Oberlandesgericht Düsseldorf:
Urteil vom 11. November 2008
Aktenzeichen: I-24 U 36/08

(OLG Düsseldorf: Urteil v. 11.11.2008, Az.: I-24 U 36/08)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat in einem Urteil entschieden, dass der Kläger dem beklagten Rechtsanwalt nicht das vereinbarte Zeithonorar schuldet, sondern nur das gesetzliche Honorar. Der beklagte Rechtsanwalt hat keine Anspruch auf das vereinbarte Zeithonorar, da das Honorarversprechen des Klägers, das per Telefax gegeben wurde, unwirksam ist. Diese Unwirksamkeit beruht auf dem Schriftformerfordernis, das vorschreibt, dass das Honorarversprechen nur verbindlich ist, wenn der Mandant es dem Rechtsanwalt in schriftlicher Form erteilt. Die Übermittlung per Telefax erfüllt dieses Erfordernis nicht. Auch ein arglistiges Verhalten des Klägers konnte nicht festgestellt werden. Der Beklagte ist nicht schutzwürdig, da er als Rechtsanwalt das Schriftformerfordernis kennen und auf dessen Einhaltung bestehen sollte. Der Vorschuss, den der Kläger gezahlt hat, ist zurückerstattungspflichtig, da er nur in Höhe der gesetzlichen Gebühren verbraucht wurde. Der Beklagte hat für seine Leistung zwar Anspruch auf das gesetzliche Honorar, allerdings nicht in der vom ihm berechneten Höhe. Die Berechnung des bekagten Honorars wurde vom Gericht überprüft und ist nur in Höhe des gesetzlichen Höchstsatzes für Einzeltätigkeiten gerechtfertigt. Der Kläger hat den Rechtsstreit in Höhe eines Teilbetrags bereits ohne Vorbehalt für erledigt erklärt und es wird eine entsprechende Feststellung getroffen. Die Kosten des Rechtsstreits werden zwischen den Parteien aufgeteilt. Es besteht kein Grund zur Zulassung der Revision.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

OLG Düsseldorf: Urteil v. 11.11.2008, Az: I-24 U 36/08


Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers wird, soweit nicht die Klage in Höhe eines Teilbetrags von 116,52 EUR in der Hauptsache erledigt ist, das am 25. Januar 2008 verkündete Teilanerkenntnis- und Endurteil der 15. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu ge-fasst:

1. Es wird festgestellt, dass

a) dem Beklagten entsprechend seinem Anerkenntnis Vergü-tungsforderungen auf der Grundlage der von ihm erteilten Rech-nungen Nr. 0601009 über 1.559,96 und Nr. 060001 über 3.697,29 EUR, insgesamt 4.097,23 EUR gegen den Kläger nicht zustehen.

b) die Zahlungsklage in Höhe eines Teilbetrags von 313,20 EUR nebst Zinsen in der Hauptsache erledigt ist.

2. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 730,28 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26. Februar 2007 zu zahlen.

II. Die Kosten des ersten Rechtszuges werden dem Kläger zu 25%, dem Be-klagten zu 75% auferlegt. Die Kosten des zweiten Rechtszuges trägt der Be-klagte.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I. Die Berufung des Klägers hat im Wesentlichen Erfolg. Er schuldet dem beklagten Rechtsanwalt für die von diesem in einem gegen den Kläger gerichteten Strafverfahren entfaltete Tätigkeit nicht, wie das Landgericht (in seinem in AGS 2008, 108 veröffentlichten Urteil) mit dem Beklagten rechtsirrtümlich meint, vertragliches Honorar jedenfalls in Höhe des angeblich nicht rückzahlbaren Vorschusses (1.160,00 EUR), sondern nur gesetzliches Honorar in Höhe der von ihm zugestandenen 313,20 EUR zuzüglich Fotokopiekosten und Reisekosten (jeweils zzgl. 16% MWSt), insgesamt 429,72 EUR. Daraus folgt, dass der Beklagte von dem empfangenen Vorschuss den überwiegenden Teilbetrag von 730,28 EUR (1.160,00 EUR - 429,72 EUR) an den Kläger zurückzuzahlen hat. Es handelt sich dabei allerdings nicht, wie das Landgericht im rechtlichen Ansatz irrtümlich meint, um einen bereicherungsrechtlichen Anspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB, sondern um einen Herausgabeanspruch aus § 667 BGB, § 10 Abs. 2 RVG. Denn der von dem Beklagten auf der Grundlage des entgeltlichen Rechtsbesorgungsvertrags (§§ 611, 675 BGB, § 3 BRAO) gemäß § 9 RVG beanspruchte und an ihn auch gezahlte Vorschuss ist nur in Höhe von 429,72 EUR vertragsgemäß für die gesetzlichen Gebühren verbraucht worden, so dass der Überschuss bedingungsgemäß zurückzuzahlen ist (vgl. BGH NJW-RR 1988, 1264; Palandt/Sprau, BGB, 67. Aufl., § 669 Rn. 3). Im einzelnen gilt das Folgende:

1. Richtig ist die Rechtsauffassung des Landgerichts, der Beklagte habe keinen Anspruch auf das von ihm ursprünglich auf der Grundlage der Vergütungsvereinbarung vom 26. September 2006 in Rechnung gestellte Zeithonorar, welches - unter Berücksichtigung des gezahlten Vorschusses - in Höhe von restlichen 4.097,23 EUR (5.257,23 EUR - 1.160,00 EUR) Gegenstand seiner Honorarnoten vom 31. Dezember 2006 gewesen ist.

a) Das vom Kläger (nur) per Telefax gegebene Honorarversprechen ist unwirksam, soweit es die gesetzliche Vergütung übersteigt. Eine solche Überschreitung ist im Laufe der Bearbeitung des Mandats durch den Beklagten unstreitig eingetreten. Die Unwirksamkeit eines solchen Honorarversprechens beruht auf § 4 Abs. 1 Satz 1 RVG (in der hier noch maßgeblichen, seit dem 01. Juli 2004 geltenden Fassung, künftig: RVG a.F.), der vorschreibt, dass es nur verbindlich ist, wenn der Mandant es dem Rechtsanwalt in Schriftform (§ 125 BGB) erteilt. Die Übermittlung per Telefax erfüllt nicht die Schriftform (vgl. OLG Hamm OLGR 2006, 336 = MDR 2006, 1139), sondern allenfalls die Textform (§ 126b BGB). Erst durch die seit dem 01. Juli 2008 in Kraft getretene und deshalb hier nicht anwendbare Gesetzesfassung (§ 4 Abs. 1 Satz 1 RVG n. F.) ist das Schriftformerfordernis abgeschwächt und durch die Textform ersetzt worden.

b) Ohne Erfolg kommt der Beklagte zurück auf seinen schon im ersten Rechtszug vorgebrachten Einwand, auf die Einhaltung des Schriftformgebots sei aus Gründen von Treu und Glauben im Rechtsverkehr (§ 242 BGB) zu verzichten, weil der Kläger die von ihm unterzeichnete Honorarvereinbarung "vorsätzlich" nur per Telefax übermittelt habe. Damit ist arglistiges Verhalten des Kläger nicht schlüssig dargelegt. Ein solches könnte nur dann festgestellt werden, wenn dem Kläger die Formunwirksamkeit des nur per Telefax gegebenen Honorarversprechens im Zeitpunkt der Übermittlung bekannt gewesen wäre und er den Beklagten mit diesem Wissen arglistig daran gehindert hätte, auf der schriftlichen Übermittlung des Honorarversprechens zu bestehen (vgl. BGH NJW 1991, 3095, 3098; 2004, 2818, 2819 m. w. N.). Davon kann indes keine Rede sein. Der Beklagte nennt kein einziges Indiz, welches den Schluss auf ein solches Wissen des Klägers im maßgeblichen Zeitpunkt zulassen könnte. Im Übrigen ist der Beklagte nicht schutzwürdig; von ihm als Rechtsanwalt kann erwartet werden, dass er das Schriftformgebot kennt, den Mandanten darauf aufmerksam macht und aus diesem Grunde auf dessen Einhaltung besteht (vgl. BGH NJW 2004, 2818, 2819).

c) Aus den gleichen Gründen scheitert auch das im Berufungsrechtszug erneute Vorbringen des Beklagten, der Kläger schulde jedenfalls in Höhe des umstrittenen Vorschusses Schadensersatz. Ausreichende Anhaltspunkte für ein schuldhaft vertragspflichtwidriges oder gar vorsätzlich deliktisches Verhalten des Klägers, der juristischer Laie ist, hat der Beklagte nicht vorgebracht. Der bloße und im Prozess hervorgetretene Wille des Klägers, an dem formwidrigen Honorarversprechen nicht festgehalten zu werden, lässt keine im Sinne des § 286 ZPO gesicherten Rückschlüsse auf seine Motive bei Vertragsschluss zu.

2. Das Landgericht meint, der Vorschuss sei jedenfalls gemäß § 4 Abs. 1 Satz 3 RVG a. F. deshalb nicht zurückzuzahlen, weil der Kläger ihn im Sinne dieser Bestimmung "freiwillig und ohne Vorbehalt", nämlich in Kenntnis der Gebührenüberschreitung geleistet habe. Dieser Rechtsauffassung folgt der Senat nicht.

a) Sinn und Zweck von § 4 Abs. 1 Satz 3 RVG a. F. sind es, den Mandanten, der bei der Leistung einer vereinbarten Honorarzahlung positiv weiß, dass sie die gesetzliche Vergütung überschreitet, und dessen vorbehaltloser und freier Wille es ist, dass der Rechtsanwalt diesen Mehrbetrag erhalten soll, nicht zu schützen (vgl. BGH NJW 2003, 819, 821 sub Nr. II.3a,cc; NJW 2004, 2818, 2819 jew. m. w. N.). Ob ein vereinbartes Zeithonorar die gesetzliche Vergütung überschreitet, ergibt sich aus einem Vergleich der gesamten gesetzlichen Vergütung mit dem gesamten vereinbarten Zeithonoraraufwand (künftig: Gebührenüberschreitung). Eine solche Vergleichsrechnung ist erst dann möglich, wenn sich die Höhe der gesetzlichen Vergütung ermitteln lässt, also regelmäßig erst nach dem Ende der Tätigkeit des Rechtsanwalts. Von diesem Verständnis geht auch die Bestimmung des § 4 Abs. 1 Satz 1 RVG a. F. aus, wie bereits deren Wortlaut belegt. Denn sie zielt bei einem Schriftformverstoß gerade nicht von vornherein auf die vollständige Nichtigkeit der Honorarabrede oder gar des Anwaltsvertrags ab. Vielmehr erklärt die Vorschrift zum Schutz des Auftraggebers und im Interesse einer klaren Sach- und Beweislage nur die Honorarvereinbarung insofern für unwirksam, als die in Rede stehende Vergleichsrechnung zu einer Gebührenüberschreitung führt (vgl. BGH NJW 2004, 2818, 2819 sub II.1c zur Vorgängernorm des § 3 Abs. 1 Satz 1 BRAGO; ebs. schon BGH NJW RR 2001, 493 zu dem rechtsähnlichen § 4 Abs. 1 StBGebV).

b) Unter Anlegung dieser Kriterien hat der Kläger hinsichtlich des hier umstrittenen Vorschusses seine Schutzbedürftigkeit im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1 RVG a.F. nicht verloren. Denn bei seiner Zahlung am 02. Oktober 2006 wusste er nicht in feststellbarer Weise (§ 286 ZPO), dass er mit dieser Leistung zur Sicherung der künftigen Honorarforderung (vgl. dazu BGH NJW 2004, 1043, 1047) des Beklagten schon mehr zahlte als es der gesetzlichen Vergütung entsprach. Er konnte dies aus den vorgenannten Gründen noch gar nicht wissen, weil mangels einer im Streitfall noch nicht möglichen Vergleichsrechnung weder im Zeitpunkt der Auftragserteilung noch im Zeitpunkt der Vorschusszahlung bekannt war, wie hoch das gesetzliche Honorar sein würde. Darauf kommt es aber für die Entscheidung an. In diesem Zusammenhang weist der Kläger mit Recht darauf hin, dass insbesondere ein vorzeitiges Ende des Auftrags, das mit Blick auf § 627 BGB jederzeit möglich ist, durchaus zu einem vereinbarten Honorar unterhalb der gesetzlichen Gebühren hätte führen können. Dies wäre für den Beklagten nur deshalb nicht maßgeblich geworden, weil er sich in der Honorarvereinbarung (in diesem Fall formwirksam) die gesetzliche Vergütung als Mindesthonorar ausbedungen hatte.

aa) Dieser Erkenntnis steht weder entgegen, dass der Beklagte erklärtermaßen den Auftrag zum gesetzlichen Honorar nicht übernehmen wollte noch dass die Parteien auf der Grundlage der vom Kläger bei Auftragserteilung gegebenen Informationen fest damit rechneten, bei der Erfüllung des Mandatsauftrags würde die vereinbarte Vergütung die gesetzliche übertreffen. Es kommt nämlich nicht auf die Absichten und Erwartungen oder, wie es an anderer Stelle der Honorarvereinbarung heißt, darauf an, dass es "wahrscheinlich" zu einer Gebührenüberschreitung kommen werde; entscheidend ist das positive Wissen des Mandanten von der konkreten Gebührenüberschreitung. Dabei muss dieses Wissen bei jedem einzelnen Honorar, um dessen Rückzahlung gestritten wird, im Sinne des § 286 ZPO festgestellt werden. Darlegungs- und beweispflichtig dafür ist der Beklagte als derjenige, der sich auf die Ausnahmebestimmung beruft (BGH NJW 2004, 2818, 2819).

bb) Dazu fehlt es an konkretem Vortrag des Beklagten. Ihm hilft es auch nicht weiter, in der vorformulierten Honorarvereinbarung darauf hingewiesen zu haben, "dass diese Vereinbarung erheblich von der gesetzlichen Regelung abweicht". Dieser Hinweis bezieht sich ersichtlich und in abstrakter Weise auf die Honorarermittlung, nämlich darauf, dass sich die Höhe des vereinbarten Honorars nach dem Zeitaufwand richtet, während sich die Höhe der gesetzlichen Vergütung aus der Erfüllung gesetzlich bestimmter Tätigkeitsmerkmale ergibt. Darauf hat der Beklagte in der Honorarvereinbarung schon nicht mehr hingewiesen. Welche Konsequenz der Zeitaufwand konkret für die Honorarhöhe hat, insbesondere wann im Laufe der Mandatsbearbeitung das vereinbarte Honorar das gesetzliche überschreitet, ist dagegen unbestimmt geblieben. Daran hatte sich auch bis zur Zahlung des hier umstrittenen Vorschusses nichts mehr geändert. Jene abstrakten Hinweise sind deshalb auch weder, wie der Beklagte unter Verkennung der Senatsrechtsprechung (Urt. v. 29.6.2006, Az. I-24 U 196/04, juris = AGS 2006, 530, insoweit in NJW-RR 2007, 129 nicht abgedruckt) meint, Voraussetzung für eine wirksame Gebührenvereinbarung noch sind sie grundsätzlich als ausreichend zu erachten, um eine gebührenüberschreitende Honorarzahlung, die zur Erfüllung einer schriftformwidrigen Honorarvereinbarung geleistet worden ist, gemäß § 4 Abs. 1 Satz 3 RVG a.F. von der Rückforderung auszuschließen. Der Senat hat in der in Bezug genommenen Entscheidung lediglich ausgeführt, dass solch ein vorformulierter Hinweis in einer Honorarvereinbarung nicht gegen § 3 Abs. 1 Satz 1 BRAGO verstößt, der (insoweit enger als § 4 Abs. 1 Satz 1 RVG a. F.) zur Vermeidung der Unwirksamkeit der die gesetzlichen Gebühren überschreitenden Honorarabrede alle Regelungen untersagte, die mit ihr nicht in einem unmittelbaren Zusammenhang stehen.

cc) Der Senat hat daher keine Veranlassung, der abstrakten Frage nachzugehen, unter welchen konkreten Voraussetzungen der Mandant im Falle einer die gesetzliche Gebühren überschreitenden Zahlung auf ein vereinbartes Zeithonorar das in § 4 Abs. 1 Satz 3 RVG a. F. vorausgesetzte Wissen von der Gebührenüberschreitung im Zeitpunkt der Leistung hat bzw. ob und wie es diesem ggf. vermittelt werden kann (vgl. dazu allg. im Falle eines vereinbarten Pauschalhonorars BGH NJW 2004, 2818, 2819 m. w. N.).

dd) Auch auf die weiteren von den Parteien im Zusammenhang mit der Auslegung des § 4 Abs. 1 Satz 3 RVG a. F. aufgeworfenen Streitfragen kommt es nicht mehr an. Insbesondere kann die Frage offen bleiben, ob die vereinbarte Zahlung des Vorschusses unabhängig vom Wissen des Auftraggebers von der Gebührenüberschreitung schon deshalb keine Leistung im Sinne der genannten Vorschrift ist, weil in diesen Fällen gar nicht auf den Honoraranspruch, sondern allein auf den davon zu unterscheidenden, nach Meinung des Klägers von § 4 Abs. 1 Satz 3 RVG 2004 nicht erfassten Vorschussanspruch geleistet werde. Es braucht auch nicht entschieden zu werden, ob für den Fall, dass Vorschusszahlungen als von § 4 Abs. 1 Satz 3 RVG a. F. umfasst zu behandeln sind, solche Vorschüsse stets unter dem Vorbehalt künftiger Abrechnung (§ 10 Abs. 2 RVG) gezahlt werden, so dass, wie der Kläger meint, zwar im Einzelfall "freiwillig", aber niemals "vorbehaltlos" im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 3 RVG a. F. geleistet werde und deshalb der Vorschuss im Falle eines unwirksamen gebührenüberschreitenden Honorarversprechens stets zurückrückverlangt werden könne (vgl. dazu Schons AGS 2008, 109).

3. Die Unwirksamkeit der Zeithonorarvereinbarung hat allerdings nicht zur Konsequenz, dass dem Beklagten für seine Leistung gar kein Honorar zusteht. Vielmehr steht ihm das gesetzliche Honorar zu, wenn auch nicht in der Höhe, die er in der "Vergleichsberechnung" vom 16. April 2007 mit 1.032,92 EUR berechnet hat.

a) Der Senat vertritt in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass der Rechtsanwalt, der auf der Grundlage einer unwirksamen Abrede Honorar in einer Höhe verlangt, das die gesetzlichen Gebühren überschreitet, nicht die Abrechnung des gesetzlichen Honorars entbehrlich macht, wenn er dieses (hilfsweise) beansprucht (vgl. Senat MDR 2000, 420; MDR 2004, 58 = AnwBl 2004, 128; vgl. auch BGH NJW 1971, 2227f sub Nr. 6; NJW 2002, 2774, 2775). Zwar sind das vereinbarte und das gesetzliche Honorar nicht prozessual verschiedene Ansprüche (BGH NJW 2002, 2774, 2776; 2004, 1169, 1171 sub II.4b,bb aE); denn sie beruhen auf einer und derselben anwaltlichen Leistung. Das gesetzliche Honorar kann aber nicht allein deshalb gefordert werden, weil die Leistung erbracht und gemäß § 8 RVG fällig geworden ist. Vielmehr ist darüber eine nachvollziehbare Leistungsabrechnung erforderlich, wie sie durch das Gesetz vorgeschrieben ist (§ 10 Abs. 2 RVG). Da sich die Abrechnung des vereinbarten Honorars nach Inhalt und Umfang ganz wesentlich von der Abrechnung des gesetzlichen Honorars unterscheidet (Gerold/Schmidt/Madert, RVG, 18. Aufl., § 10 Rn 11), kann dem Rechtsanwalt, der das nach seiner Meinung wirksam vereinbarte Honorar einklagt, nicht die (wenigstens hilfsweise zu erteilende) Abrechnung des gesetzlichen Honorars erspart werden, wenn er nicht das Risiko eingehen will, mit seiner Klage abgewiesen zu werden (Senat MDR 2004, 58 = AnwBl 2004, 128). Eine solche Abrechnung muss nicht förmlich in Gestalt einer Rechnung erfolgen. Sie kann in einem vom Rechtsanwalt unterzeichneten prozessualen Schriftsatz enthalten sein (Senat MDR 2000, 420, BGH NJW 2002, 2774, 2775), etwa in Gestalt eines echten Hilfsvorbringens (Senat aaO) oder als Anlage zu einem solchen Schriftsatz (BGH NJW 2002, 2774, 2775), etwa in Gestalt einer "Vergleichsrechnung", die dazu dienen soll, die vom Mandanten (etwa auch) geleugnete Angemessenheit des vereinbarten Honorars darzustellen (BGH aaO); vom Rechtsanwalt, der der Überzeugung ist, das von ihm verlangte Honorar sei wirksam vereinbart worden, kann nicht erwartet werden, dass er dem Mandanten gegen seine Überzeugung eine förmliche Rechnung über das gesetzliche Honorar erteilt. Dem geschützten Interesse des Mandanten, in gesetzlicher Weise über das ersatzweise in Betracht kommende gesetzliche Honorar unterrichtet zu werden, kann auch auf die vorbeschriebene Weise entsprochen werden (Senat aaO, BGH aaO). Entscheidend ist, dass die Mitteilung die in § 10 Abs. 2 RVG vorgeschriebenen Merkmale enthält.

b) An diese Vorgaben hat sich der Beklagte mit der als Anlage zur Klageerwiderung überreichten "Vergleichsberechnung" vom 16. April 2007 gehalten. Bereits sie erfüllt vollständig die Anforderungen des § 10 Abs. 2 RVG und - entgegen der Meinung des Klägers - nicht erst die später überreichte Abrechnung.

c) Der Beklagte hat die in der "Vergleichsrechnung" abgerechneten Positionen mit Ausnahme der Fotokopie- und Reisekosten, die der Kläger im Senatstermin unstreitig gestellt hat, weder nach ihrem Grund noch nach ihrer Höhe verdient.

aa) Der Beklagte hat das gesetzliche Honorar wie folgt abgerechnet:

Zeile Nr. des VV RVG Gebührentatbestand Gebühr/EUR 01 4100 Verteidigergrundgebühr/Höchstsatz 300,00 02 4124 Gebühr für Berufungsverfahren/Höchstsatz 470,00 03 7001 Nr. 1a 393 Fotokopien aus Gerichtsakte ([50 x 0,50 €] + [343 x 0,15 €]) 76,45 04 7002 Telekommunikationspauschale 20,00 05 7004 Reisekosten 24,00 06 Zwischensumme 890,45 07 7008 16% Mehrwertsteuer 142,47 08 Gesamthonorar 1.032,92

bb) Die dagegen von der Berufung erhobenen Einwendungen sind begründet.

(1) Der Senat folgt der Ansicht des Klägers, der Beklagte habe die in Zeile 01 angesetzte Gebühr nicht verdient, weil er nicht als Verteidiger, sondern nur mit einer Einzeltätigkeit beauftragt worden sei. Der nur mit einer Einzeltätigkeit beauftragte Rechtsanwalt verdient nicht die Grundgebühr (vgl. nur Gerold/Schmidt/Burhoff, aaO, VV Vorb. 4.3 Rn 10). Der Beklagte war (noch) nicht zum Verteidiger bestellt, weil zum Zeitpunkt seiner Beauftragung (noch) keine Verteidigungstätigkeit erforderlich gewesen war. Der Kläger war in erster Instanz verurteilt worden. Das Landgericht hatte seine Berufung als unzulässig verworfen, weil nach dessen Ansicht der Kläger im ersten Rechtszug wirksam auf die Einlegung von Rechtsmitteln verzichtet hatte. Die dagegen vom früheren Verteidiger des Klägers eingelegte sofortige Beschwerde hatte das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Damit war der Rechtsmittelzug vollständig erschöpft und die Verteidigertätigkeit des früheren Prozessbevollmächtigten des Klägers beendet. Die Aufgabe des Beklagten war es, mithilfe des an das Oberlandesgericht gerichteten außerordentlichen Rechtsbehelfs (künftig: Rechtsbehelf) die inzwischen "verschlossene" Tür zur (weiteren) Verteidigung des Klägers gegen den Strafvorwurf wieder zu öffnen. Solange dieses Zwischenziel nicht erreicht war, war der Kläger nicht zu "verteidigen".

(2) Aus diesen Erwägungen ergibt sich bereits, dass für das Betreiben des Geschäfts nicht eine Gebühr nach VV RVG 4124, sondern nur eine solche nach VV RVG 4302 anzusetzen ist, die für Einzeltätigkeiten (sonstige Beschwerden und Anträge) gesetzlich vorgesehen ist. Der Höchstsatz nach dieser Vorschrift beträgt 250 EUR. Dieser ist mit Blick auf den tatsächlichen und rechtlichen Umfang der Angelegenheit, die rechtliche Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, die Bedeutung der Strafsache für den Kläger sowie den erheblichen Zeitdruck, unter dem der Rechtsbehelf zu bearbeiten war, angemessen. Das gesteht auch der Kläger zu, so dass ein Gutachten des Vorstands der zuständigen Rechtsanwaltskammer gemäß § 14 Abs. 2 S. 1 RVG nicht einzuholen ist.

(3) Das vom Beklagten verdiente Honorar berechnet sich demnach wie folgt:

Zeile Nr. des VV RVG Gebührentatbestand Gebühr/EUR 01 4302 Gebühr für Einteltätigkeit/Höchstsatz 250,00 02 7001 Nr. 1a 393 Fotokopien aus Gerichtsakte ([50 x 0,50 €] + [343 x 0,15 €]) 76,45 03 7002 Telekommunikationspauschale 20,00 04 7004 Reisekosten 24,00 05 Zwischensumme 370,45 06 7008 16% Mehrwertsteuer 59,27 07 Gesamthonorar 429,72

4. Soweit der Kläger den Rechtsstreit in Höhe eines Teilbetrags von 313,20 EUR bereits im ersten Rechtszug in der Hauptsache für erledigt erklärt hat, ist antragsgemäß eine entsprechende Feststellung zu treffen. Denn die Klage war bei Vorlage der Vergleichsrechnung vom 16. April 2007 mit der Klageerwiderung zulässig und begründet, wie sich aus den vorstehenden Erwägungen ergibt. Über das Hilfsbegehren des Beklagten (Erledigung der Hauptsache) ist nicht zu entscheiden, weil es sich mit dem Abweisungsantrag nicht vereinbaren lässt. Wenn der Kläger wie hier mit dem Hauptbegehren durchdringt, kommt eine übereinstimmende Erledigung nicht mehr in Betracht, weil es sich nicht um eine innerprozessuale, sondern um eine unzulässige, von der Entscheidung über den Hauptantrag abhängig gemachte Bedingung handelt (vgl. BGHZ 106, 369; Zöller/Vollkommer, ZPO, 26. Aufl., § 91a Rn 13)

II. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 91a, 92 Abs. 1 ZPO. Dabei hat der Senat berücksichtigt, dass der Kläger im ersten Rechtszug wegen eines Teilbetrags von 313,20 EUR vom Zahlungs- zum Feststellungsantrag erst übergegangen ist, als alle Gebühren angefallen waren. Hätte er diesen Antrag früher gestellt, wären geringere Kosten entstanden, was sich bei der Kostenentscheidung zu Lasten des Klägers auswirken muss. Sein Unterliegen im zweiten Rechtszug ist dagegen so gering, dass es auf die Kostenverteilung keinen Einfluss mehr hat.

III. Es besteht kein Anlass, die Revision zuzulassen; die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts, § 543 Abs. 2 ZPO.

Berufungsstreitwert: 846,80 EUR






OLG Düsseldorf:
Urteil v. 11.11.2008
Az: I-24 U 36/08


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