Landgericht Köln:
Urteil vom 4. Juni 2004
Aktenzeichen: 82 O 10/04
(LG Köln: Urteil v. 04.06.2004, Az.: 82 O 10/04)
Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung
Das Landgericht Köln hat in seinem Urteil vom 4. Juni 2004 (Aktenzeichen 82 O 10/04) die Beschlüsse der außerordentlichen Hauptversammlung der Beklagten für nichtig erklärt. Dabei handelt es sich um die Auflösung der anderen Gewinnrücklagen der Gesellschaft und die vereinfachte Kapitalherabsetzung zum Ausgleich von Verlusten sowie die Kapitalerhöhung und Satzungsänderung. Das Gericht kam zu dem Schluss, dass die Beschlüsse gegen das Gesetz verstoßen haben. Insbesondere fehlte in dem Kapitalherabsetzungsbeschluss eine differenzierte Angabe, welcher Teil des Verlusts auf Wertminderungen und welche Teil auf sonstige Verluste entfällt. Zudem war nicht nachgewiesen, dass zum Zeitpunkt der Beschlussfassung ein Verlust in Höhe des Grundkapitals vorlag. Der Vorstand der Beklagten hatte zudem in der Hauptversammlung falsche Angaben gemacht, unter anderem zum Thema Squeeze-Out und zum Erwerb von Bezugsrechten. Die Klage war daher erfolgreich und die Kosten des Verfahrens wurden der Beklagten auferlegt. Der Streitwert beträgt 500.000,00 EUR für die Anträge und 10.000,00 EUR für den Ergänzungsantrag der Klägerin.
Die Gerichtsentscheidung im Volltext:
LG Köln: Urteil v. 04.06.2004, Az: 82 O 10/04
Tenor
Die Beschlüsse der außerordentlichen Hauptversammlung der Beklagten vom 30.12.2003 mit folgendem Wortlaut werden für nichtig erklärt:
1.)
Die anderen Gewinnrücklagen der Gesellschaft in Höhe von EUR 9.356.641,43 werden vollständig aufgelöst.
2.)
a)
Das Grundkapital der Gesellschaft wird im Rahmen einer vereinfachten Kapitalherabsetzung zum Ausgleich von Verlusten von EUR 135.230.615,04 um EUR 135.230.615,04 auf EUR 0,00 herabgesetzt. Die Kapitalherabsetzung erfolgt durch Zusammenlegung und Kraftloserklärung der Stückaktien.
b)
Gleichzeitig wird das Grundkapital der Gesellschaft von EUR 0,00 gegen Bareinlagen um EUR 20 Mio. auf EUR 20 Mio. durch Ausgabe von Stück 20 Mio. neuen, auf den Inhaber lautenden Stückaktien mit einem rechnerischen Anteil am Grundkapital der Gesellschaft von EUR 1,00 je Aktie erhöht. Der Ausgabebetrag der neuen Aktien beträgt EUR 1,00 je Aktie. Die neuen Aktien werden mit Gewinnanteilberechtigung ab 01.01.2004 begeben.
Die Aktionäre haben das gesetzliche Bezugsrecht. Für Aktionäre, deren Bezugsrecht nicht zum Bezug von mindestens Stück 1 neuer Aktien der Gesellschaft ausreicht, haben sich Großaktionäre der Gesellschaft bereit erklärt, entsprechend fehlende Bezugsrechte kostenfrei zur Verfügung zu stellen. Diese haben der Gesellschaft ihre Absicht mitgeteilt, an die Aktionäre, die sich an der Kapitalerhöhung nicht beteiligen wollen, ein freiwilliges Angebot zum Erwerb von Bezugsrechten für die jungen Aktien zu einem noch festzusetzenden Preis zu veröffentlichen.
Eine Börseneinführung der jungen Aktien ist zunächst nicht vorgesehen und bedarf eines gesonderten Beschlusses der Hauptversammlung.
c)
Der Vorstand wird ermächtigt, mit Zustimmung des Aufsichtsrats die weiteren Einzelheiten der Kapitalherabsetzung und der Kapitalerhöhung sowie deren Durchführung festzulegen.
d)
§ 4 Abs. 1 und 2 der Satzung erhalten mit der Eintragung des Beschlusses über die Durchführung der Kapitalerhöhung im Handelsregister folgende Fassung:
1. Das Grundkapital der Gesellschaft beträgt EUR 20 Mio.
2. Es ist eingeteilt in 20 Mio. Stückaktien, die Gesellschaft ist berechtigt, Aktienurkunden über mehrere Aktien auszustellen (Sammelurkunden). Der Anspruch der Aktionäre auf Einzelverbriefung ihrer Aktien ist ausgeschlossen.
Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
Das Urteil ist für die Kläger hinsichtlich der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Gründe
Bei der Beklagten handelt es sich um eine deutsche börsennotierte Immobilien-AG. Das Grundkapital der Gesellschaft beträgt 135 Mio. EUR und ist in 52,8 Mio. nennwertlose Stückaktien eingeteilt. Diese sind an der Frankfurter Wertpapierbörse amtlich notiert.
Hauptaktionärin war und ist die mittlerweile in Insolvenz geratene F-Gruppe aus der Schweiz. Diese hat in den vergangenen Jahren die Beklagte, die stets nicht unerhebliche Verluste aufwies, mit laufender Mittelzufuhr gestützt.
Die Beklagte lud ihre Aktionäre im elektronischen Bundesanzeiger vom 21.11.2003 mit der in der Anlage K 1 beigefügten Tagesordnung zu einer außerordentlichen Hauptversammlung ein. Wesentlicher Gegenstand war die Herabsetzung des Grundkapitals auf Null und die Beschlussfassung über eine gleichzeitige Kapitalerhöhung. U. a. heißt es dort wie folgt:
"Die Aktionäre haben das gesetzliche Bezugsrecht. Für Aktionäre, deren Bezugsrecht nicht zum Bezug von mindestens Stück 1 neuer Aktie der Gesellschaft ausreicht, haben sich Großaktionäre der Gesellschaft bereit erklärt, entsprechend fehlende Bezugsrechte kostenfrei zur Verfügung zu stellen. Diese haben der Gesellschaft ihre Absicht mitgeteilt, an die Aktionäre, die sich an der Kapitalerhöhung nicht beteiligen wollen, ein freiwilliges Angebot zum Erwerb von Bezugsrechten für die jungen Aktien zu einem noch festzusetzenden Preis zu veröffentlichen.
Eine Börseneinführung der jungen Aktien ist zunächst nicht vorgesehen und bedarf eines gesonderten Beschlusses der Hauptversammlung."
Mit einer adhoc-Mitteilung vom 23.12.2003 meldete die Beklagte:
Der Vorstand der D AG hat festgestellt, dass ein Verlust in Höhe der Hälfte des Grundkapitals der Gesellschaft (§ 92 Abs.1 AktG) eingetreten ist. Der Vorstand wird unverzüglich eine außerordentliche Hauptversammlung zur Anzeige des Verlusts einberufen.
In der Hauptversammlung der Beklagten vom 30.12.2003 waren von den 52.824.459 Stückaktien der Gesellschaft 26.679.030 Aktien mit ebenso vielen Stimmen vertreten. Es wurden folgende Beschlüsse gefasst:
Mit 1.001.141 Nein-Stimmen und 25.638.554 Ja-Stimmen: "Die anderen Gewinnrücklagen der Gesellschaft in Höhe von EUR 9.356.641,43 werden vollständig aufgelöst."
Mit 1.010.681 Nein-Stimmen und 25.628.454 Ja-Stimmen:
"Das Grundkapital der Gesellschaft wird im Rahmen einer vereinfachten Kapitalherabsetzung zum Ausgleich von Verlusten von EUR 135.230.615,04 um EUR 135.230.615,04 auf EUR 0,00 herabgesetzt. Die Kapitalherabsetzung erfolgt durch Zusammenlegung und Kraftloserklärung der Stückaktien.
b) Gleichzeitig wird das Grundkapital der Gesellschaft von EUR 0,00 gegen Bareinlagen um EUR 20 Mio. auf EUR 20 Mio. durch Ausgabe von Stück 20 Mio. neuen, auf den Inhaber lautenden Stückaktien mit einem rechnerischen Anteil am Grundkapital der Gesellschaft von EUR 1,00 je Aktie erhöht. Der Ausgabebetrag der neuen Aktien beträgt EUR 1,00 je Aktie. Die neuen Aktien werden mit Gewinnanteilberechtigung ab 01.01.2004 begeben.
Die Aktionäre haben das gesetzliche Bezugsrecht. Für Aktionäre, deren Bezugsrecht nicht zum Bezug von mindestens Stück 1 neuer Aktien der Gesellschaft ausreicht, haben sich Großaktionäre der Gesellschaft bereit erklärt, entsprechend fehlende Bezugsrechte kostenfrei zur Verfügung zu stellen. Diese haben der Gesellschaft ihre Absicht mitgeteilt, an die Aktionäre, die sich an der Kapitalerhöhung nicht beteiligen wollen, ein freiwilliges Angebot zum Erwerb von Bezugsrechten für die jungen Aktien zu einem noch festzusetzenden Preis zu veröffentlichen.
Eine Börseneinführung der jungen Aktien ist zunächst nicht vorgesehen und bedarf eines gesonderten Beschlusses der Hauptversammlung.
c) Der Vorstand wird ermächtigt, mit Zustimmung des Aufsichtsrats die weiteren Einzelheiten der Kapitalherabsetzung und der Kapitalerhöhung sowie deren Durchführung festzulegen.
d) § 4 Abs. 1 und 2 der Satzung erhalten mit der Eintragung des Beschlusses über die Durchführung der Kapitalerhöhung im Handelsregister folgende Fassung:
1. Das Grundkapital der Gesellschaft beträgt EUR 20 Mio.
2. Es ist eingeteilt in 20 Mio. Stückaktien, die Gesellschaft ist berechtigt, Aktienurkunden über mehrere Aktien auszustellen (Sammelurkunden). Der Anspruch der Aktionäre auf Einzelverbriefung ihrer Aktien ist ausgeschlossen."
Die Kläger sind Aktionäre der Beklagten. Der Kläger zu 1) hat mit 500.000 Stimmen an der ordentlichen Hauptversammlung der Beklagten vom 30.12.2003 teilgenommen, die Klägerin zu 2) mit 10.000 Stimmen. Beide Kläger haben gegen die streitgegenständlichen Beschlüsse Widerspruch zur Niederschrift der außerordentlichen Hautpversammlung der Beklagten vom 30.12.2003 erklärt.
Bei der Beschlussfassung über die Kapitalherabsetzung erläuterte der Vorstandsvorsitzende den Verlust anhand einiger Bilanzkennzahlen. Er gab einen operativen Verlust der Beklagten für 2003 in Höhe von 26.000.000,00 EUR und einen Gesamtverlust von 217.000.000,00 EUR bekannt. Vor Beginn der Hauptversammlung hatte die Beklagte eine schriftliche Aufstellung mit einigen Bilanzkennzahlen zum 30.9.2003 für die Aktionäre ausgelegt, wobei die Parteien über den Umfang der Aufstellung streiten. Ein testierter Jahresabschluss der Beklagten für das Jahr 2002 liegt bis heute nicht vor.
Gegen Ende der Hauptversammlung wurden die Bilanzzahlen gemäß Anlage K 4 ausgelegt.
Am 30.12.2003 lagen der Beklagten hinsichtlich der beschlossenen Kapitalerhöhung noch keine verbindlichen Zeichnungserklärungen von neuen Investoren vor. Investoren hatten lediglich ihre Absicht erklärt, neue Aktien zeichnen zu wollen.
Im Rahmen der Hauptversammlung am 30.12.2003 wurden folgende Fragen der Kläger von dem Vorstand der Beklagten nicht beantwortet:
- die Frage nach dem Namen derjenigen Personen, die das "freiwillige Angebot zum Erwerb von Bezugsrechten zu einem noch festzusetzenden Preis"
unterbreiten wollen;
- die Frage nach dem Übernehmer des Kapitals aus der Kapitalerhöhung
sowie etwaiger nicht gezeichneter Aktien;
- die Frage nach dem untestierten Jahresabschluss für 2002.
Am 08.01.2004 veröffentlichte die Beklagte im elektronischen Bundesanzeiger ein Bezugsangebot an die Aktionäre. Darin teilte die Beklagte u. a. Folgendes mit:
"Über die Zuteilung der gegebenenfalls nicht bezogenen Aktien entscheidet die Gesellschaft nach freiem Ermessen. Sie wird sich hierbei insbesondere von der Notwendigkeit der erfolgreichen Umsetzung des Restrukturierungsprogramms leiten lassen, wie es auf der außerordentlichen Hauptversammlung der Gesellschaft am 30.12.2003 erläutert wurde.
Hinweise für die Aktionäre
Die Kapitalerhöhung gegen Bareinlagen ist Teil des Restrukturierungsprogramms, dessen erfolgreiche Umsetzung für den Fortbestand der Gesellschaft unerlässlich ist. Der Fortbestand der Gesellschaft ist nur gewährleistet, sofern das Restrukturierungsprogramm, das sowohl eine bilanzielle wie auch eine liquiditätsmäßige Sanierung der Gesellschaft umfasst, umgesetzt wird. Hierbei kommt es entscheidend auch auf die Gewinnung neuer Investoren, die Zustimmung der Gläubigerbanken sowie der Kommanditisten der neun Immobilienfonds der Gesellschaft an. Wegen dieser äußerst schwierigen und ungewissen Lage der Gesellschaft und ihrer mit Risiken behafteten künftigen Entwicklung sollte jeder Aktionär die Ausübung seines Bezugsrechts sorgfältig bedenken und hierbei sachlichen Rat Dritter einholen. Derzeit kann keine Aussage bezüglich der künftigen Entwicklung von Umsatz und Ertrag der Gesellschaft abgegeben werden, und es ist nicht abzusehen, ob und wann die Gesellschaft Ausschüttungen auf die neuen Aktien vornehmen kann. Es ist nicht auszuschliessen, dass das Restrukturierungsprogramm scheitert und die Gesellschaft insolvent wird, oder dass eine Veräußerung der neuen Aktien nur unter Inkaufnahme von Abschlägen möglich sein wird. Es ist weiterhin nicht auszuschließen, dass die Hauptversammlung der Gesellschaft einen Ausschluss der Minderheitsaktionäre nach §§ 327 a ff. AktG beschließen wird, sofern einem Aktionär 95 % des Grundkapitals der Gesellschaft gehören (sog. Squeezeout).
Eine Anlage in Aktien der Gesellschaft ist daher auch weiterhin mit außerordentlichen Risiken verbunden, die bereits kurzfristig zum Totalverlust des eingesetzten Kapitals führen können. Der Erwerb von Aktien kann nur unter bewusster Inkaufnahme dieser Risiken erfolgen."
Auf die Frage der Klägerin zu 2) in der Hauptversammlung vom 30.12.2003 an den Vorstand der Beklagten, ob ein Ausschluss von Minderheitsaktionären gem. § 327a ff. AktG geplant sei, äußerte dieser, dass ein solcher Schritt nicht zu erwarten sei. Als Beweis für die hohe Wertschätzung der mit rund 7 % vertretenen freien Aktionäre in der Beklagten führte der Vorstandsvorsitzende die Tätigkeit des Aufsichtsratsvorsitzenden I an, der sich in der Vergangenheit stets für die Belange der freien Aktionäre eingesetzt und auch das jetzt vorgeschlagene unmittelbare Bezugsrecht durchgesetzt habe.
Mit adhoc-Mitteilung vom 16.03.2004 teilte die Beklagte mit, dass die für den 18.03.2004 terminierte außerordentliche Hauptversammlung, in der der Verlust des Grundkapitals der Beklagten gem. § 92 AktG angezeigt werden sollte, um 6 Wochen verschoben werde, weil noch mit Investoren verhandelt werde.
Die Kläger fechten die im Tenor genannten Beschlüsse aus mehreren Gründen an.
Sie beanstanden zunächst, dass es für eine Kapitalherabsetzung auf Null an einer tragfähigen Entscheidungsgrundlage gefehlt habe, die auch auf Anfrage nicht bereit gestellt worden sei. Die Beklagte habe bis heute keinen Jahresabschluss bzw. eine vergleichbare vorläufige Bilanzaufstellung vorlegen können. Aus den Erläuterungen des Vorstandes der Beklagten in der Hautpversammlung habe sich auch kein ausreichendes Bild ergeben, da zum Beispiel nicht erläutert worden sei, wie sich der Verlust in Höhe von 217.000.000,00 EUR zusammensetzt, insbesondere nicht, wieviel auf eine Wertminderung entfalle.
Tatsächlich habe der von der Beklagten behauptete Verlust auch nicht vorgelegen. Dagegen spreche bereits, dass die Beklagte erst mit der adhoc-Mitteilung vom 23.12.2003 angezeigt habe, dass 50 % des Grundkapitals verloren seien. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass bis zum 30.12.2003 ein Totalverlust eingetreten sei, der eine Kapitalherabsetzung auf Null rechtfertige. Auch die Verlegung der für den 18.03.2004 vorgesehenen außerordentlichen Hauptversammlung, in der die Anzeige nach § 92 AktG erfolgen sollte, zeige, dass tatsächlich kein Totalverlust eingetreten sei.
In diesem Zusammenhang beanstanden die Kläger ferner , dass der Kapitalherabsetzungsbeschluss vom 30.12.2003 nicht hinsichtlich der eingetretenen Verluste differenziere.
Im übrigen sei eine Kapitalherabsetzung auf Null auch nicht erforderlich gewesen.
Die Kläger rügen darüberhinaus eine Verletzung des Auskunftsrechts nach § 131 AktG, da zahlreiche Fragen nicht oder falsch beantwortet worden seien.
Ferner sind sie der Auffassung, dass die Beschlüsse nicht mit der erforderlichen Mehrheit der Stimmen beschlossen worden seien. Einerseits habe die Beklagte keine Präsenzkontrolle durchgeführt und Eintrittskarten doppelt ausgegeben, andererseits habe ein Stimmrechtsverbot gem. § 21, 21 WPHG vorgelegen, da die Teilnehmer laut Aktionärsverzeichnis nicht mit den Meldenden nach WPHG übereinstimmten.
Die Kläger behaupten desweiteren, der beschlossene Kapitalschnitt habe lediglich dazu gedient, die Minderheitsaktionäre aus der Gesellschaft herauszudrängen und später nach § 327a ff. AktG auszuschließen. Dies ergebe sich insbesondere aus den unterschiedlichen Angaben des Vorstands der Beklagten zum Squeezeout in der Hauptversammlung vom 30.12.2003 und in dem Bezugsangebot vom 08.01.2004.
Darüber hinaus habe die Beklagte den Inhabern von Wandelschuldverschreibungen Sondervorteile versprochen, weil diese pro 1.000,00 DM Anleihe 28 neue Aktien beziehen könnten, obwohl sie nach den Anleihebedingungen darauf kein Anrecht hätten.
Schließlich sind die Kläger unter Berufung auf die sogenannte Makroton-Entscheidung des Bundesgerichtshofs der Auffassung, die angegriffenen Beschlüsse hätten nicht ohne ein Abfindungsangebot an die Minderheitsaktionäre gefasst werden dürfen, da die neuen Aktien aus der Kapitalerhöhung im Gegensatz zu den alten Akten nicht mehr börsennotiert seien.
Die Kläger beantragen,
Die Beschlüsse der außerordentlichen Hauptversammlung der Beklagten vom 30.12.2003 mit folgendem Wortlaut für nichtig zu erklären:
1.)
"Die anderen Gewinnrücklagen der Gesellschaft in Höhe von EUR 9.356.641,43 werden vollständig aufgelöst."
2.) a)
Das Grundkapital der Gesellschaft wird im Rahmen einer vereinfachten Kapitalherabsetzung zum Ausgleich von Verlusten von EUR 135.230.615,04 um EUR 135.230.615,04 auf EUR 0,00 herabgesetzt. Die Kapitalherabsetzung erfolgt durch Zusammenlegung und Kraftloserklärung der Stückaktien.
b) Gleichzeitig wird das Grundkapital der Gesellschaft von EUR 0,00 gegen Bareinlagen um EUR 20 Mio. auf EUR 20 Mio. durch Ausgabe von Stück 20 Mio. neuen, auf den Inhaber lautenden Stückaktien mit einem rechnerischen Anteil am Grundkapital der Gesellschaft von EUR 1,00 je Aktie erhöht. Der Ausgabebetrag der neuen Aktien beträgt EUR 1,00 je Aktie. Die neuen Aktien werden mit Gewinnanteilberechtigung ab 01.01.2004 begeben.
Die Aktionäre haben das gesetzliche Bezugsrecht. Für Aktionäre, deren Bezugsrecht nicht zum Bezug von mindestens Stück 1 neuer Aktien der Gesellschaft ausreicht, haben sich Großaktionäre der Gesellschaft bereit erklärt, entsprechend fehlende Bezugsrechte kostenfrei zur Verfügung zu stellen. Diese haben der Gesellschaft ihre Absicht mitgeteilt, an die Aktionäre, die sich an der Kapitalerhöhung nicht beteiligen wollen, ein freiwilliges Angebot zum Erwerb von Bezugsrechten für die jungen Aktien zu einem noch festzusetzenden Preis zu veröffentlichen.
Eine Börseneinführung der jungen Aktien ist zunächst nicht vorgesehen und bedarf eines gesonderten Beschlusses der Hauptversammlung.
c) Der Vorstand wird ermächtigt, mit Zustimmung des Aufsichtsrats, die weiteren Einzelheiten der Kapitalherabsetzung und der Kapitalerhöhung sowie deren Durchführung festzulegen.
d) § 4 Abs. 1 und 2 der Satzung erhalten mit der Eintragung des Beschlusses über die Durchführung der Kapitalerhöhung im Handelsregister folgende Fassung:
1. Das Grundkapital der Gesellschaft beträgt EUR 20 Mio.
2. Es ist eingeteilt in 20 Mio. Stückaktien, die Gesellschaft ist berechtigt, Aktienurkunden über mehrere Aktien auszustellen (Sammelurkunden). Der Anspruch der Aktionäre auf Einzelverbriefung ihrer Aktien ist ausgeschlossen."
Hilfsweise beantragen die Kläger, festzustellen, dass die in der außerordentlichen Hauptversammlung der Beklagten am 30.12.2003 gefassten und im Hauptantrag wiedergegebenen Beschlüsse nichtig sind.
Äußerst hilfsweise beantragen die Kläger, festzustellen, dass die in der außerordentlichen Hauptversammlung der Beklagten am 30.12.2003 gefassten und im Hauptantrag wiedergegebenen Beschlüsse unwirksam sind.
Die Klägerin zu 2) beantragt darüberhinaus ergänzend:
festzustellen, dass die in der Hauptversammlung der Beklagten vom 30.12.2003 zu den Tagesordnungspunkten 1.) und 2.) gefassten Beschlüsse nicht mit der erforderlichen Mehrheit gefasst worden sind.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte ist der Meinung, dass ein sachlicher Grund für die einfache Kapitalherabsetzung gem. § 229 AktG nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht erforderlich sei. Es habe einen Verlust in Höhe des gesamten Grundkapitals vorgelegen.
Die Beklagte behauptet ferner, die Erklärungen des Vorstandes in der Hauptversammlung vom 30.12.2003 zum sogenannten Squeezeout und zum Erwerb seien aufgrund der Erklärungen von Großaktionären, die die Zeichnung neuer Aktien der Beklagten angekündigt hätten, erfolgt.
Die Beklagte behauptet schließlich, dass im Zeitpunkt der Einberufung der Hauptversammlung die Schwelle nach § 92 AktG noch nicht überschritten gewesen sei. Diese sei erst einige Tage später durch die Insolvenz der F-Gruppe überschritten worden.
Die Beklagte bestreitet, dass in der Hauptversammlung am 30.12.2003 Fragen von Aktionären offen geblieben seien.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitigen Schriftsätze der Parteien sowie auf die dazu eingereichten Anlagen Bezug genommen.
E N T S C H E I D U N G S G R Ü N D E :
Die Klagen sind weitgehend begründet.
Die Kläger sind gem. § 245 Nr. 1 AktG anfechtungsbefugt, da sie als Aktionäre der Beklagten zur Hauptversammlung vom 30.12.2003 Widerspruch zur Niederschrift gegen die streitgegenständlichen Beschlüsse erklärt haben.
Die Klagen sind ferner rechtzeitig gem. § 246 Abs. 1 AktG erhoben worden. Die Klage des Klägers zu 1.) ist am 22.01.2004 bei Gericht eingegangen, zugestellt am 9.2.2004. Die Klage der Klägerin zu 2.) ist am 06.01.2004 bei Gericht eingegangen, zugestellt am 16.1.2004. Damit ist die Monatsfrist gem. § 246 Abs.1 AktG unter Berücksichtigung von § 167 ZPO eingehalten worden.
Auf die Anfechtungsklagen sind die angegriffenen Beschlüsse zu Ziffer 1.) und 2.)
- Auflösung der Gewinnrücklagen, Kapitalherabsetzung, Kapitalerhöhung, Ermächtigung, Satzungsänderung - gem. §§ 246 Abs.1, 248 Abs. 1 AktG für nichtig zu erklären, da sie gegen das Gesetz verstoßen. Zusammenfassend ist festzustellen, dass der Beschluss über die Kapitalherabsetzung auf Null aus mehreren Gründen gegen das Gesetz verstößt. Die damit zusammenhängenden Beschlüsse hinsichtlich der Auflösung der Gewinnrücklage, der Kapitalerhöhung, der Vorstandsermächtigung und der Satzungsänderung sind unter Berücksichtigung von § 139 BGB ebenfalls nichtig. Im Einzelnen:
Nach § 229 AktG kann eine Kapitalherabsetzung in vereinfachter Form vorgenommen werden durch Herabsetzung des Grundkapitals, falls sie dazu dient, Wertminderungen auszugleichen, sonstige Verluste zu decken oder Beträge in die Kapitalrücklage einzustellen. In dem Beschluss ist nach § 229 Abs. 1 Satz 2 AktG festzustellen, zu welchen Zwecken die Kapitalherabsetzung stattfindet. Nach § 229 Abs. 2 AktG sind Rücklagen zuvor aufzulösen. Die §§ 222 Abs. 1, 2 und 4, 223, 224, 226 - 228 AktG betreffen die ordentliche Kapitalherabsetzung gelten nach § 229 Abs. 3 AktG bei der vereinfachten Kapitalherabsetzung sinngemäß. Danach ist eine vereinfachte Kapitalherabsetzung mit einer regulären Kapitalerhöhung mit Bareinlage zu verbinden, falls das Grundkapital unter den Mindestnennbetrag nach § 7 AktG herabgesetzt wird, § 228 i.V.m. § 229 Abs. 3 AktG. Die Kapitalherabsetzung setzt voraus, dass zum Zeitpunkt der Beschlussfassung tatsächlich ein bilanzieller Verlust vorlag, ggfls. reichen auch drohende Verluste (vgl. Hüffer, AktG, 6. Auflage, § 229 Rdnr. 8.). Erforderlich ist ein bilanzieller Verlust in dem Sinne, dass er sich nach dem für die Jahresbilanz geltenden Grundsätze ergibt. Ausreichend ist eine Zwischenbilanz, die auch vom Vorstand in eigener Verantwortung aufgestellt sein kann (Hüffer, a.a.O., Rdnr. 7). Entscheidend ist, dass ein angenommener Verlust nach kaufmännischen Grundsätzen zum Zeitpunkt der Beschlussfassung vertretbar ermittelt wird und auf Plausibilität geprüft werden kann. (vgl. Hüffer, a.a.O., Rdnr.16 BGH, Urt. v. 9.2.1998, Juris Rn. 19) Der Herabsetzungsbeschluss ist anfechtbar, falls kein Verlust oder kein Verlust in der Höhe des Herabsetzungsbetrages vorlag (Hüffer, a.a.O., Rdnr. 23 m.w.N.). Entscheidend sind die Verhältnisse bei Beschlussfassung. Konnte bei Beschlussfassung nach kaufmännischen Grundsätzen von Verlust ausgegangen werden (vertretbare Prognose), so ist der Beschluss auch dann nicht anfechtbar, falls sich später herausstellt, dass ein Verlust nicht vorhanden war oder nicht mehr vorhanden ist (vgl. Hüffer, a.a.O., Rdnr. 23 m.w.N.). Anfechtbar ist der Herabsetzungsbeschluss auch, soweit darin nicht bestimmt oder zumindest bestimmbar festgesetzt ist, welcher Teil des Herabsetzungsbetrages auf die in § 229 Abs. 1 AktG genannten Zwecke entfällt (vgl. Hüffer, a.a.O., Rdnr. 6 und Rdnr. 23 m.w.N.).
Vor diesem Hintergrund ist festzustellen, dass der angegriffene Kapitalherabsetzungsbeschluss schon deshalb gegen § 229 Abs. 1 AktG verstösst, weil die in dieser Norm genannten Herabsetzungszwecke nicht im einzelnen aufgeführt sind. In dem angegriffenen Beschluss heißt es lediglich, dass eine Kapitalherabsetzung zum Ausgleich von "Verlusten in Höhe von 135.230.615,04 EUR " durchgeführt wird. Erforderlich wäre gewesen, dass in dem Beschluss bestimmt wird, welcher Teil davon auf Wertminderungen entfällt und welcher Teil auf sonstige Verluste, etwa aus dem operativem Geschäft entfällt. Nach dem unbestritten gebliebenen Vortrag der Kläger lagen erhebliche Wertminderungen vor und sollten durch die Kapitalherabsetzung ausgeglichen werden. Aufgrund eines Gesamtverlustes von 217 Mio. EUR war es auch keinesfalls klar, welchen Zwecken die Kapitalherabsetzung diente. Dementsprechend hätte der Kapitalherabsetzungsbetrag differenziert auf die unterschiedlichen Zwecke festgesetzt werden müssen, um insbesondere die Verwaltung der Beklagten daran zu binden, § 230 S. 2 AktG.
Darüber hinaus ist völlig unklar, ob am 30.12.2003 ein Verlust der Beklagten von mindestens EUR 135.230.615,04 vorlag, der eine Kapitalherabsetzung auf Null rechtfertigen würde. Der Vortrag der Beklagten, es sei allgemein bekannt gewesen, dass die Beklagte entsprechende Verluste aufweise, entbehrt jeder sachlichen Grundlage. Konkret hat die darlegungs- und beweisbelastete Beklagte einen entsprechenden Verlust im Sinne einer fundierten und prüfbaren kaufmännischen Prognose nicht dargelegt. Die Beklagte hatte sich schriftsätzlich zu den eingetretenen Verlusten nicht näher geäußert. Insbesondere hat sie die von dem Vorstand in der Hauptversammlung erläuterten Bilanzkennzahlen nicht mitgeteilt. Ferner hat sie die von ihr vor der Hauptversammlung ausgelegte Aufstellung mit einigen Bilanzkennzahlen zum 30.09.2003 nicht vorgelegt. Hinsichtlich der Verluste hat der Kläger zu 1.) die Anlage K 4 vorgelegt, die Klägerin zu 2.) die Anlage K 5. Aus der Anlage K 4, die nach dem Vortrag des Klägers zu 1.) gegen Ende der Hauptversammlung überreicht worden sein soll, kann jedoch allenfalls für den 31.12.2002 ein Bilanzverlust in Höhe von 53.855.521,25 EUR ermittelt werden. Ein Bilanzverlust in Höhe von ca. EUR 135.230.615,04 ergibt sich daraus nicht. Die Beklagte hat darüberhinaus nicht vorgetragen, dass sich aus dem mündlichen und visuellen Vortrag des Vorstandes in der Hauptversammlung bzw. in der zu Beginn ausgelegten schriftlichen Aufstellung der Bilanzkennzahlen zum 30.09.2003 ein nachvollziehbarer Verlust der Beklagten zum 30.12.2003 in Höhe von ca. EUR 135.230.615,04 ergibt. Es wurden jeweils nur einige isolierte Kennzahlen genannt, die aber den Anforderungen an eine fundierte Prognose im Sinne einer bilanziellen - ggf. vorläufigen - Aufstellung mit Gewinn- und Verlustrechnungen nicht genügten. Die Beklagte hat insofern der Darstellung der Klägerin zu 2) nicht widersprochen, dass es in der Aufstellung zum 30.09.2003 auf Aktiv- und Passivseite nur einige Bilanzkennzahlen genannt worden seien ohne Gewinn- und Verlustrechnung. Zudem hat die Beklagte selbst vorgetragen, dass eine Bilanz nicht habe aufgestellt werden können, weil Informationen von der F-Gruppe fehlten. Unter diesem Mangel würden zwangsläufig auch die von der Beklagten in der Hauptversammlung mitgeteilten Zahlen leiden.
Gegen den in der Hauptversammlung von der Beklagten behaupteten Verlust in Höhe von EUR 135.230.615,04 spricht zudem, dass die Beklagte erst am 23.12.2003 gemäß § 92 AktG mitgeteilt hat, dass 50 % des Grundkapitals der Beklagten verloren sei. Dann ist es aber nicht nachvollziehbar, dass einige Tage später, am 30.12.2003 ein Verlust in Höhe des gesamten Grundkapitals der Beklagten eintreten konnte. Die Beklagte hätte zwingend erläutern müssen, wie es innerhalb der kurzer Zeit vom 23.12.2003 bis 30.12.2003 zu einem Totalverlust des Grundkapitals kommen konnte. Gegen einen entsprechenden Verlust spricht auch, dass die Beklagte trotz der Mitteilung nach § 92 AktG bis heute keine Hauptversammlung durchgeführt hat, in der sie Verlustanzeige erstattet hat. Die einberufene Hauptversammlung der Beklagten am 18.03.2004, in der die Verlustanzeige erstattet werden sollte, wurde verschoben. Diese Umstände deuten darauf hin, dass zum 30.12.2003 kein Verlust in Höhe des gesamten Grundkapitals der Beklagten vorlag.
Die Beklagte hätte sich dazu erklären müssen. Sie hat weder schriftsätzlich noch im Termin konkrete Angaben zum Verlust gemacht. Der Hinweis der Beklagten im Rahmen der Erörterung der Sach- und Rechtslage, sie sei bisher davon ausgegangen, dass der Verlust unstreitig sei, kann nicht nachvollzogen werden. Die Frage des Verlustes und der Nachvollziehbarkeit eines Verlustes sind zentrale Streitfragen zwischen den Parteien und wurden von beiden Klägern in ihren Schriftsätzen problematisiert. Die Sichtweise der Beklagten, die Darstellung des Verlustes bzw. der Nachvollziehbarkeit sei für sie unstreitig gewesen, ist in keiner Weise nachvollziehbar und wurde von dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten im Termin auch nicht hinreichend erläutert. Für die Beklagte musste sich der zentrale Streitpunkt aufdrängen. Daß die Beklagte diesen Streitpunkt erkannt hat, ergibt sich auch aus ihren - wenn auch dürftigen - Ausführungen in ihrem letzten Schriftsatz vor dem Termin. Sie hätte sich unter Berücksichtigung von § 282 ZPO dazu bei sorgfältiger Prozessführung erklären müssen. Falls die Prozessvertreter dies aufgrund unzutreffender Würdigung der Prozesslage nicht für erforderlich hielten, wäre dies der Beklagten nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnen. Dem Antrag der Beklagten, insoweit eine Erklärungsfrist einzuräumen, konnte daher unter Berücksichtigung von § 296 Abs. 2 ZPO nicht entsprochen werden.
Im Ergebnis kommt es darauf aber auch nicht entscheidend an, da der Kapitalherabsetzungsbeschluss auch wegen eines Verstosses gegen das Auskunftsrecht der Aktionäre gem. § 131 AktG gesetzeswidrig und damit unwirksam ist. Nach § 131 Abs. 1 Satz 1 AktG ist jedem Aktionär auf Verlangen in der Hauptversammlung vom Vorstand Auskunft über Angelegenheiten der Gesellschaft zu geben, soweit sie zur sachgemäßen Beurteilung des Gegenstandes der Tagesordnung erforderlich ist. Die Auskunft hat den Grundsätzen einer gewissenhaften und getreuen Rechenschaft zu entsprechen. Ob eine Auskunft zur sachgemäßen Beurteilung des Gegenstandes der Tagesordnung erforderlich ist, ist nach dem Standpunkt eines objektiv denkenden Aktionärs zu beurteilen. Für ihn muss die begehrte Auskunft ein für seine Urteilsfindung wesentliches Element bilden (vgl. Hüffer, AktG, 6. Aufl., § 131, Rdnr. 12 m.w.N.). Die vom Vorstand gegebenen Auskünfte müssen vollständig und richtig sein. Nach § 131 Abs. 5 AktG kann ein Aktionär verlangen, dass seine Fragen und der Grund, aus dem der Vorstand die Auskunft verweigert hat, in die Niederschrift nach § 130 AktG aufgenommen wird. Diese Regelung dient Beweiszwecken. Die aus der Auskunftsverweigerung resultierenden Rechtsfolgen sind von der Protokollierung in der Niederschrift unabhängig (vgl. Hüffer, a.a.O., Rdnr. 43). Beschlüsse, die gegen § 131 AktG verstoßen, sind anfechtbar.
Die Beklagte hat auf den Vortrag der Kläger, der Vorstand der Beklagten habe die Frage nach dem Namen der Person, die das freiwillige Angebot zum Erwerb von Bezugsrechten unterbreitet habe, die Frage nach dem Übernehmer des Kapitals aus der Kapitalerhöhung sowie nach etwaigen nicht gezeichneten Aktien sowie die Frage nach dem untestierten Jahresabschluss für 2002 trotz wiederholter Nachfrage nicht beantwortet, ausgeführt, das Fragerecht der Klägerin sei zu keiner Zeit verletzt worden, was auch dadurch deutlich werde, dass weder sie noch andere Aktionäre dies zu Protokoll gegeben haben. Im Termin vom 30.04.2004 hat die Beklagte ergänzend erklärt, dass bestritten werde, dass in der Hauptversammlung am 30.12.2003 Fragen offen geblieben seien. Die Beklagte hat insofern den protokollierenden Notar als Zeugen benannt. Dieser pauschale Vortrag der Beklagten ist unzureichend und nicht geeignet, den Vortrag der Kläger in Frage zu stellen. Die Beklagte hat nicht bestritten, dass die Kläger die vorbezeichneten Fragen gestellt haben. Sie hat ferner nicht erläutert, was der Vorstand der Beklagten in der Hauptversammlung am 30.12.2003 auf die Fragen erwidert hat. Aufgrund eigener Kenntnis konnte sich die Beklagte unter Berücksichtigung von § 138 Abs. 4 ZPO nicht darauf beschränken, die Nichtbeantwortung von Fragen zu bestreiten, sondern sie hätte darlegen müssen, welche Antworten gegeben worden sind. Darüber gibt auch das von der Beklagten vorgelegte Hauptversammlungsprotokoll keine Auskunft. Daraus kann entgegen der Ansicht der Beklagten aber nicht geschlossen werden, dass entsprechende Fragen der Kläger nicht gestellt bzw. gestellte Fragen ausreichend beantwortet wurden. Die Kläger hätten die Protokollierung der Fragen und die darauf gegebenen Antworten beantragen können. Für einen Verstoß gegen § 131 AktG ist dies jedoch ohne Belang.
Eine Verletzung des Auskunftsrechts liegt aber auch insofern vor, als der Vorstand der Beklagten zu zwei Punkten bereits in der Einladung zur Hauptversammlung und nachfolgend in der Hauptversammlung selbst falsche Angaben gemacht hat.
Bereits in der Einladung hat die Beklagte mitgeteilt, dass Großaktionäre der Gesellschaft ihre Absicht mitgeteilt hätten, an die Aktionäre, die sich an der Kapitalerhöhung nicht beteiligen wollen, ein freiwillges Angebot zum Erwerb von Bezugsrechten für die jungen Aktien zu einem noch festzusetzenden Preis zu veröffentlichen. Diese Erklärung hat der Vorstand der Beklagten in der Hauptversammlung vom 30.12.2003 wiederholt. Ferner hat der Vorstand der Beklagten in der Hauptversammlung erklärt, dass ein Ausschluss von Minderheitsaktionären gem. §§ 327 ff AktG nicht zu erwarten sei. Aus diesen Erklärungen konnte ein verständiger Aktionäre schließen, dass die Beklagte bereits zum Zeitpunkt der Beschlussfassung am 30.12.2003 bereits Großaktionäre für die Kapitalerhöhung gewonnen hatte und diese entsprechende Zusagen gemacht bzw. Absichten erklärt hatten. Tatsächlich hatte die Beklagte damals wie heute noch keine verbindlichen Zeichnungszusagen von Großaktionären hinsichtlich der Kapitalerhöhung, sondern sie hatte lediglich Gespräche mit Großinvestoren geführt, die ihre Zeichnungsbereitschaft unverbindlich erklärt hatten. Daher waren die vom Vorstand der Beklagten gemachten Angaben aus der Luft gegriffen und damit falsch. Die Beklagte hätte zum Ankauf von Bezugsrechten der Minderheitsaktionäre bzw. zum Squeeze-Out keine Angaben machen dürfen bzw. klarstellen müssen, dass neue Großinvestoren noch nicht verbindlich gewonnen seien und daher eine verlässliche Grundlage für die Erklärungen fehle. Dass die Beklagte bereits am 30.12.2003 Angaben hinsichtlich eines Squeeze-Out bzw. eines Erwerbs von Bezugsrechten Angaben ins Blaue gemacht hat, ergibt sich auch ohne weiteres aus dem ca. 1 Woche später veröffentlichten Bezugsangebot vom 08.01.2004. Darin ist keine Rede mehr davon, dass den Aktionären, die sich an der Kapitalerhöhung nicht beteiligen wollen, ein freiwilliges Angebot zum Erwerb von Bezugsrechten für die jungen Aktien zu einem noch festzusetzenden Preis angeboten wird. Im Gegenteil wird dort mitgeteilt, dass die Gesellschaft nach freiem Ermessen über die Zuteilung nicht bezogener Aktien entscheiden wird. Ferner wird in dem Bezugsangebot darauf hingewiesen, dass nicht auszuschließen sei, dass die Hauptversammlung der Gesellschaft einen Ausschluß der Minderheitsaktionäre nach § 327a ff. AktG beschließen wird, sofern einem Aktionär
95 % des Grundkapitals der Gesellschaft gehören wird (sog.: Squeeze-Out). Da sich die tatsächlichen Grundlagen zwischen dem 30.12.2003 und dem 08.04.2004 nicht geändert haben, das wurde jedenfalls nicht vorgetragen, sind die divergierenden Angaben der Beklagten nicht miteinander in Einklang zu bringen. Die Angaben der Beklagten in der Hauptversammlung vom 30.12.2003 waren daher falsch. Sie entsprachen nicht den Grundsätzen einer gewissenhaften und getreuen Rechenschaft.
Die von der Beklagten verweigerten bzw. falschen Auskünfte waren auch zur sachgemäßen Beurteilung der Beschlussvorlagen über die Kapitalherabsetzung bzw. der Kapitalerhöhung erforderlich. Für einen objektiv denkenden Aktionär war zunächst bezüglich der Kapitalherabsetzung erheblich, ob ein Jahresabschluss vorliegt und dieser gegebenenfalls vorgelegt werden kann. Ferner waren auch die übrigen Fragen nach dem neuen Großinvestor bzw. nach den Personen, die das freiwillige Angebot zum Erwerb von Bezugsrechten abgegeben haben, sowie die Frage nach einem Squeeze-Out erheblich. Von der Beantwortung dieser Fragen hängt das finanzielle Risiko ab, dass die Aktionäre bei der Genehmigung des Kapitalschnittes eingehen.
Bei dieser Sach- und Rechtslage kann daher offen bleiben, ob die angegriffenen Beschlüsse darüber hinaus noch aus den anderen von den Klägern vorgenannten Gründen unwirksam sind.
Wie bereits ausgeführt wurde, zieht die Unwirksamkeit des Herabsetzungsbeschlusses wegen der Verletzung der §§ 229, 131 AktG die Unwirksamkeit der in diesem Zusammenhang getroffenen Beschlüsse zu Ziffer 1, 2 b), c) und d) (Auflösung der Gewinnrücklagen, Kapitalerhöhung auf 20 Mio. EUR, Ermächtigung des Vorstandes und Satzungsänderung) nach sich. Gem. § 139 BGB ist das ganze Rechtsgeschäft nichtig, wenn ein Teil davon nichtig ist, soweit anzunehmen ist, dass das gesamte Rechtsgeschäft nicht ohne den nichtigen Teil vorgenommen sein würde. § 139 BGB ist auch auf Hauptversammlungsakte anwendbar (vgl. Hüffer, AktG, 6. Aufl., § 241 Rn. 6 mwN.). Sämtliche angegriffenen Beschlüsse bilden eine Einheit. Die Gewinnrücklage ist im Hinblick auf § 229 Abs. 2 AktG aufgelöst worden. Die Kapitalerhöhung erfolgte zwingend im Hinblick auf die Kapitalherabsetzung. Die Vorstandsermächtigung bezieht sich auf die Kapitalherabsetzung und dementsprechend auf die Kapitalerhöhung. Dasgleiche gilt für die Änderung der Satzung. Ohne den Kapitalherabsetzungsbeschluss verlieren die übrigen Beschlüsse ihren Sinn. Daher kann nicht davon ausgegangen werden, dass die übrigen Beschlüsse selbständig Bestand haben sollten.
Der darüber hinausgehende Antrag der Klägerin zu 2) auf Feststellung, dass die in der Hauptversammlung der Beklagten vom 30.12.2003 zu dem Tagesordnungspunkten 1) und 2) gefassten Beschlüsse nicht mit der erforderlichen Mehrheit gefasst worden sind, ist unbegründet.
Die Klägerin zu 2) hat Verstöße bei der Stimmabgabe nicht plausibel dargelegt.
Gem. § 229 Abs. 3 AktG i.V.m. § 229 Abs. 1 AktG und § 133 Abs. 1 AktG war für den Kapitalherabsetzungsbeschluss eine qualifizierte Mehrheit von 3/4 des bei der Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals erforderlich. Diese erforderliche Mehrheit lag vor.
Soweit die Klägerin zu 2) einwendet, es habe keine ausreichende Präszenzkontrolle stattgefunden, ferner seien Eintrittskarten doppelt ausgegeben worden, wird die erforderliche Stimmmehrheit nicht in Frage gestellt. Die Schwierigkeiten bei der Präsenzkontrolle in der Hauptversammlung vom 30.12.2003 werden durch die Versammlungsniederschrift bestätigt. Aus diesem Grunde erfolgte bezüglich der Stimmenauszählung ein Wechsel von dem sogenannten Differenzverfahren zum sogenannten Additionsverfahren, d. h. die Ja- und die Nein-Stimmen wurden separat ausgezählt. Beeinflussungen des Abstimmergebnisses durch Ausgabe von doppelten Eintrittskarten können dabei ausgeschlossen werden, da laut Hauptversammlungsniederschrift zu Beginn der Hauptversammlung eine Zutrittskontrolle erfolgte, auf deren Grundlage das Teilnehmerverzeichnis aufgestellt und Stimmkarten ausgegeben wurden. Anhaltspunkte dafür, dass das Teilnehmerverzeichnis falsch ist und Stimmkarten doppelt ausgegeben wurden, liegen nicht vor.
Ferner kann nicht davon ausgegangen werden, dass einige Großaktionäre bei den Abstimmungen am 30.12.2003 gem. § 28 WPHG nicht stimmberechtigt waren. Nach § 21 WPHG sind Personen, die 5%, 10%, 25%, 50% oder 75% der Stimmrechte einer börsennotierten Gesellschaft erreichen, überschreiten oder unterschreiten, verpflichtet, der Gesellschaft sowie der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht unverzüglich die Erreichung, Überschreitung oder Unterschreitung des jeweiligen Schwellenwertes mitzuteilen. Falls diese Pflicht nicht erfüllt wird, ruhen die Stimmrechte nach § 28 WPHG. Die Kläger haben nicht vorgetragen, dass die in der Hauptversammlung vertretenen Aktionäre die Schwellenwerte nach § 21 abs.1 WPHG überschritten haben. Die Klägerin zu 2) hat lediglich beanstandet, dass in dem vorgelegten Auszug nicht die Personen gemeldet seien, die das Stimmergebnis in der Beschlussfassung der Hauptversammlung vom 30.12.2003 herbeigeführt haben. Das mag richtig sein. Das besagt allerdings noch nichts darüber, ob die Personen, die laut Teilnehmerverzeichnis an der Hauptversammlung teilgenommen und abgestimmt haben, meldepflichtig im Sinne von § 21 WPHG waren. Zwar weist das Teilnehmerverzeichns einige Aktionäre aus, die die 5%- bzw. 10 % -Schwelle überschritten haben, doch kann daraus nicht zwingend gefolgert werden, dass sie meldepflichtig waren. Selbst wenn die dort genannten Personen Inhaber der Aktien waren, heißt das nicht zwingend, dass sie meldepflichtig waren. Falls sie die Aktien beispielsweise für Rechnung eines Dritten gehalten haben, ist der Dritte gem. § 22 Abs. 1 Nr. WPHG meldepflichtig. Die Kläger haben sich dazu nicht geäußert. Auf dieser Grundlage können daher Beschlüsse gegen die Mitteilungspflichten nach WPHG nicht festgestellt werden.
Die nach dem Termin eingegangenen Schriftsätze der Klägerin zu 2) vom 03.05.2004 und der Beklagten vom 07.05.2004, 17.05.2004 und 21.05.2004 geben keine Veranlassung zu einer Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung oder zu einer abweichenden Entscheidung.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 709 ZPO.
Der Beklagten waren die gesamten Prozesskosten aufzuerlegen. Der Feststellungsantrag, mit dem die Klägerin zu 2) unterlegen ist, ist im Verhältnis zum Gesamtstreitgegenstand verhältnismäßig geringfügig und hat auch nur geringfügig höhere Kosten veranlasst.
Streitwert:
für die Anträge Ziffer 1) und 2): 500.000,00 EUR
für den Ergänzungsantrag der
Klägerin zu 2): 10.000,00 EUR
LG Köln:
Urteil v. 04.06.2004
Az: 82 O 10/04
Link zum Urteil:
https://www.admody.com/gerichtsentscheidung/c47a70e13d4a/LG-Koeln_Urteil_vom_4-Juni-2004_Az_82-O-10-04