenden Umsätzen auf dem Markt, beginnend mit rund 16 Mio. Becher in 1984 nunmehr über 250 Mio. Becher jährlich seit 1998. Darüber hinaus werde die Ware im Zweikammerbecher jährlich mit ca. 14 Mio. DM beworben, wobei stets in besonderer Weise auf die eigentümliche Form des Behältnisses hingewiesen werde ("der Müller mit der Ecke"). Dementsprechend sei der Bekanntheitsgrad des Zweikammerbechers beim Verkehr überragend, wie eine Verkehrsbefragung vom Sommer 2001 eindrucksvoll belege, da fast 60 Prozent der Befragten den Becher der Anmelderin zugeordnet hätten.
II.
Die zulässige Beschwerde ist in der Hauptsache nicht begründet, da der Eintragung der Marke auch nach Auffassung des Senats absolute Eintragungshindernisse nach § 8 Abs 2 MarkenG entgegenstehen. Auf den Hilfsantrag war die Sache jedoch zur erneuten Behandlung und Entscheidung über die behauptete Verkehrsdurchsetzung an das Patentamt zurückzuverweisen (§ 70 Abs 3 MarkenG).
Der Senat hat allerdings bereits Zweifel an der abstrakten Unterscheidungskraft und damit an der Markenfähigkeit der angemeldeten Warenverpackungsform, die ersichtlich einem bestimmten funktionalen Zweck dient und damit als technisch bedingt interpretiert werden könnte. Zweikammerverpackungen finden auf diversen Warengebieten und in unterschiedlichster Form Verwendung, wenn es darum geht, zwei unterschiedliche Produkte vor ihrem Einsatz (zB Waren der Kl. 5) oder wie hier vor ihrem Verzehr zunächst getrennt aufzubewahren, dann aber ohne größeren Aufwand miteinander zu vermengen. Je nach Art der so vermarkteten Produkte können Zwei- (oder ggfls. sogar Mehr-) Kammerbehälter in ihrer Dimensionierung zueinander unterschiedlich ausfallen, entweder im Verhältnis 1:1 oder in der Anordnung einer großen zu einer kleinen Kammer. Auf dem vorliegenden Warensektor, in dem es um die Beifügung von Zusatzstoffen wie Cerealien u.ä. zu einer Grundmasse (Joghurt, Pudding, Cremes usw.) geht, bietet sich letzteres Zuordnungsverhältnis an verbunden mit der Besonderheit, dass die Kammern so zueinander anzuordnen sind, dass die Zusätze ohne Zuhilfenahme weiterer Hilfsmittel wie Löffel odgl. in die Grundmasse eingebracht werden können. Damit ist die äußere Gestaltung des Zweikammerbechers aber bereits insoweit technisch vorgegeben, als eine Kammer nicht nur kleiner als die andere sein muß, sondern auch ein Mechanismus erforderlich ist, der erlaubt, den Inhalt der kleineren Kammer durch Umknicken eines Teils des Behältnisses in die größere Kammer zu befördern. Abgesehen von dieser Technizität kann die Ausgangsform des Behältnisses allerdings unterschiedlich angelegt werden, wobei sich quadratische/rechteckige, kreisrunde oder ovale Grundformen als Prototyp anbieten und in dieser Gestaltungsvielfalt nach den tatsächlichen Feststellungen des Senats auch auf dem Markt anzutreffen sind. Aus diesem Grund wird letztlich, auch wenn die Verpackungsform als solche zur Aufnahme der Ware funktional ist, die Markenfähigkeit der beanspruchten Gestaltung nicht zwingend nach § 3 Abs 2 Nr 2 MarkenG ausgeschlossen werden können. Der Senat folgt insoweit (und zwar noch, d.h. vorbehaltlich der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs in Sachen Philips/Remington) der ständigen Rechtsprechung des Bundespatentgerichts und der überwiegenden Auffassung in der Literatur, wonach diese Bestimmung restriktiv in dem Sinne zu verstehen ist, daß nur diejenigen Formen gemeint sind, die als einzig mögliche zur Erreichung der technischen Wirkung in Frage kommen und keine Formalternativen bestehen (BPatG 1999, GRUR 2000,366, 368 ff; Althammer/Ströbele aaO § 3 Rdn 37; Fezer, aaO, § 3 Rdn 229; Thewes, Der Schutz der dreidimensionalen Marke, 1999, S. 135 ff.). Dies ist hier jedoch nicht der Fall, da die Form des Behältnisses über die zwingend erforderlichen Merkmale hinaus in unterschiedlicher Weise gestaltet sein und dennoch die nämliche Funktion erfüllen kann. Die Frage der Markenfähigkeit steht vorliegend damit nicht mehr in Streit.
Zutreffend hat die Markenstelle der angemeldeten Marke aber jegliche konkrete Unterscheidungskraft abgesprochen, da auch nach Auffassung des Senats die beanspruchte Gestaltung dem Verkehr nicht als betrieblicher Herkunftshinweis, sondern lediglich als Warenverpackung in Form eines Zweikammerbechers, wie er auf dem angesprochenen Warengebiet vielfältig verwendet wird, entgegentritt.
Unterscheidungskraft ist die einer Marke innewohnende konkrete Eignung vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die beanspruchten Waren eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmer aufgefaßt zu werden. Bei der Beurteilung ist grundsätzlich von einem großzügigen Maßstab auszugehen, dh jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft reicht aus um das Schutzhindernis zu überwinden. Dabei sind für die verschiedenen Markenformen keine unterschiedlichen Maßstäbe hinsichtlich der Unterscheidungskraft anzulegen, so daß dieser Grundsatz auch auf dreidimensionale Marken anzuwenden ist (BGH Mitt, 2000, 506 - Likörflasche; Althammer/Ströbele MarkenG, 6. Aufl., § 8 Rdn 38; Fezer, Markenrecht, 3. Aufl., § 8 Rdn 22 f).
Hinsichtlich der Prüfung des Zeichens auf seine konkrete Unterscheidungskraft nach § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG ist vom Verständnis der mit den Waren angesprochenen Verbraucherkreise auszugehen, wozu hier alle Lebensmittelkonsumenten gehören. Nach den Feststellungen des Senats wird der Verbraucher bei Lebensmittelbehältern im allgemeinen (vgl BGH aaO Likörflasche; BPatG GRUR 1998, S. 1018 - Honigglas), aber auch auf dem vorliegenden speziellen Warengebiet der Milchprodukte im weitesten Sinne, in seiner täglichen Einkaufspraxis und in der Werbung mit verschiedensten Verpackungsformen konfrontiert, wie etwa flache rechteckige Behältnisse, Schalen, Eimer mit Henkel, in zwei Dreiecke geteilte Hälften eines Quadrats, töpfchenartige Becher, Dessertgläsern nachempfundene Becher etc., die sämtlich der Aufnahme der ansonsten wegen ihrer Konsistenz nicht handelsfähigen Produkte oder als zusätzliche Verpackung notwendig sind. Bei Verpackungsformen in diesem Warengebiet wird man daher nach der Lebenserfahrung regelmäßig davon ausgehen können, daß sie primär nicht als Herkunftshinweis auf die darin enthaltenen Waren, sondern als bloßes Behältnis für die Waren ohne weitere Funktionen angesehen werden. Dem entspricht die Übung und Gewöhnung des Verkehrs, der Verpackung im Rahmen der Herkunftsfunktion grundsätzlich geringere Bedeutung beizumessen als etwa der Etikettierung mit der markenmäßigen Benennung des Produkts (vgl. BGH GRUR 2001, 443 - Viennetta). Orientiert sich der Verkehr aber vordergründig eher an solchen Merkmalen, tritt für ihn die Form der Verpackung als Herkunftshinweis in den Hintergrund und findet nur geringe Beachtung, zumal Verpackung und deren Inhalt häufig assoziativ gleichgestellt werden (vgl. das Beispiel: Bierflasche/Bier in BGH aaO Likörflasche), was auf dem vorliegenden Warengebiet besonders nahe liegt.
Dem Zeichen fehlt vor diesem Hintergrund jegliche konkrete Unterscheidungskraft. Nach den Grundsätzen der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, die dieser zunächst im Rahmen der Schutzfähigkeit insbesondere zu Wortmarken und Slogans aufgestellt und sodann auf Warenverpackungsformmarken entsprechend dieser Zeichenart erstreckt hat (BGH aaO Likörflasche), ist ein Warenformzeichen schutzunfähig, wenn die äußere Form der Verpackung einen durch Norm oder Üblichkeit bestimmten mittelbar beschreibenden Hinweis auf ihren Inhalt wiedergibt oder die abweichende Gestaltung lediglich eine ganz einfache, bloß serienmäßig schmückende Form darstellt oder selbst bloß eine ganz einfache geometrische Form oder ein grafisches Gestaltungselement ist, das in der Werbung aber auch auf Warenverpackungen oder sonst üblicherweise bloß als Schmuckelement verwendet wird.
Dies ist hier der Fall. Die beanspruchte Form des Behältnisses stellt sich als eine der möglichen Grundformen eines Zweikammerbechers dar, wie er für die Aufnahme der beanspruchten Waren im Handel seit Jahren üblich ist. Damit gibt er lediglich einen mittelbar beschreibenden Hinweis auf den Inhalt wieder. Der Verbraucher wird nämlich beim Anblick einer derartigen Verpackung diese assoziativ aufgrund der Gewöhnung mit den typischerweise in solchen Behältnissen angebotenen Waren verbinden. Hinzukommt folgendes: Wie ausgeführt ist die äußere Gestaltung von Zweikammerbechern in ihren wesentlichen Merkmalen funktional vorgegeben, was indes nicht ausschließt, diese prototypische Form unter Verwendung charakteristischer zusätzlicher Gestaltungselemente in nunmehr kennzeichnender Weise abzuwandeln und für diese neue Gestaltungsform Markenschutz zu erlangen, falls sich die Abwandlung nicht lediglich in reiner dekorativer Gefälligkeit oder sonstigen unbedeutenden Zusätzen erschöpft, wie das vorliegend der Fall ist. Dabei ist zu beachten, dass die Anordnung der Kammern zueinander im Zuge des Grundmusters, also beispielsweise eine rechteckige oder - wie hier - diagonale Zuordnung, Teil des markenmäßig nicht schutzfähigen Prototyps sind und als ggfls. kennzeichnende Elemente aus Rechtsgründen auszuscheiden haben. Das gilt auch für die Anordnung des Knicksteges, der gleichermaßen technisch bedingt ist. Was die dann noch verbleibenden Elemente betrifft, wie etwa die Form der Kammern, die Umrandung des Behältnisses o.ä., bedient sich die Anmelderin bei der konkreten Ausgestaltung "ihres" Zweikammerbechers lediglich einfacher Rundungen, wie sie bei vergleichbaren Verpackungen auf dem beanspruchten Warengebiet ebenfalls gebräuchlich sind und allein dazu dienen, den Grundbedürfnissen des Menschen, die sie umgebenden Gebrauchsgegenstände, wie es Lebensmittelbehältnisse sind, im Zuge der jeweiligen Modetrends ansprechend und dekorativ zu gestalten, zu entsprechen. Damit wird aber der Rahmen derart einfacher Gestaltungselemente mit dem angemeldeten Zeichen nicht gesprengt. Die beanspruchte Zeichenform bewegt sich in ihrer Gesamtheit lediglich im Rahmen des Üblichen und des Gefälligen. Zwar mag die konkrete Art des hier beanspruchten Zweikammerbehälters zur Zeit auf dem angesprochenen Warengebiet nicht in identischer Form nachweisbar sein. Dieser Umstand allein vermittelt der Form insgesamt aber noch nicht die erforderliche Unterscheidungskraft, wenn die Gestaltung für sich selbst nicht über die vom Bundesgerichtshof (aaO Likörflasche) geforderten Feststellungen zu schutzunfähigen Grundformen und üblichen, bloß ornamentalen, schmückenden Formen hinausgeht.
Soweit die Anmelderin ihr Eintragungsbegehren nunmehr hilfsweise auch auf Verkehrsdurchsetzung stützt, sind die Voraussetzungen für deren Annahme nach der Aktenlage nicht gegeben, können aber auch nicht völlig ausgeschlossen werden. Insoweit gilt folgendes:
Bei der Prüfung, ob sich die als Marke beanspruchte Verpackungsform im Verkehr durchgesetzt hat, ist von einer Gesamtschau aller Gesichtspunkte auszugehen, die zeigen können, daß die Marke Unterscheidungseignung erlangt hat. Dazu gehören einmal alle Maßnahmen des Anmelders, seine Marke auf dem Markt zur Geltung zu bringen, also der von der Marke gehaltene Marktanteil und die mit ihr erzielten Umsätze, die Intensität, die geographische Verbreitung und die Dauer der Benutzung der Marke, der Werbeaufwand des Unternehmens für die Marke usw... Sodann bedarf es auf der anderen Seite eines Nachweises, daß die Bemühungen des Anmelders beim Verkehr Erfolg im Sinne eines Feedback gehabt haben. Die Maßnahmen müssen zumindest bei einem maßgeblichen Teil der beteiligten Verkehrskreise und Mitbewerber angekommen sein, was sich durch Erklärungen von Industrie- und Handelskammern wie auch im Wege demoskopischer Befragungen belegen läßt (vgl. EuGH GRUR 1999, 723 - CHIEMSEE, TZ 51). Für die Bejahung der Durchsetzung in den beteiligten Verkehrskreisen bedarf es indes keiner zahlenmäßigen Festlegung auf Prozentsätze über die 50+1 % Grenze hinaus (vgl. schon BGH GRUR 1991, 609, 610 - SL; BGH BlPMZ 2001, 322 - REICH UND SCHOEN; Althammer/Ströbele, MarkenG, 6. Aufl. § 8 Rdn 198 ff; BPatG aaO - GOLD) und insbesondere auch keiner Abhängigkeit zur Bedeutung eines möglichen bestehenden Freihaltebedürfnisses (EUGH aaO -Chiemsee).
Wird wie vorliegend die Verkehrsdurchsetzung einer angemeldeten Marke erstmals im Beschwerdeverfahren geltend gemacht, hat der Anmelder zunächst deren Voraussetzungen nach Maßgabe der vorstehenden Kriterien schlüssig darzulegen und zu belegen. Diese Glaubhaftmachung erfordert mithin Angaben, aus denen sich ergibt, in welcher Form, für welche Waren, von wem, in welchem Gebiet und Umfang sowie seit wann die angemeldete Darstellung im Verkehr nach Art einer Marke eingesetzt worden ist. Hierfür geeignete Belege sind insbesondere Warenkataloge, Preislisten, Werbematerial sowie Angaben über Umsätze und Werbeaufwendungen; eine bedeutende Rolle können in diesem Stadium auch vom Anmelder in Auftrag gegebene Verkehrsbefragungen spielen. Sinn dieses ständiger Rechtsprechung entsprechenden Verfahrens der vorherigen Glaubhaftmachung ist es zu verhindern, daß in von vornherein aussichtslosen Fällen arbeits- und kostenaufwendige Ermittlungen insbesondere in Form amtlicher Befragungen durch das Patentamt angestellt werden müssen, die erkennbar nicht zum Erfolg führen können. Das bedeutet aber umgekehrt, daß an die vorherige Glaubhaftmachung keine überzogenen Anforderungen gestellt werden dürfen, zumal andernfalls auch der Eintragungsanspruch des Anmelders nach § 33 Abs 2 MarkenG unterlaufen würde.
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze erscheinen dem Senat vorliegend der Vortrag der Anmelderin und die von ihr vorgelegten Unterlagen die behauptete Verkehrsdurchsetzung zumindest insoweit zu stützen, daß es gerechtfertigt erscheint, dieser Frage weiter und insbesondere im Wege amtlicher Ermittlungen nachzugehen. So hat die Anmelderin umfangreiche Unterlagen zur Benutzung (und zwar auch in der angemeldeten Form) und zu den mit der Marke erzielten Umsätzen im relevanten Zeitraum vorgelegt. Weiterhin hat sie Angaben zu den getätigten Werbeaufwendungen gemacht. Allerdings sind diese Angaben weitgehend sehr allgemein gehalten, doch muß der Anmelderin Gelegenheit gegeben werden, eventuell noch streitige Fragen zu klären und ggfs weitere Unterlagen einzureichen. Was die von der Anmelderin veranlasste Verkehrsbefragung betrifft hat der Senat gewisse Bedenken an der Art der Fragestellung bzw. der Durchführung dieser Befragung, da bei Warenformmarken die Frage nach der Zuordnung eines Gegenstandes die Gefahr suggestiver Beeinflussung enthält, während zB die Präsentation einer größeren Anzahl auf dem Markt befindlicher vergleichbarer Produkte (hier: Zweikammerbehälter von Mitbewerbern) zusammen mit der beanspruchten Formmarke und der Frage nach der Zuordnung zur Anmelderin ("welcher Becher gehört zu welcher Firma€") wesentlich aussagekräftigere Ergebnisse verspricht. Zumindest müßten im vorliegenden Fall aber auch die einschlägigen Kammern einbezogen werden, was bislang nicht erfolgt ist. Auf der anderen Seite wird aber aufgrund der zu den Akten gelangten Unterlagen deutlich, daß die behauptete Verkehrsdurchsetzung durchaus im Bereich des Möglichen liegt und damit auch die Erhebung weiterer Feststellungen, und zwar auch von Amts wegen, angezeigt ist. Der Beschwerde konnte daher in diesem Punkt der Erfolg nicht versagt werden.
Stoppel Schwarz-Angele Martens Bb Abb. 1 http://agora/bpatg2/docs/28W(pat)261-00.3.gif
BPatG:
Beschluss v. 06.03.2002
Az: 28 W (pat) 261/00
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