Bundespatentgericht:
Beschluss vom 7. August 2002
Aktenzeichen: 28 W (pat) 19/02

(BPatG: Beschluss v. 07.08.2002, Az.: 28 W (pat) 19/02)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Das Bundespatentgericht hat in einem Beschluss entschieden, dass die Marke "AIRBRACE" nicht gelöscht werden darf. Die Markenabteilung des Deutschen Patent- und Markenamts hatte die Löschung der Marke angeordnet, da sie der Meinung war, dass das Wort "AIRBRACE" eine beschreibende Bedeutung hat und daher nicht als Marke eingetragen werden kann. Der Markeninhaber hat dagegen Beschwerde eingelegt und argumentiert, dass es sich bei dem Wort nicht um eine Gattungsbezeichnung handelt und dass es auch kein Freihaltungsbedürfnis gibt. Das Bundespatentgericht hat die Beschwerde des Markeninhabers zugelassen und entschieden, dass die Marke nicht wegen Nichtigkeit gelöscht werden kann. Es konnten keine ausreichenden Nachweise dafür gefunden werden, dass das Wort "AIRBRACE" in Deutschland als Fachbegriff für orthopädische Stützvorrichtungen mit Luftpolstern verwendet wurde. Außerdem fehlt es dem Wort an einer unmittelbar beschreibenden Bedeutung. Die Tatsache, dass das Deutsche Patent- und Markenamt die Anmeldung "Straubinger Airbrace" als nicht unterscheidungskräftig und freihaltungsbedürftig abgelehnt hat, hat in diesem Fall keine Auswirkungen.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

BPatG: Beschluss v. 07.08.2002, Az: 28 W (pat) 19/02


Tenor

Auf die Beschwerde des Markeninhabers wird der Beschluss der Markenabteilung 3.4. vom 4. Dezember 2001 aufgehoben.

Der Löschungsantrag wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Unter der Nummer 397 14 932 ist die Bezeichnung AIRBRACE am 4. April 1997 angemeldet und am 21. Januar 1999 die für die Waren

"Orthopädische Artikel, insbesondere Gelenkbandagen, Gelenkstützen, vorzugsweise Knöchelgelenkstützen; Schienen für chirurgische und orthopädische Zwecke; Schuheinlagen, orthopädische Sohlen"

eingetragen worden.

Hiergegen ist Löschungsantrag mit der Begründung gestellt worden, die angegriffene Marke sei entgegen § 8 Abs 2 Nr 1 und 2 MarkenG eingetragen worden (§ 50 Abs 1 Nr 3 MarkenG). Der englischen Bezeichnung "AIRBRACE" werde der hier maßgebliche Fachverkehr im Zusammenhang mit den betroffenen Waren ohne weiteres den beschreibenden Sinngehalt "orthopädische Stütze mit einem Luftpolster" entnehmen und ihr deshalb keinen betriebskennzeichnenden Charakter zumessen. Da der Begriff von zahlreichen Anbietern derartiger orthopädischer Hilfsmittel verwendet werde, sei er auch freizuhalten. Im übrigen habe das Deutsche Patent- und Markenamt die von der Antragstellerin angemeldete Wortmarke "Straubinger Air-Brace" als nicht unterscheidungskräftig und freihaltungsbedürftig zurückgewiesen.

Der Markeninhaber hat dem Löschungsantrag rechtzeitig widersprochen und darauf hingewiesen, bei dem Wort "AIRBRACE", das ohnehin nur ein kleiner Teil des Verkehrs übersetzen könne, handele es sich nicht um eine Gattungsbezeichnung; allenfalls im Wege einer unzulässigen analysierenden Betrachtung käme man zu einer beschreibenden Aussage. Zudem fehle es auch an einem Freihaltungsbedürfnis, da im deutschsprachigen Raum auf eine luftgepolsterte Knöchelgelenkstütze mit deutschen Worten hingewiesen werde. Die deutsche Übersetzung "Luftstütze" sei für die orthopädischen Artikel nichtssagend.

Die Markenabteilung 3.4 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Löschung der angegriffenen Marke angeordnet und ausgeführt, das mit "Luftorthese" zu übersetzende Markenwort habe bereits im Eintragungszeitpunkt als Hinweis auf orthopädische Stützvorrichtungen dienen können, die Luftpolster oder -kammern aufwiesen. Eine Recherche im Internet habe ergeben, dass die Bezeichnung u.a. vom allgemeinen Publikum zur Beschreibung entsprechender Waren verwendet worden sei. Da der überwiegende Verkehr - insbesondere Fachleute des Orthopädiesektors und gezielt interessierte Abnehmer, die an die Übernahme von englischsprachigen Fachausdrücken gewöhnt seien, - den sprachüblich gebildeten Begriff nur als Hinweis auf eine Ausführungsart von Gelenkstützen mit Luftpolstern auffassen werde, fehle ihm auch die erforderliche Unterscheidungskraft.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Markeninhabers. Er führt aus: Das Markenwort sei bezogen auf den Eintragungszeitpunkt nicht als Fachwort nachweisbar, sondern werde in den vom DPMA ermittelten Material markenmäßig verwendet, und zwar von der Fa. C..., für die die Marke in den USA unter der Nr. 2029373 geschützt sei, oder von einem ihrer Lizenznehmer. Zudem seien englischsprachige Veröffentlichungen für den deutschen Verkehr irrelevant, der sowieso an die deutschen Begriffe "Schiene, Gelenkstütze, Orthese" gewöhnt sei. Dementsprechend habe auch das Landgericht München I in einer rechtskräftigen Entscheidung vom 19. November 2000 im Rahmen eines Verletzungsprozesses festgestellt, dass die angegriffene Marke unterscheidungskräftig und nicht freihaltungsbedürftig sei (Az.: 7 O 8593/00).

Der Markeninhaber stellt den Antrag, den angefochtenen Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamtes - Markenabteilung 3.4 - aufzuheben und den Löschungsantrag zurückzuweisen.

Die Antragstellerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Zur Begründung bezieht sie sich auf die zutreffenden Gründe des angefochtenen Beschlusses der Markenabteilung. Die Eintragung in den USA sei nur im "Supplemental" Register erfolgt und mit einem Disclaimer für "Brace" versehen, was bedeute, dass das Wort ursprünglich keine Unterscheidungskraft besessen habe. In den Publikationen L1 bis L8 im angegriffenen Beschluss sei die streitige Bezeichnung durchgängig beschreibend verwendet worden. Außerdem habe die Antragstellerin Publikationen von vier Anbietern mit der beschreibenden Verwendung des Markenwortes vorgelegt.

II.

Die Beschwerde des Markeninhabers ist zulässig und auch begründet. Nach Ansicht des Senats ist die angegriffene Marke nicht entgegen § 8 MarkenG eingetragen worden, so dass sie nicht wegen Nichtigkeit gelöscht werden kann (§ 50 Abs 1 Nr 3 MarkenG).

Im kontradiktorischen Löschungsverfahren kann die Löschung der angegriffenen Marke nur angeordnet werden, wenn das Vorliegen von Eintragungshindernissen nachgewiesen ist. Bloße Zweifel an der Eintragungsfähigkeit genügen insoweit nicht (Althammer/ Ströbele, MarkenG, 6. Aufl. 2000, § 54 Anm 16) und müssen im Ergebnis zu Lasten der Antragstellerin gehen, die ohnehin gehalten ist, im Rahmen ihrer Mitwirkungspflicht die von Amts wegen erfolgende Erforschung des Sachverhalts zu unterstützen.

1. Weder die Ausführungen der Antragstellerin noch die Ermittlungen der Markenabteilung können vorliegend mit Sicherheit die Annahme rechtfertigen, "AIRBRACE" sei eine in Deutschland verwendete und bekannte und damit freizuhaltende Fachbezeichnung für eine "Luftorthese". Hierbei ist vor allem zu berücksichtigen, dass für eine Löschung nach § 50 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG eine entsprechende Verwendung auf den Eintragungszeitpunkt bezogen sein muss. Dies ergibt sich jedoch nicht aus den dem Senat vorliegenden Publikationen und den tatsächlichen Feststellungen der Markenabteilung.

Was die von der Antragstellerin im Verfahren vor der Markenabteilung eingereichten Unterlagen betrifft, fehlen entsprechende Ausstellungsdaten (so Anlage auf S. 7 der Löschungsakte des DPMA) oder diese liegen deutlich (08.06.2000) nach dem Eintragungszeitpunkt am 21. Januar 1999. Auch der Copyright-Vermerk von 1999 auf einer Internet-Fundstelle ist zu ungenau, um darauf eine Verwendung der Angabe vor der Eintragung zu stützen, zumal ein solcher Vermerk nur bedingt aussagekräftig ist (da er sich nur auf die Website bezieht, nicht zwangsläufig auf den aktuellen Inhalt). Darüber hinaus entstammen die von der Antragstellerin vorgelegten Unterlagen durchweg rein englischsprachigen Veröffentlichungen, was für eine Löschungsreife der angegriffenen Marke in Deutschland in der Regel nicht ausreicht, auch wenn sie in Deutschland über das Internet verfügbar sind.

Die von der Markenabteilung ermittelten Internet-Seiten, die offenbar dem Markeninhaber erst mit der Zusendung des Löschungsbeschlusses eröffnet worden sind und damit die Frage der ausreichenden Gewährung des rechtlichen Gehörs aufwerfen, lassen ebenfalls kein Ausstellungsdatum vor dem Eintragungszeitpunkt erkennen und belegen auch keine eindeutig gattungsmäßige Verwendung der angegriffenen Bezeichnung. So weist Anlage L1 lediglich den Begriff "knee braces" auf. Anlagen L2 - 10 sind rein englischsprachige Internetauszüge, bei denen zudem die nicht markenmäßige Verwendung zweifelhaft sind, weil der Begriff entweder in Anführungszeichen wiedergegeben ist (Anlage L2, L4) oder in getrennter Schreibweise (L4, L6, L7, L8, L9), z.T. mit großem Anfangsbuchstaben (L3, L5, L10). Anlage L11 enthält lediglich den Begriff "braces". Die deutschsprachige Internet-Seite L12 gibt den Begriff in getrennter Schreibweise und mit Großbuchstaben wider und ist z.T. mit deutschsprachigen Zusätzen versehen, die eine zeichenmäßige Verwendung nahe legen ebenso wie bei den englischsprachigen Internet-Auszügen L13 (mit Zusatz "TM") und 14 (mit Zusatz "KEEN"). Die verbleibenden deutschsprachigen Internetseiten (L15-17) enthalten wieder nur den Begriff "BRACE".

Ermittlungen des Senats zeitigten ebenfalls keine weiteren Erkenntnisse über eine beschreibende Verwendung des Markenwortes. Im übrigen wäre es Sache der Antragstellerin gewesen, durch Vorlage von Material aus der Zeit vor der Eintragung des Markenwortes dessen fachliche Verwendung darzulegen und zu beweisen. Bestehen nur Zweifel an der Schutzfähigkeit der angegriffenen Marke, geht dies, wie ausgeführt, zu Lasten der Antragstellerin und rechtfertigt jedenfalls nicht den Entzug der einmal eingetragenen Marke.

Auch ein zukünftiges Freihaltungsbedürfnis an dem Markenwort ist nicht festzustellen. Im Zusammenhang mit den betroffenen Waren stellt das englischsprachige Markenwort allenfalls eine schwammige und interpretationsbedürftige Angabe dar. Die wörtliche Übersetzung "Luftstütze" beschreibt die Waren nur unzureichend und verlangt weitergehende Überlegungen, um zu dem Sinngehalt "Gelenkstütze mit Luftpolstern, -kammern" zu gelangen. Ohnehin benötigen die Mitbewerber des Markeninhabers einen eher unbestimmten Begriff nicht als beschreibende Angabe, sondern werden nur auf solche zurückgreifen, die unmissverständlich erkennen lassen, welche Eigenschaften oder sonst maßgeblichen Umstände in bezug auf die Waren beschrieben werden sollen.

Entgegen der Auffassung der Antragstellerin besagt die Eintragung der Marke im "Supplemental Register" der USA nichts über die markenrechtliche Schutzfähigkeit des Wortes oder seinen Charakter etwa als Fachwort, da die Eintragung ausschließlich auf nachgewiesener markenmäßiger Benutzung beruht. Im übrigen ergibt sich aus dem vom Beschwerdeführer eingereichten Registerauszug (Bl. 55 GA), dass der dortigen Markeninhaberin aufgrund eines "disclaimer" ohnehin die Geltendmachung des Ausschließlichkeitsrechts an dem Bestandteil "BRACE" in Alleinstellung entzogen ist. Zudem unterliegt eine fremdsprachige Angabe, ohne Fachwort zu sein, von vornherein einem weit geringeren Freihaltungsbedürfnis, selbst wenn es im Heimatland beschreibend verstanden werden kann (vgl. Althammer/Ströbele, aaO, § 8 Rdn 134).

Im Ergebnis ist daher festzuhalten, dass die im vorliegenden Verfahren getroffenen Feststellungen nicht zwingend die Annahme zulassen, bei der beanstandeten Marke handele es sich in Deutschland um einen Fachbegriff für "Luftorthesen" oder "Gelenkstützen mit Luftpolstern", so dass die Löschungsreife der Marke aufgrund des Schutzhindernisses des § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG nicht nachgewiesen ist.

2. Bei der angegriffenen Marke handelt es sich entgegen der Auffassung der Antragstellerin auch nicht um ein Zeichen, dem jegliche betriebskennzeichnende Eignung fehlt (§ 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG). Sie besteht vielmehr aus einem aus zwei Substantiven der englischen Sprache zusammengesetzten Wort, das in Deutschland weder als Fachausdruck für einschlägige Waren nachweisbar ist noch zum gängigen Sprachschatz gehört und dem lediglich nach einigem Nachdenken allenfalls der Aussagegehalt entnommen werden kann, es benenne eine Gelenkstütze mit Luftpolstern. Eine unmittelbar beschreibende Bedeutung besitzt die Bezeichnung daher nicht, so dass auch der Schutzausschließungsgrund des § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG nicht vorliegt. Dass gegebenenfalls bei einer sprachlichen Analyse des Markenwortes dem Bestandteil "BRACE" ein Hinweis speziell auf eine Orthese entnommen werden kann, was jedoch nur einem kleinen Teil des Verkehrs bekannt sein dürfte, und das Wort "AIR" über die Aussage "Luft" hinaus das Merkmal "Luftpolster, -kammer" assoziieren könnte, lässt - als ohnehin materiellrechtlich unzulässige Betrachtungsweise - weder für sich genommen noch in der Zusammenschau der Markenbestandteile den Schluss zu, der Marke komme eine rein beschreibende und damit schutzunfähige Bedeutung zu ( vgl. BGH GRUR 2001, 162,163 - RATIONAL SOFTWARE CORPORATION).

Der Umstand, dass die Antragstellerin mit ihrer eigenen Anmeldung "Straubinger Airbrace" beim Deutschen Patent- und Markenamt erfolglos geblieben ist, rechtfertigt im vorliegenden Fall keine andere Entscheidung, da der Senat an die Beurteilung der Markenstelle nicht gebunden ist und im Löschungsverfahren vor allem das von der Antragstellerin vorgelegte Material zu würdigen war.

Nach allem hat daher der Löschungsantrag keinen Erfolg, so dass die Beschwerde der Antragstellerin zurückzuweisen war, ohne dass Anlass zu einer Kostenauferlegung bestand.

Stoppel Voit Paetzold Bb






BPatG:
Beschluss v. 07.08.2002
Az: 28 W (pat) 19/02


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