Bundespatentgericht:
Beschluss vom 22. Oktober 2003
Aktenzeichen: 26 W (pat) 232/00

(BPatG: Beschluss v. 22.10.2003, Az.: 26 W (pat) 232/00)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Das Bundespatentgericht hat in seinem Beschluss vom 22. Oktober 2003 (Aktenzeichen 26 W (pat) 232/00) die Entscheidungen der Markenstelle des Deutschen Patent- und Markenamts vom 27. Januar und 18. Juli 2000 teilweise aufgehoben. Die Anmeldung der Marke "Hegaufrucht" wurde für die Waren "Kohlensäurehaltige Wässer und andere alkoholfreie Getränke; Fruchtgetränke und Fruchtsäfte; Sirupe und andere Präparate für die Zubereitung von Getränken; Biere; alkoholische Getränke (ausgenommen Biere); Spirituosen" zurückgewiesen. Die Beschwerde der Anmelderin wurde jedoch im Übrigen zurückgewiesen, einschließlich des Antrags auf Rückerstattung der Beschwerdegebühr.

Die Markenstelle hatte die Anmeldung der Marke zurückgewiesen, da sie die Schutzhindernisse des § 8 Abs. 2 Nr. 4 MarkenG für die Waren "Mineralwasser und kohlensäurehaltige Wässer" und die Schutzhindernisse des § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG für die übrigen Waren erfüllt sah. Das Publikum werde den Begriff "Frucht" als Synonym für Obst verstehen und daher von dem Begriff in Bezug auf Mineralwasser und kohlensäurehaltige Wässer getäuscht. Bei den übrigen Waren werde der Verbraucher lediglich einen Hinweis auf die geographische Herkunft der in den Waren verwendeten Grundstoffe erkennen, was nicht als Unterscheidungsmerkmal für die Produkte eines Unternehmens dienen könne.

Die Anmelderin legte gegen diese Entscheidungen Erinnerung ein, die jedoch vier Monate nach Eingang des Erinnerungsschriftsatzes zurückgewiesen wurde, da keine Begründung für die Erinnerung eingegangen war. Daraufhin reichte die Anmelderin Beschwerde ein und beantragte auch die Rückerstattung der Beschwerdegebühr. Sie argumentierte, dass keine Täuschungsgefahr in Bezug auf die Waren "Mineralwasser und kohlensäurehaltige Wässer" bestehe und dass die angemeldete Bezeichnung keine konkret beschreibende Aussage hinsichtlich der übrigen Waren enthalte.

Das Bundespatentgericht gab der Beschwerde teilweise statt. Es sah keine Eintragungshindernisse für die Waren "Kohlensäurehaltige Wässer und andere alkoholfreie Getränke; Fruchtgetränke und Fruchtsäfte; Sirupe und andere Präparate für die Zubereitung von Getränken; Biere; alkoholische Getränke (ausgenommen Biere); Spirituosen". Der Begriff "Hegau" könne als geographische Herkunftsangabe dienen, während der Wortbestandteil "-frucht" lediglich allgemein darauf hinweise, dass die Getränke einen Fruchtanteil enthielten, ohne näher zu spezifizieren, welche Früchte verwendet wurden. Daher sei die angemeldete Marke keine konkret beschreibende Sachaussage und besitze das erforderliche Maß an Unterscheidungskraft. In Bezug auf die Waren "Mineralwasser" bestehe jedoch eine Täuschungsgefahr, da weder Zusatzstoffe in Mineralwasser erlaubt seien, noch ein Fruchtgeschmack zu erwarten sei.

Der Antrag auf Rückerstattung der Beschwerdegebühr wurde ebenfalls zurückgewiesen, da keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Markenstelle ihre Entscheidung aufgrund einer Begründung der Erinnerung geändert hätte. Das rechtliche Gehör der Anmelderin sei angemessen gewährt worden.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

BPatG: Beschluss v. 22.10.2003, Az: 26 W (pat) 232/00


Tenor

Auf die Beschwerde der Anmelderin werden die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 32 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 27. Januar und 18. Juli 2000 aufgehoben, soweit die Anmeldung hinsichtlich der Waren "Kohlensäurehaltige Wässer und andere alkoholfreie Getränke; Fruchtgetränke und Fruchtsäfte; Sirupe und andere Präparate für die Zubereitung von Getränken; Biere; alkoholische Getränke (ausgenommen Biere); Spirituosen" zurückgewiesen wurde.

Im übrigen wird die Beschwerde einschließlich des Antrags auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr zurückgewiesen.

Gründe

I.

Beim Deutschen Patent- und Markenamt ist die Bezeichnung Hegaufruchtfür die Waren

"Mineralwasser und kohlensäurehaltige Wässer und andere alkoholfreie Getränke; Fruchtgetränke und Fruchtsäfte; Sirupe und andere Präparate für die Zubereitung von Getränken; Biere; alkoholische Getränke (ausgenommen Biere); Spirituosen"

zur Eintragung in das Markenregister angemeldet worden.

Die Markenstelle für Klasse 32 hat diese Anmeldung zurückgewiesen. Für die Waren "Mineralwasser und kohlensäurehaltige Wässer" stehe der Anmeldung das Eintragungshindernis des § 8 Abs 2 Nr 4 MarkenG entgegen, hinsichtlich der übrigen Waren scheitere sie an den Schutzhindernissen des § 8 Abs 2 Nr 1 und 2 MarkenG. Der Begriff "Frucht" werde vom Publikum als Synonym für Obst gesehen. Nach der Mineralwasserverordnung dürften aber Mineralwässer und kohlensäurehaltige Wässer keine Zusatzstoffe enthalten. Damit werde das Publikum durch den Begriff "Frucht" über die Art der so gekennzeichneten Mineralwässer und kohlensäurehaltigen Wässer getäuscht. Hinsichtlich der übrigen Waren werde der Konsument in der angemeldeten Bezeichnung lediglich einen Hinweis auf die geographische Herkunft der in den beanspruchten Waren verwendeten Grundstoffe erkennen. Bei diesen Waren nämlich könne es sich um Erzeugnisse auf der Basis von Früchten handeln, und zwar von Früchten aus der Region Hegau. Der Konsument habe bei der Begegnung mit dem Begriff "Hegaufrucht" keine Veranlassung, etwas anderes als eine glatt beschreibende Angabe zu erblicken. Mit der Bezeichnung "Hegaufrucht" ließen sich die Waren eines Unternehmens nicht von denjenigen anderer Unternehmen nach ihrer betrieblichen Herkunft unterscheiden. Da es den Mitbewerbern der Anmelderin auch unbenommen bleiben müsse, sich der Bezeichnung "Hegaufrucht" zur Beschreibung der geographischen Herkunft der Grundsubstanz ihrer Waren zu bedienen, bestehe auch ein Freihaltebedürfnis nach § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG.

Hiergegen hat sich die Anmelderin mit der Erinnerung gewendet. Im Erinnerungsschriftsatz hat sie eine Begründung angekündigt. Die Markenstelle hat die Erinnerung 4 Monate nach Eingang des Erinnerungsschriftsatzes zurückgewiesen und zur Begründung auf die Ausführungen in dem angegriffenen Beschluß verwiesen. Da eine Begründung der Erinnerung nicht eingegangen sei, sei nicht zu ersehen, in welcher Richtung die Anmelderin den angefochtenen Beschluß für angreifbar halte.

Gegen diese Beschlüsse wendet sich die Anmelderin mit der Beschwerde, mit der sie neben der Eintragung der angemeldeten Marke auch die Rückzahlung der Beschwerdegebühr begehrt. Eine Täuschungsgefahr könne der angemeldeten Bezeichnung hinsichtlich der Waren "Mineralwasser und kohlensäurehaltige Wässer" nicht entnommen werden, da der Wortbestandteil "Hegau" eine Ortsangabe sei und daher zumindest indirekt auf ein Erzeugnis bzw ein Mineralwasser oder kohlensäurehaltiges Wasser als Erzeugnis aus dem Hegau hinweise. Da den beteiligten Verkehrskreisen auch durchaus bekannt sein dürfte, daß in Mineralwasser keine Zusätze enthalten sein dürften, sei auch der für diese Waren ungewöhnliche Wortbestandteil "Frucht" nicht täuschend. Es bestehe an der angemeldeten Bezeichnung auch kein aktuelles oder zukünftiges Freihaltebedürfnis. Die angemeldete Bezeichnung enthalte keine konkrete Aussage hinsichtlich der übrigen Waren. Damit könne ihr auch nicht das Eintragungshindernis der mangelnden Unterscheidungskraft entgegengehalten werden.

II.

Die zulässige Beschwerde der Anmelderin ist teilweise begründet. Der angemeldeten Bezeichnung stehen für die Waren "Kohlensäurehaltige Wässer und andere alkoholfreie Getränke; Fruchtgetränke und Fruchtsäfte; Sirupe und andere Präparate für die Zubereitung von Getränken; Biere; alkoholische Getränke (ausgenommen Biere); Spirituosen" keine Eintragungshindernisse entgegen.

Nach § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG sind von der Eintragung Marken ausgeschlossen, die ausschließlich aus Angaben bestehen, die im Verkehr ua zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Bestimmung oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der in Frage stehenden Waren dienen können. Dabei unterfallen diesem Schutzhindernis lediglich solche Zeichen und Angaben, die unmittelbar beschreibend sind. Soweit dagegen eine beschreibende Aussage nur angedeutet wird und erst aufgrund gedanklicher Schlussfolgerungen erkennbar ist, steht kein Freihaltebedürfnis entgegen. Eine Eintragung kann auch dann versagt werden, wenn eine Benutzung als Sachangabe bisher noch nicht erfolgt ist, eine solche jedoch nach den gegebenen Umständen in Zukunft erfolgen wird. Unter das Eintragungsverbot fallen allerdings auch solche Angaben, die andere für den Warenverkehr wichtige und für die umworbenen Abnehmerkreise irgendwie bedeutsame Umstände mit Bezug auf die Ware beschreiben. Maßgebend für die Feststellung eines etwaigen Freihaltungsbedürfnisses ist der Gesamteindruck, der den Schutzbereich bestimmt und zugleich beschränkt.

Hiervon ausgehend kann nicht von einem Freihaltebedürfnis an der angemeldeten Marke ausgegangen werden. Zwar kann der Markenbestandteil "Hegau" als geographische Herkunftsangabe dienen. Das Wort "-frucht" in der angemeldeten Wortzusammensetzung ist jedoch gerade keine Angabe, die unmittelbar beschreibend ist. Vielmehr weist sie lediglich in allgemeiner Form darauf hin, daß die so bezeichneten Getränke einen Fruchtanteil enthalten, lässt aber im einzelnen offen, wie dieser beschaffen ist und aus welchen Früchten er besteht. Zudem würde ein unter Verwendung von Obst hergestelltes Getränk üblicherweise mit "Fruchtsaft aus dem Hegau" oder allenfalls "Hegaufruchtsaft" bezeichnet werden. Damit ist die angemeldete Marke keine konkret warenbezogene beschreibende Sachaussage.

Ebenso wenig kann ihr das erforderliche Maß an Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Absatz 2 Nr 1 MarkenG abgesprochen werden. Unterscheidungskraft besitzt eine Marke dann, wenn sie geeignet ist, die Waren eines Unternehmens von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden. Hierbei ist grundsätzlich von einem großzügigen Maßstab auszugehen, dh jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft reicht aus, um dieses Schutzhindernis zu überwinden. Der Verkehr nimmt ein als Marke verwendetes Zeichen in aller Regel so auf, wie es ihm entgegentritt. Kann demnach einer Wortmarke kein für die in Frage stehenden Waren im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsinhalt zugeordnet werden und handelt es sich auch sonst nicht um ein gebräuchliches Wort, das vom Verkehr - etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung - stets nur als solches und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden wird, so gibt es keinen tatsächlichen Anhalt dafür, daß ihm die vorerwähnte Unterscheidungseignung fehlt (BGH GRUR 2001, 162 - RATIONAL SOFTWARE CORPORATION; 2002, 64 - INDIVIDUELLE). Diese (konkrete) Unterscheidungseignung kann der angemeldeten Marke für die genannten Waren nicht abgesprochen werden. Wie bereits festgestellt, ist diese nicht eindeutig beschreibend. Der Senat hat auch keine Feststellungen zu treffen vermocht, daß die Wortzusammensetzung "Hegaufrucht" in der Alltagssprache gebräuchlich ist und vom Verkehr deshalb nicht als Unterscheidungsmittel verstanden wird. Mithin kann dem Zeichen nicht jegliche Unterscheidungskraft abgesprochen werden.

Auch eine ersichtliche Täuschungsgefahr im Sinne des § 8 Abs 2 Nr 4 MarkenG iVm § 37 Abs 3 MarkenG kann hinsichtlich der Waren "kohlensäurehaltige Wässer" nicht angenommen werden. Eine Täuschungsgefahr besteht nur dann, wenn die angemeldete Marke selbst im Hinblick auf die beanspruchten Waren eine unrichtige Angabe enthält. Da jedoch bei kohlensäurehaltigen Wässern eine zunehmende Übung zu verzeichnen ist, diese mit einem (Frucht-)Aroma zu versetzen, wird der durchschnittlich informierte, aufmerksame und verständige Durchschnittsverbraucher hier keiner ersichtlichen Täuschung unterliegen, sondern sich vielmehr über das so bezeichnete Produkt kundig machen. Eine andere Sichtweise war allerdings bei der Ware "Mineralwasser" veranlasst, denn hier besteht nicht nur die von der Markenstelle erwähnte gesetzliche Regelung, sondern auch eine entsprechende Verbrauchererwartung dahingehend, daß sich keine zusätzlichen Inhaltsstoffe in der so bezeichneten Ware befinden. In diesem Umfang besteht die Gefahr, daß die mit der Marke angesprochenen Verbraucher das Wort "-frucht" als Hinweis auf Fruchtgeschmack interpretieren und deshalb insoweit getäuscht werden. Insoweit war die Beschwerde deshalb zurückzuweisen.

Der Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr gemäß § 71 Abs 3 MarkenG war ebenfalls zurückzuweisen. Eine solche Rückzahlung kommt nur aus Billigkeitsgründen in Betracht, wenn also bei ordnungsgemäßer Sachbehandlung die angefochtene Entscheidung nicht ergangen wäre und deshalb die Beschwerde nicht eingelegt hätte werden müssen. Der anwaltliche Vertreter hat die Einreichung einer Erinnerungsbegründung in seiner Erinnerungsschrift zwar angekündigt. Ein Anhaltspunkt aber, dass die Markenstelle bei Kenntnis der Erinnerungsbegründung anders entschieden hätte, ist nicht ersichtlich. Zudem erging die Entscheidung der Markenstelle erst 4 Monate nach Erhebung der Erinnerung. Nach diesem Zeitraum besteht keine Hinweispflicht der Markenstelle darauf, dass sie nunmehr beabsichtige, die Erinnerungsentscheidung zu treffen. Eine abweichende Handhabung einzelner Prüfer kann allenfalls als freiwilliger Service gewertet werden, jedoch nicht als gesetzliche Pflicht, die eine Verletzung des rechtlichen Gehörs begründet (vgl § 75 MarkenV und Ströbele/Hacker, MarkenG, 7. Aufl, § 59 Rdnr 29). Damit ist das rechtliche Gehör der Anmelderin nach einer Wartezeit von 4 Monaten seit Erinnerungseinlegung ohnehin ausreichend gewährt worden.

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BPatG:
Beschluss v. 22.10.2003
Az: 26 W (pat) 232/00


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/gerichtsentscheidung/c0552bf5ed29/BPatG_Beschluss_vom_22-Oktober-2003_Az_26-W-pat-232-00




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