Oberlandesgericht Frankfurt am Main:
Urteil vom 5. Juni 2008
Aktenzeichen: 6 U 118/07

(OLG Frankfurt am Main: Urteil v. 05.06.2008, Az.: 6 U 118/07)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hat in einem Urteil vom 5. Juni 2008 entschieden, dass die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Darmstadt zurückgewiesen wird. Die Beklagte wurde dazu verurteilt, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr verschreibungspflichtige preisgebundene Arzneimittel gegen Prämien anzubieten. Zusätzlich wurde sie dazu verpflichtet, die Abmahnkosten der Klägerin zu erstatten. Das Gericht stellte fest, dass die Beklagte mit ihrem Prämiensystem gegen die Arzneimittelpreisverordnung verstößt, da den Kunden beim Erwerb von preisgebundenen Arzneimitteln Vorteile gewährt werden, die den Erwerb wirtschaftlich günstiger erscheinen lassen. Dies verstößt gegen die Regelungen der Preisbindung von Arzneimitteln. Das Urteil des Landgerichts wurde daher bestätigt. Das Gericht ließ die Revision zu, da es abweichende Entscheidungen anderer Oberlandesgerichte gibt. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, kann jedoch durch Sicherheitsleistung abgewendet werden.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

OLG Frankfurt am Main: Urteil v. 05.06.2008, Az: 6 U 118/07


Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das am 08.05.2007 verkündete Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Darmstadt wird auf Kosten der Beklagten mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass es im Tenor des angefochtenen Urteils statt €bei der Abgabe€ heißt: €für den Erwerb€.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 25.000 EUR abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe

I.

Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt, es unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs €...-Taler€, die wie aus der Anlage K1 der Klageschrift ersichtlich gegen Prämien eingelöst werden können, bei der Abgabe von verschreibungspflichtigen preisgebundenen Arzneimittel zu gewähren. Außerdem hat das Landgericht die Beklagte zum Ersatz der Abmahnkosten in Höhe von 189,-- € nebst Zinsen verurteilt. Zur Begründung hat es ausgeführt, es sei davon auszugehen, dass den Kunden in den von der Klägerin angeführten Fällen tatsächlich ...-Taler im Zusammenhang mit dem Erwerb preisgebundener Arzneimittel ausgehändigt worden seien. Dies verstoße gegen § 78 AMG in Verbindung mit §§ 1, 3 Arzneimittelpreisverordnung und damit zugleich gegen § 4 Nr. 11 UWG.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten.

Die Beklagte erneuert ihre Behauptung, die bei den Testkäufen am 18.03., 11.04. und 02.05.2006, also zur Zeit der Geltung des Prospekts in der Fassung, wie er im angefochtenen Urteil wiedergegeben ist, ausgehändigten ...-Taler seien allein deshalb ausgegeben worden, weil die betroffenen Kunden (Testkäufer) länger als fünf Minuten warten mussten. Die weiteren Testkäufe, bei denen die Beklagte ebenfalls ...-Taler ausgehändigt hat, erfolgten unstreitig zur Zeit der Geltung des Prämien-Prospekts gemäß Anlage B 17. Darin werden, im Unterschied zu dem vorher gültigen Prospekt, ...-Taler auch für den Fall ausgelobt, €wenn Sie uns als Kunde besuchen und wir Sie bedienen dürfen.€ Die Beklagte vertritt die Auffassung, sich rechtmäßig zu verhalten, wenn sie gemäß dieser im Prospekt offengelegten Weise verfährt. Sie erachtet ihr Verhalten vor allem auch deshalb für rechtmäßig, weil, wie sie behauptet, ein einzelner ...-Taler einen Wert von nur 40 Eurocent hat.

Die Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass es im Tenor des angefochtenen Urteils statt €bei der Abgabe€ heißen soll €für den Erwerb€.

Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil und vertieft hierzu ihr erstinstanzliches Vorbringen.

Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg.

Der eingeklagte Unterlassungsanspruch in der von der Klägerin im Berufungsverfahren präzisierten Form, bei der es sich allein um eine Klarstellung, nicht um eine teilweise Klagerücknahme handelt, folgt aus §§ 3, 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit §§ 78 Abs. 2 Satz 2 AMG, 1, 3 Arzneimittelpreisverordnung.

Wie der Senat bereits entschieden hat (Urteil vom 29.11.2007, Az.: 6 U 26/07, Rdn. 19 bei Juris), folgt er nicht der Auffassung des Oberlandesgerichts Hamburg (WRP 2007, 1377, 1380), die Arzneimittelpreisverordnung und § 78 AMG enthielten keine eigenständige Verbotsnorm bezüglich der Gewährung von Rabatten, einschlägig sei insoweit ausschließlich § 7 HWG. Vielmehr sind beide Regelungen nebeneinander anwendbar. Während § 7 HWG die Fälle unzulässiger, weil den Abnehmer unsachlich beeinflussender und eine mittelbare Gesundheitsgefährdung auslösender (vgl. dazu BGH, WRP 2007, 1088 € Krankenhauswerbung) Wertreklame regelt, zielt § 78 AMG darauf, bei der Abgabe verschreibungspflichtiger Arzneimittel auf der letzten Handelsstufe einen Preiswettbewerb auszuschließen (so auch schon Senat, WRP 2006, 613, 616 € Family-Taler).

Mit ihrem Prämiensystem verstößt die Beklagte gegen § 78 Abs. 2 Satz 2 AMG in Verbindung mit §§ 1, 3 Arzneimittelpreisverordnung. Die aufgrund des § 78 AMG erlassene Arzneimittelpreisverordnung (zuletzt geändert durch Gesetz vom 26.03.2007) schreibt in §§ 1, 3 für die Abgabe verschreibungspflichtiger Fertigarzneimittel, die zur Anwendung bei Menschen bestimmt sind, durch Apotheken € vorbehaltlich der in § 1 Abs. 3 geregelten Ausnahmen € ein Preisbildungsverfahren vor, das zu einem bestimmten einheitlichen Preis für das betreffende Arzneimittel führt. Wie der Senat bereits entschieden hat, liegt ein Verstoß gegen die Arzneimittelpreisverordnung nicht nur dann vor, wenn der Apotheker ein preisgebundenes Arzneimittel zu einem anderen als dem nach der Arzneimittelpreisverordnung zu berechnenden Preis abgibt; vielmehr werden die Bestimmungen der Arzneimittelpreisverordnung auch dann verletzt, wenn für das preisgebundene Arzneimittel zwar der korrekte Preis angesetzt wird, dem Kunden aber gekoppelt mit dem Erwerb des Arzneimittels Vorteile gewährt werden, die den Erwerb für ihn wirtschaftlich günstiger erscheinen lassen (Senat, WRP 2006, 613, 614 € Family-Taler). Dies trifft auf die im vorliegenden Fall zu beurteilenden ...-Taler zu. Die Beklagte hat zur Einlösung der ...-Taler ein attraktives Prämiensystem geschaffen, welches dem Kunden die Möglichkeit eröffnet, die Taler entweder bei der Beklagten selbst oder bei Partnerunternehmen einzutauschen. Die Beklagte bietet als Gegenleistung für eine mehr oder weniger große Anzahl von ...-Talern unterschiedlichste Gebrauchsgegenstände, wie beispielsweise eine Sporttasche oder eine Isolierflasche an, aber auch Einkaufsgutscheine im Wert von 10 bzw. 20 €. Hierfür müssen 25 bzw. 50 ...-Taler gesammelt werden, so dass ein einzelner ...-Taler, wenn er gegen einen Einkaufsgutschein eingelöst wird, einen Wert von 40 Eurocent hat. Bei den Sachprämien (etwa einer Sporttasche für 15 ...-Taler) kann der Wert eines einzelnen Talers aber durchaus auch höher erscheinen. Das gleiche gilt für die Leistungen, die bei den Partnerunternehmen der Beklagten für die ...-Taler in Anspruch genommen werden können, etwa drei ...-Taler für einen Espresso in einem Café oder 100 ...-Taler für eine Minikreuzfahrt von Amsterdam nach Newcastle. Angesichts dieses Prämiensystems werden die einzelnen ...-Taler von den Kunden sehr wohl als wirtschaftlicher Vorteil wahrgenommen. In diesem Zusammenhang ist nicht nur auf den Wert des einzelnen ...-Talers abzustellen, sondern auf den Wert, den die Summe der Taler beim Einlösen der jeweiligen Prämie haben, weil der von der Arzneimittelpreisverordnung nicht gewünschte Preiswettbewerb bei einem Absatz preisgebundener Arzneimittel gerade durch die in Aussicht gestellten Prämien beeinflusst wird. Diese sind das Kriterium für die Entscheidung des Kunden, die Apotheke der Beklagten oder eine andere Apotheke aufzusuchen.

Daher sind die in Aussicht gestellten Vorteile auch nicht vergleichbar mit einer geringwertigen Sachbeigabe, die im Rahmen von § 7 HWG erlaubt wäre, weswegen auch in dem hier zu entscheidenden Fall, wie schon in der Entscheidung €Family-Taler€ des Senats, die Frage offen bleiben kann, ob dieser von § 7 HWG gesetzte Maßstab bei Anwendung der Arzneimittelpreisverordnung überhaupt zum Tragen kommen kann, oder ob hier nicht jeder Vorteil, der den Erwerb eines preisgebundenen Arzneimittels für den Kunden wirtschaftlich günstiger erscheinen lässt, verboten ist.

Die Beklagte hat die ...-Taler € auch € für den Erwerb preisgebundener Arzneimittel ausgegeben und deshalb gegen die Arzneimittelpreisverordnung verstoßen.

Maßgebend hierfür ist die Sicht des Kunden, nicht die Intention der Beklagten, denn auf die Entschließung des Kunden soll durch die fragliche Absatzförderungsmaßnahme Einfluss genommen werden (so bereits der Senat in €Family-Taler€, WRP 2006, 613, 616).

Es spricht bereits vieles dafür, dass bereits die aus Anlass der Testkäufe am 18.03., 11.04. und 02.05.2006 ausgegebenen ...-Taler, von denen die Beklagte € substantiiert € behauptet, diese seien aus Anlass einer Wartezeit von mehr als fünf Minuten ausgegeben worden, aus Sicht der Testkäufer schlicht für den Erwerb eines preisgebundenen Arzneimittels ausgehändigt wurden. Dies wird durch die mit der Klageschrift vorgelegten schriftlichen Erklärungen der Testkäufer nahegelegt und durch den Vortrag der Beklagten, die insbesondere nicht behauptet hat, ihre Mitarbeiter hätten die Taler jeweils unter ausdrücklichen Hinweis auf die lange Wartezeit ausgehändigt, nicht in Zweifel gezogen.

Die Frage muss letztlich aber nicht entschieden werden, weil die Beklagte vor allem mit ihrem ab dem 18.05.2006 gültigen Prämienprospekt (Anlage B17) gegen die Arzneimittelpreisverordnung verstößt. In diesem Zusammenhang ist klarzustellen, dass die im Tenor enthaltene Bezugnahme auf den (früher gültigen) Prospekt gemäß Anlage K1 sich, wie in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erörtert, auf das ausgelobte Prämiensystem bezieht, nicht auch auf die Bedingungen für die Aushändigung eines ...-Talers.

Nach dem ab 18.05.2006 gültigen Prämienprospekt erhält jeder Kunde, der die Beklagte besucht und den die Beklagte bedienen darf, das heißt also, der bei der Beklagten Ware erwirbt, einen ...-Taler. Das bedeutet, dass auch diejenigen Kunden, die bei der Beklagten preisgebundene Arzneimittel kaufen, einen ...-Taler eben für diesen Einkauf bekommen, was mit der Arzneimittelpreisverordnung nicht vereinbar ist.

Auch im vorliegenden Fall folgt der Senat nicht den Entscheidungen des Oberlandesgerichts Rostock (Urteil vom 04.05.2005, Az.: 2 U 54/04) und OLG Naumburg (Urteil vom 26.08.2005, Az.: 10 U 16/05), nach denen in Fällen, die mit dem hier vorliegenden vergleichbar sind, ein Verstoß gegen die Arzneimittelpreisverordnung nicht vorliegt, weil eine Gutschrift bzw. die Einlösung eines durch den Erwerb preisgebundener Medikamente erlangten Gutscheins erst bei dem Kauf anderer (nicht preisgebundener) Produkte aus der Apotheke gewährt werde. Zur Begründung für die abweichende Auffassung des Senats wird auf die Entscheidung in der Sache €Family-Taler€ (WRP 2006, 613, 615) Bezug genommen.

Ein Verstoß gegen die Arzneimittelpreisverordnung durch die Ausgabe von €Talern€ beim Erwerb preisgebundener Medikamente stellt zugleich eine unlautere Wettbewerbshandlung des betreffenden Apothekers gemäß §§ 3, 4 Nr. 11 UWG dar. Die Vorschriften der Arzneimittelpreisverordnung sind Marktverhaltensregelungen gemäß § 4 Nr. 11 UWG (vgl. Baumbach/Hefermehl/Köhler, Wettbewerbsrecht 26. Auflage, § 4 Rdz. 11.138). Ein solcher Wettbewerbsverstoß ist angesichts der bestehenden Nachahmungsgefahr und auch im Hinblick darauf, dass gerade wegen der vorgeschriebenen strikten Preisbindung schon geringfügige Durchbrechungen dieses Gebots beträchtliche Auswirkungen auf den Markt haben können, geeignet, den Wettbewerb nicht nur unerheblich zu beeinträchtigen (§ 3 UWG).

Der Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten steht der Klägerin gemäß § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG zu. Der Erstattungsanspruch ist in der geltend gemachten Höhe von 189,-- € (176,64 € zuzüglich 7% Mehrwertsteuer) angemessen und begründet (vgl. hierzu Baumbach/Hefermehl/Bornkamm, Wettbewerbsrecht 26. Auflage, § 12 Rdz. 1.98).

Der Zinsanspruch der Klägerin ergibt sich aus § 288 Abs. 1 BGB.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Revision war im Hinblick auf die abweichenden Entscheidungen der Oberlandesgerichts Rostock, Naumburg und Hamburg zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen (§ 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO).






OLG Frankfurt am Main:
Urteil v. 05.06.2008
Az: 6 U 118/07


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/gerichtsentscheidung/cab83904d2f4/OLG-Frankfurt-am-Main_Urteil_vom_5-Juni-2008_Az_6-U-118-07




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