Bundesgerichtshof:
Beschluss vom 3. November 2008
Aktenzeichen: AnwZ (B) 80/07

(BGH: Beschluss v. 03.11.2008, Az.: AnwZ (B) 80/07)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

In dieser Gerichtsentscheidung geht es um den Widerruf der Zulassung eines Rechtsanwalts aufgrund von Vermögensverfall. Der Antragsteller wurde 1991 zur Rechtsanwaltschaft zugelassen, jedoch widerrief die Antragsgegnerin diese Zulassung aufgrund von Vermögensverfall. Der Anwalt hat daraufhin Beschwerde gegen diese Zurückweisung eingelegt.

Der Bundesgerichtshof hat in seiner Entscheidung festgestellt, dass der Widerruf der Zulassung des Antragstellers zur Rechtsanwaltschaft gerechtfertigt ist. Gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 7 der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) darf einem Rechtsanwalt die Zulassung widerrufen werden, wenn er in Vermögensverfall gerät, es sei denn, die Interessen der Rechtsuchenden sind dadurch nicht gefährdet. Im vorliegenden Fall war diese Voraussetzung erfüllt.

Der Vermögensverfall wird vermutet, wenn ein Rechtsanwalt in das Schuldnerverzeichnis eingetragen ist. Im Fall des Antragstellers war er wegen Schulden von verschiedenen Gläubigern im Schuldnerverzeichnis des Amtsgerichts eingetragen. Der Antragsteller hatte auch nicht ausreichend aufgezeigt, dass er eine Konsolidierung seiner Vermögensverhältnisse erreicht hat.

Der Bundesgerichtshof hat außerdem festgestellt, dass die Interessen der Rechtsuchenden durch den Vermögensverfall des Antragstellers gefährdet waren. Es wird grundsätzlich davon ausgegangen, dass die Interessen der Rechtsuchenden gefährdet sind, wenn ein Rechtsanwalt in Vermögensverfall gerät.

Da keine Gründe für einen nachträglichen Wegfall des Widerrufsgrundes vorlagen, hat der Bundesgerichtshof die sofortige Beschwerde des Antragstellers zurückgewiesen. Der Antragsteller muss die Kosten des Verfahrens tragen und der Antragsgegnerin die im Beschwerdeverfahren entstandenen Auslagen erstatten. Der Geschäftswert des Verfahrens wurde auf 50.000 € festgesetzt.

Vorinstanz war das Anwaltsgericht Baden-Württemberg.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

BGH: Beschluss v. 03.11.2008, Az: AnwZ (B) 80/07


Tenor

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des I. Senats des Anwaltsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 10. September 2007 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen und der Antragsgegnerin die ihr im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen außergerichtlichen Auslagen zu erstatten.

Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 50.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller ist 1991 zur Rechtsanwaltschaft zugelassen worden. Die Antragsgegnerin widerrief mit Bescheid vom 24. Oktober 2006 die Zulassung gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO wegen Vermögensverfalls.

Der Anwaltsgerichtshof hat den hiergegen gerichteten Antrag auf gerichtliche Entscheidung zurückgewiesen. Gegen die Zurückweisung des Antrags wendet sich der Antragsteller mit seiner sofortigen Beschwerde.

II.

Das Rechtsmittel ist zulässig (§ 42 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 4 BRAO), hat in der Sache aber keinen Erfolg. Die Zulassung des Antragstellers zur Rechtsanwaltschaft ist zu Recht widerrufen worden.

1. Nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO ist die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu widerrufen, wenn der Rechtsanwalt in Vermögensverfall geraten ist, es sei denn, dass dadurch die Interessen der Rechtsuchenden nicht gefährdet sind. Diese Voraussetzungen für den Widerruf waren bei Erlass der angegriffenen Verfügung erfüllt.

a) Ein Vermögensverfall liegt vor, wenn der Rechtsanwalt in ungeordnete, schlechte finanzielle Verhältnisse geraten ist, die er in absehbarer Zeit nicht ordnen kann, und außerstande ist, seinen Verpflichtungen nachzukommen. Beweisanzeichen für einen Vermögensverfall sind die Erwirkung von Schuldtiteln und fruchtlose Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gegen den Rechtsanwalt (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschl. vom 25. März 1991 - AnwZ (B) 73/90, BRAK-Mitt. 1991, 102; Beschl. vom 21. November 1994 - AnwZ (B) 40/94, BRAK-Mitt. 1995, 126; Beschl. v. 26. November 2002 - AnwZ (B) 18/01, NJW 2003, 577). Der Vermögensverfall wird nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO vermutet, wenn der Rechtsanwalt in das vom Insolvenzgericht oder Vollstreckungsgericht zu führende Verzeichnis (§ 26 Abs. 2 InsO, § 915 ZPO) eingetragen ist.

Zum Zeitpunkt des Widerrufs war der Antragsteller im Schuldnerverzeichnis des Amtsgerichts B. eingetragen, weil die Gläubiger Dr. W. , A. GmbH und das Versorgungswerk der Rechtsanwälte in Ba. wegen Forderungen in einer Gesamthöhe von über 6.500 € Haftbefehle gegen ihn erwirkt hatten. Damit war der Vermutungstatbestand gegeben. Mehrfachen Aufforderungen der Antragsgegnerin, zu seinen Vermögensverhältnissen detailliert Stellung zu nehmen und entsprechende Belege vorzulegen, war er nur unzureichend nachgekommen.

b) Die Antragsgegnerin hat auch zu Recht angenommen, dass infolge des Vermögensverfalls eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden eingetreten war. Wie der Bestimmung des § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO zu entnehmen ist, geht der Gesetzgeber grundsätzlich von einer Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden aus, wenn sich der Rechtsanwalt in Vermögensverfall befindet; dies ist auch in aller Regel der Fall, insbesondere im Hinblick auf den Umgang des Rechtsanwalts mit Fremdgeldern und den darauf möglichen Zugriff von Gläubigern. Anhaltspunkte dafür, dass die Interessen der Rechtsuchenden ausnahmsweise nicht gefährdet waren, lagen bei Erlass der Widerrufsverfügung nicht vor.

2. Ein nachträglicher Wegfall des Widerrufsgrundes, der im gerichtlichen Verfahren zu berücksichtigen wäre (BGHZ 75, 356; 84, 149), liegt nicht vor.

a) Eine Konsolidierung seiner Vermögensverhältnisse hat der Antragsteller nicht dargetan. Er hat in seinen Schreiben vom 27. November 2006, 5. April 2007 und 13. Juni 2007 das Bestehen weiterer vollstreckbarer Verbindlichkeiten eingeräumt. Wegen der Einzelheiten wird insoweit auf die Ausführungen in dem angefochtenen Beschluss Bezug genommen. Weitere vollstreckbare Verbindlichkeiten ergeben sich auch aus den Auskünften der Gerichtsvollzieherin H. vom 16. April 2007 und des Gerichtsvollziehers F. vom 1. Juni 2007. Nach alledem ist es dem Antragsteller zwar gelungen, einzelne Verbindlichkeiten zu tilgen, etwa die des Versorgungswerks der Rechtsanwälte, die dem Haftbefehl vom 19. September 2006 zugrunde lag. Auf andere Verbindlichkeiten hat er nach seinen Angaben Teilzahlungen geleistet. Zum Teil werden die Teilzahlungen durch die Auskünfte der Gerichtsvollzieher H. und F. bestätigt, im Übrigen hat der Antragsteller seine Angaben nicht weiter belegt.

Weitere Verbindlichkeiten bestehen unvermindert fort oder sind neu hinzugekommen. Die Forderung der A. GmbH, die dem Haftbefehl vom 22. September 2006 zu Grunde liegt, besteht danach noch in Höhe von rund 2.500 €. Der Gläubiger Dr. W. , der ebenfalls unter dem 22. September 2006 einen Haftbefehl erwirkt hatte, vollstreckt nach Auskunft des Gerichtsvollziehers K. vom 25. Oktober 2007 wegen einer aktuellen Forderung in Höhe von rund 1.800 €, während der Antragsteller selbst mit Schreiben vom 13. Juni 2007 noch eine Restschuld in Höhe von rd. 950 € behauptet hatte. Der Antragsteller hat im Schreiben vom 21. Dezember 2007 pauschal private Verbindlichkeiten in Höhe von noch ca. 5.000 € eingeräumt. Beim Finanzamt B. bestehen außerdem derzeit Steuerschulden in Höhe von 5.924,67 €. Dem Verkehrswert seines Hausgrundstücks in M. von 750.000 € stehen nach seinen Angaben Forderungen der finanzierenden Bank in Höhe von 803.789,49 € gegenüber. Der Antragsteller hat mit Schriftsatz vom 21. Januar 2008 ferner eingeräumt, dass ihm ein Durchbruch bei der Rückführung seiner Verbindlichkeiten nicht gelungen sei. Dies zeigt auch der Umstand, dass seine Gläubiger selbst kleine Beträge wie 70,39 € (Klinikum S. -B. ) oder 62,45 € (Stadtkasse B. ) vollstrecken müssen, wie sich aus der Auskunft des Gerichtsvollziehers K. vom 25. Oktober 2007 ergibt.

Die genannten Verbindlichkeiten belaufen sich zwar insgesamt nur auf rund 15.000 €. Indes verfügt der Rechtsanwalt allem Anschein nach nicht über ausreichende Einkünfte, um seine Verbindlichkeiten ordnungsgemäß zu erfüllen. Welche Einkünfte er erzielt, ist zwar nicht bekannt. Das muss aber zu seinen Lasten gehen. Denn eine nachprüfbare, umfassende Darstellung der Vermögensverhältnisse hat er nicht vorgelegt. Damit ist die Vermutung nicht widerlegt.

b) Es kann auch nicht festgestellt werden, dass die Interessen der Rechtsuchenden durch den Vermögensverfall nicht (mehr) gefährdet sind.

Tolksdorf Ernemann Schmidt-Räntsch Roggenbuck Kappelhoff Martini Quaas Vorinstanz:

AGH Stuttgart, Entscheidung vom 10.09.2007 - AGH 35/06 (I) -






BGH:
Beschluss v. 03.11.2008
Az: AnwZ (B) 80/07


Link zum Urteil:
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