Landgericht Bielefeld:
Urteil vom 20. April 2004
Aktenzeichen: 2 O 491/03
(LG Bielefeld: Urteil v. 20.04.2004, Az.: 2 O 491/03)
Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung
Bei dem Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 20. April 2004 (Az. 2 O 491/03) geht es um die Löschung einer Marke. Der Beklagte wird dazu verurteilt, in die Löschung der Marke "Androgel" beim Deutschen Patent- und Markenamt einzuwilligen. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, wenn eine Sicherheitsleistung in Höhe von 20.000 € erbracht wird.
Im Tatbestand wird festgestellt, dass der Beklagte Inhaber der Wortmarke "Androgel" ist. Diese ist für pharmazeutische und chemische Erzeugnisse eingetragen. Der Kläger fordert die Löschung der Marke, da sie seiner Meinung nach nicht rechtserhaltend benutzt wurde. Der Beklagte ist der führende Androloge in Deutschland und hat ein Testosterongel entwickelt, das er "Androgel" genannt hat. Er versorgt seine Patienten mit diesem Gel. Der Kläger argumentiert, dass das Gel nicht in Apotheken erhältlich sei und keine Medikamentenzulassung existiere. Der Beklagte hingegen behauptet, die Marke auf den Tuben, den Verpackungen und in verschiedenen Veröffentlichungen benutzt zu haben.
Das Gericht entscheidet, dass die Marke verfallen ist, da sie nicht rechtserhaltend benutzt wurde. Zwar kann die Weitergabe des mit der Marke gekennzeichneten Gels an die eigenen Patienten als Benutzungshandlung angesehen werden, jedoch genügt diese nicht den Anforderungen an eine ernsthafte Benutzungshandlung. Die Benutzung muss objektiv wirtschaftlich sinnvoll sein und das Ziel haben, einen Absatzmarkt zu erschließen oder zu sichern. Das Gericht kommt zu dem Schluss, dass die Benutzung des Beklagten nicht ausreichend ernsthaft ist. Dies liegt zum einen daran, dass die Marke nur gegenüber einem kleinen Kreis von Patienten benutzt wurde und nicht im geschäftlichen Verkehr angemessen war. Zum anderen wurde das Gel nicht zu einem ausgewiesenen Preis verkauft, sondern im Rahmen der ärztlichen Behandlung weitergegeben. Die Menge des abgesetzten Gels reicht ebenfalls nicht aus, um eine wirtschaftlich sinnvolle Verwertung anzunehmen. Die Verwendung der Marke in Fachvorträgen, Veröffentlichungen und Verhandlungen mit verschiedenen Herstellern stellt ebenfalls keine rechtserhaltende Benutzung dar.
Das Gericht gibt der Klage statt und der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den entsprechenden gesetzlichen Bestimmungen. Der Streitwert beträgt 15.000 €.
Die Gerichtsentscheidung im Volltext:
LG Bielefeld: Urteil v. 20.04.2004, Az: 2 O 491/03
Tenor
Der Beklagte wird verurteilt, in die Löschung der Marke DE 397 41 881.7
„Androgel“ beim Deutschen Patent- und Markenamt einzuwilligen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 20.000 € vorläufig
vollstreckbar.
Tatbestand
Der Beklagte ist Inhaber der Wortmarke "Androgel" (DE 397 41 881.7). Diese ist seit dem 04.12.1997 eingetragen für die Waren- und Dienstleistungsklassen 01 und 05 (pharmzeutische Erzeugnisse, chemische Erzeugnisse für medizinische Zwecke und gewerbliche Zwecke). Der Kläger begehrt im Wege der Löschungsklage wegen Verfalls der Marke die Einwilligung in die Löschung beim Deutschen Marken- und Patentamt. Die Parteien streiten, ob die Marke im Inland rechtserhaltend benutzt worden ist.
Der Beklagte ist Urologe und einer der führenden Andrologen Deutschlands. Er entwickelte ein Testosterongel und nannte es "Androgel". Er versorgte - was zwischen den Parteien streitig ist -von 1998 bis 2003 30 Patienten zunächst in seiner Praxis in der urologischen Klinik des Franziskus-Hospitales in Bielefeld und später in seiner privaten Praxis. Das Gel wird dafür in Tuben abgefüllt, die mit der Bezeichnung "Androgel" gekennzeichnet sind. Diese Tuben werden in einer Pappschachtel die ebenfalls mit "Androgel" gekennzeichnet ist den Patienten übergeben.
Der Kläger ist der Auffassung, das Gel sei nicht rechtserhaltend benutzt worden. Er beruft sich darauf, dass ein Produkt mit dem Namen "Androgel" nicht in Apotheken erhältlich sei. Ebenfalls existiere auch keine Medikamentenzulassung. Mit Schreiben vom 25.02.2003 beantragte der Kläger die Löschung der Marke. Dem widersprach der Beklagte mit Schreiben vom 10.04.2003.
Der Kläger beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, in die Löschung der Marke DE 397 41 881.7 "Androgel" beim Deutschen Patent- und Markenamt einzuwilligen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er behauptet, von 1998 bis 2003 30 seiner eigenen Patienten mit dem Testosteron-Gel "Androgel" versorgt zu haben. Der Name "Androgel" sei dabei auf den Tuben und den Schachteln angegeben worden. Auch die Gebrauchsanleitung enthalte den Namen des Gels. Weiterhin sei auf das Gel bei diversen Fachvorträgen, in Veröffentlichungen, in einer Produktmonographie sowie in einer Broschüre hingewiesen worden. Schließlich verhandele er mit verschiedenen Unternehmen über den Marktgang des Mittels.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Gründe
Die nach §§ 55, 49, 26 MarkenG als Löschungsklage statthafte Klage hat Erfolg. Sie ist begründet. Die Marke "Androgel" ist verfallen, da sie innerhalb eines ununterbrochenen Zeitraumes von fünf Jahren nicht im Sinne des § 26 MarkenG rechtserhaltend benutzt worden ist.
Zwar wäre in der - vom Kläger bestrittenen - Weitergabe an die eigenen Patienten eine anzuerkennende Benutzungshandlung zu sehen. Denn durch die Aushändigung der mit der Marke gekennzeichneten Tuben und der Produktumverpackung wird es den Patienten des Beklagten als Endabnehmer ermöglicht, das Gel ohne Verwechselungsgefahr von anderen derartigen Gels anderer Herkunft zu unterscheiden. Die Marke wird damit in einer Art verwendet, die objektiv als zeichenmäßiger Hinweis auf die Herkunft des Produktes anzusehen ist.
Jedoch genügt diese Verwendung nicht den Anforderungen an eine ernsthafte Benutzungshandlung, die nach § 26 Abs. 1 MarkenG zur Rechtserhaltung erforderlich ist. Bei der Beurteilung der "Ernsthaftigkeit" der Benutzungshandlung ist entscheidend, ob sie objektiv gesehen wirtschaftlich sinnvoll ist. Sie muss im Hinblick auf das Produkt verkehrsüblich sein und objektiv das Ziel erkennen lassen, einen Absatzmarkt zu erschließen oder zu sichern. Dabei muss zur Beurteilung die Art, der mengenmäßige Umfang und die Dauer der Benutzung herangezogen werden.
Eine ernsthafte Benutzung liegt nach einer Gesamtabwägung dieser Kriterien nicht vor.
Dabei ist hinsichtlich der Art der Benutzung auschlaggebend, dass der Beklagte die Marke nur gegenüber einem kleinen Kreis seiner eigenen Patienten benutzt hat. Es fehlt damit an einer Nutzung im geschäftlichen Verkehr, die im Hinblick auf die Eigenart des Produktes angemessen wäre. Der Kreis der potentiellen Anwender ist nicht auf die eigenen Patienten des Beklagten beschränkt, so dass es aus wirtschaftlichen Aspekten objektiv sinnvoll und verkehrsüblich gewesen wäre, eine Vermarktung des Produktes auf einem größeren Markt durchzuführen. Der Verkauf nur an die eigenen Patienten kommt dabei nach Auffassung der Kammer einer rein innerbetrieblichen Nutzung nahe, die nicht als rechtserhaltende Benutzung angesehen werden kann. Hinzu kommt, dass das "Androgel", wie der Beklagte im Termin zur mündlichen Verhandlung erläutert hat, nicht zu einem einzeln ausgewiesenen Preis an die Patienten verkauft wird, sondern an diese im Rahmen der allgemeinen ärztlichen Behandlung weitergegeben und auch als unselbständiger Bestandteil der Behandlung mit abgerechnet wird. Dies entspricht ebenfalls unter objektiven Gesichtspunkten nicht einer verkehrsüblichen wirtschaftlichen Verwertung.
Auch die vom Beklagten abgegebene Menge des mit der Marke gekennzeichneten Testosterongels spricht gegen eine rechtserhaltende Benutzung. Die Abgabe an 30 Patienten innerhalb von fünf Jahren reicht auch unter Berücksichtigung der engen Indikationsstellung zur Annahme einer wirtschaftlich sinnvollen Verwertung nicht aus. Zwar ist bei der Beurteilung des mengenmäßigen Umfanges die Art des Produktes, der Abnehmerkreis und auch die Eigenart des vertreibenden Unternehmens zu berücksichtigen. Die geringe Abnehmerzahl resultiert hier jedoch weniger aus der Eigenart von Produkt oder Vertreibendem, sondern allein aus dem Umstand, dass der Beklagte die Vermarktung ohne einen aus der Perspektive des wirtschaftlich Sinnvollen nachvollziehbaren Grund auf die eigenen Patienten beschränkt hat.
Hinsichtlich der Dauer der Benutzungshandlung spricht die Konstanz der vom Beklagten angeführten Benutzungshandlungen zwar für eine rechtserhaltende Benutzung. In der Gesamtschau mit der eingeschränkten Art der Benutzung und der geringfügigen Menge des abgesetzten Produktes vermag diese dauerhafte Nutzung jedoch nicht den Ausschlag zur Bejahung einer rechtserhaltenden Nutzung zu geben. Im Ergebnis ist die nach objektiven Anhaltspunkten zu beurteilende Ernsthaftigkeit der Nutzung daher nicht gegeben. Dabei hat die Kammer keine Zweifel daran, dass der Beklagte den Einsatz und die Weiterentwicklung seines Produktes mit ernsthaften Absichten betreibt. Eine, den dauerhaften Schutz der Marke rechtfertigenden, Einsatz im geschäftlichen Verkehr mit der Absicht, Marktanteile zu gewinnen oder gegen Konkurrenten zu verteidigen, vermag sie jedoch nicht zu erkennen. Eine rechtserhaltende Benutzung ist daher ebenso wie eine berechtigte Nichtbenutzung, für die Anhaltspunkte fehlen, nicht gegeben.
Schließlich würde auch die dargelegte Verwendung der Marke in Fachvorträgen, Veröffentlichungen, einer Produktmonographie und in einer Broschüre keine rechtserhaltende Benutzung darstellen. Wie ausgeführt, soll die Marke eine Identifizierung des Produktes im Wettbewerb ermöglichen. Die vorgetragenen Verwendungen dienen hingegen wissenschaftlichen oder journalistischen Zwecken, allenfalls der Vorbereitung eines Marktzuganges. Der erforderliche Bezug zum geschäftlichen Verkehr und zum Wettbewerb fehlt ihnen jedoch. Das gleiche gilt hinsichtlich der unspezifisch dargelegten Verhandlungen mit verschiedenen Herstellern über eine Vermarktung des Produktes.
Der Klage war daher mit der Kostenfolge des § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO stattzugeben. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 S. 1 ZPO.
Streitwert: 15.000 €
LG Bielefeld:
Urteil v. 20.04.2004
Az: 2 O 491/03
Link zum Urteil:
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