Oberlandesgericht Braunschweig:
Urteil vom 12. September 2002
Aktenzeichen: 2 U 24/02
(OLG Braunschweig: Urteil v. 12.09.2002, Az.: 2 U 24/02)
Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung
Das Oberlandesgericht Braunschweig hat in einem Urteil vom 12. September 2002 (Aktenzeichen 2 U 24/02) entschieden, dass ein Beklagter unter Androhung einer Geldstrafe oder Haftstrafe dazu verurteilt wird, eine bestimmte Werbung zu unterlassen. In der Werbung warb der Beklagte für rechtsanwaltliche Beratung im Internet und bot eine kostenlose Anfrage an, auf die ein Kostenvoranschlag folgen sollte. Allerdings stellte sich heraus, dass bei Interessenten mit Rechtsschutzversicherung eine Beratung erfolgt, ohne dass der Interessent weitere Schritte unternehmen muss.
Die Kläger, die bereits viele Abmahnungen gegen andere Rechtsanwälte im Internet ausgesprochen hatten, klagten gegen den Beklagten und waren der Meinung, dass die Werbung irreführend sei. Das Gericht stellte fest, dass die Werbung des Beklagten nicht gegen § 43 b BRAO (Berufsordnung der Rechtsanwälte) verstoße, da sie sachlich und nicht auf die Erteilung eines Auftrags im Einzelfall abziele. Dies gelte auch für die Verfolgung von Wettbewerbsverstößen durch Mitbewerber.
Allerdings sei die Werbung in einem Punkt irreführend: Die Interessenten bekämen den Eindruck, dass ihre Anfrage nur zu einem unverbindlichen Kostenvoranschlag führe und erst bei weiterem Tätigwerden ihrerseits ein Beratungsmandat zustande komme. Dies sei jedoch bei rechtsschutzversicherten Interessenten nicht der Fall, da dort eine Beratung ohne weiteres Tätigwerden erfolge. Daher müsse der Beklagte die Werbung in dieser Form unterlassen.
Die Kläger hatten außerdem geltend gemacht, dass die Werbung irreführend sei, da der Beklagte suggeriere, dass mehrere Rechtsanwälte an der Online-Rechtsberatung beteiligt seien. Das Gericht entschied jedoch, dass dies nicht der Fall sei und dass die Werbung daher nicht irreführend sei.
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass das Gericht die Klage der Kläger nur teilweise für begründet hielt und den Beklagten nur zur Unterlassung der irreführenden Werbung bei rechtsschutzversicherten Interessenten verurteilte. Die Kosten des Rechtsstreits wurden zu drei Vierteln den Klägern auferlegt und zu einem Viertel dem Beklagten. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar und eine Revision wurde nicht zugelassen.
Die Gerichtsentscheidung im Volltext:
OLG Braunschweig: Urteil v. 12.09.2002, Az: 2 U 24/02
Tenor
Der Beklagte wird unter Androhung eines für jeden Fall der schuldhaften Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, verurteilt, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken für rechtsanwaltliche Beratung wie folgt zu werben:
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soweit rechtsschutzversicherte Interessenten zur Angabe der Daten ihrer Rechtsschutzversicherung aufgefordert werden und mit Erteilung der Deckungszusage durch die Rechtsschutzversicherung ohne weiteres Tätigwerden des Interessenten eine Beratung erfolgt.
Die weitergehende Klage bleibt abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Kläger 3/4 und der Beklagte 1/4.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Die Kläger sind mit 11.250 € und der Beklagte ist mit 3.750 € beschwert.
Gründe
Es ist gemäß § 26 Nr. 5 EGZPO die ZPO in der neuen Fassung anzuwenden. Hinsichtlich des Sachverhalts wird auf das angefochtene Urteil und die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen. Die zulässige Berufung der Kläger ist nur zum Teil begründet. Die angegriffene Werbung des Beklagten im Internet enthält keine gemäß § 43 b BRAO verbotene Werbung um die Erteilung eines Auftrags im Einzelfall und war auch nicht deshalb irreführend, weil zunächst nur der Beklagte für zwei Rechtsgebiete genannt wurde. Es liegt jedoch darin eine Irreführung, dass der Interessent den Eindruck erhält, dass eine Anfrage lediglich zu einem unverbindlichen Kostenvoranschlag führt und erst auf weiteres Tätigwerden des Interessenten ein Beratungsmandat zustande kommt, was jedoch bei rechtsschutzversicherten Interessenten nicht der Fall ist.
Die Unterlassungsklage ist zulässig, denn entgegen der Ansicht des Beklagten sind die Kläger gemäß § 13 II Nr. 1 UWG klagebefugt. Es besteht ein Wettbewerbsverhältnis zwischen den Parteien, denn der Beklagte wendet sich im Internet bundesweit an potentielle Mandanten, so dass auch ein Konkurrenzverhältnis zu den in Berlin tätigen Klägern besteht. Auch wenn die Kläger tatsächlich, wie der Beklagte in erster Instanz behauptet hat, sehr viele Abmahnungen gegen im Internet auftretende Rechtsanwälte ausgesprochen haben, ergibt sich daraus nicht, dass die Geltendmachung der Ansprüche missbräuchlich wäre, zumal unstreitig ist, dass die Kläger ihre Abmahnungen nicht mit Gebührenforderungen verbinden.
Zwar wendet der BGH (06. 04. 2000, WRP 2000, 1269, 1271 - Missbräuchliche Mehrfachverfolgung - und GRUR 2001, 82 - Neu in Bielefeld I -) § 13 Abs. 5 UWG auch auf eine Verfolgung von Wettbewerbsverstößen durch Mitbewerber an, um auf diesem Wege Fälle auszuschließen, in denen die Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen unter Berücksichtigung der gesamten Umstände missbräuchlich ist, und zwar etwa auch weil das Vorgehen von einer unzulässigen Gebührenerzielungsabsicht getragen wird. Dazu ist aber stets erforderlich, dass dieses sachfremde Ziel das die Verfahrenseinleitung beherrschende Motiv ist und die wettbewerbsrechtlichen Absichten daneben nur zweitrangig sind. Insoweit gilt, dass der Umfang der Verfolgung von Wettbewerbsverstößen als solcher regelmäßig noch nicht auf einen Missbrauch schließen lässt, für eine etwaige Indizwirkung also eher indifferent ist (OLG Köln 15. 01. 1993 GRUR 1993, 571; Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 22. Aufl., § 13 UWG Rn. 47).
Dahingehende Missbrauchsgesichtspunkte, dass etwa die Abmahntätigkeit der Kläger umfangreicher ist als ihre eigene Geschäftstätigkeit als Rechtsanwälte oder dass die durch Verfolgung von Wettbewerbsverstößen erzielten Einnahmen deutlich höher liegen als ihre Geschäftsumsätze (dazu Pastor/ Ahrens/ Jestaedt, Der Wettbewerbsprozess, 4. Aufl., Kap. 25 Rn. 14), ist nichts aufgezeigt. Bei welchem von mehreren zuständigen Gerichten die Kläger klagen, steht ihnen frei. Ein Missbrauch liegt insofern nicht vor.
Ein Anspruch auf Unterlassung des beanstandeten Internetauftritts gemäß § 1 UWG wegen Verstoßes gegen § 43 b BRAO besteht entgegen der Ansicht der Kläger nicht. Nach § 43 b BRAO ist Werbung dem Rechtsanwalt erlaubt, soweit sie über die berufliche Tätigkeit in Form und Inhalt sachlich unterrichtet und nicht auf die Erteilung eines Auftrages im Einzelfall gerichtet ist. Bei dem streitigen Internetauftritt handelt es sich um Werbung. Das Sachlichkeitsgebot ist nicht verletzt. Es liegt auch keine gemäß § 43 b BRAO verbotene Mandatswerbung im Einzelfall vor.
Selbst bei Wahrung des Sachlichkeitsgebots hat der Gesetzgeber dem Rechtsanwalt zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit der Rechtspflege eine direkte Mandatswerbung nach wie vor verwehren wollen, um der häufig naheliegenden Gefahr zu begegnen, dass einem potentiellen Mandanten auf unlautere oder zumindest bedenkliche Weise anwaltliche Dienstleistungen aufgedrängt werden. Das kann seinen Grund darin haben, dass durch die Art der Ansprache die Entscheidungsfreiheit des Mandanten nicht mehr hinreichend gewahrt wird, aber auch darin, dass die Werbeaussage die anwaltliche Tätigkeit ihres Charakters als Dienst am Recht entkleidet und sie auf diese Weise mit sonstigen gewerblichen Dienstleistungen auf eine Stufe stellt (Henssler/ Prütting/Eylmann, BRAO § 43 b Rn. 11).
Für Werbemaßnahmen, die individuell an den Empfänger adressiert wurden, hat der BGH angenommen, dass eine verbotene direkte Mandatswerbung dadurch geprägt wird, dass es bei ihr um unmittelbar auf Erteilung eines Auftrages in einem konkreten Einzelfall gerichtete Maßnahmen gehen muss, diese also speziell daran anknüpfen, dass jedenfalls einzelne der angesprochenen Werbeempfänger eine Beratung oder Vertretung in einer bestimmten rechtlichen Angelegenheit bedürfen, und darauf abzielen, den so angesprochenen Beratungs- oder Vertretungsbedarf zielgerichtet auf den Werbenden hin zu kanalisieren (vgl. BGH 01. 03. 2001 NJW 2001, 2087, 2089; 15. 03. 2001 WM 2001, 1870, 1872). Die Grenze, ob die Werbung auf die Erteilung eines Auftrages im Einzelfall gerichtet ist, zieht der BGH (Urteil vom 15. 03. 2001 WM 2001, 1870, 1872) danach, ob einzelne der angesprochenen Werbeempfänger eine Beratung oder Vertretung in einer bestimmten rechtlichen Angelegenheit benötigen und der Werbende sie aus diesem Grunde gezielt anspricht, oder ob er sich mit seiner Werbung nur an Personen wenden will, bei denen er ein generelles Interesse an seinen Leistungen erwarten darf und sie deshalb als Auftraggeber zu gewinnen hofft.
Bei Anlegung dieses Maßstabes wird das bloße Versenden von Serienrundschreiben oder Kanzleibroschüren an eine Vielzahl von Personen, auch wenn sie bislang nicht zum Mandantenkreis gehört haben, mit Recht jedenfalls dann als zulässig erachtet, wenn diese Werbemittel sich darauf beschränken, die jeweilige Kanzlei mit dem darin anzutreffenden Beratungsangebot vorzustellen. Ebenso wenig ist Anlass zur Beanstandung gesehen worden, wenn dem Serienrundschreiben eine Antwortkarte beigefügt war, mittels derer bei Bedarf nähere Informationen über die werbende Anwaltskanzlei angefordert werden konnten (OLG Stuttgart 21. 03. 1997 NJW 1997, 2529 ff.).
Anders verhält es sich hingegen, wenn die Werbemaßnahme eine zielgerichtete Ausrichtung auf Personen enthält, die zum angesprochenen Themenkreis einen konkreten Beratungs- oder Vertretungsbedarf haben, oder wenn die auf bestimmte rechtliche Gestaltungsmöglichkeiten abzielende Werbeinformation in einen als Aufforderung zur direkten Aufnahme eines Beratungskontakts hinauslaufenden Hinweis mündet (OLG Düsseldorf 22. 09. 1997 NJW-RR 1999, 136; 24. 11. 1998 NJW-RR 1999, 1076, 1077 f.). Schließlich wird es auch als ein Fall der unzulässigen offenen Mandatswerbung angesehen, nach Art eines Bereitstellens von Stapelvollmachtsformularen in der Internet-Werbung die Möglichkeit zu bieten, sich Vollmachtsformulare zwecks Beauftragung der werbenden Kanzlei ausdrucken zu lassen (Jessnitzer/ Blumberg, BRAO 9. Aufl., § 43 b Rn. 12 a.E.).
Diese Grundsätze hat der Senat auch für Werbemaßnahmen im Internet angewandt, die allgemein an Internetnutzer adressiert waren (2 U 17/01 Urteil vom 25.10.2001 €Scheidung-Online€). Er hat es als Verstoß gegen § 43 b BRAO angesehen, wenn der Internetauftritt eines Rechtsanwalts durch die Möglichkeit gekennzeichnet ist, mit dem Rechtsanwalt wegen einer bestimmten Einzelfallvertretung in Kontakt zu treten, und er zu diesem Zweck mit einem Link versehen worden ist, dessen Anklicken unmittelbar zu einem Antragsformular für die Durchführung einer Scheidung führt, welches zugleich einen dahingehenden Prozessauftrag an den Beklagten mit entsprechender Vollmachtserteilung vorsieht.
In jenem Fall war die Internet-Werbung in der angegriffenen Passage zielgerichtet auf eine direkte Mandatserteilung hin zugeschnitten. Die Werbung war deutlich von der Absicht getragen, den bestehenden Beratungs- und Vertretungsbedarf derjenigen Personen, die die Homepage aufrufen, mit unübersehbarem Aufforderungscharakter gleichsam mundgerecht zu einem alsbald von ihm abzuwickelnden Prozessauftrag hinzuführen. Die direkte Einbettung des Auftragsformulars in die Internet-Werbung €Scheidung-Online€ und die dadurch für den Adressatenkreis unmittelbar aus den Werbeaussagen abzuleitende Aufforderung, Prozessauftrag für die beworbene Scheidungsdurchführung zu erteilen, hat der Senat als die in § 43 b BRAO gezogenen Grenzen für ein anwaltliches Werbeverhalten überschreitend angesehen.
Anders als bei €Scheidung-Online€ wendet sich der hier streitgegenständliche Internetauftritt nicht an Ratsuchende mit einem speziellen Rechtsproblem oder in einer bestimmten Beratungssituation, sondern an eine unbestimmte Vielzahl von Interessenten an juristischem Rat ganz allgemein, kanalisiert allenfalls noch auf die dort genannten recht allgemein gehaltenen Rechtsgebiete, den Tätigkeits- und Interessenschwerpunkten vergleichbar. Insofern ist sie nicht anders zu bewerten als die Werbung durch ein Praxisschild oder die Eintragung in Branchenverzeichnisse oder die Teilnahme an Anwaltssuchdiensten. Der Internetnutzer geht mit einem dem werbenden Anwalt nicht bekannten Problem selbst auf den Rechtsanwalt zu.
Zwar enthält der Internetauftritt des Beklagten ein Formular für die Kontaktaufnahme und die Darstellung der Rechtsprobleme, für die Beratungsbedarf besteht. Damit wird nach seinem Wortlaut jedoch nur die Erstellung eines Kostenvoranschlags angefordert, ohne dass, wie auch erläutert, ein Mandatsverhältnis zustande kommt. Erst mit Zahlung des angeforderten Kostenvorschusses kommt dann vereinbarungsgemäß der Anwaltsvertrag zustande. Nach den Informationen auf der Homepage wird die Anfrage 2 Wochen nach Übermittlung des Kostenvoranschlags gelöscht. Wie das Landgericht zutreffend ausführt, hat der Rechtssuchende unter diesen Umständen bei dem anonymen Medium Internet weniger Probleme, den Rechtsanwalt nach Erhalt des Kostenvoranschlags nicht weiter zu beauftragen. Er muss lediglich untätig bleiben.
Dabei spielt es entgegen der Auffassung der Kläger keine Rolle, dass Rechtsanwälte nach einer gesetzlichen Gebührenordnung abrechnen, was vielen Ratsuchenden bekannt ist. Zum einen bietet die BRAGO noch gewisse Spielräume. Im übrigen ist die Höhe von gesetzlich festgelegten Gebühren nur dann für den Rechtssuchenden ohne Bedeutung, wenn er eine Beratung über ein Rechtsproblem unabhängig von der Höhe der Kosten wünscht. Gerade bei weniger gewichtigen Problemen sind die Kosten der Beratung von hoher Bedeutung für die Frage, ob überhaupt eine professionelle Beratung in Anspruch genommen wird. Eine €Online-Rechtsberatung€ über das Internet wendet sich jedoch gerade auch an diese Ratsuchenden.
Ein Anspruch auf Unterlassung des beanstandeten Internetauftritts gemäß §§ 3, 1 UWG wegen Irreführung über die Anzahl der beteiligten Rechtsanwälte besteht entgegen der Ansicht der Kläger nicht. Rechtssuchende Internetnutzer bekommen beim Aufrufen der ersten Seite unter €www.anwaltsberatung-online.de€ durch die Formulierung €§ Online-Rechtsberatung durch zugelassene Rechtsanwälte §€ zwar den Eindruck, dass dort mehrere Rechtsanwälte zu ermitteln sind, die auf verschiedenen Rechtsgebieten €Online-Rechtsberatung€ anbieten. Zu Beginn des Internetauftritts war der Beklagte unstreitig der einzige Rechtsanwalt, der beim Anklicken der verschiedenen Seiten zu den verschiedenen Rechtsgebieten bei 2 Rechtsgebieten genannt wurde.
Entgegen der Ansicht der Kläger geht es bei der Frage, ob darin eine Irreführung liegt, nicht um die Frage, ob es sich um Einzelanwälte oder Sozietäten handelt, da eine Liste verschiedener Einzelanwälte den Erwartungen genügen würde. Eine besondere über die bloße gemeinsame Werbung für Online-Rechtsberatung hinausgehende Zusammenarbeit wird entgegen der Ansicht der Kläger nicht behauptet. Der Internetauftritt wendet sich ohne weiteres für jeden bereits auf der ersten Seite erkennbar auch an Anwälte, die sich der Werbung für Online-Rechtsberatung anschließen wollen. Auf den dafür vorgesehenen Seiten werden dem Interessenten erläutert, unter welchen Bedingungen Anwälte sich anschließen können. Eine über die bloße gemeinsame Werbung hinausgehende Organisation oder gar eine Qualitätsprüfung wird an keiner Stelle versprochen.
Entscheidend für die Frage, ob irreführende Angaben vorliegen, ist grundsätzlich der Gesamteindruck, den eine Angabe nach der Auffassung der umworbenen Verkehrskreise macht. Anders ist es, wenn im Rahmen einer Gesamtankündigung einzelne Angaben im Vergleich zu den sonstigen Angaben besonders herausgestellt sind, wodurch die Aufmerksamkeit des Publikums geweckt werden soll. Solche Blickfangangaben können bei isolierter Beurteilung ohne Rücksicht auf den übrigen Inhalt der Ankündigung irreführend wirken, wobei es genügt, dass der Kunde auf Grund des irreführenden Blickfangs angelockt wird und sich mit dem Angebot näher befasst. Der Blickfang, der eine bestimmte Stelle der Ankündigung zur ausschlaggebenden macht, muss als solcher wahr sein, wenn vom Leser nicht erwartet werden kann, dass er auch den übrigen Inhalt einer Ankündigung zum Verständnis heranzieht. Eine isolierte Betrachtung des Blickfangs kommt allerdings dann nicht in Betracht, wenn besondere Umstände vorliegen, die einen Leser veranlassen, vom Gesamtinhalt einer Werbung Kenntnis zu nehmen, so dass eine Irreführung entfällt. Dabei ist von Bedeutung, für welches Wirtschaftsgut mit welchem Kommunikationsmittel geworben wird (vgl. zur Blickfangwerbung: Baumbach/ Hefermehl, 22. Aufl. § 3 UWG Rn. 38).
Hier handelt es sich um die Überschrift, an Hand derer der Internetnutzer entscheidet, ob er den weiteren Inhalt zur Kenntnis nimmt. Dabei steht allerdings die €Online-Rechtsberatung€ und die Tatsache, dass sie von einem zugelassenen Rechtsanwalt erfolgen soll, im Vordergrund. Dass über diese Internetseite gerade auf mehrere Rechtsanwälte hingewiesen werden soll, wird zwar ausgesagt, jedoch nicht besonders betont. Ein Blickfang im Sinne der Grundsätze über die Blickfangwerbung liegt damit nicht vor.
Um überhaupt zu den Angaben über die für das Rechtsgebiet zur Verfügung stehenden Rechtsanwälte zu gelangen, ist der Internetnutzer gezwungen, weitere Seiten aufzurufen. Der in der Anfangsphase, als nur der Beklagte genannt wurde, möglicherweise zunächst erregte Irrtum über die Anzahl der beteiligten Anwälte wurde beim Anklicken der weiteren Seiten in der Regel beseitigt. Nur wenn der Interessent nur eines der Rechtsgebiete anklickte, auf denen der Beklagte genannt wurde und er die anderen Seiten zu den anderen Rechtsgebieten nicht beachtete, war es möglich, dass ein Interessent nicht darüber aufgeklärt wurde, dass neben dem Beklagten noch kein weiterer Rechtsanwalt sich beteiligte.
Zur Beurteilung der Anlockwirkung ist auch zu berücksichtigen, dass der Internetnutzer bei Aufklärung darüber, dass nur der Beklagte als Anwalt genannt wurde, ohne weiteres die Recherche im Internet abbrechen konnte, ohne dass es zu einem direkten Kontakt zu dem Anbieter gekommen ist. Insofern ist die Lage anders, als wenn auf Grund eines Blickfangangebotes vor Aufklärung des Irrtums bereits ein Ladengeschäft betreten oder ein Telefonanruf vorgenommen worden ist. Dann ist die Hemmschwelle, ohne weiteres nach Kenntnis der wahren Sachlage von dem Angebot Abstand zu nehmen, deutlich höher, während eine solche bei der Internetnutzung nicht vorhanden sein dürfte.
Angesichts der Bedeutung der Person des Ratgebers bei der Dienstleistung Rechtsberatung spricht einiges dafür, dass der Internetnutzer zur näheren Beurteilung des Angebots auch weitere Seiten mit benachbarten Rechtsgebieten aufruft. Dort hatte er dann ohne weiteres und ohne eine besondere Aufmerksamkeit wie etwa bei Hinweisen im Kleingedruckten aufbringen zu müssen den zutreffenden Eindruck, dass entweder nur der Beklagte oder noch niemand zur Verfügung stand. Nur wer sich überhaupt nicht dafür interessierte, wer neben dem Beklagten dort noch wirbt, und sich im übrigen nur für die von dem Beklagten belegten Rechtsgebiete interessierte, konnte hier einem Irrtum unterliegen.
Der Internetauftritt des Beklagten war von Anfang an erkennbar darauf ausgerichtet, wie auf der ersten Seite versprochen im Rahmen eines Verzeichnisses mehrerer Anwälte für €Online-Rechtsberatung€ zu werben. Dies wird auch daraus deutlich, dass der Internetauftritt nicht nur an Mandanten sondern auch an Anwälte gerichtet ist, die sich dem anschließen wollen. Inzwischen werben unstreitig mehrere Rechtsanwälte in dem Verzeichnis. Angesichts dieser Gesamtumstände ist ein möglicherweise bei einem unerheblichen Teil der Interessenten nur in der Anfangsphase erregter Irrtum nicht ausreichend, um hier einen Unterlassungsanspruch gemäß §§ 1, 3 UWG zu begründen.
Dagegen steht den Klägern ein begrenzter Unterlassungsanspruch bezüglich des irreführenden Teils der Werbung gemäß §§ 1, 3 UWG deshalb zu, weil die Werbung für die Interessenten, die rechtsschutzversichert sind, in einem Teilaspekt irreführend ist. Aus der Formulierung €Fragen kostet nichts! Stellen Sie ihr Problem dar, stellen Sie ihre Fragen und warten Sie den Kostenvoranschlag des Rechtsanwaltes ab.€ entnimmt der Internetnutzer, dass eine Kontaktaufnahme mit dem Beklagten für ihn zunächst völlig unverbindlich ist. Er erhält einen Kostenvoranschlag und muss durch Zahlung des geforderten Betrages selbst aktiv werden, um endgültig einen Beratungsvertrag zu schließen. Wenn er dies unterlässt, wird ihm versprochen, dass seine Daten binnen kurzer Frist gelöscht werden.
Wenn der Interessent dann jedoch die Kontaktseite für den Beklagten anklickt, kommt er zu einem Formular, in dem unter anderem nach den Daten einer etwaigen Rechtsschutzversicherung gefragt wird (Anlage K 4 zum Schriftsatz der Kläger vom 1. August 2001 (Bl. 86 d. A.). Der Beklagte fragt dann, wie in derartigen Fällen bei Rechtsanwälten weitgehend üblich, bei der Rechtsschutzversicherung des Interessenten wegen einer Kostendeckungszusage nach. Wenn diese erteilt wird, hängt die weitere Bearbeitung durch den Beklagten dann nicht mehr davon ab, ob der Interessent noch seinerseits aktiv wird. Es entsteht bei der zahlenmäßig nicht unerheblichen Gruppe der rechtsschutzversicherten Interessenten bei Rechtsfragen, die unter den Versicherungsschutz fallen, daher viel eher eine vertragliche Bindung zu dem Beklagten, als mangels entsprechender Hinweise für den Interessenten aus dem Internetauftritt des Beklagten erkennbar wird.
Hinsichtlich dieser irreführenden Werbung besteht auch Wiederholungsgefahr. Dies ist hier nicht nur wegen des begangenen Verstoßes zu vermuten. Der Beklagte verteidigt auch seinen Internetauftritt insgesamt als rechtmäßig. Da die Kläger den Internetauftritt mit der Klage insgesamt wegen der ihrer Ansicht nach rechtswidrigen kanalisierenden Wirkung auf die Erteilung eines Mandats an den Beklagten angreifen, ist dieser Teilaspekt, der von den Klägern bereits in erster Instanz in dem Schriftsatz vom 20.11.2001 und dann in der Berufungsbegründung aufgegriffen worden ist, Teil des Streitgegenstandes.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97 Abs. 1, 92 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO. Die Zulassung der Revision ist gemäß § 543 Abs. 2 ZPO n. F. nicht veranlasst, denn die Sache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern nicht eine Entscheidung des Revisionsgerichts.
OLG Braunschweig:
Urteil v. 12.09.2002
Az: 2 U 24/02
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