Oberlandesgericht München:
Urteil vom 19. November 1997
Aktenzeichen: 7 U 2511/97

(OLG München: Urteil v. 19.11.1997, Az.: 7 U 2511/97)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Das Oberlandesgericht München hat das Teil- und Grundurteil des Landgerichts München I vom 28. Januar 1997 aufgehoben. Der Rechtsstreit wird zur weiteren Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Wert der Beschwer im Berufungsverfahren übersteigt für beide Parteien DM 60.000,--.

In dem zugrunde liegenden Fall geht es um einen Unternehmenskauf, bei dem eine holländische Gesellschaft Ansprüche aus dem Kauf geltend macht. Die Beklagte, eine Tochtergesellschaft der ... GmbH, war Alleingesellschafterin der ... GmbH ..., die Telekommunikationsdienstleistungen anbietet. Die Parteien haben einen Kaufvertrag abgeschlossen, der u.a. eine Eigenkapitalgarantie und den Erwerb notleidender Kundenforderungen regelt.

Die Klägerin fordert Zahlungen aus der Eigenkapitalgarantie zum 01. Januar 1995 sowie zum 30. Juni 1995. Sie verlangt außerdem Zahlungen für notleidende Kundenforderungen. Die Beklagte bestreitet die Wirksamkeit des Kaufvertrags und behauptet, dass dieser konkludent aufgehoben wurde. Die Beklagte gibt an, dass eine Abtretung der Kundenforderungen gegen datenschutzrechtliche Vorschriften verstößt und es keine entsprechende Verpflichtung gibt.

Das Landgericht hat die Beklagte zur Zahlung der Eigenkapitalgarantie zum 01. Januar 1995 verurteilt. Die Klageansprüche zum 30. Juni 1995 und für notleidende Kundenforderungen hat das Landgericht dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt.

Das Oberlandesgericht hebt das Teil- und Grundurteil aufgrund eines Verfahrensmangels auf. Es stellt fest, dass das Teilurteil unzulässig ist, da es keine Unabhängigkeit von Teil- und Schlussurteil gewährleistet. Der Fall wird zur weiteren Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

OLG München: Urteil v. 19.11.1997, Az: 7 U 2511/97


Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten und die Anschlußberufung der Klägerin wird das Teil- und Grundurteil des Landgerichts München I vom 28.Januar 1997 aufgehoben.

II. Der Rechtsstreit wird zur weiteren Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Berufungsverfahrens, an das Landgericht München I zurückverwiesen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

IV. Der Wert der Beschwer im Berufungsverfahren übersteigt für beide Parteien DM 60.000,--.

Tatbestand

1) Die Klägerin, eine holländische Gesellschaft, macht Ansprüche geltend aus einem Unternehmenskauf.

Die Beklagte, eine Tochtergesellschaft der ..., war Alleingesellschafterin der ... GmbH ..., deren Geschäftsgegenstand das Anbieten von Telekommunikationsdienstleistungen sowie der Vertrieb von Telekommunikationseinrichtungen ist, insbesondere im Mobilfunk.

Über den Erwerb von 80 % der Gesellschaftsanteile der ... schlossen die Parteien, wobei für beide ... handelte, vor dem Notar ... in ... am 29. März 1995 einen Kaufvertrag (K 1). Der Kaufpreis betrug DM 17.600.000. Im Kaufvertrag garantierte die Beklagte u.a. ein vorhandenes Eigenkapital der ... zum 01.Januar und 31. März 1995 von jeweils 1 Mio. DM und verpflichtete sich, dieses gegebenenfalls zuzuführen, wobei auch Regelungen über die Erstellung und Prüfung einer Eröffnungsbilanz zum 01.Januar 1995 und einer Stichtagsbilanz zum 31. März 1995 getroffen wurden. Für die Klägerin waren in § 8 Rücktrittsrechte vorgesehen, u.a. für den Fall, daß die Jahresabschlüsse 1993 und 1994 sowie die vorläufige Eröffnungsbilanz zum 01.01.1995 nicht bis 15. Mai 1995 vorlagen. Nach § 6 des Vertrages sollte die Beklagte ferner notleidende Kundenforderungen der ... zum Buchwert erwerben. In gleicher Weise schlossen die Parteien am gleichen Tag noch eine Gesellschaftervereinbarung.

Anfang Mai 1995 bat die Beklagte wegen massiver Mängel in der Buchhaltung der ... um eine Fristverlängerung für die Vorlage der Jahresabschlüsse und der Eröffnungsbilanz. Am 15.Mai 1995 unterzeichneten die Parteien ein privatschriftliches Addendum (K 2), in dem u.a. als neuer Stichtag statt des 31.März der 30.Juni 1995 vorgesehen war. Am 25.Mai 1995 wurde wiederum durch ... dieses "Addendum to the Purchase Agreement" in englischer Sprache vor dem Notar ... in ... beurkundet (K 5). Am 02.August 1995 verlängerten die Parteien die Frist zur Ausübung des Rücktrittsrechts der Klägerin um vier Wochen. In der Folgezeit gab es zwischen den Parteien Schriftwechsel und Gespräche. Dabei bestand zunächst die Beklagte auf der Durchführung des "closing". Beide Seite schlugen jeweils Modifikationen der bislang niedergelegten Regelungen vor, wobei die Klägerin auch mit der Ausübung ihres Rücktrittsrechtes drohte.

Am 05.September 1995 schließlich überwies die Klägerin den Kaufpreis an die Beklagte auf ein von dieser mitgeteiltes Konto. Am 07. September 1995 veranlaßte die Klägerin die Beurkundung eines Übertragungsvertrags vor Notar ... (K 6), wobei ... für die Klägerin handelte, die zugleich für die Beklagte aufgrund einer in der Urkunde vom 29.März 1995 erteilten Vollmacht auftrat. Der Kaufpreis ist bislang nicht zurückgezahlt worden.

Die Klägerin hat im wesentlichen geltend gemacht, daß der Kaufvertrag vom 29.März 1995 nebst dem Zusatz vom 24. Mai 1995 wirksam sei. Der Vertrag sei weder aufgehoben worden noch infolge Rücktritts durch die Beklagte umgewandelt worden. Die Eröffnungsbilanz sei konkludent gemeinsam festgestellt worden. Nach dem geprüften Jahresabschluß 1994 weise die ... einen nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag von DM 8.750.322,91 aus. Die Beklagte habe lediglich Kapital in Höhe von 5,5 Mio. DM zugeführt, so daß noch der Betrag von DM 4.250.322,91 offen sei. Für den wirksam vereinbarten Stichtag 30. Juni 1995 ergebe sich ein weiterer Verlust in Höhe von DM 432.000, den die Beklagten ebenfalls vertragsgemäß der ... zuführen müsse. Schließlich schulde die Beklagte einen Betrag von DM 3.609.705,91. In dieser Höhe habe die ... die notleidenden Kundenforderungen zum 28.Februar 1995 bewertet. Die Beklagte habe pflichtwidrig die Genehmigung des Handelns von ... bei der Protokollierung am 24. Mai 1995 verweigert.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen,

1. das am 24. Mai 1995 vor dem Notar ..., ... protokollierte "Addendum to the Purchase Agreement (Kaufvertrag) dated March 29, 1995" -- A.Prot. ... -- bzw. die in dieser Urkunde für die Beklagte abgegebenen Erklärungen zu genehmigen;

2. an die ... GmbH, ... DM 4.250.322,91 zuzüglich 12,75 % Zinsen seit dem 15. Dezember 1995 zu zahlen;

3. an die ... GmbH, ... DM 432.000,-- zuzüglich 12,75 % Zinsen seit dem 15. Dezember 1995 zu zahlen;

4. an die ... GmbH, ... DM 3.609.705,91 zuzüglich 12,75 % Zinsen seit dem 15. Dezember 1995 zu zahlen gegen Abtretung der Kundenforderungen der ... GmbH, die vor dem 31. Dezember 1994 entstanden sind und deren vollständiges Inkasso bis zum 28. Februar 1995 nicht erfolgt ist oder die aus einem anderen Grund als notleidend einzustufen sind.

Hilfsweise zu 2.:

Die Beklagte zu verurteilen, an die ... GmbH DM 4.250.322,91 zuzüglich 12,75 % Zinsen seit dem 15. Dezember 1995 zu zahlen Zug um Zug gegen Freistellung der Beklagten von 80 % der Rückbürgschaft zur Absicherung der von ... den Netzbetreibern gestellten Bürgschaft -ersatzweise Gestellung einer unbefristeten Bankbürgschaft einer deutschen Großbank durch die Klägerin in Höhe von DM 4.000.000,00, auf die die Beklagte zurückgreifen kann, wenn sie auf der Rückbürgschaft in Anspruch genommen wird.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat vorgetragen, bereits der Kaufvertrag vom 29. März 1995 sei formungültig, da er nur vor einem Auslandsnotar protokolliert worden sei und er eine gebotene Verknüpfung mit der Gesellschaftervereinbarung vom gleichen Tage nicht enthalte. Sofern der Kaufvertrag wirksam abgeschlossen worden sei, sei er im Mai 1995 konkludent aufgehoben worden, weil der von den Parteien besprochene Änderungsvertrag nicht zum Tragen gekommen sei. Die Vereinbarung vom 15./24. Mai 1995 sei unwirksam; die Klägerin habe die Beklagte hierbei unter Druck gesetzt. Sie habe so eine Verschiebung des Stichtags auf den 30. Juni 1995 erlangt. Dadurch seien der Beklagten weitere operative Anfangsverluste der ... aufgebürdet worden; zugleich seien die veräußerten Geschäftsanteile ohne Kaufpreiserhöhung wesentlich wertvoller geworden, da die ... in der Zwischenzeit eine Vielzahl von weiteren Kunden geworben habe. Die Beklagte habe den Vorschlag der Klägerin nur wegen der Androhung des Rücktritts und nur unter dem Vorbehalt der Genehmigung ihres Aufsichtsrats angenommen. Die Vereinbarung vom 24. Mai 1995 sei von einer vollmachtslosen Vertreterin abgeschlossen worden und habe mangels Genehmigung keine Wirksamkeit erlangt. Ihr, der Beklagten, könne die Versagung der Genehmigung auch nicht vorgeworfen werden, weil der Aufsichtsrat nicht zugestimmt habe. Im übrigen seien die zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarungen ohnedies hinfällig, weil die Beklagte mit Schreiben vom 31. August 1995 (B 14) vom Vertrag zurückgetreten sei. Hierzu sei sie auch berechtigt gewesen, da die Klägerin sich geweigert habe, den Vertrag vom 29. März 1995 zu erfüllen. Eine Fristsetzung ihrerseits sei nicht erforderlich gewesen. Im übrigen sei die Eröffnungsbilanz nicht gemeinsam festgestellt worden. Eine Stichtagsbilanz habe die Klägerin ebenfalls nicht vorgelegt. Die Durchführung der in § 6 des Vertrags vom 29. März 1995 vorgesehenen Übertragung von Kundenforderungen sei zumindest jetzt unmöglich, da die ... die Forderungen teilweise selbst beigetrieben habe.

2) Das Erstgericht hat mit Teil- und Grundurteil vom 28. Januar 1997 die Beklagte verurteilt, das Addendum vom 24. Mai 1995 zu genehmigen, ferner an die ... 3.359.535,30 nebst 5 % Zinsen hieraus seit 15. Dezember 1995 zu zahlen, Zug um Zug gegen eine Freistellung der Beklagten von einer Rückbürgschaft; im übrigen hat das Erstgericht den Klageantrag zu 2 abgewiesen. Die Klageansprüche gemäß Ziffer 3 und 4 der Klage hat es dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt.

Zur Begründung hat es ausgeführt, der Anteilskaufvertrag vom 29. März 1995 sei wirksam. Das schweizer notarielle Protokollierungsverfahren sei dem deutschen gleichwertig. Daß in dem Kaufvertrag nicht auf die am selben Tage abgeschlossene Gesellschaftervereinbarung hingewiesen worden sei, führe nicht zur Ungültigkeit des Kaufvertrags. Eine konkludente Aufhebung des Kaufvertrags sei nicht ersichtlich. Bezüglich der Vereinbarung vom Mai 1995 könne sich die Beklagte auf die fehlende Zustimmung ihres Aufsichtsrates nicht berufen. Ein Formmangel der Vereinbarung vom 24.Mai 1995 sei durch den Vollzug geheilt worden; gleichwohl sei dem Klageantrag stattzugeben gewesen, weil er angesichts des Bestreitens der Beklagten geeignet sei, Rechtsunsicherheit zu beseitigen. Schließlich sei die Beklagte auch nicht wirksam vom Vertrag zurückgetreten. Dem Schreiben vom 31. August 1995 sei eine Rücktrittserklärung nicht zu entnehmen.

Bezüglich der Eigenkapitalsgarantie zum 01. Januar 1995 fehle zwar eine gemeinsame Feststellung der Eröffnungsbilanz durch beide Parteien, da das Prüfungsergebnis der von der Klägerin eingeschalteten A einen Fehlbetrag von DM 7.859.535,39 ergeben habe, während die von der Klägerin eingeschaltete Gesellschaft B zu einem Fehlbetrag von 8.750.322,91 DM gekommen sei. Nach ihrem eigenen Vortrag sei die Beklagte insoweit damit zur Zahlung von 3.359.535,30 DM verpflichtet. Soweit die Klägerin eine weitergehende Forderung geltend mache, sei diese derzeit nicht begründet, da das vertraglich vorgesehene Schiedsgutachten zu erholen sei.

Die Klage bezüglich der Eigenkapitalgarantie zum 30. Juni 1995 sei dem Grunde nach ebenfalls gerechtfertigt; es bedürfe aber noch einer Beweisaufnahme zu der bestrittenen Behauptung der Klägerin, daß diese eine Stichtagsbilanz entsprechend dem Vertrag habe erstellen lassen und der Beklagten übergeben habe.

Auch bezüglich der weiteren Forderung (Erwerb notleidender Kundenforderung der ...) sei der Anspruch dem Grunde nach gerechtfertigt, bedürfe aber zur Höhe noch einer Beweisaufnahme.

3) Hiergegen wenden sich die Berufung der Beklagten und die Anschlußberufung der Klägerin.

Die Beklagte wiederholt und präzisiert zur Wirksamkeit der kaufvertraglichen Vereinbarungen ihr erstinstanzliches Vorbringen. Daneben bringt sie u.a. vor, die in § 6 der Vereinbarung vom 29. März 1995 vorgesehene Übertragung von Kundenforderungen sei nachteilig für die ..., ja sogar ein unzulässiger Vertrag zu Lasten Dritter. Die vorgesehene Abtretung verstoße gegen datenschutzrechtliche Vorschriften. Schließlich ergebe sich aus dieser Regelung überhaupt keine Verpflichtung der Beklagten.

Sie beantragt,

unter Aufhebung des Urteils vom 28. Januar 1997 die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, wobei sie den ursprünglichen Antrag Ziffer 1 nur noch hilfsweise stellt und bei Ziffer 4 des ursprünglichen Antrags zur Konkretisierung der Kundenforderungen auf die Liste Anlage zu K 11 Bezug nimmt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen und das Ersturteil in Ziffer 2 in der Weise abzuändern, daß die Beklagte verurteilt wird, an die ... GmbH über den ausgeurteilten Betrag hinaus weitere DM 890.787,60 nebst 5 % Zinsen hieraus seit 05. Dezember 1997 zu zahlen, sowie den Zug-um-Zug-Vorbehalt zu streichen.

Sie verteidigt grundsätzlich das Ersturteil und begründet ihre Anschlußberufung u.a. damit, daß nunmehr auch ein nicht unterschriebenes Exemplar eines Prüfungsberichts der von der Beklagten eingeschalteten A aufgefunden worden sei, welcher ebenfalls zu einem nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag von DM 8.750.322,91 gelange. Dieses Schriftstück sei von den zuständigen Wirtschaftsprüfern der A am 28. Juli 1995 an die Vertreter von B übergeben worden.

Der Zug-um-Zug-Vorbehalt habe zu entfallen, da die fragliche Rückbürgschaft durch Zeitablauf erledigt sei.

Die Beklagte beantragt,

die Anschlußberufung zurückzuweisen.

Wegen der näheren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die Schriftsätze der Partei nebst Anlagen, die Sitzungsniederschriften und den Akteninhalt insgesamt Bezug genommen.

Gründe

A.

Die Berufung der Beklagten und die Anschlußberufung der Klägerin sind jeweils zulässig und führen zur Aufhebung des Ersturteils und Zurückverweisung wegen eines Verfahrensmangels, § 539 ZPO. Das Ersturteil stellt wegen fehlender Unabhängigkeit von Teil- und Schlußurteil und einer hieraus drohenden Widersprüchlichkeit ein unzulässiges Teilurteil dar. Die Beklagte bestreitet nämlich die Wirksamkeit der vertraglichen Vereinbarungen zwischen den Parteien, aus denen sich alle drei geltend gemachten Zahlungsansprüche ergeben. Diese Bedenken werden nicht durch die gleichzeitig ergangenen Grundurteile ausgeräumt, da der Ausspruch zu Ziffer 3 der Klage (DM 432.000,-- gemäß § 5 des Kaufvertrags) keinen Bestand haben kann (vgl. unten B II). Von der Zurückverweisung kann nicht abgesehen werden, § 540 ZPO. Ein "Heraufziehen" der restlichen Streitteile wäre angesichts der vom Erstgericht ohnehin beabsichtigten Beweisaufnahme nicht sachdienlich.

B.

Zur Rechtslage weist der Senat auf folgendes hin:

I.

Die Beklagte ist verpflichtet, gemäß § 4 Abs. 3 Buchst. e des Kaufvertrages vom 29. März 1995 (Eigenkapitalgarantie zum 01. Januar 1995) DM 3.359.535,30 nebst 5 % Zinsen hieraus seit 15. Dezember 1995 an die ... zu zahlen; im übrigen ist, wie das Erstgericht ebenfalls zutreffend festgestellt hat, die Klage derzeit unbegründet.

1) Der Kaufvertrag vom 29. März 1995 (K 1) ist rechtswirksam.

a) Mit der Beurkundung vor dem Notar ... in ... ist die Form des § 15 Abs. 4 S. 1 GmbHG, § 11 Abs. 1 1. Alt EGBGB (Wirkungsstatut) gewahrt. Die Form des Wirkungsstatuts kann auch durch eine Beurkundung außerhalb seines räumlichen Geltungsbereiches im Ausland erfüllt werden, wenn Urkundsperson und Beurkundungsvorgang gleichwertig sind (BGHZ 80, 76, 78 zu einer Beurkundung in Zürich). Eine derartige Gleichwertigkeit ist auch bei einer Beurkundung in ... - ... gegeben.

Die dort tätige ausländische Urkundsperson übt nach Vorbildung und Stellung im Rechtsleben eine der Tätigkeit des deutschen Notars entsprechende Funktion aus. So sind in ... in erster Linie freiberufliche (Anwalts-) Notare tätig (vgl. Brückner, Schweizerisches Beurkundungsrecht, Zürich, 1993, S. 970; Koller-Leuenberger, Der Grundstückskauf, St.Gallen 1989, S.63). Erforderlich ist für die Bestellung eine abgeschlossene juristische Hochschulausbildung und ein mehrmonatiges Notariatspraktikum (vgl. Brückner, a.a.O., S. 973).

Auch das Beurkundungsverfahren entspricht im wesentlichen dem deutschen Recht. Zwar hat die Bestimmung, in welcher Weise die öffentliche Beurkundung vorgenommen wird, das schweizerische Bundesrecht weitgehend den Kantonen überlassen (vgl. Art. 55 SchIT z ZGB: "Die Kantone bestimmen, in welcher Weise auf ihren Gebiet die öffentliche Beurkundung hergestellt wird"). Dennoch ist der Begriff der öffentlichen Beurkundung ein solcher des schweizer Bundesrechts, weshalb die kantonalen Regelungen bestimmte Mindestanforderungen beachten müssen (vgl. BGE 106 II 146, 147). Dazu gehört insbesondere, daß die gesetzlich vorgeschriebene Form sich auf alle Tatsachen und Willenserklärungen beziehen muß, die für den materiell-rechtlichen Inhalt des Rechtsgeschäfts wesentlich sind (vgl. BGE 106 II 146, 148). Zu den bundesrechtlichen Minimalanforderungen, die die Beurkundung einer deutschen gleichwertig machen, gehören ferner u.a. die persönliche Mitwirkung der Urkundsperson (vgl. Koller-Leuenberger, a.a.O., S.59), die Pflicht zur wahrheitsgemäßen Beurkundung (vgl. Brückner, a.a.O., S. 317 ff) sowie weitgehende Interessenwahrungspflichten bezüglich der Parteien, etwa betreffend die Unparteilichkeit (vgl. Brückner, a.a.O., S. 273 ff.), die Pflicht zur Ermittlung der Identität der beteiligten Personen (Brückner, 288 ff) oder eine Beratungspflicht (Brückner, a.a.O., S. 510 ff), die sich auch auf ausländisches Recht bezieht (Brückner, a.a.O., S. 314).

Im übrigen wäre durch die Beurkundung in Basel auch dem schweizer Ortsrecht gemäß Art. 11 Abs. 1 2. Alt., Abs. 3 EGBGB Genüge getan. Gemäß Art.791 Abs. 5 OR bedarf die Verpflichtung zur Abtretung eines Gesellschaftsanteils an einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung zu ihrer Gültigkeit der öffentlichen Beurkundung. Das am 29. März 1995 erstellte notarielle Schriftstück genügte nicht nur den erwähnten bundesrechtlichen Minimalvorschriften, sondern auch den Anforderungen, die das kantonale Einführungsgesetz zum Zivilgesetzbuch und das Basel-städtische Notariatsgesetz aufstellen, etwa dahin, daß alle erforderlichen Unterschriften vorhanden sind, der beurkundende Notar mit den Parteien zusammengetroffen ist und sich vergewissert hat, daß diese vom Inhalt der Urkunde Kenntnis genommen und diesen genehmigt haben (vgl. BGE 84 II 636, 638).

b) Daß am 29. März 1995 in einer weiteren notariellen Urkunde zwischen den Parteien eine Gesellschaftervereinbarung niedergelegt worden ist, beeinträchtigt die Wirksamkeit des Kaufvertrags nicht. Die Gesellschaftervereinbarung nimmt schon in der Präambel auf den Kaufvertrag Bezug. Dies geschieht in § 6 sogar in der Weise, daß die Wirksamkeit und der Vollzug des Kaufvertrags aufschiebende Bedingung für die Gesellschaftervereinbarung sein soll. Auch wenn dadurch beide Abreden eine Einheit bilden, so ist doch durch die Bezugnahme in der zweiten Urkunde der Formvorschrift des § 15 Abs. 4 GmbHG genügt (vgl. BGHZ 104, 18, 23).

c) Beide Parteien haben gemäß § 177 Abs. 1 BGB ausdrücklich am 29. März bzw. 12. April 1995 die Genehmigung des von einer Vertreterin ohne Vertretungsmacht geschlossenen Vertrages ausgesprochen. Hierfür war gemäß § 182 Abs. 2 BGB eine Form nicht erforderlich. Daß die Genehmigung nur gegenüber dem Notar in ... erklärt worden ist, ist ausreichend, da nach der Abrede auf Blatt 1 unten des Kaufvertrags vom 29. März 1995 der Zugang der Genehmigung beim Notar ausreichen, dieser also zur Entgegennahme ermächtigt werden sollte.

2) Das Addendum vom 24. Mai 1995 (K 3) ist ebenfalls rechtswirksam.

a) Das Addendum bedurfte nicht anders als der Vertrag vom 29. März 1995 der notariellen Form, da es nicht nur aufgetretene Abwicklungsprobleme ausräumte, sondern auch die Ausgangsvereinbarung inhaltlich, nämlich bezüglich des Stichtags, modifizierte (vgl. BGH NJW 88, 3263). Dieser Form ist aber genügt (vgl. oben B I. 1. a).

b) Das Addendum vom 24.Mai 1995 ist von beiden Parteien genehmigt worden.

Eine Genehmigung in notariell beglaubigter Form durch die Beklagte war gemäß § 182 Abs. 2 BGB nicht erforderlich. Auch mußte die Genehmigung der Beklagten nicht gegenüber dem ... Notar erklärt worden. Zum einen findet sich die Wendung über die Genehmigung gegenüber dem Notar nur in dem ursprünglichen Vertrag vom 29. März 1995, nicht aber in dem Addendum. Zum anderen enthält diese Formulierung nur eine zusätzliche Ermächtigung des Notars. Es sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, daß der Wille der Parteien dahin ging, die Genehmigung allein in dieser Weise zuzulassen. Hierfür findet sich weder im Wortlaut noch in der erkennbaren Interessenlage der Parteien eine Stütze.

Die Beklagte hat das Addendum vom 24. Mai 1995 stillschweigend genehmigt. Eine Genehmigung durch schlüssiges Verhalten liegt vor, wenn der Erklärungsempfänger, hier die Klägerin, die fragliche Verhaltensweise als unmißverständlichen Ausdruck des Zustimmungswillens verstehen mußte. Ein derartiges Vorgehen hat die Beklagte gegenüber der Klägerin mehrfach an den Tag gelegt:

So heißt es etwa in dem vom anwaltlichen Vertreter der Beklagten an die Klägerin gerichteten Schreiben vom 31. Juli 1995 (B 21):

"Die vertragsmäßigen Voraussetzungen für das "Closing" liegen damit aus Sicht meiner Mandantin, der ... mbH, vor. Ich bitte Sie daher, kurzfristig um einen Terminsvorschlag zur notariellen Beurkundung der Abtretungserklärungen."

Schließlich haben die Parteien am 02. August 1995 (B 10/B 11) auf ausdrücklichen Vorschlag der Beklagten durch vertragliche Regelung "die Frist zur Erklärung eines Rücktritts um 4 Wochen" verlängert. Damit hat sich die Beklagte nicht etwa auf die in § 8 Ziffer 4 des Vertrags vom 29. März 1995 gesetzte Frist bezogen, da diese längst verstrichen war, sondern eindeutig auf die mit dem Addendum verlängerte Frist (31. Juli 1995 zuzügl. zwei Werktage), deren Ablauf unmittelbar bevorstand. Auch hiermit hat die Beklagte, vertreten durch ihren Geschäftsführer, das Addendum als gültig behandelt (vgl. RGZ 170, 233, 236 f; BGH WM 90, 1573, 1575).

Gleiches gilt für die Besprechung zwischen den Parteien vom 25. August 1995. Hierbei hat die Beklagte nach ihrem eigenen Vortrag (Bl.9 des Schriftsatzes vom 07. Januar 1996 = Bl. 93 d.A.) auf der "umgehenden Erfüllung des Kaufvertrags" bestanden. Schließlich hat die Beklagte, wiederum vertreten durch ihren Geschäftsführer, im Schreiben vom 29.August 1995 (B 12) ausgeführt, daß eine Zwischenbilanz zum 30. Juni 1995, die ja allein auf dem Addendum beruhte, im Falle einer von ihr vorgeschlagenen Vertragsänderung "no longer essential" wäre. Auch dies zeigt, daß sie ohne Vertragsänderung die erwähnte Zwischenbilanz für vertraglich erforderlich hielt. Auch im Schreiben vom 31. August 1995 erwähnt die Beklagte, daß alle Voraussetzungen für eine ordnungsgemäße Vertragsabwicklung vorlägen, wobei sie den allein auf dem Addendum beruhenden Stichtag 30. Juni 1995 aufführt. In diesem Schreiben heißt es abschließend:

"Im Rahmen der rechtlichen Prüfung der Angelegenheit haben wir auch festgestellt, daß eine notarielle Beurkundung der Vertragsänderungen vom 24.05.1995 durch uns bisher nicht erfolgt ist."

Diese differenzierende Abstellen auf eine notarielle Beurkundung zeigt, daß der Beklagten bekannt war, daß ihr bisheriges Verhalten eine formlose Genehmigung darstellte. Zumindest hätte die Beklagte dies jedoch erkennen müssen (vgl. BGHZ 109, 171, 177).

Auch danach setzte sich das entsprechende Verhalten der Beklagten fort. So spricht sie im Schreiben vom 07. September 1995 (K 18) ausdrücklich von einer "Vereinbarung vom 24.05.1995". Auch im weiteren Schreiben vom gleichen Tage an den Notar in ... (K 22) wird nur erwähnt, daß die Beklagte keine gesonderte Vollmacht ausstellen würde. In einem dritten Schreiben vom gleichen Tage (K 33) wird sogar ein Konto für die Überweisung des Kaufpreises genannt. Schließlich wird die Zahlung in Höhe von 17,6 Mio. unwidersprochen entgegengenommen und nicht etwa zurücküberwiesen. Das Verhalten der Beklagten geht sogar soweit, daß mit Schreiben vom 14. Dezember 1996 (K 34) von der Klägerin als Gesellschafterin der ... Leistungen verlangt werden.

Die Genehmigung des Addendums durch die Klägerin ist außer Streit.

Im übrigen ist weder vorgetragen noch ersichtlich, daß eine der Parteien zwischen dem Abschluß des Addendums vom 24. Mai 1995 bis zur Einleitung des Rechtsstreits Zweifel an der Rechtswirksamkeit dieser Vereinbarung geäußert hätte.

c) Ohne Auswirkungen auf die Wirksamkeit des Addendums ist, daß sich der Geschäftsführer der Beklagten in einer Besprechung vom 10. Mai 1995 die Zustimmung seines Aufsichtsrates vorbehalten haben soll. Damit hätte er nicht (vgl. BGH GmbHR 97, 836, 837) eine interne Beschränkung in der Form einer Wirksamkeitsbedingung zum Vertragsinhalt gemacht. Die Beklagte versteht den Vorbehalt auch heute noch nur so, daß deswegen bloß eine Treuwidrigkeit ihrerseits ausscheiden müsse (vgl. Bl. 14 der Berufungsbegründung = Bl. 154 d.A.). Sie stellt ausdrücklich klar, daß eine Bedingung nicht gewollt gewesen ist (vgl. Bl. 15 der Berufungsbegründung = Bl. 155 d.A.):

"Bei dieser Beurkundungstechnik war die Beklagte ohne weiteres in der Lage, im Falle der Verweigerung der Zustimmung ihres Aufsichtsrats auch die Genehmigung der Nachtragsurkunde zu verweigern."

In gleicher Weise hatte sie sich bereits erstinstanzlich geäußert (Bl. 6 der Klageerwiderung = Bl. 27 d.A.):

"Erst nach der dem Geschäftsführer intern erteilten Zustimmung des Aufsichtsrats sollte der Geschäftsführer die hier klagegegenständliche Genehmigung abgeben."

d) Die Parteien haben die Vereinbarung vom 29. März 1995 nicht formlos (vgl. RGZ 65, 390, 392) aufgehoben. Es kann dahinstehen, ob - wie die Beklagte meint - eine derartige Abrede in dem Addendum konkludent enthalten ist, ob also die Parteien des Addendum einig darüber gewesen sind, daß die Ausgangsvereinbarung nur noch gelten soll, wenn auch die nachträgliche Ergänzung unwirksam wird. Das Addendum vom 24. Mai 1995 ist rechtswirksam (vgl. oben B I. 2. a/c).

Daß die Parteien am 02. August 1995 (B 10/B 11) die Frist zur Erklärung eines möglichen Rücktritts durch die Klägerin ohne notarielle Beurkundung verlängert haben, berührt die Wirksamkeit des Kaufvertrages nicht. Diese Abrede war formfrei wirksam (vgl. BGH NJW 76, 1842; 88, 3263), da ja bloß die Möglichkeit zur Ausübung des Rücktrittsrechts zeitlich verlängert worden ist, ohne daß die Rücktrittsvoraussetzungen inhaltlich verschärft worden wären. Dies ergibt sich aus dem von der Beklagten selbst ins Felde geführten Rechtsgrundsatz, daß eine Vertragsaufhebung formlos möglich gewesen wäre. Dieser stünde aber die Einräumung eines Rücktrittsrechts - und erst recht dessen bloße zeitliche Verlängerung - gleich (vgl. BGH NJW 76, 1842).

4) Die Beklagte ist vom Kaufvertrag auch nicht gemäß § 326 BGB zurückgetreten.

Es läßt sich, wie schon das Erstgericht zutreffend ausgeführt hat, dem von der Beklagten in diesem Zusammenhang bemühten Schreiben vom 31. August 1995 (B 14) keine Rücktrittserklärung entnehmen. Es ist für einen Empfänger des Schreibens nicht erkennbar, daß hier die Beklagte - wie sie jetzt meint - ein einseitiges Gestaltungsrecht ausüben wollte, welches das Vertragsverhältnis zwischen den Parteien in ein reines Abwicklungsverhältnis umwandeln sollte. Zwar wird in dem Schreiben das Verhalten der Klägerin als Verweigerung der Erfüllung des Kaufvertrages bezeichnet, es wird jedoch zugleich unter dem Hinweis auf anstehende Investitionsentscheidungen bei der ... im Hinblick auf die bisherige Verweigerung eines "closing" durch die Klägerin gemäß den vertraglichen Vereinbarungen ein gemeinsames Gespräch vorgeschlagen, bei dem die Angelegenheit grundsätzlich diskutiert werden müsse. Hierfür wäre aber, wenn tatsächlich ein Rücktritt erklärt worden wäre, kein Bedarf, da es mangels Leistungsaustausch im damaligen Zeitpunkt kaufvertraglich nichts zum Rückabwickeln gegeben hätte. Im übrigen hat auch die Beklagte in der Folgezeit ihr Schreiben nicht als Rücktrittserklärung verstanden. Sonst hätte es doch nahegelegen, daß in dem Antwortschreiben vom 07. September 1995 an den ... Notar ein entsprechender, doch ganz entscheidender, Hinweis erfolgt wäre und daß nicht im Gegenteil eine Kontonummer zur Überweisung des Kaufpreises angegeben wird. In den schon erwähnten Schreiben vom 14. Dezember 1995 geht die Beklagte auch davon aus, daß die Klägerin sogar Gesellschafterin der ... geworden sei und insofern Leistungen zu erbringen habe; es wird nicht etwa eine Rückabwicklung des Kaufvertrags angeboten, die ja mit einer Kaufpreisrückzahlung hätte verbunden werden müssen.

Im übrigen liegt ein Rücktrittsgrund nicht vor. Die Klägerin hat sich mit ihrem Schreiben vom 30. August 1995 (B 13) nicht etwa ihrerseits vom Vertrag losgesagt. Soweit sie - in Abänderung der bisherigen vertraglichen Regelung - die Zahlung des Kaufpreises zum Teil auf ein Treuhandkonto vorschlägt, macht sie der Beklagten zugleich das Angebot einer Gegenleistung. Der bloße Hinweis auf ein vertraglich ausdrücklich eingeräumtes Rücktrittsrecht ist keine Loslösung vom Vertrag, sondern gerade ein Verhalten innerhalb vertraglicher Absprachen. Schließlich wäre auch eine Nachfristsetzung nicht verzichtbar gewesen.

5) Der klägerische Anspruch besteht in der vom Erstgericht zutreffend ermittelten Höhe von DM 3.359.535,30. Gemäß § 4 Abs. 3 e des Kaufvertrags vom 29. März 1995 ist die Beklagte nämlich zu Zahlungen an die ... in dem Umfang verpflichtet, daß diese zum 01.Januar 1995 über intaktes Eigenkapital in Höhe von DM 1 Mio. verfügt. Eine "Einigkeit" im Sinne von § 4 Abs. 3 a des Vertrags besteht zwischen den Parteien - wie auch bereits das Erstgericht ausgeführt hat - bezüglich eines Mindestfehlbetrags in Höhe von 7.859.535,39 DM. Diesen Betrag hat die Beklagte schon mit ihrem Schreiben vom 31. Juli 1995 (B 21, dort Appendix 2) akzeptiert. Ob eine spätere Besprechung vom 25. August 1995, wie die Beklagte nunmehr vorträgt, "geradezu tumultös geführt" worden ist, ist damit ohne Bedeutung. Auch im Rechtsstreit zieht die Beklagte das Zahlenwerk, das zu ihrer Zahlungsverpflichtung von zumindest 3.359.535,30 DM führt, nicht in Zweifel.

Entgegen der Auffassung der Beklagten ist dieser Zahlungsanspruch auch fällig. Dies ergibt schon der Wortlaut der zitierten vertraglichen Vorschrift, da es dort heißt, daß die Zahlung nicht etwa frühestens, sondern ausdrücklich "spätestens" mit der gemeinsamen Feststellung der Eröffnungsbilanz fällig wird. Schon dies zeigt, daß die Parteien es bei dem allgemeinen Grundsatz belassen wollten, daß Forderungen sofort fällig werden. Dies entspricht auch dem in § 4 Abs. 3 insbesondere in Buchstabe a offengelegten besonderen Beschleunigungsinteresse der Parteien. Diese haben im vergleichbaren Fall der Garantiezahlung beruhend auf der Stichtagsbilanz (§ 5 Abs. 3) ausdrücklich einen "unverzüglichen Eigenkapitalszuschuß" vereinbart.

Ein über DM 3.359.535,30 hinausgehender Zahlungsanspruch ist zumindest derzeit unbegründet, da insoweit keine entsprechende Einigung zwischen den Parteien vorliegt und deshalb gegebenenfalls noch ein schiedsgutachterliches Verfahren Voraussetzung für einen weiteren Zahlungsanspruch ist. Ausweislich des dem Schreiben vom 31. Juli 1995 (B 21) beigefügten Schreibens der von der Klägerin eingeschalteten Wirtschaftsprüfungsgesellschaft (B) vom gleichen Tage kam nämlich auch diese zu diesem Zeitpunkt bloß zu dem niedrigeren, von der Beklagten jetzt nicht in Zweifel gezogenen Wert. Daß die Beklagte mit dem von B später höher angesetzten Fehlbetrag (K 8) einverstanden gewesen wäre, ist nicht ersichtlich. Dieser hat zwar Eingang in ein in zweiter Instanz von der Klägerin vorgelegtes Schriftstück der von der Beklagten eingeschalteten Wirtschaftsprüfungsgesellschaft (A) gefunden (vgl. K 13). Allerdings ist dieses Schriftstück, das das Datum vom 28. Juli 1995 trägt, nicht unterzeichnet. Im übrigen ist es für eine Einigung zwischen den Parteien nicht ausreichend, daß ein derartiges Schriftstück von der einen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft (A) an die andere (B) in einer Besprechung übergeben worden ist.

6) Eine Zug-um-Zug-Verurteilung (Freistellung von einer Rückbürgschaft) kommt nicht in Betracht, da die fragliche Bürgschaft durch Zeitablauf gegenstandslos geworden ist.

7) Der Zinsanspruch beruht auf §§ 351, 352 HGB.

II.

Entgegen der Auffassung des Erstgerichts kann der von der Klägerin mit DM 432.000 bezifferte Zahlungsanspruch gemäß § 5 des Vertrags vom 25. März 1995 (Eigenkapitalgarantie zum 30.Juni 1995) nicht dem Grunde nach stattgegeben werden.

Zwar ist das Erstgericht zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, daß der Vertrag wirksam ist mit der Folge, daß § 5 eine Anspruchsgrundlage für die klägerische Forderung darstellt, auch bezogen auf den Stichtag 30. Juni 1995.

Eine Entscheidung über den Grund konnte jedoch nicht ergehen. Wenn die vom Erstgericht ins Auge gefaßte Beweisaufnahme zur strittigen Behauptung, ob von der Klägerin eine den vertraglichen Anforderungen entsprechende Bilanz der Beklagten zugeleitet worden ist, ergeben sollte, daß dies nicht der Fall war, dann hat, wenn die Klägerin dies nachholt, die Beklagte das vertraglich eingeräumte Recht zur Durchführung eines Schiedsgutachterverfahrens. Damit steht heute noch nicht fest, ob es hierzu kommt, weshalb das Grundurteil aus verfahrensrechtlichen Gründen nicht aufrechterhalten bleiben kann (vgl. BGH NJW-RR 88, 1405).

III.

Die Klägerin hat auch einen Zahlungsanspruch gemäß § 6 des Kaufvertrages vom 29. März 1995 (Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung an die ... für notleidende Kundenforderungen).

a) Die Klage ist insoweit zulässig, da nach der Formulierung des Klageantrags in zweiter Instanz auch die Gegenleistung hinreichend (vgl. BGH NJW 93, 324, 325; 94, 586, 587; 3221, 3222) bestimmt ist.

b) Der von den Parteien im Kaufvertrag vorgesehene Erwerb der Kundenforderungen der ... ist zwar nicht möglich, da dieser gegen ein gesetzliches Verbot im Sinne von § 134 BGB verstieße, nämlich das Fernmeldegeheimnis (§ 354 Abs. 3 Ziffer 2, Abs. 1 StGB i.V.m. § 10 Abs. 1 FernmG bzw. § 85 Abs. 1 TKG). Mit der Abtretung der Kundenforderungen wäre nämlich ein Verstoß gegen das Fernmeldegeheimnis verbunden, da dieses sich auch auf die näheren Umstände der Kommunikation erstreckt, insbesondere darauf, ob und zwischen welchen Personen ein Fernmeldeverkehr stattgefunden hat und welche Zeit und Dauer dieser hatte. Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, daß eine Einwilligung der Kunden der Firma ... vorliegt oder der Beklagten bereits vorher sämtliche Umstände bekannt gewesen wären. Dann kann für diese Abtretung nichts anderes gelten als für die vergleichbaren Abtretungen durch von zur Verschwiegenheit verpflichteten Personen (vgl. etwa BGH NJW 92, 737, 739; 96, 775; 287, 288).

Die Unwirksamkeit der vorgesehenen Abtretung führt gemäß § 11 Abs. 4 des Vertrages vom 29. März 1995 aber nicht zur Unwirksamkeit des gesamten Vertrages oder zu einem Wegfall von § 6 des erwähnten Vertrags. Vielmehr bleibt die Wirksamkeit des Vertrages und seine Durchführung im übrigen unberührt. Die Parteien haben sich darin ferner verpflichtet, eine unwirksame oder undurchführbare Bestimmung durch eine anderweitige wirksame oder durchführbare Regelung zu ersetzen, die dem wirtschaftlich von ihnen zum Ausdruck gebrachten Willen am nächsten kommt. Hierzu hat auch die Klägerin bereits einen naheliegenden Vorschlag gemacht, nämlich die Durchführung des Forderungsinkasso durch die Firma ....

c) Ohne Auswirkungen ist es auch, falls zwischenzeitlich einzelne in Rede stehende Forderungen von Kunden der ... an diese beglichen worden sein sollten. Dies führte nicht zur Nichtigkeit gemäß § 306 BGB, da mit § 437 Abs. 1 BGB eine Sondervorschrift eingriffe.

d) Die Regelung in § 6 des Kaufvertrags vom 29. März 1995 stellt keinen Vertrag zu Lasten Dritter vor, da die ... nicht zu einer Veräußerung verpflichtet, sondern nur berechtigt ist. Worin die von der Beklagten im übrigen befürchtete Benachteiligung der ... liegen soll, wenn diese sich von Forderungen zu den von ihr unter Beachtung der Bewertungsgrundsätze (vgl. § 252, 253 HGB) angesetzten Buchwerten trennt, ist nicht ersichtlich.

IV.

Über den von der Klägerin in zweiter Instanz nur noch als Hilfsantrag gestellten Genehmigungsantrag ist nicht zu entscheiden, da die vertraglichen Abreden vom 29. März/24. Mai 1995 wirksam sind.

C.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 708 Nr. 10, 546 Abs. 2 ZPO.






OLG München:
Urteil v. 19.11.1997
Az: 7 U 2511/97


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/gerichtsentscheidung/cbda05231447/OLG-Muenchen_Urteil_vom_19-November-1997_Az_7-U-2511-97




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share