Bundespatentgericht:
Beschluss vom 26. Juli 2001
Aktenzeichen: 25 W (pat) 50/01
(BPatG: Beschluss v. 26.07.2001, Az.: 25 W (pat) 50/01)
Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung
Das Bundespatentgericht hat in einem Beschluss vom 26. Juli 2001 (Aktenzeichen 25 W (pat) 50/01) entschieden, dass die Anmeldung der Marke "res politica" für Dienstleistungen im Bereich der Politikberatung und politikwissenschaftlichen Forschung nicht zurückgewiesen werden darf. Die Markenstelle hatte die Anmeldung zuvor aufgrund fehlender Unterscheidungskraft abgelehnt. Das Gericht argumentiert jedoch, dass die Wortzusammenstellung "res politica" von den meisten deutschen Verkehrskreisen nicht verstanden wird, da diese nicht über ausreichende Lateinkenntnisse verfügen. Die Bezeichnung kann daher als unterscheidungskräftiges Zeichen für das Unternehmen angesehen werden. Das Gericht hebt hervor, dass Wörter toter Sprachen im Allgemeinen schutzfähig sind, es sei denn, sie sind in den allgemeinen Sprachschatz übergegangen oder werden auf dem beanspruchten Gebiet als Fachsprache verwendet. Da dies hier nicht der Fall ist, wird die Eintragung der Marke zugelassen. Es wird jedoch darauf hingewiesen, dass die angemeldete Bezeichnung nur insoweit Schutz genießt und andere Mitbewerber nicht an der Verwendung einzelner Wortelemente in anderer Form gehindert sind.
Die Gerichtsentscheidung im Volltext:
BPatG: Beschluss v. 26.07.2001, Az: 25 W (pat) 50/01
Tenor
Auf die Beschwerde des Anmelders wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 42 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 10. November 1999 aufgehoben.
Gründe
I.
Die Bezeichnungres politicaist am 16. Juni 1998 für die Dienstleistungen "Politikberatung für Parteien, Verbände, Unternehmen; Politikwissenschaftliche Forschung" angemeldet worden.
Die Markenstelle für Klasse 42 des Deutschen Patent- und Markenamts hat nach Beanstandung die Anmeldung wegen des Fehlens jeglicher Unterscheidungskraft § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG zurückgewiesen. Die angemeldete Bezeichnung enthalte eine den Regeln der lateinischen Sprache entsprechende Zusammenstellung des Hauptwortes "res" für "Sache, Ding Gegenstand" und des allgemeinverständlichen Adjektivs "politicus" für "politisch", "zur Staatswissenschaft gehörend" und erschließe sich in seinem Bedeutungsgehalt einem beachtlichen Teil des hier angesprochenen Publikums, welches einen hohen Bildungsgrad und Grundkenntnisse der Lateinischen Sprache aufweise. Es handele sich deshalb um eine zumindest dem gebildeten Betrachter spontan erschließende fremdsprachige Beschreibung von Eigenschaften der beanspruchten Dienstleistungen, die zwar lexikalisch nicht belegbar sei, aber nichts Phantasievolles enthalte und nur als Hinweis auf die Art der beanspruchten Dienstleistungen verstanden werde.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Anmelders mit dem (sinngemäßen) Antrag, den angefochtenen Beschluss aufzuheben.
Da es sich um eine "tote" Sprache handele, könne hieran ein Freihaltebedürfnis für den (zukünftigen) Gebrauch nur festgestellt werden, wenn diese üblicherweise auf dem beanspruchten Dienstleistungssektor zur Bildung von Fachausdrücken verwendet werde. Diese Voraussetzungen seien nicht gegeben, da die lexikalisch nicht nachweisbare Wortschöpfung "res politica" weder ein gegenwärtiger, allgemein oder fachsprachlich üblicher beschreibender Begriff sei noch üblicherweise neue Fachausdrücke auf dem in Frage kommenden Dienstleistungssektor entsprechend gebildet würden. Im übrigen sei die beanspruchte Wortfolge für den überwiegenden Teil der deutschen Verkehrskreise nicht verständlich, so dass dieser selbst dann Unterscheidungskraft zukomme, wenn das angesprochene Publikum der Wortschöpfung "res politica" einen warenbeschreibender Gehalt iSv "politische Sache" entnehmen könnten. Denn auch die von der Markenstelle angesprochenen "gebildeten" Verkehrskreise beherrschten mehrheitlich nicht die lateinische Sprache, so dass sich den maßgeblichen Verkehrskreisen, zu denen im übrigen auch "jedermann" zähle, die Bedeutung der fremdsprachigen Bezeichnung nicht erschließe. Aber selbst wenn der angemeldeten Bezeichnung ein entsprechender Sinngehalt zugeordnet werden könnte, sei die konkrete Wortneuschöpfung, anders als ihr Bedeutungsgehalt, nicht freihaltebedürftig und von unterscheidungskräftiger Eigenart.
Wegen der Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss der Markenstelle sowie auf den Inhalt der Verfahrensakten Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde der Anmelderin ist zulässig. Sie hat auch in der Sache Erfolg, da nach Auffassung des Senats der Eintragung der angemeldeten Marke "res politica" für die beanspruchten Dienstleistungen keine absoluten Schutzhindernisse im Sinne von § 8 Abs 2 Nr 1 und Nr 2 MarkenG entgegen.
Nach § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG sind solche Zeichen von der Eintragung ausgeschlossen, die ausschließlich aus Angaben bestehen, die im Verkehr (ua) zur Bezeichnung der Beschaffenheit oder sonstiger Merkmale der Waren oder Dienstleistungen oder deren Bestimmung dienen können und die deshalb einem berechtigten Bedürfnis der Allgemeinheit, insbesondere der Mitbewerber an der freien Verwendbarkeit unterliegen. Ein derartiges konkretes Freihaltebedürfnis im Sinne von § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG kann in Bezug auf die beanspruchten Dienstleistungen "Politikberatung für Parteien, Verbände, Unternehmen; Politikwissenschaftliche Forschung" nicht festgestellt werden, auch wenn eine vom Senat zusätzlich durchgeführte Internet-Recherche dafür spricht, dass die Wortzusammenstellung "res politica" in einem klassischen Text des römischen Autors M. Fabius Quintilianus (Institutio oratoria X) aufzufinden ist und deshalb keine Wortneuschöpfung, sondern eine möglicherweise dem früheren, lateinischen Sprachgebrauch entsprechende Bezeichnung im Sinne von "politischer Sache" darstellt.
Schon in Fällen fremdsprachiger Marken lebender Sprachen dürfen fremdsprachige Bezeichnungen nicht schematisch ihren (jeweiligen) deutschen Übersetzungen markenrechtlich gleichgestellt werden. Ein nur theoretisches, auf Lexikonwissen beruhendes Freihaltebedürfnis reicht deshalb zur Feststellung von Schutzhindernissen nicht aus. Es sind vielmehr die Besonderheiten des jeweiligen Sprachraums, insbesondere das Sprachverständnis und der Sprachgebrauch zu berücksichtigen (vgl Althammer/Ströbele MarkenG, 6. Aufl., § 8 Rdn 88, 131-134). Umso mehr ist auch bei sogenannten "toten" Sprachen insbesondere die Feststellung erforderlich, dass die fragliche Bezeichnung tatsächlich im Geltungsbereich des MarkenG dem originären (beschreibenden) Sprachverständnis entspricht und zur freien Verwendbarkeit als beschreibende Angabe in Bezug auf die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen gegenwärtig oder zukünftig benötigt wird (vgl allgemein auch BGH MarkenG 2001, 209, 211 - Test it; Althammer/Ströbele MarkenG, 6. Aufl., § 8 Rdn 74, 75 mit weiteren Hinweisen) wie sich umgekehrt auch eine vom originären Sprachgebrauch lösgelöste eigenständige (beschreibende) Begrifflichkeit bei fremdsprachigen Wörtern entwickeln kann (zB Handy).
Hierbei ist davon auszugehen, dass Wörter toter Sprachen im Allgemeinen schutzfähig sind, wenn nicht ausnahmsweise die Begriffe - als Ganzes oder in ihren Wortstämmen - in den allgemeinen Sprachschatz übergegangen sind oder auf den für die Markenanmeldung beanspruchten Gebieten als Fachsprache verwendet wird (vgl Althammer/Ströbele MarkenG, 6. Aufl., § 8 Rdn 141 mwN). Es bedarf deshalb nach ständiger Rechtsprechung auch vorliegend der Feststellung, ob es sich bei "res Politika" um ein Wort des allgemeinen Sprachschatzes handelt oder ob der lateinische Wortschatz auf dem hier beanspruchten Dienstleistungsbereich üblicherweise zur Bildung von Fachausdrücken verwendet wird und weiterlebt, also an einer sprachlichen Fortentwicklung teilhat. Dies kann jedoch vorliegend - anders als dies zB bei dem lateinischen Begriff "res publica" und im Gegensatz zu der Verwendung lateinischer Fachbezeichnungen zB im medizinischen Bereich - für den Dienstleistungsbereich der Politikwissenschaften bzw Politikberatung nicht mit hinreichender Sicherheit festgestellt werden (vgl auch BPatG GRUR 1998, 58, 59 - JURIS LIBRI; BPatG Mitt 1983, 115 - LEGALITER), auch wenn der Senat im Internet in einem Fall eine beschreibende Verwendung der Wortzusammenstellung "politica res" in einem politischen Bericht (Streitblatt Dez/Jan 99/00: Blüm und Geißler im Sudan) nachweisen konnte. Eine derart vereinzelter Gebrauch reicht jedoch als hinreichend konkreter Anhaltspunkt für die Annahme eines gegenwärtigen oder zukünftiges Freihaltungsinteresses an der Verwendung der konkret angemeldeten Gesamtbezeichnung nicht aus (vgl hierzu auch BPatG Mitt 1983, 115, 116 - LEGALITER).
Der angemeldeten Marke kann auch nicht die Eignung abgesprochen werden, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefasst zu werden, mithin Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG aufzuweisen (vgl hierzu BGH BlPMZ 2000, 332, 333 - LOGO - mwN; BGH MarkenR 2001, 209, 210 - Test it). Insoweit ist es nicht maßgeblich, welcher Begriffsgehalt hier etwa rein sprachwissenschaftlich der Bezeichnung "res politica" bei Übersetzung in die deutsche Sprache objektiv zugeordnet werden kann. Denn es ist zu berücksichtigen, dass die angesprochenen Verkehrskreisen mangels ausreichender Sprachkenntnisse diesen Begriffsinhalt nicht in hinreichendem Umfang erkennen werden und deshalb aus ihrer Sicht die angemeldete Bezeichnung nicht den Eindruck einer sachbezogenen, sondern zumindest auch einer betriebsbezogenen Information vermittelt (vgl Althammer/Ströbele, MarkenG, 6. Aufl., § 8 Rdn; BGH MarkenR 2000, 420, 421 - RATIONAL SOFTWARE CORPORATION). Insoweit weist der Anmelder zutreffend darauf hin, dass die angesprochenen Verkehrskreise, selbst wenn sie zu dem vorliegend eher angesprochenen Fachpublikum zählen und erhebliche Teile dieses Publikums eine gewisse Kenntnis der lateinischen Sprache aufweisen, den Sinngehalt des lexikalisch nicht nachweisbaren und auch im heutigen Sprachgebrauch weder allgemein noch als Fachbegriff üblichen lateinischen Ausdrucks "res politica" nicht ohne weiteres, insbesondere nicht ohne analysierende Betrachtung, erfassen und eher nur eine vage Vorstellung von der begrifflichen Bedeutung der ihnen nicht geläufigen Bezeichnung besitzen werden. Anders als bei häufig verwendeten lateinischen Fachbegriffen zB in der Medizin, besteht für den hier angesprochenen Personenkreis auch weniger Veranlassung in der angemeldeten Bezeichnung einen Sachbegriff zu sehen, dessen genaue Bedeutung er nicht kennt, hinter dem er aber dennoch wegen seiner häufigen Verwendung und/oder wegen des generellen Gebrauchs lateinischer Fachausdrücke durch den Fachverkehr im einschlägigen Waren- oder Dienstleistungsbereich eine Sachbezeichnung vermutet.
Die Ungebräuchlichkeit der Sprachform der angemeldeten Bezeichnung trägt deshalb nicht unerheblich zur Begründung markenrechtlicher Unterscheidungskraft bei, ohne dass es zusätzlich eines weiteren Phantasieüberschusses oder sonstiger besonderer Auffälligkeiten bedürfte (vgl auch zu Art. 7 Abs 1 Buchst c GMV EuG MarkenR 2001, 181, 184 Ziff 39 und Ziff 40 - EASYBANK), zumal grundsätzlich von einem großzügigen Maßstab auszugehen ist, d.h. jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft ausreicht, um das Schutzhindernis des § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG zu überwinden (vgl BGH MarkenR 2000, 420, 421 - RATIONAL SOFTWARE CORPORATION). Hiermit korrespondiert, dass die konkret beanspruchte Gesamtbezeichnung nicht nur für die Beurteilung der Schutzfähigkeit der angemeldeten Marke maßgebend ist (vgl auch Althammer/Ströbele MarkenG, 6. Aufl., § 8 Rdn 142, auf die "konkrete Eigenprägung des Gesamtausdrucks" hinweisend), sondern dass - wie die Anmelderin bereits ausgeführt hat - die angemeldete Bezeichnung auch nur insoweit Schutz genießt und deshalb andere Mitbewerber nicht an der (beschreibenden) Verwendung einzelner Wortelemente oder inhaltsgleicher Angaben in anderer Form gehindert sind (vgl auch HABM MarkenR 2000, 296, 299, Ziff 22 - MEGATOURS).
Auf die Beschwerde des Anmelders war deshalb der angefochtene Beschluss aufzuheben.
Kliems Brandt Engels Ja
BPatG:
Beschluss v. 26.07.2001
Az: 25 W (pat) 50/01
Link zum Urteil:
https://www.admody.com/gerichtsentscheidung/c5640060b236/BPatG_Beschluss_vom_26-Juli-2001_Az_25-W-pat-50-01