Kammergericht:
Beschluss vom 14. April 2004
Aktenzeichen: 1 W 44/04

(KG: Beschluss v. 14.04.2004, Az.: 1 W 44/04)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Das Kammergericht hat in seinem Beschluss vom 14. April 2004 (Aktenzeichen 1 W 44/04) entschieden, dass ein im Rahmen der Prozesskostenhilfe beigeordneter Rechtsanwalt trotz einer Kostenfestsetzung zu Gunsten seiner Partei Erfüllungshandlungen, einschließlich einer Aufrechnung des Erstattungsschuldners, gegen sich gelten lassen muss. Es besteht jedoch die Möglichkeit, dass eine solche Aufrechnung gegen Treu und Glauben verstößt und somit das Beitreibungsrecht des beigeordneten Anwalts nicht beeinträchtigt. In einem solchen Fall sollte die Festsetzung zu Gunsten des Anwalts ohne Berücksichtigung des Erfüllungseinwandes erfolgen und dieser sollte mit einer Vollstreckungsgegenklage geltend gemacht werden. Die Kostenfestsetzung zu Gunsten des Anwalts sollte erst erfolgen, nachdem der zuvor zu Gunsten der Partei erwirkte Titel herausgegeben wurde und die Partei auf ihre Rechte aus dem Titel verzichtet hat. Diese Voraussetzung dient dazu, den Erstattungsschuldner vor einer doppelten Vollstreckung zu schützen. Im Tenor des Beschlusses wurde festgelegt, dass die Klägerin an den Prozessbevollmächtigten der Beklagten zu 1. Kosten in Höhe von 27.860,29 EUR zu erstatten hat. Der Titel ist vorläufig vollstreckbar. Die Rechtsbeschwerde wurde zugelassen.

Hinsichtlich des Sachverhalts hat die Klägerin gegen die Beklagten Schadensersatzansprüche geltend gemacht. Das Landgericht hat der Beklagten zu 1. Prozesskostenhilfe mit Wirkung ab dem 14. Dezember 2000 bewilligt und ihr Rechtsanwalt Dr. T beigeordnet. Das Landgericht hat die Klage durch Urteil vom 18. Juli 2001 abgewiesen und der Klägerin die Kosten auferlegt. Rechtsanwalt Dr. T hat daraufhin die Kosten gemäß § 104 ZPO festsetzen lassen. Gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss hat die Klägerin sofortige Beschwerde eingelegt. Das Kammergericht hat die Kosten der ersten Instanz auf 32.317,94 EUR festgesetzt. Durch Urteil vom 13. März 2003 hat das Kammergericht die Berufung der Klägerin auf ihre Kosten zurückgewiesen. Rechtsanwalt Dr. T hat daraufhin beantragt, die Kosten der zweiten Instanz festsetzen zu lassen. Das Landgericht hat die Kostenfestsetzung zu Gunsten des Anwalts abgelehnt, da diese bereits mit dem Beschluss vom 4. Oktober 2001 berücksichtigt worden seien. Dagegen hat der Beklagtenvertreter sofortige Beschwerde eingelegt. Die Klägerin hat in einem Schreiben vom 21. November 2003 gegen die Erstattungsforderung der Beklagten zu 1. aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss vom 4. Oktober 2001 in Höhe von 32.317,94 EUR nebst Zinsen mit einer Gegenforderung aus einem Urteil des Kammergerichts vom 5. November 1999 aufgerechnet. Das Landgericht hat daraufhin die Erstattungsforderung der Beklagten zu 1. festgesetzt und die Kostenfestsetzung zu Gunsten der Klägerin abgelehnt. Gegen diese Entscheidung hat der Beklagtenvertreter sofortige Beschwerde eingelegt. Das Landgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen. Das Kammergericht hat entschieden, dass der anwaltliche Erfüllungseinwand im Kostenfestsetzungsverfahren grundsätzlich berücksichtigt werden kann, wenn unter den Parteien über die tatsächlichen Voraussetzungen und die materiell-rechtlichen Wirkungen der Aufrechnung kein Streit besteht. Allerdings konnte in diesem Fall nicht im Rahmen des Kostenfestsetzungsverfahrens über den Streitpunkt der Aufrechnung entschieden werden. Dies bedarf einer umfassenden Prüfung im Verfahren der Vollstreckungsgegenklage. Aufgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtsfrage wurde die Rechtsbeschwerde zugelassen. Das Rechtsmittel hatte letztendlich Erfolg, allerdings wurden dem Beschwerdeführer die Kosten des Beschwerdeverfahrens auferlegt.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

KG: Beschluss v. 14.04.2004, Az: 1 W 44/04


1. Der im Rahmen der Prozesskostenhilfe beigeordnete Rechtsanwalt muss sich im Hinblick auf sein Beitreibungsrecht aus § 126 Abs. 1 ZPO trotz der Vorschrift des § 126 Abs. 2 Satz 1 ZPO solche Erfüllungshandlungen einschließlich einer Aufrechnung durch den Erstattungsschuldner gegenüber der vom beigeordneten Anwalt vertretenen Partei entgegenhalten lassen, die während des rechtswirksamen Bestehens einer Kostenfestsetzung zu Gunsten der Partei selbst erfolgt sind (Bestätigung von Senat, JurBüro 2002, 374 = KG-Report 2003, 245).

2. Ist streitig, ob eine solche Aufrechnung im Einzelfall gegen Treu und Glauben verstößt und daher das Beitreibungsrecht des beigeordneten Rechtsanwalts nicht beeinträchtigt, so hat die Festsetzung zu Gunsten des Rechtsanwalts ohne Berücksichtigung des Erfüllungseinwandes zu erfolgen; dieser ist mit der Vollstreckungsgegenklage geltend zu machen.

3. Die Kostenfestsetzung zu Gunsten des beigeordneten Rechtsanwalts soll erst erfolgen, nachdem der vorher zu Gunsten der Partei erwirkte Titel herausgegeben wurde und die Partei auf ihre Rechte aus dem Titel verzichtet hat; dabei handelt es sich um eine verfahrensrechtliche Voraussetzung, um den Erstattungsschuldner vor der Gefahr einer doppelten Vollstreckung zu schützen.

Tenor

In Änderung der angefochtenen Entscheidung werden als nach dem Urteil des Landgerichts Berlin vom 18. Juli 2001 und gemäß § 126 ZPO von der Klägerin an den Prozessbevollmächtigten der Beklagten zu 1. € Rechtsanwalt Dr. T € zu erstattende Kosten erster Instanz 27.860,29 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26. März 2003 festgesetzt.

Der zugrunde liegende Titel ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens nach einem Wert von 27.860,29 EUR zu tragen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

I. Die Klägerin macht gegen die Beklagten Schadensersatzansprüche geltend. Das Landgericht hat der Beklagten zu 1. Prozesskostenhilfe mit Wirkung vom 14. Dezember 2000 bewilligt und ihr Rechtsanwalt Dr. T beigeordnet.

Durch Urteil vom 18. Juli 2001 hat es die Klage abgewiesen und der Klägerin die Kosten auferlegt. Rechtsanwalt Dr. T beantragte unter dem 18. September 2001, die Kosten "gemäß § 104 ZPO festzusetzen". Gegen den zu Gunsten der Beklagten zu 1. ergangenen Kostenfestsetzungsbeschluss vom 4. Oktober 2001 legte die Klägerin sofortige Beschwerde mit dem Ziel der Herabsetzung des festgesetzten Betrages ein. Mit rechtskräftigem Beschluss des Kammergerichts vom 30. Januar 2002 € 3 W 146/01 € wurden die von der Klägerin an die € nicht vorsteuerabzugsberechtigte € Beklagte zu 1. zu erstattenden Kosten der ersten Instanz auf 32.317,94 EUR (= 63.208,40 DM) nebst 4 % Zinsen seit dem 18. September 2001 festgesetzt. Vollstreckbare Ausfertigung dieses Beschlusses wurde dem Beklagtenvertreter am 20. Februar 2002 erteilt.

Durch Urteil vom 13. März 2003 hat das Kammergericht € 10 U 323/01 € die Berufung der Klägerin auf ihre Kosten zurückgewiesen. Unter dem 19. März 2003 beantragte Rechtsanwalt Dr. T zunächst, die Kosten der zweiten Instanz gemäß § 104 ZPO festzusetzen. Am 26. März 2003 folgte ein weiterer Antrag, die anwaltlichen Vergütungsansprüche erster und zweiter Instanz gemäß § 126 ZPO zu Gunsten der Rechtsanwälte D, B, M (Antragsteller) festzusetzen. Auf Hinweis des Landgerichts nahm der Beklagtenvertreter den Antrag vom 19. März 2003 zurück.

Mit Beschluss vom 1. September 2003 hat das Landgericht € insoweit rechtskräftig € die nach dem Urteil des Kammergerichts vom 13. März 2003 von der Klägerin an Rechtsanwalt Dr. T zu erstattenden Kosten der zweiten Instanz festgesetzt. Die Festsetzung der Kosten erster Instanz hat es abgelehnt, da diese bereits mit Beschluss vom 4. Oktober 2001 berücksichtigt seien.

Der Beschluss vom 1. September 2003 wurde dem Klägervertreter am 12. November 2003 zusammen mit dem Antrag vom 26. März 2003 zugestellt. Der Beklagtenvertreter hat den Beschluss seinen Angaben zufolge am 18. November 2003 erhalten. Er hat am 2. Dezember 2003 sofortige Beschwerde eingelegt mit dem Ziel der Festsetzung auch der Kosten erster Instanz gemäß seinem Antrag vom 26. März 2003. Mit Beschwerdeerwiderung vom 19. Dezember 2003 hat die Klägerin Zurückweisung der sofortigen Beschwerde beantragt. Sie beruft sich auf die mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten Dr. R an Rechtsanwalt Dr. T vom 21. November 2003 (Anlage BG 1) € zugegangen laut EB von Dr. T am 25. November 2003 (BG 3) € namens der Klägerin erklärte Aufrechnung gegen die Erstattungsforderung der Beklagten zu 1. aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Berlin vom 4. Oktober 2001 in der Fassung des Beschlusses des Kammergerichts vom 30. Januar 2002 in Höhe von 32.317,94 EUR nebst Zinsen mit einer entsprechenden erstrangigen Teil-Zinsforderung der Klägerin gegen die Beklagte zu 1. aus dem Urteil des Kammergerichts € 9 U 6991/98 € vom 5. November 1999 (Anlage BG 2).

Auf den Hinweis des Landgerichts vom 22. Dezember 2003, dass der Anspruch auf Festsetzung gemäß § 126 ZPO durch die Aufrechnung erloschen sein dürfte, nahm Rechtsanwalt Dr. T dahingehend Stellung, die Beurteilung des Einwandes, die Kostenschuld sei durch Aufrechnung erloschen, falle nicht in die Zuständigkeit des Rechtspflegers im Kostenfestsetzungsverfahren.

Das Landgericht hat der sofortigen Beschwerde aus den Gründen seines Hinweisschreibens nicht abgeholfen.

Auf den gerichtlichen Hinweis vom 11. Februar 2004, der materiell-rechtliche Einwand der Aufrechnung sei im Kostenfestsetzungsverfahren grundsätzlich berücksichtigungsfähig, wenn unter den Parteien über deren tatsächliche Voraussetzungen und materiell-rechtliche Erfüllungswirkung kein Streit bestehe, hat Rechtsanwalt Dr. T mit Schriftsatz vom 1. März 2004 Stellung genommen. Er beruft sich unter anderem darauf, die Aufrechnungserklärung der Klägerin vom 21. November 2003 verstoße gegen den Grundsatz von Treu und Glauben, da das Landgericht über den Festsetzungsantrag vom 26. März 2003 fehlerhaft € und zudem verzögerlich € entschieden habe. Dies habe die Klägerin, der die Fehlerhaftigkeit des landgerichtlichen Verfahrens habe klar sein können, sich mit der Aufrechnungserklärung zu Nutze gemacht.

Auf Aufforderung des Gerichts vom 15. März 2004 hat der Beklagtenvertreter mit Schriftsatz vom 19. März 2004 namens und in Vollmacht der Beklagten zu 1. erklärt, diese verzichte auf ihre Rechte aus dem zu ihren Gunsten ergangenen Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Berlin vom 4. Oktober 2001, und Original der vollstreckbaren Ausfertigung zu den Akten gereicht (in Hülle Bd. II Bl. 204 d. A.).

II.

1. Die von Rechtsanwalt Dr. T als beigeordnetem Anwalt in Verfolgung seines Beitreibungsrechts nach § 126 Abs. 1 ZPO in Verbindung mit § 103 Abs. 2 Satz 1 ZPO eingelegte sofortige Beschwerde ist zulässig, §§ 104 Abs. 3 Satz 1, 567 ZPO. Insbesondere ist sie am 2. Dezember 2003 rechtzeitig (§ 569 ZPO) eingelegt worden, da der angefochtene Beschluss vom 1. September 2003 ihm, wie er angibt (das Empfangsbekenntnis ist nicht zu den Akten gelangt), am 18. November 2003 zugestellt wurde.

2. Das Rechtsmittel ist begründet.

Nach § 126 Abs. 1 ZPO ist der beigeordnete Rechtsanwalt berechtigt, seinen Vergütungsanspruch gegen die Partei bei dem Gegner beizutreiben, soweit dieser zur Kostentragung verurteilt worden ist, und diesen Anspruch aus eigenem Recht gemäß §§ 103 ff. ZPO festsetzen zu lassen.

a) Durch Beschluss des Kammergerichts vom 30. Januar 2002 € 3 W 146/01 € sind die nach dem Urteil des Landgerichts Berlin vom 4. Oktober 2001 € 23 O 465/00 € von der Klägerin an die Beklagte zu 1. zu erstattenden Kosten in Höhe von 54.490,00 DM zuzüglich Umsatzsteuer rechtskräftig festgestellt worden. Diesen Betrag, jedoch ohne die Umsatzsteuer gemäß § 25 Abs. 2 BRAGO, macht der Anwalt nunmehr in eigenem Namen zur Festsetzung geltend. Einwendungen zur Höhe werden dagegen nicht erhoben.

b) Zu Unrecht hat das Landgericht die Festsetzung gemäß § 126 Abs. 1 ZPO abgelehnt, da bereits eine Festsetzung zu Gunsten der Partei erfolgt sei. Es entspricht allgemeiner Meinung, dass das Beitreibungsrecht des Anwalts gemäß § 126 ZPO durch die zu Gunsten der Partei erfolgte Festsetzung des Kostenerstattungsanspruchs nicht beeinträchtigt wird (BGHZ 5, 251; Senat, Rpfleger 1977, 451 = JurBüro 1977, 1624; Zöller/Philippi, ZPO, 24. Aufl., § 126 Rdnr. 9); insbesondere liegt auch darin, dass der Anwalt die Festsetzung auf den Namen der Partei beantragt hat, kein Verzicht auf sein eigenes Recht aus § 126 ZPO (von Eicken u. a., Kostenfestsetzung, B 234). Soweit in diesem Falle gefordert wird, die Kostenfestsetzung für den Anwalt davon abhängig zu machen, dass die Partei auf die Rechte aus dem zu ihren Gunsten ergangenen Festsetzungsbeschluss ihrerseits verzichtet und ihn zurückgibt (BGH a.a.O., Senat a.a.O., s. Zöller/Philippi, a.a.O., Rdnr. 12, von Eicken a.a.O., B 236), handelt es sich nicht um einen das Beitreibungsrecht selbst betreffenden Einwand. Vielmehr ist anerkannt, dass der zu Gunsten der Partei erlassene Kostenfestsetzungsbeschluss insoweit außer Kraft tritt, als eine Festsetzung derselben Forderung zu Gunsten des Anwalts erfolgt (Zöller/Philippi, a.a.O., Rdnr. 11; Stein/Jonas/Bork, ZPO, § 126 ZPO Rdnr. 18; ihm folgend BGH, NJW 1994, 3292/3294). Die erforderliche Rückgabe des zu Gunsten der Partei erwirkten Titels unter Verzicht auf die Rechte aus ihm betrifft die "richtige Handhabung des Kostenfestsetzungsverfahrens" (BGHZ 5, 256), um den Schuldner vor einer doppelten Vollstreckung wegen derselben Kostenforderung zu schützen; es handelt sich um eine der Regelung in § 733 Abs. 1 ZPO vergleichbare verfahrensrechtliche Voraussetzung der Erteilung eines weiteren Kostenfestsetzungsbeschlusses für die bereits titulierte Kostenerstattungsforderung.

c) Im Gegensatz zur Auffassung der Nichtabhilfeentscheidung des Landgerichts greift der von der Klägerin erhobene Einwand der Aufrechnung nicht durch.

aa) Der Aufrechnung steht zwar, wie das Landgericht unter Hinweis auf Zöller/Philippi, a.a.O., Rdnr. 17 zutreffend angenommen hat, die sich aus § 126 Abs. 2 Satz 1 ZPO ergebende "Verstrickung" des Kostenerstattungsanspruchs zu Gunsten des im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordneten Rechtsanwalts nicht entgegen, solange der Erstattungsschuldner der Vollstreckung aus einem zu Gunsten der Partei ergangenen Kostenfestsetzungsbeschluss ausgesetzt ist (BGH, NJW 1994, 3292; OLG München, NJW-RR 1998, 214; OLG Düsseldorf, FamRZ 1998, 847; Senat, JurBüro 2002, 374 = KG-Report 2003, 245). Die Aufrechnung geht auch nicht deswegen ins Leere, weil eine Erstattungsforderung der nach § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO von der eigenen Kostenpflicht befreiten Partei nicht bestehe (so u. a. von Eicken in Gerold/Schmidt u. a., BRAGO, 15. Aufl., § 121 Rdnr. 26; vom BGH a.a.O. offen gelassen). Denn die Erstattungsforderung der bedürftigen Partei besteht auch wegen derjenigen Beträge, die im Rahmen der Bewilligung der Prozesskostenhilfe gegen sie nicht durchgesetzt werden können (vgl. Zöller/Philippi, a.a.O., Rdnr. 9; Wax, Anm. zu BGH a.a.O. in LM § 126 ZPO Nr. 4; von Eicken a.a.O., Rdnr. 21). Die Sperrwirkung des § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO hindert nicht die Festsetzung der Erstattungsforderung zu Gunsten der Partei gemäß §§ 103 ff. ZPO, folglich müssen Erfüllungshandlungen gegenüber der Partei € soweit nach § 126 Abs. 2 ZPO zulässig € auch die festgesetzte Forderung zum Erlöschen bringen.

bb) Der Erfüllungseinwand kann im vorliegenden Kostenfestsetzungsverfahren aber keine Beachtung finden.

Zwar sind nach ständiger Rechtsprechung des Senats (s. JurBüro 1983, 1401 = MDR 1984, 150 m.w.N.; von Eicken u. a., Kostenfestsetzung, B 89 ff.) die Kostenfestsetzungsinstanzen aus Gründen der Prozessökonomie nicht gehindert, eine vom Kostenschuldner erklärte Aufrechnung zu berücksichtigen, wenn unter den Parteien über die tatsächlichen Voraussetzungen und die materiell-rechtlichen Wirkungen der Aufrechnung kein Streit besteht. Dies gilt auch, wenn der Erfüllungseinwand aus der Person der vom beigeordneten Anwalt vertretenen Partei erhoben wird und lediglich streitig ist, ob § 126 Abs. 2 Satz 1 ZPO dies zulässt (Zöller/Philippi, a.a.O., Rdnr. 19; Senat, JurBüro 2002, 374). Denn diese Rechtsfrage ist von den Instanzen des Kostenfestsetzungsverfahrens zu entscheiden, denen lediglich die außerhalb des Verfahrenszwecks liegende Streitentscheidung verwehrt ist (vgl. bereits Senat, JurBüro 1977, 1624 = Rpfleger 1977, 451; JurBüro 1979, 269 = MDR 1979, 401; JurBüro 1983, 1401 = MDR 1984, 150).

Nach Auffassung des Senats kann der vorliegende Streit um die Wirksamkeit der Aufrechnung nicht im Kostenfestsetzungsverfahren entschieden werden. Zwar ist die von der Klägerin zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung aus dem rechtskräftigen Urteil des Kammergerichts vom 5. November 1999 unstreitig und steht auch die Wirksamkeit der vom Verfahrensbevollmächtigten der Klägerin gegenüber dem Verfahrensbevollmächtigten der Beklagten zu 1. abgegebenen Aufrechnungserklärung vom 21. November 2003 außer Streit. Streitig ist die Erfüllungswirkung der Aufrechnung aber im Hinblick auf den von der Beklagten erhobenen Einwand, im vorliegenden Stadium des Kostenfestsetzungsverfahrens verstoße die Geltendmachung der Aufrechnung gegenüber der Kostenerstattungsforderung der Partei gegen Treu und Glauben und sei daher unbeachtlich (vgl. BGH a.a.O.; Stein/Jonas/Bork a.a.O., Rdnr. 15). Zwar war deren Verstrickung durch den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 4. Oktober 2001 / 30. Januar 2002 aufgehoben, was die Aufrechnung formell ermöglichte; mit dem am 26. März 2003 gestellten Kostenfestsetzungsantrag gemäß § 126 ZPO wäre die Aufrechnung aber voraussehbar € und endgültig € wieder unzulässig geworden, wenn das Gericht alsbald über den Antrag entschieden und ihm stattgegeben hätte. Der Festsetzung standen € wie oben ausgeführt wurde € keine materiell-rechtlichen Hindernisse entgegen. Das verfahrensrechtliche Hindernis, das in der fehlenden Verzichtserklärung und Rückgabe des Titels bestand, rechtfertigte die Zurückweisung des Antrags nicht, vielmehr hätte das Landgericht dem Antragsteller gemäß § 139 Abs. 3 ZPO Gelegenheit geben müssen, das Hindernis auszuräumen. Dies war für den Verfahrensbevollmächtigten der Klägerin auch erkennbar. Zum Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung war der die Kostenfestsetzung für die erste Instanz ablehnende Beschluss vom 1. September 2003 nicht rechtskräftig, mit dessen Anfechtung war zu rechnen. Die Aufrechnung war offenbar durch die Zustellung des Beschlusses vom 1. September 2003, die am 12. November 2003 erfolgte (Bd. I AH 103 d. A.), veranlasst und erfolgte ersichtlich zu dem Zweck, die bestehende formale Rechtsposition, die bis zur Aufhebung des vollstreckbaren Titels noch eine Aufrechnung gegenüber der im Titel bezeichneten Partei gestattete, vor dem Eingreifen des Aufrechnungsverbots gemäß § 126 Abs. 2 Satz 1 ZPO auszunutzen. Nach den Grundsätzen des BGH a.a.O. könnte die unter diesen Umständen erklärte Aufrechnung treuwidrig und damit wirkungslos sein.

Der Senat kann über den Streitpunkt im Rahmen des Kostenfestsetzungsverfahrens nicht entscheiden. Der gegenüber der Aufrechnung erhobene Arglisteinwand wird zwar im Wesentlichen aus dem aktenkundigen Verfahrensgang hergeleitet, eine Prüfung macht aber die Würdigung weiterer außerhalb dieses Verfahrens liegender Umstände erforderlich. Insbesondere könnte von Bedeutung sein, ob die Klägerin mit einer Vollstreckung aus dem zu Gunsten der Partei ergangenen Kostenfestsetzungsbeschluss rechnen musste und warum sie die Aufrechnung mit ihrer seit langem titulierten Gegenforderung bisher nicht erklärt hatte. Der begrenzte Verfahrenszweck der Kostenfestsetzung, die Kostengrundentscheidung betragsmäßig auszufüllen, lässt eine umfassende Prüfung und Feststellung der erforderlichen Anknüpfungstatsachen nicht zu. Hierfür ist das Verfahren der Vollstreckungsgegenklage gegeben (BGH a.a.O., Zöller/Philipp a.a.O., Rdnr. 19).

Wegen dieser Rechtsfrage, die von der Rechtsprechung noch nicht hinreichend geklärt ist und grundsätzliche Bedeutung hat, wird die Rechtsbeschwerde zugelassen.

3. Nach alledem hat das von Rechtsanwalt Dr. T eingelegte Rechtsmittel zwar Erfolg, diesem sind aber gemäß § 97 Abs. 2 ZPO die Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen. Denn erst die Rückgabe des Titels und die Verzichtserklärung, zu deren Abgabe für die Partei Rechtsanwalt Dr. T unzweifelhaft bevollmächtigt war, beseitigte das bis dahin bestehende Hindernis. Dass das Landgericht den gebotenen Hinweis verfahrensfehlerhaft unterlassen hat, steht der Anwendung des § 97 Abs. 2 ZPO zu Gunsten der Beschwerdegegnerin nicht entgegen, da der Beschwerdeführer im Stande war, von sich aus die Notwendigkeit zu erkennen, die Schuldnerin vor der Gefahr einer doppelten Vollstreckung bei zweifacher Titulierung der Erstattungsforderung zu schützen.






KG:
Beschluss v. 14.04.2004
Az: 1 W 44/04


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/gerichtsentscheidung/c1c5f7eb0bfb/KG_Beschluss_vom_14-April-2004_Az_1-W-44-04




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