Oberlandesgericht Stuttgart:
Urteil vom 16. November 2005
Aktenzeichen: 20 U 2/05
(OLG Stuttgart: Urteil v. 16.11.2005, Az.: 20 U 2/05)
Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung
Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Stuttgart betrifft eine Anfechtungsklage des Klägers gegen einen Beschluss der Hauptversammlung der X Bank AG. In der Hauptversammlung wurde beschlossen, den Bilanzgewinn von 30.600.000,00 EUR zur Ausschüttung einer Dividende von 0,85 EUR je Stückaktie zu verwenden. Der Kläger erhob Anfechtungsklage gegen diesen Beschluss und argumentiere, dass dieser gegen § 174 Abs. 2 und § 124 Abs. 4 AktG verstoße und seine Eigentumsrechte verletze. Das Landgericht wies die Klage ab und das Oberlandesgericht bestätigt diese Entscheidung. Es stellt fest, dass die Anfechtungsfrist gewahrt wurde, der Kläger zur Anfechtungsklage berechtigt war und dass der angefochtene Beschluss nicht gegen das AktG oder Art. 14 GG verstößt. Das Gericht erklärt, dass der Gewinnverwendungsbeschluss der Hauptversammlung verbindlich ist, soweit der Jahresabschluss ordnungsgemäß festgestellt wurde und keine Anfechtung erfolgte. Der Kläger hat die Feststellung des Jahresabschlusses jedoch nicht angefochten. Das Gericht erklärt weiterhin, dass die Regelungen in § 327 a AktG verfassungsgemäß sind und dass der Kläger als Minderheitsaktionär eine angemessene Barabfindung erhält, die auch die Verzinsung berücksichtigt. Die Entscheidung des Gerichts ist nicht revisibel. Der Streitwert beträgt 40.000,00 EUR.
Die Gerichtsentscheidung im Volltext:
OLG Stuttgart: Urteil v. 16.11.2005, Az: 20 U 2/05
1. Die Anfechtungsbefugnis für eine Anfechtungsklage entfällt jedenfalls dann nicht mit der Eintragung des Übertragungsbeschlusses im Handelsregister (§ 327e Abs. 3 AktG), wenn der Aktionär mit der Anfechtungsklage gegen einen nach dem Squeeze-Out-Beschluss ergangenen Hauptversammlungsbeschluss unabhängig von der im Spruchverfahren zu ermittelnden Barabfindung einen (seiner Auffassung nach höheren) Anspruch auf Zahlung einer Dividende für den Zeitraum zwischen Ergehen und Wirksamwerden des Squeeze-Out-Beschlusses geltend macht.2. Für die Hauptversammlung ist der gemeinsam von Vorstand und Aufsichtsrat festgestellte Jahresabschluss verbindlich, soweit dort Rücklagen eingestellt sind, die die Hälfte des Jahresüberschusses nicht übersteigen. Ein Gewinnverwendungsbeschluss der Hauptversammlung, der auf dieser Grundlage eine Ausschüttung des vollen Bilanzgewinns vorsieht, kann von einem Aktionär dann nicht angefochten werden, wenn die Feststellung des Jahresabschlusses nicht angegriffen wurde.3. Eigentumsrechte des Minderheitsaktionärs (Art. 14 GG), der den Übertragungsbeschluss selbst nicht angefochten hat, sind nicht dadurch verletzt, dass nach der gesetzlichen Regelung in § 327 b Abs. 2 Satz 2 AktG die zu gewährende Barabfindung erst von der Bekanntmachung der Eintragung des Übertragungsbeschlusses an mit Zinsen in Höhe von 2 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz zu verzinsen ist. Der Minderheitsaktionär erhält als Ausgleich hierfür noch eine nach allgemeinen Regeln zu bemessende Dividende, die er bei einem ungehinderten Verlauf ohne Anfechtung des Squeeze-Out-Beschlusses nicht erhalten hätte. Der Vorstand ist deshalb nicht im Interesse der übrigen (nicht anfechtenden) Minderheitsaktionäre gehalten, Maßnahmen zu einer Verkürzung des Zeitraums bis zur Eintragung des Squeeze-Out-Beschlusses zu ergreifen und ein Freigabeverfahren einzuleiten.
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 22.12.2004 (37 O 144/04 KfH) wirdz u r ü c k g e w i e s e n.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Streitwert: 40.000,00 EUR
Gründe
I.
Der Kläger beantragt als früherer Aktionär der X Bank AG, der Rechtsvorgängerin der Y Bank, den Beschluss auf der Hauptversammlung vom 30.08.2004 zu Tagesordnungspunkt 2 (mit dem Inhalt Vorstand und Aufsichtsrat schlagen vor, den Bilanzgewinn von 30.600.000,00 EUR zur Ausschüttung einer Dividende von 0,85 EUR je Stückaktie zu verwenden), für nichtig zu erklären.1.
In der ordentlichen Hauptversammlung der X Bank AG vom 30./31.07.2003 wurde gemäß §§ 327 a ff. AktG der Ausschluss von Minderheitsaktionären, zu denen auch der Kläger gehörte, gegen Zahlung einer Barabfindung von 38,00 EUR je Stückaktie und die Übertragung dieser Aktien auf die Hauptaktionärin, die Y Bank, beschlossen. Dieser Beschluss wurde von verschiedenen Aktionären mit der Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage angegriffen, nicht jedoch vom Kläger.
Die X Bank AG hatte im Geschäftsjahr 2003 einen Jahresüberschuss von 50.600.000 EUR erwirtschaftet. Entsprechend dem Vorschlag des Vorstands wurde in der Bilanzsitzung des Aufsichtsrats vom 17.03.2004 der aufgestellte Jahresabschluss gebilligt und von dem Jahresüberschuss 20.000.000 EUR in Gewinnrücklagen eingestellt, so dass sich ein Bilanzgewinn von 30.600.000 EUR ergab (vgl. Geschäftsbericht Anlage B 1, S. 7 f., 77). Auf Vorschlag von Vorstand und Aufsichtsrat (vgl. Einladung mit Tagesordnung im Print-Bundesanzeiger und im elektronischen Bundesanzeiger vom 15.07.2004) wurde in der Hauptversammlung vom 30.08.2004 zu Tagesordnungspunkt 2 mit 99,95% des vertretenen stimmberechtigten Grundkapitals gegen den Widerspruch des Klägers beschlossen, den Bilanzgewinn von 30.600.000 EUR zur Ausschüttung einer Dividende von 0,85 EUR je Stückaktie zu verwenden. Der Kläger hatte mit Schreiben vom 21.07.2004 den Gegenantrag gestellt, von einer Dotierung der Gewinnrücklagen abzusehen und den sich dann ergebenden Bilanzgewinn in Höhe von 50.600.000 EUR zur Ausschüttung einer Dividende von 1,40 EUR je Stückaktie zu verwenden.
Der Kläger hat gegen den Beschluss Anfechtungsklage erhoben und diese darauf gestützt, dass der Gewinnverwendungsbeschluss gegen §§ 174 Abs. 2, 124 Abs. 4 AktG verstoße, weil in der Einladung zur Hauptversammlung in Wirklichkeit nur eine Teilausschüttung des Bilanzgewinns vorgeschlagen worden sei und die auszuschüttenden Beträge und die in die Gewinnrücklagen einzustellenden Beträge nicht getrennt aufgeführt worden seien. Inhaltlich seien die nach Art. 14 GG geschützten Eigentumsrechte des Klägers durch den Gewinnverwendungsbeschluss verletzt, weil er im Falle des beschlossenen Squeeze Out nicht mehr an den zurückgestellten 20.000.000 EUR partizipieren könne und eine Verzinsung der Barabfindung wegen der erhobenen Anfechtungsklagen nur mit zeitlicher Verzögerung erfolge. Sachliche Gründe für Gewinnrückstellungen in dieser Größenordnung seien nicht vorhanden, es handele sich vielmehr um einen Schachzug der Großaktionärin mit der Zielsetzung, die Ausschüttungsansprüche der Minderheitsaktionäre gering zu halten.
Die Y Bank hat nach dem erstinstanzlichen Urteil mit den Minderheitsaktionären, die Anfechtungs- und Nichtigkeitsklagen gegen den Beschluss vom 30./31.07.2003 erhoben hatten, am 10.05.2005 einen Vergleich über die Erhöhung der Barabfindung abgeschlossen (vgl. Veröffentlichung in der Börsenzeitung vom 12.05.2005, Anlage BB 2). Der Übertragungsbeschluss wurde am 10.05.2005 im Handelsregister eingetragen (Anlage BB 1). Die X Bank AG wurde zunächst in eine Anstalt des öffentlichen Rechts & Co KG umgewandelt und ist nach Ausscheiden der einzigen Kommanditistin Z Holding GmbH und Anwachsung auf die Komplementärin Y Bank seit 01.08.2005 eine unselbständige Anstalt (ohne eigene Rechtspersönlichkeit) der Y Bank, Anstalt öffentlichen Rechts und als Zweigniederlassung im Handelsregister eingetragen.
Ergänzend wird wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Parteien in erster Instanz auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.2.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen mit der Begründung, dass der angefochtene Beschluss nicht gegen § 174 Abs. 2 AktG verstoße, weil nach § 58 Abs. 2 und 3 AktG Vorstand und Aufsichtsrat gemeinsam bis zur Hälfte des Jahresabschlusses in Gewinnrücklagen einstellen könnten, während die Hauptversammlung nur noch über den nach Abzug der Rückstellung ermittelten Bilanzgewinn befinden könne. Die durch Art. 14 GG geschützte Eigentumspositionen der Minderheitsaktionäre seien ebenfalls nicht beeinträchtigt, da nach der abschließenden gesetzlichen Regelung in § 327 b Abs. 1 AktG auf die Verhältnisse im Zeitpunkt der Beschlussfassung über den Ausschluss der Minderheitsaktionäre abzustellen sei. Die von anderen Minderheitsaktionären erhobenen Anfechtungsklagen gegen den Squeeze-Out-Beschluss änderten hieran nichts. Im Falle des Erfolgs dieser Anfechtungsklagen bleibe der Kläger weiter Gesellschafter und partizipiere an den gebildeten Rücklagen; im Falle der Abweisung der Anfechtungsklagen habe er durch die am 30.08.2004 beschlossene Ausschüttung zusätzlich zur Barabfindung einen Vorteil erlangt, den er bei ungehindertem Verlauf der Dinge nicht bekommen haben würde.3.
Der Kläger beantragt im Berufungsverfahren, das Urteil des Landgerichts abzuändern und den Beschluss der Hauptversammlung der X Bank AG vom 30.08.2004 zu Tagesordnungspunkt 2 mit dem Inhalt Vorstand und Aufsichtsrat schlagen vor, den Bilanzgewinn von 30.600.000,00 EUR zur Ausschüttung einer Dividende von 0,85 EUR je Stückaktie zu verwenden, für nichtig zu erklären.
Der Kläger ist nach wie vor der Auffassung, dass der angefochtene Hauptversammlungsbeschluss seine Eigentumsrechte verletze. Die gesetzliche Regelung in § 327 b AktG sei nicht als abschließend anzusehen, da der Gesetzgeber die vorliegende Konstellation gar nicht bedacht habe. Aus Art. 14 GG folge, dass ein unternehmerisches Ermessen der Leitungsorgane eingeschränkt sei und ohne sachgerechten Grund die Gewinnrücklagen zu Lasten der Minderheitsaktionäre nicht hätten gebildet und der Überschuss von 20.000.000 EUR ihnen nicht hätte vorenthalten werden dürfen. Aus dem Bewertungsgutachten anlässlich des Squeeze-Out-Beschlusses folge, dass ein solcher Grund für die Bildung einer Rücklage nicht existiert habe. Zugunsten des Klägers seien die Regelungen in §§ 304 ff. AktG analog anwendbar, die eine Garantiedividende für den Verlust der Rechtsposition der Minderheitsaktionäre vorsehen. Der laufende volle Jahresüberschuss sei ein verfassungsrechtlich gebotenes Äquivalent für einen Verzinsungsanspruch, da eine Verzögerung des Squeeze Out dazu führe, dass einerseits bei der Bemessung der Barabfindung das Stichtagsprinzip gelte und andererseits eine Verzinsung erst mit Bekanntmachung der Eintragung vorgesehen sei. Ergänzend sei darauf hinzuweisen, dass die Beklagte die Anfechtungsklage des Klägers entgegen § 246 Abs. 4 AktG nicht im Bundesanzeiger veröffentlicht habe.
Die Klagebefugnis des Klägers für die nunmehr gegen die Rechtsnachfolgerin der X Bank AG zu richtende Anfechtungsklage bestehe trotz der Eintragung des Übertragungsbeschlusses im Handelsregister nach § 265 Abs. 2 ZPO fort. Der Kläger habe nach wie vor ein berechtigtes Interesse an der Feststellung seines Dividendenanspruchs für das Jahr 2003, außerdem könne eine Anfechtungsklage vorgreiflich für etwaige Schadensansprüche sein.4.
Die Beklagte hält das Urteil des Landgerichts für zutreffend und beantragt, die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Die Regelungen in §§ 327 a ff. AktG seien insgesamt verfassungsgemäß. An dem für die Bewertung des abzufindenden Aktionärsvermögens maßgeblichen Stichtag ändere sich auch nichts, wenn sich die Eintragung im Handelsregister verzögere. Spätere Änderungen der Gewinnsituation, die nach beiden Seiten offen seien, seien deshalb nicht zu berücksichtigen. Das Leitungsermessen bei der Formulierung der Gewinnverwendungsvorschläge im Rahmen von §§ 174 Abs. 2, 58 AktG werde durch §§ 327 a ff. AktG in Verbindung mit Art. 14 GG nicht eingeschränkt. Die §§ 304 ff. AktG seien entgegen der Auffassung des Klägers nicht anwendbar. Die Verzögerungen bei der Eintragung fielen nicht in den Verantwortungsbereich des Vorstands, sondern beruhten wie auch in den übrigen vergleichbaren Fällen im Aktienrecht und im Umwandlungsrecht auf der durch die Anfechtungsklagen anderer Aktionäre ausgelösten Registersperre. Vorstand und Aufsichtsrat hätten bei der Bildung von Rücklagen nicht pflichtwidrig gehandelt und die Interessen der Minderheitsaktionäre nicht planvoll verletzt. Die Rücklage für das Jahr 2003 bewege sich in dem Rahmen der früheren Jahre.
Da der Kläger mit Eintragung des Übertragungsbeschlusses im Handelsregister seine Aktionärsstellung verloren habe, sei seine Klagebefugnis zwischenzeitlich entfallen, § 265 Abs. 2 ZPO sei nicht zu seinen Gunsten entsprechend anwendbar. Im Übrigen könne der Kläger, auch wenn er nicht Partei des Vergleichs vom 10.05.2005 mit den Aktionären, die den Squeeze-Out-Beschluss angefochten hatten, geworden sei, eine zusätzliche erhöhte Barabfindung erhalten.5.
Wegen weiterer Einzelheiten des Vorbringens der Parteien im Berufungsverfahren wird auf die Schriftsätze des Klägervertreters vom 28.03.2005 (Bl. 77 ff.), vom 27.04.2005 (Bl. 90 ff.), vom 14.10.2005 (Bl. 123 ff.) und vom 25.10.2005 (Bl. 176 f.) sowie die Schriftsätze des Beklagtenvertreters vom 12.04.2005 (Bl. 86 ff.), vom 23.05.2005 (Bl. 97 ff.) und vom 01.07.2005 (Bl. 112 ff.) verwiesen.II.
Die zulässige Berufung des Klägers hat im Ergebnis keinen Erfolg, weil der Kläger gegen den Beschluss der Hauptversammlung zur Verwendung des Bilanzgewinns keine Anfechtungsgründe im Sinne von § 243 AktG vorbringen kann.1.
Die Klage richtet sich nunmehr gegen die Y Bank als Rechtsvorgängerin der X Bank AG, deren Parteifähigkeit im Sinne von § 50 Abs. 1 ZPO beendet ist (Zöller-Vollkommer ZPO § 50 Rn. 4). Insoweit handelt es sich nicht nur um eine Frage der Parteiberichtigung unter Wahrung der rechtlichen Identität der Partei (Zöller-Vollkommer ZPO vor § 50 Rn. 7 mit Nachw.; bei der lediglich formwechselnden Umwandlung würde eine Rubrumsberichtigung genügen, vgl. Zöller-Greger ZPO § 239 Rn. 6), sondern um einen Fall der Rechtsnachfolge. Der Prozess wird dann mit der Rechtsnachfolgerin fortgesetzt. Die überwiegende Meinung wendet die Regelungen in §§ 239, 246 ZPO analog an (vgl. BGH NJW 2002, 1207 bei Ausscheiden des vorletzten Gesellschafters einer Personengesellschaft; BGH NJW 2004, 1528 bei Verschmelzung; BGH NZG 2004, 611 bei insolvenzbedingtem Ausscheiden der Komplementärin aus einer GmbH & Co KG mit nur noch einem verbleibenden Kommanditisten; Zöller-Greger ZPO § 239 Rn. 6 mit Nachw.), nach anderer Auffassung tritt der übernehmende Rechtsträger automatisch und ohne Unterbrechung in den Prozess ein (Münchener Kommentar-Feiber ZPO § 239 Rn. 16 f.; für Umwandlungsfälle Lutter-Grunewald UmwG § 20 Rn. 55); da die Y Bank anwaltlich vertreten ist und der Beklagtenvertreter keinen Antrag auf Aussetzung des Verfahrens gestellt hat (vgl. BGH NJW 2004, 1528; BGH NZG 2004, 611), bedarf es keiner Entscheidung des Senats über diese Streitfrage.2.
Die Anfechtungsfrist von einem Monat nach der Beschlussfassung am 30.08.2004 (§ 246 Abs. 1 AktG) ist gewahrt, die Klage ging per Telefax am 30.09.2004 um 23 Uhr 29 rechtzeitig (§§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 1.Alt. BGB) beim Landgericht ein und wurde mit Terminsverfügung vom 05.10.2004 am 07.10.2004 zugestellt (zur Anwendung von § 167 ZPO vgl. die Nachw. bei Hüffer AktG § 246 Rn. 23). Die übrigen Voraussetzungen von § 246 AktG sind eingehalten (die Rüge des Klägers, die Beklagte haben entgegen § 246 Abs. 4 AktG nicht bekannt gemacht, ist in diesem Zusammenhang nicht von Bedeutung und könnte allenfalls eine Durchsetzung im Zwangsgeldverfahren oder eine Schadensersatzpflicht begründen, vgl. Hüffer AktG § 246 Rn. 40).3.
Der Kläger ist nach § 245 Nr. 1 AktG grundsätzlich zur Erhebung der Anfechtungsklage befugt (Aktionärsstellung Anlage K 1; Teilnehmerverzeichnis zu TOP 2, S. 10, wonach der Kläger 60 Stückaktien hielt; Widerspruch des Klägers laut Protokoll der Hauptversammlung S. 16). Die vom Oberlandesgericht Koblenz aufgeworfene Problematik einer Fortdauer der Anfechtungsbefugnis nach Eintragung des Übertragungsbeschlusses im Handelsregister (Urt. vom 27.01.2005, ZIP 2005, 714 = AG 2005, 365; zugelassene Revision beim BGH unter dem AZ II ZR 46/05) muss hier nicht abschließend entschieden werden, da die Klage aus den noch näher auszuführenden Gründen in der Sache keinen Erfolg hat. Jedenfalls in der hier vorliegenden Fallgestaltung ist nach Auffassung des Senats davon auszugehen, dass der Kläger weiterhin zur Erhebung der Anfechtungsklage befugt ist.
a) Das Oberlandesgericht Koblenz hat einen Wegfall der Klagebefugnis für im Jahr 1997 erhobene Anfechtungs- und Nichtigkeitsklagen angenommen, nachdem der Übertragungsbeschluss aus dem Jahr 2002 Anfang 2003 im Handelsregister eingetragen und die im Jahr 1997 angefochtenen Beschlüsse im Jahr 2003 nochmals bestätigt worden waren. Das Oberlandesgericht Koblenz hat die überwiegende Meinung, wonach eine Veräußerung der Aktien und auch ein Zwangsausschluss in analoger Anwendung von § 265 Abs. 2 ZPO nicht zu einem Verlust der Klagebefugnis führt (vgl. Hüffer AktG § 245 Rn. 8; Münchener Kommentar-Hüffer AktG § 245 Rn. 24; Großkommentar-K.Schmidt AktG § 245 Rn. 17; Kölner Kommentar-Zöllner AktG § 245 Rn. 23; Heise-Dreier BB 2004, 1126, 1127; für das GmbH-Recht BGHZ 43, 261, 266 f.; OLG Düsseldorf GmbHR 2001, 1049, 1052; Lutter-Hommelhoff GmbHG Anh. § 47 Rn. 64; vgl. auch für Vollversammlungsbeschlüsse einer LPG BGH ZIP 1999, 23), nicht auf den Fall eines Verlustes des Mitgliedschaftsrechts mit der Eintragung des Übertragungsbeschlusses nach § 327 e Abs. 3 AktG übertragen, da sich die ursprünglichen Rechte der ausgeschlossenen Aktionäre nur noch am Abfindungsanspruch fortsetzten, für dessen Höhe das Spruchverfahren ein besondere Regelung vorsehe. Soweit § 265 Abs. 2 ZPO auch dem Interesse des Rechtsvorgängers an der Weiterführung des Rechtsstreits Rechnung trage (BGH NJW-RR 200, 181, 182), sei dies in der gegebenen Konstellation nicht mehr beachtlich, da nach Erlöschen der Mitgliedschaft die früheren Aktionäre kein Interesse an einem Gestaltungsurteil mit Wirkung inter omnes hätten (OLG Koblenz ZIP 2005, 714, 715 unter II.3; zustimmend Bungert BB 2005, 1345; Buchta-Ott DB 2005, 990, 993).
b) Es kann offen bleiben, ob diese Auffassung des Oberlandesgerichts Koblenz für die dort behandelte Konstellation zutrifft, sie kann jedenfalls nicht ohne weiteres auf die im vorliegenden Verfahren vom Senat zu entscheidende Fallgestaltung übertragen werden. Wirtschaftlich liegt der Entscheidung des Oberlandesgerichts Koblenz die Überlegung zugrunde, dass der Aktionär, der seine Aktie gegen eine Barabfindung verloren hat, in der Regel kein wirtschaftliches Interesse an der Weiterverfolgung seiner früheren Anfechtungsklage hat (vgl. Bungert BB 2005, 1345). Dies mag für den Fall gelten, dass eine vor dem Squeeze-Out-Beschluss erhobene Anfechtungsklage mit dessen späterer Wirksamkeit obsolet wird (nicht jedoch die Anfechtungsklage gegen den Squeeze-Out-Beschluss als solchen, selbst wenn dieser im Freigabeverfahren eingetragen werden sollte, vgl. die gesetzliche Regelung in §§ 327 e Abs, 2, 319 Abs. 6 Satz 6 AktG sowie Bungert BB 2005, 1345, 1348; für § 16 Abs. 3 Satz 6 UmwG OLG Stuttgart OLGR 2004, 160). Hier richtet sich jedoch die Anfechtungsklage gegen einen Sachverhalt nach dem Squeeze-Out-Beschluss, der Kläger macht außerhalb der im Spruchverfahren zu ermittelnden Barabfindung einen (seiner Auffassung nach höheren) Anspruch auf Zahlung einer Dividende für den Zeitraum zwischen Ergehen und Wirksamwerden des Squeeze-Out-Beschlusses geltend. Jedenfalls in dieser Situation kann dem Kläger ein rechtliches Interesse an der Klärung dieser Frage in entsprechender Anwendung von § 265 Abs. 2 ZPO nicht abgesprochen werden. Ergänzend ist auf § 244 Satz 2 AktG hinzuweisen, der einen vergleichbaren Konflikt für einen zeitlich beschränkten Zeitraum regelt, wenn eine Anfechtungsklage durch ein späteres Ereignis (dort der Bestätigungsbeschluss) überholt wird. Wenn dem Kläger aufgrund einer erst später erfolgten Eintragung des Übertragungsbeschlusses noch ein Anspruch auf Gewinnausschüttung für das Geschäftsjahr 2003 zusteht, muss er im Ausgangspunkt auch in der Lage sein, einen Gewinnverwendungsbeschluss herbeizuführen oder einen günstigeren Gewinnverwendungsbeschluss mit einer höheren Dividende durchzusetzen. Die Frage, ob der Kläger den Gewinnverwendungsbeschluss inhaltlich zu Fall bringen kann, ist in der Sache nach den einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen des AktG unter Berücksichtigung von Art. 14 GG zu klären und nicht auf der Ebene der Antragsbefugnis.
Der Bundesgerichtshof hat in der DAT/Altana-Entscheidung (BGH NJW 2001, 2080, 2081 = BGHZ 147, 108) unter ausdrücklicher Bezugnahme auf Art. 14 GG entschieden, dass die Anfechtungsbefugnis im Spruchverfahren nach § 304 Abs. 3 AktG bei Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträgen erhalten bleibt, wenn der Aktionär während des laufenden Spruchverfahrens seine Aktionärsstellung durch eine spätere Mehrheitseingliederung nach § 320 AktG verliert. Gleiches gilt, wenn ein Unternehmensvertrag während des Spruchstellenverfahrens beendet wird (BGH NJW 1997, 2242 = BGHZ 135, 374; dazu BVerfG NJW 1999, 1699, 1701 und BVerfG NJW 1999, 1701, 1702). Nach Auffassung des Senats (Urteil vom 28.01.2004, 20 U 3/03, OLGR 2004, 160, 162 f.) heilt im Übrigen die Eintragung nicht eventuelle Mängel des angefochtenen Beschlusses (dort Ausgliederungsbeschluss) und lässt die Gestaltungs- und Rechtskraftwirkung einer erfolgreichen Anfechtungsklage unberührt; ein parallel laufendes Spruchverfahren ändert hieran nichts (insoweit anders in der Begründung OLG Koblenz ZIP 2005, 714, 715).4.
Das Landgericht hat in der Sache zutreffend ausgeführt, dass das Vorgehen von Vorstand und Aufsichtsrat bei der Feststellung des Jahresabschlusses und der Einstellung in Gewinnrücklagen der gesetzlichen Regelung in §§ 174 Abs. 2, 58 Abs. 2 AktG entspricht und dass der Kläger weder diesen auf dem festgestellten Jahresabschluss beruhenden Gewinnverwendungsbeschluss der Hauptversammlung nach §§ 243 Abs. 1, 254 AktG anfechten noch dessen Nichtigkeit nach § 253 AktG geltend machen kann.
a) Die Klage richtet sich gegen den Gewinnverwendungsbeschluss der Hauptversammlung und gründet im Kern auf dem Vorwurf übermäßiger Rücklagenbildung. Hierbei übersieht der Kläger aber, dass mit jenem Beschluss keine Rücklagen gebildet wurden, vielmehr wurde der gesamte Bilanzgewinn ausgeschüttet. Die Hauptversammlung hatte von der Möglichkeit der Bildung von weiteren Rücklagen nach § 58 Abs. 3 AktG keinen Gebrauch gemacht. In der Sache zielt die Argumentation des Klägers deshalb auf die Feststellung des Jahresabschlusses und richtet sich dabei gegen die von der Verwaltung gemäß § 58 Abs. 2 AktG verfügte Einstellung eines Teils des Jahresüberschusses in die Rücklagen.
Nach § 58 Abs. 2 Satz 1 AktG können Vorstand und Aufsichtsrat, wenn sie wie hier gemeinsam den Jahresabschluss feststellen (§ 172 AktG), einen Teil des Jahresüberschusses, maximal jedoch die Hälfte, in andere Gewinnrücklagen einstellen. Diese Vorschrift regelt den Ausgleich von in der Sache angelegten divergierenden Interessen der Gesellschaftsleitung an der Selbstfinanzierung und der anlageorientierten Aktionäre an einer für sie verfügbaren Kapitalrendite (Hüffer AktG § 58 Rn. 1 und Münchener Kommentar-Bayer AktG § 58 Rn. 2). Diese Befugnis der Leitungsorgane nach § 58 Abs. 2 Satz 1 AktG für die Einstellung von bis zur Hälfte des Jahresüberschusses in andere Gewinnrücklagen besteht unabhängig von der Satzung, während die Bildung größerer Rücklagen durch Vorstand und Aufsichtsrat nach § 58 Abs. 2 Satz 2 AktG oder bei einer Feststellung des Jahresabschlusses durch die Hauptversammlung nach § 58 Abs. 1 AktG in Verbindung mit § 173 AktG einer Ermächtigung durch die Satzung bedarf. Aus dieser Systematik der Regelungen in § 58 AktG und der Gesetzgebungsgeschichte (dazu Münchener Kommentar-Bayer AktG § 58 Rn. 14 ff.) folgt für die Kompetenzverteilung, dass die Verwaltung den durch § 58 Abs. 2 Satz 1 AktG gesetzten Rahmen mit Rücklagen bis zur Hälfte des Jahresüberschusses grundsätzlich in eigener Verantwortung nach ihrem Ermessen ausschöpfen kann (Münchener Kommentar-Bayer AktG § 58 Rn. 38; Hüffer AktG § 58 Rn. 9 f.; Großkommentar-Henze AktG § 58 Rn. 43; Kölner Kommentar-Lutter AktG § 58 Rn. 34), während die Hauptversammlung (von § 58 Abs. 1 AktG abgesehen) nur noch weitergehende Rückstellungen nach § 58 Abs. 3 AktG beschließen kann (Münchener Kommentar-Bayer AktG § 58 Rn. 88; Hüffer AktG § 58 Rn. 23; Großkommentar-Henze AktG § 58 Rn. 78 f.).
Im Rahmen der vom Kläger gegen den Gewinnverwendungsbeschluss der Hauptversammlung erhobenen Anfechtungsklage ist dem Senat eine Überprüfung, ob die Leitungsorgane ihren gesetzlich eingeräumten Ermessensspielraum bei der Bildung von Rücklagen eingehalten oder sich pflichtwidrig verhalten haben (zu etwaigen Schadensersatzansprüchen in einem solchen Fall Kölner Kommentar-Lutter AktG § 58 Rn. 34; Großkommentar-Henze AktG § 58 Rn. 45) versagt, weil der Kläger die gemeinsame Feststellung des Jahresabschlusses durch Vorstand und Aufsichtsrat nach §§ 58 Abs. 2, 172 AktG, auf der der Gewinnverwendungsbeschluss der Hauptversammlung beruht, nicht angegriffen hat. Eine Anfechtung nach § 254 AktG scheitert bereits an dem nach § 254 Abs. 2 Satz 3 AktG notwendigen Quorum. Eine etwaige Nichtigkeit des festgestellten Jahresabschlusses nach § 256 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 AktG hat der Kläger nicht geltend gemacht; er könnte sich hierauf wegen der Heilung nach § 256 Abs. 6 AktG nur innerhalb der dort vorgesehenen Frist berufen. Der unanfechtbar festgestellte Jahresabschluss war Grundlage des Gewinnverwendungsbeschlusses der Hauptversammlung (§ 174 AktG), die die Ausschüttung des vollen Bilanzgewinns beschlossen hat. Die Nichtigkeit eines Beschlusses der Hauptversammlung über die Verwendung des Bilanzgewinns kann nach § 253 Abs. 1 AktG nicht mehr geltend gemacht werden (Münchener Kommentar-Hüffer AktG § 253 Rn. 10). Die nur gegen den Gewinnverwendungsbeschluss gerichtete Klage bewirkt keine Verlängerung der Heilungsfrist des § 256 Abs. 6 Satz 2 AktG (Münchener Kommentar-Hüffer AktG § 253 Rn. 10; Großkommentar-K.Schmidt AktG § 253 Rn. 9; Kölner Kommentar-Zöllner AktG § 253 Rn. 20).
b) Für die Hauptversammlung ist der festgestellte Jahresabschluss verbindlich (§ 174 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 3 AktG), sie kann deshalb nach § 174 Abs. 1 AktG nur über die Verwendung des Bilanzgewinns unter Bindung an den festgestellten Jahresabschluss (nach § 242 Abs. 3 HGB bestehend aus Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung) entscheiden und nicht mehr verteilen als sich als Bilanzgewinn aus dem Jahresabschluss ergibt (Großkommentar-Brönner AktG § 174 Rn. 11). Nach § 275 Abs. 2 und Abs. 3 HGB in Verbindung mit § 158 Abs. 1 AktG wird der Bilanzgewinn durch den Jahresüberschuss abzüglich Rücklagen (hier andere Rücklagen im Sinne von § 158 Abs. 1 Nr. 3 d) AktG) definiert (§ 158 Abs. 1 Nr. 5 AktG, vgl. Münchener Kommentar-Bayer AktG § 58 Rn. 4; Hüffer AktG § 158 Rn. 6 und § 174 Rn. 2). Da der Gewinnverwendungsbeschluss sich immer nur auf die Verteilung des (gerade nicht der Disposition der Hauptversammlung unterliegenden) Bilanzgewinns bezieht, sind die Regelungen über die Gliederung des Vorschlags des Vorstands nach § 170 Abs. 2 Satz 2 AktG und des Verwendungsbeschlusses der Hauptversammlung nach § 174 Abs. 2 AktG vom Gesetzgeber unterschiedlich ausgestaltet; eine Untergliederung des Gewinnverwendungsbeschlusses nach § 174 Abs. 2 Nr. 3 AktG ist nur erforderlich, wenn vom Vorschlag der Verwaltung abgewichen wird und über den vorab bindend festgestellten Bilanzgewinn weitere Gewinnrücklagen beschlossen werden (Hüffer § 174 AktG Rn. 5 f.). Ansonsten genügt eine Fixierung des an die Aktionäre auszuschüttenden Gesamtbetrags (BGH NJW 1983, 282, 284). Deshalb ist die Bekanntmachung der Tagesordnung im Bundesanzeiger nach § 124 Abs. 4 AktG nicht zu beanstanden; die Bekanntmachung entspricht genau dem Gegenstand, über den die Hauptversammlung später zu entscheiden hatte (nämlich gerade nicht darüber, wie der Bilanzgewinn zu ermitteln ist).5.
Der angefochtene Beschluss verstößt im Übrigen auch nicht gegen Art. 14 GG, sondern hält sich in den verfassungsmäßigen, gesetzlich vorgegebenen Grenzen. Von Verfassungswegen besteht kein Anlass, die sich aus § 58 Abs. 2 und Abs. 3 AktG ergebende Kompetenzordnung zu übergehen und der Hauptversammlung die Möglichkeit zuzugestehen, nicht nur über den Bilanzgewinn, sondern auch über weitere Teile des Jahresüberschusses zu verfügen.
a) Die gesetzlichen Regelungen in §§ 327 a ff. AktG sind verfassungsgemäß, soweit der Minderheitsaktionär eine volle Entschädigung erhält (vgl. zur Eingliederung nach §§ 320 ff. AktG BVerfG NJW 1999, 3769, 3770 = BVerfGE 100, 289, 306; zur auflösenden Übertragung BVerfG NJW 2001, 279; zu §§ 327 a ff. AktG OLG Stuttgart NZG 2004, 146, 150 = OLGR 2004, 139, OLG Düsseldorf NZG 2004, 328, 330 und OLG Düsseldorf NZG 2005, 347, 348 mit weit. Nachw.; Hüffer AktG § 327 a Rn. 4; Münchener Kommentar-Grunewald AktG vor § 327 a Rn. 8; Emmerich-Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, § 327 a AktG Rn. 7; Kölner Kommentar-Koppensteiner AktG vor § 327 a Rn. 7).
b) Auch in der konkreten Konstellation kann sich der Kläger nicht auf Art. 14 GG berufen. Der Kläger erhält als Minderheitsaktionär einerseits eine Barabfindung, die dem Verkehrswert unter Berücksichtigung des Börsenkurses zum Zeitpunkt der Beschlussfassung (§ 327 b Abs. 1 Satz 1 AktG) entsprechen muss und über die im Spruchverfahren zu befinden ist. Der Gesetzgeber hat in § 327 b Abs. 2 Satz 2 AktG ausdrücklich geregelt, dass die Barabfindung erst von der Bekanntmachung der Eintragung des Übertragungsbeschlusses mit Zinsen in Höhe von 2 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz zu verzinsen ist. Damit kann eine zeitliche Verzögerung bei der Verzinsung verbunden sein, wenn der Übertragungsbeschluss als solcher angefochten wird und eine Eintragung erst nach rechtskräftigem Abschluss des Hauptsacheverfahrens oder aber nach einem Freigabeverfahren im Sinne von §§ 327 e Abs. 2, 319 Abs. 6 AktG erfolgt. Diese Folge hat der Gesetzgeber in Kauf genommen und in Anlehnung an §§ 305 Abs. 3 Satz 3, 320 b Abs. 1 Satz 6 AktG eine Verzinsung erst ab Eintragung vorgesehen.
Dieses Ergebnis ist deshalb nach Art. 14 GG nicht zu beanstanden, weil in diesem Zeitraum bis zur Eintragung dem Minderheitsaktionär weiterhin die Mitgliedschaftsrechte zustehen, insbesondere der Anspruch auf Auszahlung der Dividende (OLG Düsseldorf NZG 2005, 347, 349; OLG Hamburg NZG 2003, 978, 979). Dieser Auszahlungsanspruch ist nach den bereits dargestellten allgemeinen Regeln zu ermitteln. Aus Art. 14 GG folgt keine Abweichung von diesen allgemeinen Regeln in dem hier vorliegenden Fall eines schwebenden Squeeze-Out-Verfahrens. Der Kläger ist nämlich, wie das Landgericht in den Urteilsgründen zutreffend ausgeführt hat, durch das schwebende Squeeze-Out-Verfahren unabhängig von dessen Ausgang und unabhängig vom Zeitpunkt des Wirksamwerdens des Übertragungsbeschlusses mit dessen Eintragung im Handelsregister bei beiden denkbaren Alternativen in seinen Eigentumsrechten nicht beeinträchtigt.
Wenn sich herausgestellt hätte, dass der Squeeze-Out-Beschluss unwirksam gewesen wäre, hätte der Kläger künftig bei einem Verbleib als Aktionär an den (von ihm als unrechtmäßig beanstandeten) Gewinnrücklagen partizipiert. In diesem Fall bleibt es bei den allgemeinen Grundsätzen der gesetzlichen Regelung in §§ 174 Abs. 2, 58 Abs. 2 AktG für die Gewinnverwendung.
Wenn die Anfechtung des Squeeze-Out-Beschlusses durch andere Minderheitsaktionäre hingegen keinen Erfolg hat (wie hier letztlich aufgrund des Vergleichs vom 10.05.2005) und die Eintragung im Handelsregister nicht zeitnah nach dem Übertragungsbeschluss erfolgt, wird der Umstand, dass eine Verzinsung erst nach Bekanntmachung der Eintragung stattfindet, dadurch ausgeglichen, dass der Minderheitsaktionär noch eine Dividende bekommt, die er bei einem ungehinderten Verlauf ohne Anfechtung des Squeeze-Out-Beschlusses nicht erhalten hätte. Außerdem fließt die künftige Dividendenerwartung als Bemessungsfaktor in Höhe der Barabfindung ein. In dieser Konstellation zwingt Art. 14 GG deshalb nicht zu einer vom Kläger geforderten Einschränkung des unternehmerischen Leitungsermessens von Vorstand und Aufsichtsrat gegenüber dem Normalfall des § 58 Abs. 2 AktG. Die durch § 58 Abs. 2 AktG eröffneten Spielräume werden in der Schwebesituation bis zur Wirksamkeit des Übertragungsbeschlusses vor allem deshalb nicht eingeschränkt, weil die Leitungsorgane gerade nicht zwingend davon ausgehen müssen, dass die Anfechtungsklagen der übrigen Minderheitsaktionäre ohne Erfolg sein werden. Dass die Voraussetzungen für ein Freigabeverfahren nach §§ 327 e Abs. 2, 319 Abs. 6 AktG vorlagen, hat der Kläger selbst nicht behauptet, insbesondere nicht, dass die Anfechtungsklagen gegen den Squeeze-Out-Beschluss offensichtlich unbegründet oder gar rechtsmissbräuchlich gewesen seien. Die Leitungsorgane waren deshalb nicht im Interesse der übrigen (nicht anfechtenden) Minderheitsaktionäre gehalten, Maßnahmen zu einer Verkürzung des Zeitraums bis zur Eintragung des Squeeze-Out-Beschlusses zu ergreifen und ein Freigabeverfahren einzuleiten; dieses hätte möglicherweise je nach Zeitablauf sogar die Folge gehabt, dass der Kläger etwa bei einer Eintragung kurz vor der Hauptversammlung am 30.08.2004 keine Dividende für das Jahr 2003 erhalten hätte (vgl. (OLG Düsseldorf NZG 2005, 347, 349; OLG Hamburg NZG 2003, 978, 979). In der vorliegenden Konstellation kommen dem Kläger in zweifacher Hinsicht Vorteile zugute, da die Dividendenerwartung als ein Faktor in die Barabfindung einfließt und die in welcher Höhe auch immer ausgezahlte Dividende hinzukommt.
Als weiterer Gesichtspunkt im Rahmen von Art. 14 GG ist zu berücksichtigen, dass der Kläger auch die Möglichkeit gehabt hätte, dem Vergleich vom 10.05.2005 (Anlage BB 2, Bl. 118) beizutreten. Dieser Vergleich setzt sich, was die finanzielle Abgeltung der Minderheitsaktionäre anbelangt, aus drei Komponenten zusammen, nämlich der im Squeeze-Out-Beschluss festgelegten Barabfindung von 38,00 EUR und einer zusätzlichen Barabfindung von 7,60 EUR, also ein Gesamtbetrag von 45,60 EUR je Aktie (Ziffer 1 des Vergleichs, insoweit nach Ziffer 1 b) als nicht durch eine Befristung eingeschränkter Vertrag zugunsten weiterer außenstehender Aktionäre gemäß § 328 BGB ausgestaltet) sowie einem weiteren Erhöhungsbetrag von 2,10 EUR (Ziffer 2 a des Vergleichs). Zusätzlich ist eine Verzinsung des Gesamtbetrags von 47,70 EUR je Aktie in Höhe von 2 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz für den Zeitraum von 01.08.2003 bis zur Eintragung am 12.05.2005 abzüglich der Ausschüttung für das Jahr 2003 vorgesehen (bei 651 Zinstagen ergeben sich Zinsen in Höhe von 2,69 EUR, so dass abzüglich der beschlossenen Dividende von 0,85 EUR noch ein Betrag von 1,84 EUR hinzukäme). Durch diese Vereinbarung wird die vom Kläger beanstandete Zinslücke zwischen Beschlussfassung und Eintragung ohnedies geschlossen, der Kläger hatte die Möglichkeit, sich diesem Punkt des Vergleichs innerhalb von vier Wochen nach Bekanntmachung anzuschließen (vgl. Ziffer 2 c des Vergleichs) und so einen weiteren Gesamterhöhungsbetrag von 3,94 EUR zu erhalten.
Schließlich sei ergänzend darauf hingewiesen, dass die Dividende seit den Jahren 1985 bis ins Jahr 2003 nie den Betrag von 0,85 EUR überschritten hat (vgl. Übersicht auf der hinteren Umschlagseite des Geschäftsberichts 2003).III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 Satz 1 ZPO.
Eine Zulassung der Revision nach § 543 ZPO ist nicht veranlasst, da die Zurückweisung der Berufung nicht auf einer fehlenden Klagebefugnis (vgl. OLG Koblenz ZIP 2005, 714) beruht (der Ausgang des beim Bundesgerichtshof anhängigen Revisionsverfahrens II ZR 46/05 ist deshalb nicht entscheidungsrelevant). Entscheidend sind vielmehr die dargelegten inhaltlichen Gesichtspunkte, die durch das AktG vorgegeben sind, ohne dass damit durch Art. 14 GG geschützte Eigentumsrechte des Klägers beeinträchtigt werden.
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 247 AktG. Der vom Landgericht festgesetzte Streitwert ist nicht zu beanstanden (vgl. BGH DB 1992, 2336); es kann weder ausschließlich auf die Zahl der Aktien des Klägers abgestellt werden noch kann die Zahl der Aktien aller außenstehenden Aktionäre bzw. die hierauf entfallende Gesamtsumme höherer Dividenden herangezogen werden.
OLG Stuttgart:
Urteil v. 16.11.2005
Az: 20 U 2/05
Link zum Urteil:
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