Bundesgerichtshof:
Beschluss vom 25. Oktober 2010
Aktenzeichen: II ZR 219/09

(BGH: Beschluss v. 25.10.2010, Az.: II ZR 219/09)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Die vorliegende Gerichtsentscheidung des Bundesgerichtshofs betrifft eine Revision gegen ein Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg. Der Bundesgerichtshof weist die Revision zurück. Der Beklagte muss die Kosten tragen.

Der Bundesgerichtshof bezieht sich zur Begründung auf einen Hinweisbeschluss des Senats vom 21. Juni 2010. Die Stellungnahme des Beklagten vom 30. September 2010 enthält keine neuen wesentlichen Argumente und führt daher nicht zu einer abweichenden Beurteilung.

Im ersten Punkt erörtert der Bundesgerichtshof die Frage, ob den Vereinsmitgliedern neben dem Recht auf Einsicht in die Mitgliederliste auch ein Anspruch auf deren Überlassung zusteht. Die unterschiedlichen Meinungen in der Literatur spielen hierbei keine Rolle, da der Bundesgerichtshof bereits in einem vorherigen Urteil festgestellt hat, dass ein Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts die Übermittlung von Informationen, die ihm durch Einsicht in die Unterlagen der Gesellschaft zugänglich sind, auch elektronisch verlangen kann. Für den Verein gelten die gleichen Regelungen.

Die Frage, ob das vom Berufungsgericht gewählte Treuhandmodell den Vorschriften des Bundesdatenschutzgesetzes entspricht und ob die Einschaltung eines Treuhänders erforderlich ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab und kann nicht allgemein beantwortet werden.

Im zweiten Punkt bestätigt der Bundesgerichtshof, dass das Berufungsgericht ohne Fehler das berechtigte Interesse der Kläger an der Übermittlung der Mitgliederliste an einen Treuhänder bejaht hat. Die vereinsinternen Foren bieten keine adäquate Möglichkeit für die Kläger, ihre Mitgliedschaftsrechte auszuüben und Einfluss auf die Vereinspolitik zu nehmen. Ein Treuhänder ermöglicht dies.

Im dritten Punkt stellt der Bundesgerichtshof fest, dass kein Verstoß gegen das Bundesdatenschutzgesetz vorliegt. Den Klägern ist es grundsätzlich erlaubt, selbst Einsicht in die Mitgliederliste zu nehmen oder die Übermittlung der Informationen in elektronischer Form zu verlangen, solange sie ein berechtigtes Interesse nachweisen können und dies nicht überwiegende Interessen des Vereins oder der Mitglieder des Vereins beeinträchtigt.

Die Revision rügt auch die Haftungszuordnung in einem bestimmten Teil des Urteils. Der Bundesgerichtshof stellt jedoch klar, dass die gesetzliche Haftung des Treuhänders hiervon nicht betroffen ist.

Die Vorinstanzen in diesem Fall waren das Landgericht Hamburg und das Oberlandesgericht Hamburg.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

BGH: Beschluss v. 25.10.2010, Az: II ZR 219/09


Tenor

Die Revision gegen das Urteil des 6. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg vom 27. August 2009 wird nach § 552a ZPO i.V.m. § 522 Abs. 2 Satz 2 und 3 ZPO auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.

Gründe

Zur Begründung wird auf den Hinweisbeschluss des Senats vom 21. Juni 2010 Bezug genommen. Die Stellungnahme des Beklagten vom 30. September 2010, die keine wesentlichen neuen Gesichtspunkte enthält, gibt zu einer abweichenden Beurteilung keinen Anlass.

1. Grundsatzbedeutung ist entgegen der Auffassung des Beklagten nicht deshalb zu bejahen, weil in der Literatur unterschiedliche Auffassungen dazu bestünden, ob den Vereinsmitgliedern über das Recht auf Einsicht in die Mitgliederliste hinaus auch ein Anspruch auf deren Überlassung zustehe. Dies ist jedenfalls deshalb nicht der Fall, weil der Senat (BGH, Beschluss vom 21. September 2009 - II ZR 264/08, ZIP 2010, 27 Rn. 9) nach Erlass des Berufungsurteils für die Gesellschaft bürgerlichen Rechts ausgesprochen hat, dass der Gesellschafter die Übermittlung der Informationen, die ihm durch Einsicht in die Unterlagen der Gesellschaft zugänglich sind, auch in elektronischer Form verlangen kann, sofern sie in einer Datenverarbeitungsanlage gespeichert sind. Für den Verein gilt insoweit ersichtlich nichts anderes.

Ob das vom Berufungsgericht im konkreten Fall gewählte Treuhandmodell den Vorschriften des Bundesdatenschutzgesetzes entspricht, ist keine entscheidungserhebliche, klärungsfähige und klärungsbedürftige Rechtsfrage, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann und deswegen das abstrakte Interesse an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Ebenso hängt die Beantwortung der weiteren Frage, ob die vom Berufungsgericht vorgenommene Einschaltung eines Treuhänders i.S. von § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BDSG erforderlich ist, von den Umständen des Einzelfalls ab. Eine abstrakt generelle Klärung scheidet auch insoweit aus.

2. Wie im Hinweisbeschluss des Senats ausgeführt, hat das Berufungsgericht ohne Rechtsfehler ein berechtigtes Interesse der Kläger an der Übermittlung der Mitgliederliste an einen Treuhänder bejaht. Abgesehen davon, dass jedenfalls das Internetforum und die Mitgliederzeitung der Kontrolle des Vorstands unterliegen, gegen dessen geänderte Vereinspolitik die Kläger eine Opposition zu organisieren suchen, bieten die den Vereinsmitgliedern zur Verfügung stehenden vereinsinternen Foren einschließlich des Beirats nach den Feststellungen des Berufungsgerichts keine - einer Kontaktaufnahme mit den übrigen Vereinsmitgliedern über einen Treuhänder gleichwertige - Möglichkeit, in Ausübung ihres Mitgliedschaftsrechts eine repräsentative Anzahl der Mitglieder des Beklagten für die Teilnahme an der Mitgliederversammlung zu gewinnen oder das für die Einberufung einer außerordentlichen Mitgliederversammlung erforderliche Quorum zu beschaffen und auf diese Weise Erfolg versprechend auf die vereinsrechtliche Willensbildung Einfluss zu nehmen. Die von den Klägern verfolgte aktive Teilnahme am Vereinsleben bedarf keiner satzungsrechtlichen Rechtfertigung; sie findet ihre Rechtsgrundlage unmittelbar in dem Mitgliedschaftsrecht der Kläger.

Überwiegende, einem Anspruch der Kläger deshalb entgegenstehende Interessen des Beklagten und seiner Mitglieder sind nicht ersichtlich. Den berechtigten Interessen des Vorstands und der Mitglieder des Beklagten wird gerade durch die Einschaltung eines neutralen Treuhänders Rechnung getragen. Die dennoch nicht gänzlich auszuschließende, aber eher hypothetische Möglichkeit eines Missbrauchs der übermittelten Informationen genügt nicht, um den Klägern die zur Wahrnehmung ihres vereinsrechtlichen Mitgliedschaftsrechts und zur aktiven Teilnahme an der Vereinspolitik benötigten Informationen zu verweigern. Für das von dem Vorstand des Beklagten beanspruchte Recht, die von den Klägern zur Versendung vorgesehenen Mitteilungen vorab zu überprüfen und ihrer Versendung gegebenenfalls zu widersprechen, fehlt es an der erforderlichen Rechtsgrundlage. Dem Beklagten und seinem Vorstand bleibt es überlassen, gegenüber den Vereinsmitgliedern zu den von den Klägern verfassten Mitteilungen nach deren Versendung Stellung zu beziehen und eine Mehrheit der Mitglieder für eine Fortführung ihrer Politik zu gewinnen.

3. Ein Verstoß gegen das Bundesdatenschutzgesetz liegt nicht vor. Soweit die Revision, gestützt auf eine schriftliche Äußerung des Unabhängigen Landeszentrums für Datenschutz S. - die Zuständigkeit dieser Behörde als Aufsichtsbehörde für den im Vereinsregister der Stadt H. eingetragenen Beklagten mit Sitz in H. (§ 1 Abs. 2 der Satzung) ist freilich nicht ersichtlich (vgl. Gola/Schomerus, BDSG, 10. Aufl., § 38 Rn. 29) - die Hinzuziehung eines Treuhänders für nicht erforderlich i.S. von § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2, Abs. 2 Nr. 2a BDSG und deshalb für rechtswidrig erachtet, weil die Mitteilungen auch über den Beklagten selbst versandt werden könnten, beruht diese Sichtweise auf einer unzutreffenden zivilrechtlichen Beurteilung des vereinsrechtlichen Mitgliedschaftsrechts der Kläger. Abgesehen davon sind der Beklagte und seine Mitglieder durch die Einschaltung eines Treuhänders in datenschutzrechtlicher Hinsicht nicht beschwert. Denn es ist den Klägern als Mitgliedern eines Vereins grundsätzlich nicht verwehrt, auch selbst Einsicht in die Mitgliederliste zu nehmen bzw. die Übermittlung der dort enthaltenen Informationen in elektronischer Form an sich selbst zu verlangen (OLG Saarbrücken, NZG 2008, 677 f.; OLG München, Urteil vom 15. November 1990 - 19 U 3483/90, juris Rn. 6 ff.; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 18. Februar 1991 - 1 BvR 185/91, juris Rn. 3; BGH, Beschluss vom 21. September 2009 - II ZR 264/08, ZIP 2010, 27 für die BGB-Gesellschaft), sofern sie - wie hier - ein berechtigtes Interesse darlegen und ihrem Interesse nicht überwiegende Interessen des Vereins oder berechtigte Belange der Vereinsmitglieder entgegen stehen.

Ebenso ohne Erfolg rügt die Revision, die Haftungszuordnung in lit. c) des angefochtenen Urteils entspreche nicht der datenschutzrechtlichen Rechtslage. Die gesetzliche Haftung des Treuhänders nach § 7 BDSG, §§ 823 ff. BGB wird hierdurch nicht berührt.

Strohn Reichart Drescher Löffler Born Vorinstanzen:

LG Hamburg, Entscheidung vom 03.01.2008 - 319 O 135/07 -

OLG Hamburg, Entscheidung vom 27.08.2009 - 6 U 38/08 -






BGH:
Beschluss v. 25.10.2010
Az: II ZR 219/09


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/gerichtsentscheidung/c9ce17bf8c9c/BGH_Beschluss_vom_25-Oktober-2010_Az_II-ZR-219-09




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