Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen:
Beschluss vom 20. November 2013
Aktenzeichen: 13 B 905/13

(OVG Nordrhein-Westfalen: Beschluss v. 20.11.2013, Az.: 13 B 905/13)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Das Verwaltungsgericht hat den Antrag der Antragstellerin auf Aufhebung einer Abschaltungsanordnung gegenüber der Beigeladenen abgelehnt. Die Antragstellerin hatte die Rufnummer eines anderen Taxiunternehmens übernommen. Die Bundesnetzagentur ordnete die Abschaltung der Rufnummer an, da diese rechtswidrig zugeteilt worden war. Die Antragstellerin erhob Klage und legte Beschwerde gegen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts ein. Sie argumentierte, dass die Abschaltungsanordnung ihre Grundrechte beeinträchtigen würde. Das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen entschied, dass die Antragstellerin antragsbefugt ist, da die Abschaltungsverfügung in ihre Berufsausübungsfreiheit eingreift. Es stellte jedoch fest, dass die Abschaltungsverfügung rechtlich rechtmäßig ist, da die Antragstellerin kein Nutzungsrecht an der Rufnummer hat. Die Antragstellerin hatte lediglich die Rufnummer übernommen, nicht jedoch das Unternehmen. Das Gericht wies die Beschwerde daher zurück und legte die Kosten des Verfahrens der Antragstellerin auf. Die Entscheidung ist endgültig und unanfechtbar.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

OVG Nordrhein-Westfalen: Beschluss v. 20.11.2013, Az: 13 B 905/13


Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Köln vom 2. August 2013 wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragstellerin ist Inhaberin eines Taxiunternehmens, das unter der Rufnummer ...zu erreichen ist. Die Rufnummer wurde ihr von der Beigeladenen am 13. März 2009 zugeteilt. Die Antragstellerin hatte sie von der früheren Zuteilungsnehmerin, dem Taxiunternehmen I. , übernommen. Durch Bescheid vom 15. August 2012 ordnete die Bundesnetzagentur gegenüber der Beigeladenen die Abschaltung der Rufnummer binnen eines Jahres an. Sie sei rechtswidrig zugeteilt worden. Nach den nummerierungsrechtlichen Vorgaben dürften achtstellige Ortsnetzrufnummern aus dem Altbestand grundsätzlich nicht mehr neu zugeteilt werden, sondern fielen nach Rückgabe in die Verfügungsgewalt der Bundesnetzagentur zurück.

Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhob die Antragstellerin Klage. Nachdem der später gestellte Aussetzungsantrag vor dem Verwaltungsgericht ohne Erfolg geblieben ist, hat sie Beschwerde eingelegt. Zur Begründung macht sie im Wesentlichen geltend, sie sei entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts antragsbefugt, da die Abschaltungsanordnung sie in ihren Grundrechten beeinträchtige. In der Sache lägen die Voraussetzungen für eine sie existentiell treffende Abschaltung nicht vor. Die erfolgte Übertragung der Rufnummer vom Taxiunternehmen I. auf sie sei zulässig. Es sei der Ausnahmefall einer Unternehmensfortführung gegeben, die auch die betroffene Rufnummer als wesentlichen Bestandteil der Firma I. umfasse.

II.

Die zulässige Beschwerde, über die der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO im Rahmen der von der Antragstellerin dargelegten Gründe befindet, ist unbegründet.

Das Verwaltungsgericht hat den Antrag,

die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin vom 7. Januar 2013 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 15. August 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4. Dezember 2012 anzuordnen,

im Ergebnis zu Recht abgelehnt.

Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts ist die Antragstellerin in entsprechender Anwendung des § 42 Abs. 2 VwGO antragsbefugt. Nach der ständigen Senatsrechtsprechung ist der von einer Abschaltungsanordnung (dritt-)betroffene Zuteilungsnehmer möglicherweise in seinen Grundrechten verletzt. Die gegenüber dem Netzbetreiber als originärem Zuteilungsnehmer ergangene Ordnungsverfügung beseitigt zwar nicht unmittelbar die Nutzungsrechte des Dritten, die aufgrund der zivilrechtlichen Zuteilung der Rufnummer durch den Netzbetreiber bestehen (abgeleitete Zuteilung). Dem Dritten ist es aber aufgrund der Abschaltungsverfügung nicht mehr möglich, von seinem Zuteilungsrecht Gebrauch zu machen. Können Drittbetroffene in Folge einer Abschaltungsanordnung ihren Beruf (insoweit) nicht mehr im bisherigen Umfang ausüben, ist ein Eingriff in Art. 12 Abs. 1 GG und damit die Möglichkeit einer Rechtsverletzung zu bejahen.

Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 25. März 2010

- 13 B 226/10 -, NVwZ-RR 2010, 595, und vom

5. August 2010 - 13 B 883/10 - sowie - 13 B 690/10 u.a. -, juris; siehe auch BVerfG, Beschluss vom

24. August 2011 - BvR 1611/11 -, juris.

Daran hält der Senat auch unter Berücksichtigung des Vorbringens der Antragsgegnerin sowie der Ausführungen des Verwaltungsgerichts fest. Insbesondere rechtfertigt die angeführte einfachrechtliche Bestimmung des § 8 Abs. 3 Satz 4 Telekommunikations-Nummerierungsverordnung (TNV) keine andere Betrachtung. Danach müssen Empfänger abgeleiteter Zuteilungen Änderungen, die durch Entscheidungen der Bundesnetzagentur gegenüber dem originären Zuteilungsnehmer erfolgen, hinnehmen. Es erscheint schon zweifelhaft, ob diese Bestimmung Abschaltungsanordnungen erfasst, da Satz 4 im Unterschied zu Satz 1 des § 8 Abs. 3 TNV ("Einwendungen gegen eine abgeleitete Zuteilung, die Aufhebung oder Änderung einer abgeleiteten Zuteilung") lediglich Änderungen nennt. Abgesehen davon dürfte ein genereller Ausschluss verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes mit Art. 19 Abs. 4 GG nicht vereinbar sein. Jedenfalls dann, wenn eine Abschaltungsanordnung in Art. 12 Abs. 1 GG eingreift, ist eine verfassungskonforme Auslegung geboten, die verwaltungsgerichtlichen Primärrechtsschutz ermöglicht und den Inhaber der abgeleiteten Zuteilung nicht darauf verweist, den Netzbetreiber zivilrechtlich in Anspruch zu nehmen.

Hiervon ausgehend ist die Antragstellerin antragsbefugt. Sie ist durch die Abschaltungsanordnung gegenüber der Beigeladenen möglicherweise in ihrem Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG verletzt. Dass ihr Geschäftsmodell nicht - wie etwa bei einem Diensteanbieter - ausschließlich auf der Rufnummernnutzung beruht und ihr damit durch die Abschaltung nicht zugleich eine zum Gewerbebetrieb gehörende Tätigkeit unmöglich gemacht wird, steht der Annahme eines Eingriffs in die Berufsausübungsfreiheit nicht entgegen. Die Rufnummer hat für Taxiunternehmen eine große Bedeutung. Die Antragstellerin nutzt die streitige, ihr zugeteilte Nummer bereits seit einigen Jahren. Hinzu tritt, dass die Ziffernfolge "4711" kurz und gut zu merken ist. Die Umstellung auf eine andere und längere Rufnummer dürfte nicht nur mit Kosten (insbesondere für neue Werbemaßnahmen), sondern jedenfalls für eine Übergangszeit auch mit Umsatzeinbußen verbunden sein.

Der Antrag hat aber in der Sache keinen Erfolg. Die im Rahmen des § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO gebotene Abwägung zwischen dem privaten Aussetzungsinteresse und dem öffentlichen Interesse an der möglichst schnellen Durchsetzung der Verfügung fällt zulasten der Antragstellerin aus. Die angefochtene Verfügung ist offensichtlich rechtmäßig.

Rechtsgrundlage für die Abschaltung von Rufnummern ist § 67 Abs. 1 Satz 5 TKG. Danach soll die Bundesnetzagentur im Falle der gesicherten Kenntnis von der rechtswidrigen Nutzung einer Rufnummer gegenüber dem Netzbetreiber, in dessen Netz die Nummer geschaltet ist, die Abschaltung der Rufnummer anordnen. Die Voraussetzungen dieser - im Verhältnis zur Generalermächtigung in § 67 Abs. 1 Satz 1 TKG speziellen - Ermächtigungsnorm sind hier erfüllt. Die Antragstellerin verfügt über kein Nutzungsrecht an der streitgegenständlichen Rufnummer, nutzt sie aber gleichwohl.

Wie im angefochtenen Beschluss zutreffend näher ausgeführt wird, hätte die kurzstellige Altbestandsrufnummer nach § 12 Satz 1 TNV, Ziffer 1.1.1 der Anlage zu § 12 TNV i.V.m. Ziffer 8.7 der Verfügung 25/2006 der Antragsgegnerin vom 10. Mai 2006 ("Struktur und Ausgestaltung des Nummernbereichs für Ortsnetzrufnummern", ABl. BNetzA Nr. 2006, 1115) nur im - hier allein in Betracht kommenden - Ausnahmefall einer Unternehmensfortführung auf die Antragstellerin übertragen werden dürfen. Der Annahme des Verwaltungsgerichts, dass die Antragstellerin nicht das Geschäft, sondern lediglich die Rufnummer des Taxiunternehmens I. übernommen hat, ist die Antragstellerin in der Beschwerdebegründung schon nicht substantiiert entgegengetreten. Sie hat sich damit - den Darlegungsanforderungen des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO nicht genügend - in der Sache gar nicht auseinandergesetzt, sondern lediglich darauf verwiesen, die Frage müsse im Hauptsacheverfahren geklärt werden. Ihre weiter geäußerte Rechtsauffassung, letztendlich komme es nur darauf an, dass sie aufgrund der getroffenen Vereinbarung mit der Firma I. diese Rufnummer nutzen dürfe, ist unzutreffend. Eine bloße Rufnummernveräußerung bzw. -übertragung ist, wie in den streitgegenständlichen Bescheiden näher ausgeführt wird, telekommunikationsrechtlich unzulässig (vgl. auch Ziffer 8.7 der Verfügung 25/2006) und wird auch nicht durch eine mehrjährige Praxis legitimiert.

Abgesehen davon teilt der Senat die Auffassung des Verwaltungsgerichts zur fehlenden Geschäftsübernahme. Die Antragstellerin hat nicht das bestehende Unternehmen Taxi I. in P. als neue Inhaberin fortgeführt, sondern ist Inhaberin des Unternehmens Taxi S. in E. . Die im Verwaltungsverfahren vorgelegten Schriftstücke lassen ebenfalls nicht auf eine Unternehmensfortführung schließen. Nach dem auf den 29. Mai 2006 datierten Vertrag ("Kaufvertrag/ Geschäftsübernahme") sind lediglich Teile des Unternehmens - der Kundenstamm, der Kurierdienst sowie die Telefonnummer - an die Antragstellerin veräußert worden. Eine Übernahme des Taxibetriebs konnte im Übrigen nicht erfolgen, weil die Antragstellerin zu der Zeit über keine Taxikonzession verfügte. Abgesehen davon, dass die schriftliche Erklärung der Frau I. vom 22. Januar 2012 hinsichtlich des Zeitpunkts (Mitte 2007) im Widerspruch zu diesem Schriftstück steht, ergibt sich daraus lediglich die Übertragung der Rufnummer.

Von diesen Umständen, die den Schluss auf eine rechtswidrige Rufnummernnutzung zulassen, hatte die Antragsgegnerin bereits im Verwaltungsverfahren gesicherte Kenntnis. Vor diesem Hintergrund ist der Auffassung der Antragstellerin nicht zu folgen, die Frage der Unternehmensfortführung sei im Eilverfahren als offen zu bewerten und bedürfe der umfassenden Aufklärung und Beweisaufnahme im Hauptsacheverfahren. Im Übrigen hat die zwischenzeitlich durchgeführte mündliche Verhandlung im Klageverfahren ergeben, dass das Unternehmen I. 2007 eingestellt worden ist, die Klägerin erst nach Erteilung der Konzession im Jahr 2009 ihr eigenes Unternehmen in neuen Räumlichkeiten und mit neuem Namen gegründet hat und in der Zwischenzeit keine Fahrdienste durchgeführt worden sind. Diese Tatsachen sind auch im Eilverfahren berücksichtigungsfähig. Das Beschwerdegericht prüft - im Rahmen der gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO dargelegten Gründe - die Sach- und Rechtslage aufgrund aller verfügbaren Erkenntnisse.

Substantiierte Einwände gegen die - ohnehin gebundene - Ermessensbetätigung der Antragsgegnerin werden im Beschwerdeverfahren nicht erhoben.

Das weitere Vorbringen verhilft der Beschwerde ebenfalls nicht zum Erfolg. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin sind die §§ 48, 49 VwVfG nicht maßgeblich. Streitgegenständlich ist nicht die Aufhebung der Zuteilungsentscheidung der Beigeladenen gegenüber der Antragstellerin, die ohnehin zivilrechtlich erfolgen müsste, sondern eine Abschaltungsanordnung der Antragsgegnerin gegenüber der Beigeladenen als Netzbetreiber. Die Rufnummernzuteilung erfolgt zweistufig: Die Antragsgegnerin teilt dem Netzbetreiber öffentlichrechtlich Rufnummern(-blöcke) zu (originäre Zuteilung), die dieser wiederum im Wege eines zivilrechtlichen Vertrages den Teilnehmern zuteilt (abgeleitete Zuteilung). Demzufolge kommt es auch für die weiter geltend gemachte Frage der Verwirkung und unzulässigen Rechtsausübung nicht auf das Verhalten oder die Kenntnis des Netzbetreibers, sondern der Antragsgegnerin an. Diese hat aber erst Mitte 2011 Hinweise auf eine rechtswidrige Nutzung durch die Antragstellerin erhalten und, nachdem der Sachverhalt Anfang 2012 geklärt war, noch im Sommer desselben Jahres die Abschaltung verfügt.

Das Vorbringen zur allgemeinen Interessenabwägung greift ebenfalls nicht durch. Die durch Art. 12 Abs. 1 GG gebotene Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalls, d.h. insbesondere die Berücksichtigung der wirtschaftlichen Folgen eines Vollzugs des Bescheides bereits vor dessen Bestandskraft,

vgl. dazu BVerfG, Beschluss vom 24. August 2011 - 1 BvR 1611/11 -, juris,

führt nicht zum Erfolg der Beschwerde. Konkrete individuelle Umstände, die dazu führen könnten, dass das private Aufschubinteresse das öffentliche Interesse am Vollzug des offensichtlich rechtmäßigen Verwaltungsakts überwiegt, mit dem die diskriminierungsfreie Rufnummernnutzung im Ortsnetzbereich sichergestellt werden soll, sind dem Beschwerdevorbringen nicht zu entnehmen. Substantiierte Angaben zur wirtschaftlichen Situation fehlen, für die Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz der Antragstellerin ist nichts ersichtlich.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG. Wenn - wie hier - konkrete Anhaltspunkte für die wirtschaftliche Bedeutung fehlen, bemisst der Senat den Streitwert bei der Abschaltung von Rufnummern mit dem doppelten Regelstreitwert und halbiert diesen Wert im vorläufigen Rechtsschutzverfahren. Wegen der Einzelheiten wird auf den Beschluss vom heutigen Tage im Verfahren gleichen Rubrums - 13 E 797/13 - Bezug genommen.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.






OVG Nordrhein-Westfalen:
Beschluss v. 20.11.2013
Az: 13 B 905/13


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