Bundespatentgericht:
Urteil vom 29. April 2009
Aktenzeichen: 5 Ni 23/09
(BPatG: Urteil v. 29.04.2009, Az.: 5 Ni 23/09)
Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung
Das Bundespatentgericht hat in dieser Gerichtsentscheidung ein Patent für nichtig erklärt. Das Patent betrifft eine Antennenanordnung für Satellitenempfang und ein Verfahren zur Übermittlung von Steuersignalen. Das Gericht hat festgestellt, dass der Inhalt des Patents über den Inhalt der ursprünglichen Anmeldung hinausgeht. Insbesondere umfasst das Patent ein Verfahren, das auch bei Multifeed- oder Multiswitch-Antennen angewendet werden kann, was in der ursprünglichen Anmeldung nicht offenbart wurde. Zudem ist das Patent nicht erfinderisch, da die vorgeschlagene Lösung bereits in anderen Druckschriften nahegelegt wird. Das Gericht hat entschieden, dass das Patent im Umfang der betroffenen Patentansprüche nichtig ist und die Beklagte die Kosten des Rechtsstreits tragen muss. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Gerichtsentscheidung im Volltext:
BPatG: Urteil v. 29.04.2009, Az: 5 Ni 23/09
Tenor
1.
Das deutsche Patent 44 04 978 wird im Umfang der Patentansprüche 3 und 4 für nichtig erklärt.
2.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des deutschen Patents 44 04 978 (Streitpatent), das am 17. Februar 1994 angemeldet worden ist und eine Antennenanordnung für Satellitenempfang (Ansprüche 1 und 2) und ein Verfahren zur Übermittlung von Steuersignalen (Ansprüche 3 und 4) betrifft.
Die mit der Klage allein angegriffenen Verfahrensansprüche 3 und 4 lauten unter Hinzufügung einer Merkmalsgliederung:
Patentanspruch 3 M1 Verfahren zur Übermittlung von Steuersignalen M1a von einem Wiedergabegerät (7)
M1b mit einem der Erzeugung eines den Sendebereich bestimmenden Dauersignals für einen Empfangskonverter (6) dienenden Generator (9)
M1c an eine Empfangssteuereinheit (4)
M2 über ein Koaxialkabel M2a zur Übermittlung der Empfangssignale M2b und der Sendebereichssteuersignale dadurch gekennzeichnet, M3 daß bei Programmumschaltung von dem Wiedergabegerät das Dauersignal zur Bestimmung des Sendebereichs gemäß einer Steuersequenz kurzzeitig einoder mehrmals M3a unterbrochen wird, wenn es im eingeschalteten Zustand ist, M3b bzw. angeschaltet wird, wenn es in einem ausgeschalteten Zustand ist, und M4 daß die Empfangssteuereinheit (4)
M4a diese Signale zur Steuerung der Antenne empfängt M4b und den Empfangskonverter (6) auf die gewünschte Position einstellt.
Patentanspruch 4 M5 Verfahren nach Anspruch 1 dadurch gekennzeichnet, M6 daß die Einstellung der Position durch M6a Abfragen der Ist-Position des Empfangskonverters (6), M6b Auslesen einer Soll-Position aus dem Speicher und M6c Regelung des Motors (1) entsprechend der Abweichungzwischen Sollund Ist-Position
(M6) erfolgt.
Die eingefügte Merkmalsgliederung entspricht im Anspruch 3 der von der Beklagten vorgeschlagenen Gliederung.
Im Patentanspruch 4 ist in der Patentschrift (DE 44 04 978 C2) die Bezugnahme auf den Anspruch 1 offensichtlich falsch. Nachdem Patentanspruch 1 eine Antennenanordnung und kein Verfahren betrifft, hingegen allein Anspruch 3 ein Verfahren betrifft, muss es -auch nach dem übereinstimmenden Verständnis der Parteien -richtig heißen: "Verfahren nach Anspruch 3".
Die Klägerin stützt ihre Klage darauf, dass 1.
der Gegenstand der Patentansprüche 3 und 4 über den Inhalt der Anmeldung in der Fassung hinausgehe, in der sie bei der für die Einreichung der Anmeldung zuständigen Behörde ursprünglich eingereicht worden sei (Anlage NK3);
2.
der Gegenstand der Patentansprüche 3 und 4 nicht so deutlich und vollständig offenbart sei, dass ein Fachmann sie ausführen könne, und 3.
der Gegenstand der Patentansprüche 3 und 4 mangels Beruhens auf einer erfinderischen Tätigkeit nicht patentfähig sei.
Die Klägerin meint, dass der Gegenstand der Patentansprüche 3 und 4, die auf Verfahren gerichtet sind, schon deshalb über den Inhalt der ursprünglichen Anmeldung hinausgehe, weil in der ursprünglichen Anmeldung lediglich eine Antennenanordnung beansprucht war und es an einer eigenständigen Offenbarung eines Verfahrens fehle.
Zudem seien einzelne Merkmale des Verfahrens nicht in der Form offenbart, wie sie nunmehr unter Schutz stehen. Dies beträfe:
-den Generator, soweit damit nicht nur der offenbarte 22-kHz-Generator gemeint sei;
-das Dauersignal, nachdem ein solches in den ursprünglichen Unterlagen nicht zu finden sei;
-die Funktion des Dauersignals ("... eines den Sendebereich bestimmenden Dauersignals ..."),
-das Koaxialkabel, da ein solches in den ursprünglichen Unterlagen nicht zu finden sei;
-die (einoder mehrmalige kurzzeitige) Unterbrechung des Dauersignals von dem Wiedergabegerät gemäß einer Steuersequenz, da lediglich offenbart sei, dass bei einer Programm-Umschaltung die Abgabe oder der Abruf eines Signals von einem Signalgeber bewirkt werde, welches in der Auswerteelektronik eine Steuersequenz auslöse;
-die Verallgemeinerung des Verfahrens dahingehend, dass es für jegliche Antennenanordnungen geeignet sei, obwohl in der ursprünglichen Anmeldung lediglich die Arbeitsweise einer Antennenanordnung beschrieben sei, die einen von einem Stellmotor betätigten, auf dem Läufer eines Spindeltriebs angeordneten Empfangskonverter aufweise;
-die Verallgemeinerung der Wirkung der Steuersequenz, indem ausgelassen wird, dass dabei zunächst mittels eines Istwert-Aufnehmers die Ist-Position des Empfangskonverters sowie von einem Speicher die Sollposition abgerufen werden und nach deren Vergleich erforderlichenfalls Regelbefehle an den Motorregler abgegeben werden, obwohl in der ursprünglichen Anmeldung gerade diese Verfahrensschritte als obligatorisch beschrieben seien.
Die Klägerin trägt weiter vor, dass einzelne Merkmale aus dem Anspruch 3 unklar seien. Dies gelte für:
-den Begriff "kurzzeitig" bzw. "nur wenige Millisekunden" im Zusammenhang mit der Dauer der einoder mehrmaligen Unterbrechung des Dauersignals, weil er nicht hinreichend klar angebe, wie lange die Unterbrechung dauere;
-die Frage, was patentgemäß unter der "Steuerung der Antenne" (Merkmal M4a) einerseits und der Positionierung des Empfangskonverters (Merkmal M4b) andererseits zu verstehen sei, bzw. in welchem Verhältnis die beiden Einstellungen stehen, insbesondere nachdem im Stand der Technik bereits beide Lehren als solche bekannt gewesen seien (Drehanlagentechnik, Motorfeed);
-den Begriff "Sendebereich", nachdem es sich bei der Antennenanordnung um eine Empfangsantenne handele, die keinen (einstellbaren) "Sendebereich", sondern allenfalls einen "Empfangsbereich" aufweisen könne.
In Hinblick auf die Patentfähigkeit verweist die Klägerin auf die Druckschriften NK4 EP 0 505 038 A1 NK5 IT 1 223 028 B NK7 deutsche Übersetzung der Druckschrift NK5 NK8 EP 0 314 931 A2 (Nachanmeldung zu NK5) NK9 EHRHARDT, Alfred, FRANKE, Hermann [Hrsg.]: LUEGER Lexikon der Technik. Stuttgart : Deutsche Verlagsanstalt, 1960, Band 1, S. 411 f., Stichwort "Regelung" NK10 DE 41 32 287 A1 NK11 DE 93 06 769 U1.
Im Prüfungsverfahren wurden für die Beurteilung der Patentfähigkeit neben der Druckschrift NK11 die Druckschriften D1 DE 43 28 842 A1 (nicht vorveröffentlichte ältere Anmeldung)
D2 Satelliten-TV -Komfort nur gegen Aufpreis. In: Funkschau, 1988, Heft 5, S. 30-32 D3 DE 93 06 071 U1 D4 EP 0 314 930 A2 D5 DE 43 07 675 A1 D6 DE 42 42 803 A1 D7 DE 42 31 228 A1 D8 DE 88 15 521 U1 D9 US 4,862,179 D10 EP 0 579 408 A1 D11 EP 0 579 407 A1 D12 Polarmount-Halterungen. Orbitale Vielfalt an Fernsehprogrammen. In: Funkschau, 1990, Heft 14, S. 55-59 in Betracht gezogen, wobei lediglich die Druckschriften D2 und D3 im Prüfungsbescheid eine Rolle gespielt haben.
Die Klägerin beantragt, das Streitpatent im Umfang der Patentansprüche 3 und 4 für nichtig zu erklären.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Hilfsweise verteidigt sie das Patent in einer Fassung des Patentanspruchs 3, in der der dort verwendete Begriff "Dauersignal" geändert ist in "22 kHz-Dauersignal".
Sie tritt den Ausführungen der Klägerin in allen Punkten entgegen und hält das Streitpatent, soweit angegriffen, für patentfähig.
Insbesondere geht sie davon aus, dass in der ursprünglichen Anmeldung neben der darin beschriebenen konkreten Antennenanordnung auch das patentierte, sehr allgemein gehaltene Verfahren zur Übermittlung von Steuersignalen offenbart werde, das insbesondere darin bestünde, anstelle eines zusätzlichen Signalisierungssignals ein bereits vorhandenes, herkömmliches Signal (= "Dauersignal") in ungewöhnlicher Weise zu modifizieren, wobei die Modifikation keinen Einfluss auf die erste Signalisierung habe. Daraus ergäbe sich der Vorteil, für die zweite Signalisierung ohne zusätzliche Kabel auszukommen. Eine solche Ausnutzung eines vorhandenen Signals werde dem Fachmann durch den Stand der Technik nicht nahegelegt.
Im Übrigen sei die Lehre des Patents auch ausführbar, die von der Klägerin vorgetragenen Beanstandungen hinsichtlich einzelner Begriffe seien unbegründet, weil der Fachmann die beanstandeten Begriffe ohne Weiteres verstehe.
Zur Stützung ihres Vorbringens legt sie vor:
B1 Merkmalsanalyse B2 Auszug "Satelliten-Empfangs-Jahrbuch" 1989 B3 Anzeigen der Klägerin aus Zeitschrift "Infosat" Nov. 1993 und Jan. 1994 (gekennzeichnet mit GKS&S 1 und 2)
B4 Auszug aus Bedienungsanleitung eines Satellitenreceivers 1993 (GKS&S 3).
Gründe
Die Klage, mit der die in § 22 Abs. 2 i. V. m. § 21 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 4 PatG vorgesehenen Nichtigkeitsgründe mangelnder Patentfähigkeit, unzureichender Offenbarung der Ausführbarkeit und unzulässiger Erweiterung gegenüber der ursprünglichen Offenbarung geltend gemacht werden, ist zulässig und hinsichtlich § 21 Abs. 1 Nr. 1 und 4 PatG in vollem Umfang begründet.
Neben einer unzulässigen Erweiterung gemäß § 21 Abs. 1 Nr. 4 PatG liegt auch fehlende Patentfähigkeit vor, weil das patentierte Verfahren nicht auf erfinderischer Tätigkeit im Sinne des § 4 PatG beruht.
I.
1. Bei der Erfindung geht es prinzipiell um die Einstellung einer Antenne, so dass die von geostationären Satelliten ausgestrahlten Signale empfangen werden können. Bei der Antenne handelt es sich regelmäßig um eine Reflektorantenne, in deren Brennpunkt ein Empfangskonverter angeordnet ist, von dem die hochfrequenten Signale empfangen und in eine Zwischenfrequenz konvertiert werden ("Low Noise Block Converter", kurz LNC bzw. LNB, im Folgenden nur noch "LNB" genannt). Von einem Satelliten werden in der Regel mehrere Signale ("Programme") abgestrahlt, die sich in ihrer Trägerfrequenz und auch in ihrer Polarisation unterscheiden. Hinzu kommt, dass sich eine Vielzahl von Satelliten auf der geostationären Umlaufbahn befinden.
Jedes einzelne Signal ist unter dem Aspekt des Empfangs durch folgende Parameter charakterisiert:
-den Standort des Satelliten, der das Signal aussendet, bzw. die Richtung, aus der das Signal empfangen wird,
-den Zeitpunkt der Ausstrahlung des Signals, -die verwendete Sendefrequenz,
-die verwendete Polarisation.
Hinzu treten weitere Signalparameter, wie z. B. das Modulationsverfahren, die jedoch bei allen Signalen weitgehend gleich sind und deshalb kein Unterscheidungsmerkmal zwischen verschiedenen Signalen darstellen.
Für einen einwandfreien Empfang muss die Antennenanlage eine Reihe von Bedingungen erfüllen, von denen die folgenden im Zusammenhang mit der Erfindung von Bedeutung sind:
1.
der LNB muss in seinen Empfangseigenschaften auf die Parameter (Frequenz, Polarisation) abgestimmt sein.
2.
Reflektor und LNB müssen (zum gewünschten Empfangszeitpunkt) so zu einander und zu dem Satelliten ausgerichtet sein, dass die zu empfangenen Signale in der Empfangsebene des LNB fokussiert werden.
Bei einem beabsichtigten Wechsel vom Empfang eines Signals auf den Empfang eines anderen Signals, bedarf es einer entsprechenden Anpassung der Parameter der Empfangsanlage.
2. Was die Empfangseigenschaften des LNB angeht, so sind diese in der Regel durch entsprechende Steuersignale ("Sendebereichssteuersignale") hinsichtlich Empfangsfrequenz und Polarisation einstellbar. Genutzt wurden hierzu bereitsfeste Spannungswerte -14 V zur Einstellung des LNBs auf horizontale Polarisation,
-17 V oder 18 V zur Einstellung des LNBs auf vertikale Polarisation) und bestimmte NF-Signale -ein eingeschaltetes 22-kHz-Signal zur Einstellung der Empfangsfrequenz auf den 12 GHz-Bereich (sogenanntes
"Highband"),
-ein ausgeschaltetes 22-kHz-Signal zur Einstellung der Empfangsfrequenz auf den 11-GHz-Bereich (sogenanntes
"Lowband").
Zur Antennenausrichtung wurde bereits vorgeschlagen (siehe unten), den LNB gegenüber dem Antennenreflektor mit Hilfe eines Stellmotors, eines Läufers und eines Spindeltriebes zu positionieren und dadurch bei feststehendem Antennenreflektor eine Ausrichtung der Antennenanlage auf verschiedene Satelliten zu erreichen (im Folgenden "Motorfeed-Antenne"), oder mehrere LNBs in mehreren Brennpunkten des Reflektors vorzusehen (im Folgenden "Multifeed-Antenne"), von denen nur jeweils einer aktiv ist.
Jedem Kanal entspricht dabei eine Position des LNB. Notwendigerweise ist bei der Motorfeed-Antenne der Motor bei einer gewünschten Änderung der LNB-Position entsprechend anzusteuern (Stromversorgung, Steuersignale). Entsprechendes gilt für die Aktivierung bzw. Deaktivierung der LNBs bei einer Multifeed-Antenne.
Alternativ ist bereits vorgeschlagen worden, die gesamte Antennenanlage aus Reflektor und LNB auf den gewünschten Satelliten auszurichten (im Folgenden "Rotorfeed-Antenne") oder für jeden Satelliten eine eigene Antennenanlage vorzusehen, zwischen denen dann bedarfsweise umgeschaltet wird (im Folgenden "Multiswitch-Antenne").
Da die Antennenanlage bzw. die Antennenanlagen, und damit der Stellmotor sowie der eine bzw. die mehreren LNBs aber räumlich getrennt von dem eigentlichen Wiedergabegerät sind, bedarf es zur Einstellung der Antennenanlage (Auswahl der Antenne bzw. des LNBs, Positionierung der Antenne bzw. des LNBs, Einstellung der Polarisation und des Frequenzbereichs etc.) auf einen gewünschten Kanal der Übertragung entsprechender Steuerbzw. Umschaltsignale von dem Wiedergabegerät zu der Antennenanlage, die aus fachmännischer Sicht selbstverständlich mit geringem Aufwand erfolgen soll.
Nachdem die Anzahl der signalmäßig zu beeinflussenden Parameter im Laufe der technischen Entwicklung immer weiter gestiegen ist, hat EUTELSAT neuerdings ein eigenes Protokoll für die Signalübertragung geschaffen, das unter der Kurzbezeichnung "DiSEqC" ("Digital Satellite Equipment Control") bekannt geworden ist.
3.
Bei dem Problem der Übertragung der Steuerbzw. Umschaltsignale setzt auch die Erfindung an. Sie schlägt zur Übermittlung von Steuersignalen von einem Wiedergabegerät mit einem Generator über ein Koaxialkabel an eine Empfangssteuereinheit vor, dass bei Programmumschaltung von dem Wiedergabegerät ein ohnehin vorhandenes Dauersignal zur Bestimmung des Sendebereichs gemäß einer Steuersequenz kurzzeitig eingeschaltet oder im eingeschalteten Zustand mehrmals unterbrochen wird bzw. angeschaltet wird, wenn es in einem ausgeschalteten Zustand ist, und dass die Empfangssteuereinheit diese Signale zur Steuerung der Antenne empfängt und den Empfangskonverter auf die gewünschte Position einstellt. Der Generator dient dabei der Erzeugung eines den Sendebereich bestimmenden Dauersignals für einen Empfangskonverter. Das Koaxialkabel dient zur Übermittlung der Empfangssignale und der Sendebereichssteuersignale.
4.
Das patentierte Verfahren gemäß den Patentansprüchen 3 und 4 richtet sich dabei an einen Nachrichtentechniker mit Hochschuloder Universitätsabschluss, der über Erfahrungen bei der Entwicklung von Antennenanlagen für den Satellitenempfang und insbesondere deren Steuerung verfügt. Ein solcher Fachmann kannte zum Anmeldezeitpunkt die oben genannten alternativ einstellbaren Antennenarten (Motorfeed-, Multifeed-, Rotorfeedund Multiswitch-Antennen) und verfügt über Kenntnisse bezüglich der einzustellenden Parameter sowie der einschlägigen Verfahren und Schaltungen zur Signalisierung von Steuersignalen mit Hilfe von Trägersignalen.
Der Senat legt den Patentanspruch 3 auf der Grundlage des Wissens des Fachmanns dahingehend aus, dass die Angabe im Patentanspruch 3, dass die Empfangssteuereinheit (4) die Signale zur Steuerung der Antenne empfängt und den Empfangskonverter (6) auf die gewünschte Position einstellt (Merkmale M4, M4a, M4b), rein funktionell zu verstehen ist und von der konkreten Antennenart abstrahiert. Insbesondere versteht der Fachmann die Angabe, dass die Empfangssteuereinheit den Empfangskonverter "auf die gewünschte Position einstellt" (Merkmal M4b), sehr weit. Die Position des Empfangskonverters umfasst einerseits seine eigene, relative Lage gegenüber dem Reflektor, die durch Verschiebung (Motorfeed) eingestellt werden kann. Sie umfasst aber auch die Lage eines, nämlich des jeweils aktiven, von mehreren Empfangskonvertern (Multifeed). Und schließlich umfasst die Position des Empfangskonverters, der Teil der Antennenanlage ist, auch die Lage (Multiswitch) oder Ausrichtung (Rotorfeed) der Antennenanlage als Ganzes. Diese breite Auslegung des Anspruchs stützt sich auch darauf, dass der Verfahrensschritt des Positionierens des Empfangskonverters lediglich anhand der zu erzielenden technischen Wirkung definiert ist.
Damit wird Schutz für ein Verfahren beansprucht, das der Fachmann bei allen ihm bekannten Antennenarten bzw. -systemen, nämlich sowohl bei Motorfeed-Antennen als auch bei Multifeed-, Rotorfeedund Multiswitch-Antennen, einsetzen kann. Dass die im Rahmen des Nichtigkeitsverfahrens nicht angegriffenen Sachansprüche 1 und 2 sowie das in der Erfindungsbeschreibung angegebene Ausführungsbeispiel lediglich auf Motorfeed-Antennen Bezug nehmen, wirkt sich nicht schutzbegrenzend aus (BGHZ 160, 204 -Bodenseitige Vereinzelungseinrichtung; BGH Urteil vom 12. Februar 2008 -X ZR 153/05, GRUR 2008, 779 -Mehrgangnabe).
Der Senat legt den Begriff "kurzzeitig" im Merkmal M3 dahingehend aus, dass hierunter nur eine Zeitdauer fällt, die so kurz bemessen ist, dass die Unterbrechung bzw. Einschaltung des Dauersignals gemäß der Steuersequenz keine Rückwirkung auf die Wirkung des Dauersignals zur Bestimmung des Sendebereichs hat und insoweit auch ohne Rückwirkung auf die Empfangsleistung oder Empfangsqualität ist, wie das in der Patentschrift, Spalte 3, Zeilen 16-24 und 5355, aber auch schon in der ursprünglichen Anmeldung, Seite 6, Zeilen 12-18 und Seite 7, Zeilen 19-21, angegeben ist (BGH in GRUR 1999, 909 -Spannschraube).
Hinsichtlich des Begriffs "Bestimmung des Sendebereichs" in den Merkmalen M1b und M3 legt der Senat das fachmännische Verständnis zugrunde, dass hiermit die Anpassung der Eigenschaften der Antennenanlage an die Eigenschaften des vom Satelliten ausgesendeten und von der Antennenanlage zu empfangenden Signals zu verstehen ist. Da insoweit die Eigenschaften der lediglich als Empfangsantenne dienenden Antenne betroffen sind, wäre zwar überzeugender, von der "Bestimmung des Empfangsbereichs" zu sprechen; das ist jedoch angesichts des Wissens des Fachmanns nicht zwingend.
II.
Ausgehend von einem solchen Verständnis des Patentanspruchs geht der Gegenstand des Patents über den Inhalt der Anmeldung in der Fassung hinaus, in der sie bei der für die Einreichung der Anmeldung zuständigen Behörde ursprünglich eingereicht worden ist (§ 21 Abs. 1 Nr. 4 PatG).
1. Die Anmeldung offenbarte in ihrer ursprünglich eingereichten Fassung (Anlage NK3) eine Antennennordnung für Satellitenempfang.
Der offenbarten Erfindung lag die Aufgabe zugrunde, eine Antennenanordnung zu schaffen, mit deren Hilfe eine weitere Vereinfachung der Einstellung und Ausrichtung der Empfangsanlage bei Programmumschaltung erzielt wird (NK3: Seite 4, Zeilen 11-14).
Die Antennenanordnung gemäß der Anmeldung besteht aus einem Antennenreflektor mit einem von einem Stellmotor betätigten, auf dem Läufer eines Spindeltriebes angeordneten, mit einem Wiedergabegerät verbundenen Empfangskonverter und ist dadurch gekennzeichnet, dass zwischen Empfangskonverter und Wiedergabegerät ein Empfangssteuerelement vorgesehen ist, das -ein Speicherglied zur Speicherung der verschiedenen, jeweils einer Sendefrequenz zugeordneten Positionen des Empfangskonverters,
-einen Istwert-Aufnehmer bzw. -Geber und -eine Auswertelektronikenthält, wobei die Empfangssteuereinheit ausgangsseitig mit einem Regler für den Stellmotor und eingangsseitig mit einem bei jeder Programmwahl ein Steuersignal abgebenden Signalgeber verbunden ist, dessen Signale jeweils -eine Steuersequenz zur Feststellung der Ist-Position des Empfangskonverters, -weiterhin deren Vergleich mit der im Speicherglied gespeicherten Soll-Position sowie -bei Abweichung die Ansteuerung des die Einstellung der Soll-Position bewirkenden Reglers für den Stellmotorauslösen (NK3: Seite 1 = Patentanspruch 1).
Damit offenbart die Anmeldung eine Anordnung, bei der die Positionierung des Empfangskonverters mit Hilfe eines stellmotorgetriebenen Spindeltriebs vorgenommen wird, mithin eine Motorfeed-Antenne oder eine Rotorfeed-Antenne. Keinem Teil der Anmeldung kann ein Hinweis darauf entnommen werden, dass von der Offenbarung auch eine Multifeed-Antenne oder eine Multiswitch-Antenne umfasst wäre. Insbesondere fehlt nämlich jeder Hinweis darauf,
-dass mehrere, an unterschiedlichen Positionen vor dem Reflektor befindliche Empfangskonverter vorhanden wären, zwischen denen bei Bedarf umgeschaltet werden könnte, oder -dass mehrere, an verschiedenen Positionen befindliche Antennen vorhanden wären, zwischen denen bei Bedarf umgeschaltet werden könnte.
Soweit die Klägerin die Auffassung vertritt, das allein eine Motorfeed-Antenne offenbart sei, so kann dies nicht überzeugen. Denn die Offenbarung spricht immer nur von der Positionierung des Empfangskonverters, die mittels des stellmotorgetriebenen Spindeltriebs erfolgt. Die Bewegung des Läufers des Spindeltriebes, der laut Angabe in der Anmeldung mit dem Empfangskonverter verbunden ist, kann bewirken, dass lediglich der Empfangskonverter relativ zu dem Reflektor verschoben wird (Motorfeed) oder der Empfangskonverter samt Reflektor bewegt wird (Rotorfeed). Dass von der Offenbarung auch die zweite Alternative umfasst ist, ergibt sich insbesondere aus den Angaben in der Anmeldung, dass die Erfindung "eine selbsttätigautomatische Einstellung der gesamten Empfangsanlage auf die jeweils optimalen Empfangsbedingungen ermöglicht" (NK3: Seite 4, Zeilen 19-21) und dass der Empfangskonverter mit dem Antennenreflektor verbunden sei (NK3: Seite 5, Zeilen 18-22). Insbesondere bei mechanisch starren, d. h. unbeweglichen Verbindung des Empfangskonverters mit dem Antennenreflektor bewirkt die Positionierung des Empfangskonverters auch eine Bewegung des Antennenreflektors, so dass die gesamte Antennenanlage bewegt wird, wie das für ein Rotorfeed-Antenne typisch ist.
2. Neben der Anordnung offenbart die Anmeldung auch deren Funktionsweise, wobei die Funktionsweise einzig und allein anhand der offenbarten Antennenanordnung beschrieben wird.
Die Anmeldung offenbart insoweit unter Angabe der Bezugszeichen aus den Figuren im Wesentlichen Folgendes:
"Bei der Installation der Anlage erfolgt zunächst ihre Initialisierung. Zu diesem Zweck wird die Empfangs-Steuereinheit 6 von Hand nacheinander auf jeweils die für jeden erreichbaren bzw. gewünschten Sender optimale Position ausgerichtet und die Position durch Betätigung der hierfür am Wiedergabegerät 7 vorgesehenen (Memory-)Taste im Speicher 5 abgespeichert. Die Vorbereitungen für die selbsttätig automatische Antenneneinstellung sind damit abgeschlossen.
Im regelmäßigen Betrieb bewirkt jede Programm-Umschaltung durch den Benutzer des Wiedergabe-Gerätes 7 die Abgabe bzw. den Abruf eines Signals von dem Signalgeber 9, beispielsweise einem serienmäßig in dem Wiedergabegerät enthaltene 22-kHz-Generator, das über einen Verstärker der Auswerteelektronik zugeführt wird und dort eine Steuersequenz auslöst, die zunächst vermittels des Istwert-Aufnehmers 14 die Ist-Position des Empfangs-Konverters 6 sowie von dem Speicher 5 die zugehörige Soll-Position abruft und nach deren Vergleich erforderlichenfalls die Regelbefehle an den Motorregler 1a abgibt, durch die vermittels des Motors 1 die Position des Empfangs-Konverters 6 auf die vorgegebene Soll-Stellung nachgeregelt wird. Die Auslösung der Steuersequenz kann einmal oder mehrmals, etwa dreibis viermal erfolgen, um für den Fall, dass eine Steuersequenz nicht oder unrichtig übertragen wird, die Sollwert-Positionierung des Empfangs-Konverters sicherzustellen. Eine Rückwirkung auf die Empfangsleistung oder Empfangsqualität ist durch die nur wenige Millisekunden dauernde Unterbrechung des Signals nicht zu befürchten." (vgl. NK3, Seite 6, Zeile 23, bis Seite 7, Zeile 217, Z. 5-13).
Die Angabe "Empfangs-Steuereinheit 6" im ersten Satz dieser Textpassage steht zwar nicht in Übereinstimmung mit der Figur 2, worin die Empfangs-Steuereinheit das Bezugszeichen 4 trägt und das Bezugszeichen 6 hingegen den Empfangs-Konverter bezeichnet (vgl. auch NK3: Seite 5, Zeilen 24-25). Der Senat betrachtet der Angabe "Empfangs-Steuereinheit 6" jedoch als offensichtlichen Schreibfehler und interpretiert die Angabe unter fachmännischer Sicht dahingehend, dass tatsächlich der Empfangs-Konverter 6 auf die jeweils optimale Position ausgerichtet wird. Wie der Fachmann ohne Weiteres erkennt, wäre eine Positionierung der Empfangs-Steuereinheit technisch ohne Belang.
Die nicht eindeutige Verwendung des Begriffs "Steuersequenz" erfordert darüber hinaus eine weitere Auslegung des Offenbarten.
Einerseits ist in der ursprünglichen Beschreibung angegeben, dass die Steuersequenz durch ein von dem Signalgeber abgegebenes bzw. abgerufenes Signal in der Auswerteelektronik ausgelöst wird (NK3: Seite 7, Zeilen 6-10). Dies setzt lediglich ein auslösendes Signal voraus. Da der ursprünglichen Anmeldung diesbezüglich nichts zu entnehmen ist, geht der Senat zunächst davon aus, dass das Signal beliebiger Art sein kann, sofern es von dem Signalgeber abgegeben bzw. abgerufen und über einen Verstärker der Auswerteelektronik zugeführt werden kann. Die Steuersequenz wäre dann ein in der Auswerteelektronik ablaufender Vorgang, der darin bestehen dürfte, dass die Soll-Position des Empfangskonverters mit dessen Ist-Position verglichen wird und aus dem Vergleichsergebnis ein Steuersignal zur Ansteuerung des Stellmotors abgeleitet wird, das diesem zugeführt wird (NK3: Seite 7, Zeilen 10-13).
Andererseits ist in der ursprünglichen Anmeldung angegeben, dass die Steuersequenz selbst übertragen wird (NK3: Seite 7, Zeile 17), was ausgehend von den sonstigen Erläuterungen in der ursprünglichen Anmeldung sinnvoll unter Verwendung des 22-kHz-Signals erfolgen kann. Denn in diesem Zusammenhang erläutert die ursprüngliche Anmeldung noch wie folgt:
"... Ein solcher Signalgeber kann als eigenes Bauteil in der Empfangssteuereinheit vorgesehen werden, es wird hierzu jedoch zweckmäßig ein anderweitig in der Empfangsanlage vorhandener Signalgeber, beispielsweise ein in neueren Wiedergabegeräten (7) enthaltener 22 kHz-Generator (9) eingesetzt, mit dessen Hilfe die Umschaltung von dem Sendebereich 11 GHz auf 12 GHz erfolgt, wobei bei Signal-Abschaltung der 11 GHz-Bereich und bei Signal-Zuschaltung der 12 GHz-Bereich eingeschaltet sind. Die -gegebenenfalls auch mehrfache -kurzzeitige, d. h. nur wenige Millisekunden betragende Signal-Unterbrechung bei 12-GHz-Betrieb bzw.
entsprechend einoder mehrfache kurzzeitige Abgabe des Signals bei 11 GHz-Betrieb zum Zwecke der Positionierung des Konverters mit Hilfe [der] Empfangs-Steuereinheit verursacht keinerlei am Wiedergabegerät feststellbare Rückwirkung oder gar Nachteile in Bezug auf den Programm-Empfang." (vgl. NK3: Seite 6, Zeilen 5 bis 18).
Bei Berücksichtigung dieser Darlegung, interpretiert der Senat den Begriff "Steuersequenz" auch dahingehend, dass es sich um das Signal als solches handelt, das in der Auswerteelektronik weitere Verfahrensschritte auslöst. Insbesondere ist die so verstandene Steuersequenz ein aus einoder mehrfachen Unterbrechungen bzw. Einschaltungen des 22-kHz-Signals gebildetes Signal, das den bei der Programmumschaltung gewünschten Kanal kodiert.
Insoweit bezeichnet der Begriff "Steuersequenz" in der ursprünglichen Anmeldung gleichzeitig sowohl die in der Auswertelektronik ablaufenden Verfahrensschritte als auch den einem gewünschten Kanal zuzuordnenden Code, der die in der Auswertelektronik ablaufenden Verfahrensschritte auslöst.
3.
Die Offenbarung ist jedoch nicht so weit gehend, dass sie auch ein übergeordnetes, allgemeines Verfahren der Signalisierung der Steuersequenz, das unabhängig von dem Typ der Antennenanlage offenbart. Die Gesichtspunkte der Signalisierung der Steuersequenz sind nur im Zusammenhang mit dem 22-kHz-Signal und nur in Verbindung mit dem stellmotorgetriebenen Spindeltriebs für die Positionierung des Empfangskonverters offenbart.
4.
Nach der höchstrichterlichen Rechtssprechung ist zur Beantwortung der Frage, ob der Gegenstand der Patentansprüche in der erteilten Fassung des Patents über den Inhalt der Anmeldung hinausgeht und deshalb der Nichtigkeitsgrund des § 21 Abs. 1 Nr. 4 PatG vorliegt, ein Vergleich der durch den Patentanspruch definierten Lehre mit dem gesamten Offenbarungsgehalt der Patentanmeldung vorzunehmen (BGH Urteil vom 5. Juli 2005 -X ZR 30/02, GRUR 2005, 1023 -Einkaufswagen II). Dieser Vergleich ergibt vorliegend in Bezug auf den Patentanspruch 3, dass die ursprüngliche Offenbarung in ihrer Gesamtheit das in den erteilten Patentansprüchen niedergelegte Schutzbegehren nicht vollständig umfasst.
Denn die Offenbarung umfasst jedenfalls kein Verfahren zur Übermittlung von Steuersignalen von einem Wiedergabegerät an eine Empfangssteuereinheit über ein Koaxialkabel, wenn die Antennenanlage nicht zugleich eine Motorfeed-Antenne oder eine Rotorfeed-Antenne, sondern eine Multifeed-Antenne oder eine Multiswitch-Antenne ist.
Beansprucht ist hingegen ein Verfahren, bei dem bewusst offen gelassen wurde, bei welchen Antennenanlagen es angewandt werden kann. Damit umfasst der Anspruch die Anwendung bei allen bekannten Antennenanlagen, also auch bei Multifeed-Antennen oder Multiswitch-Antennen.
Soweit die Beklagte meint, das Verfahren sei in der beanspruchten allgemeinen Form offenbart, so kann sie damit nicht überzeugen. Das Verfahren ist nicht explizit als eigenständiges Verfahren, sondern allein als Funktionsweise der offenbarten Vorrichtung offenbart. Damit ist es auch auf diese Vorrichtungen begrenzt und kann nicht nachträglich verallgemeinert werden. Es fehlen in der ursprünglichen Anmeldung jegliche Hinweise, dass die Funktionsweise mit der speziellen Übermittlung der Steuersignale sich auch in Verbindung mit Multifeed-Antennen und Multiswitch-Antennen anwenden lässt. Der Fachmann liest diese Fälle auch nicht mit, da in der ursprünglichen Anmeldung stets die Rede von der Positionierung des Empfangskonverters mit Hilfe des stellmotorgetriebenen Spindelantriebs ist, was impliziert, dass die Positionierung eine mechanische Verschiebung des Empfangskonverters erfordert, die Multifeed-Antennen und Multiswitch-Antennen völlig wesensfremd ist.
Der erteilte und in dieser Fassung mit dem Hauptantrag verteidigte Verfahrensanspruch 3 geht insoweit über den Inhalt der ursprünglichen Anmeldung hinaus und kann aus diesem Grunde keinen Bestand haben.
III.
Der mit der Nichtigkeitsklage angegriffene Patentanspruch 3 kann -abgesehen von der unzulässigen Erweiterung gegenüber der ursprünglichen Anmeldung auch deshalb keinen Bestand haben, weil sein Gegenstand nicht patentfähig ist, § 21 Abs. 1 Nr. 1 PatG.
1. Aus der Druckschrift NK5 (italienisch) bzw. deren von der Klägerin vorgelegten deutschen Übersetzung (Anlage NK7) ist ein Verfahren und eine Vorrichtung zum Senden einer Vielzahl von Steuersignalen in Satellitenantennenanlagen (Merkmal M1) als bekannt entnehmbar, bei denen die zur Steuerung der Antenne notwendigen Signale von einem Wiedergabegerät (Einheit 100 i. V. m. Empfangseinheit 21, 22; Merkmal M1a) an eine Empfangssteuereinheit (Dekodierund Schnittstelleneinheit 200; Merkmal M1c) über dasselbe Koaxialkabel 16, das auch zur Übermittlung der Empfangssignale genutzt wird (Merkmale M2, M2a, M2b), übermittelt werden. Auf diesem Kabel wird auch eine Gleichspannung zur Speisung der externen Einheit übertragen (NK7: Seite 4, Zeile 25 bis Seite 5, Zeile 7; Anspruch 1; Fig.).
Dazu umfasst das Wiedergabegerät (Einheit 100 i. V. m. Empfangseinheit 21, 22) einen Generator zur Erzeugung eines Dauersignals für den Empfangskonverter (Mittel 23 zum Erzeugen eines Trägers niedriger Frequenz; Merkmal M1bteilweise). Das generierte Dauersignal ist ein Trägersignal für die sendebereichsbestimmenden Informationen, die ihm in dem Codierer 24 aufgeprägt werden. Während einer kurzen Zeit wird das Trägersignal mit einer Impulsfolge moduliert, die die sendebereichsbestimmenden Informationen codiert. Diese Pulsmodulation stellt ein kurzzeitiges einoder mehrmaliges Unterbrechen bzw. Anschalten des Trägersignals dar (Merkmale M3, M3a, M3b). Abhängig von der Komplexität des Codes können praktisch beliebig viele Steuersignale codiert und damit übertragen werden.
Das so mit der Impulsfolge modulierte Trägersignal wird neben der Gleichspannung zur Speisung der externen Einheit über das Koaxialkabel übertragen, in einer Empfangssteuereinheit der externen Einheit (Decodiervorrichtung 11, Schnittstelleneinheit 12) decodiert und in Steuersignale zur Einstellung der verschiedenen Empfangsparameter, mithin zur Steuerung der Antenne einschließlich der Einstellung der Antennenposition, gewandelt (Merkmale M4, M4a, M4b).
2.
Von diesem bekannten Stand der Technik unterscheidet sich der Gegenstand des Patentanspruchs 3 dadurch, dass das zur Übertragung der Steuersignale genutzte Dauersignal nicht lediglich ein niederfrequentes Trägersignal, sondern selbst sendebereichsbestimmend ist (Merkmal M1bRest).
3.
In Kenntnis der Lehre der Druckschrift NK5 stellt sich die Aufgabe, den Aufwand für die Signalisierung zu senken, in der Praxis von selbst.
Der Fachmann erkennt zur Lösung dieser Aufgabe ohne Weiteres, dass der Aufwand dadurch reduziert werden kann, dass kein besonderes Trägersignal zur Übertragung der Steuersignale bereitgestellt werden wird, sondern ein bereits vorhandenes Dauersignal zur Modulation mit der Impulsfolge genutzt wird. Anregungen hierfür erhält der Fachmann beispielsweise in der Druckschrift NK11.
Die Druckschrift NK11 offenbart eine Satelliten-Empfangsantenne, die auch eine lineare seitliche Auslenkung des Empfangskonverters oder des den Empfangskonverter tragenden Befestigungsarms gegenüber dem Antennenreflektor mittels eines Getriebemotors, vorzugsweise mit einer Spindel oder Zahnstange, gestattet (Seite 4, letzter Absatz bis Seite 5, 1. Absatz, Ansprüche 3, 5, 6, 8; Motorfeed-Antenne). Weiter vorzugsweise ist der Getriebemotor mittels einer Servosteuerung betätigbar, wobei die Stromversorgung des Getriebemotors z. B. durch Speisung über die Antennenzuleitung erfolgen kann (Seite 5, 4. Absatz, Anspruch 10).
Das Empfangsteil ist so programmiert, dass bei einem Wechsel des Empfangskanals gleichzeitig das notwendige elektrische Signal zur Steuerung des Getriebemotors ausgesendet wird (Merkmale M1, M1a, M1c, M4, M4a, M4b). Die Steuerleitungen können durch die Antennenleitung gebildet werden, über die neben den Empfangssignalen auch die Stromversorgung des Getriebemotors erfolgen kann (Merkmale M2, M2a, M2b). Die Ansteuerung des Getriebemotors kann unter Verwendung geeigneter Filter auch in kodierter Form erfolgen, beispielsweise über Hochfrequenzimpulszüge (Merkmal M3teilweise), die zwar eine Einschaltung und Umschaltung des Getriebemotors (Merkmale M4, M4a, M4b), jedoch keine Umschaltung der Polarisationsebene des Empfangshorns bewirken (Seite 7, 1. Absatz). Der Fachmann liest bei diesen Angaben quasi mit, dass das 14V/18V-Signal zur Polarisationseinstellung mit den Hochfrequenzimpulszüge moduliert wird. Insoweit wird beim Stand der Technik gemäß der Druckschrift NK11 ein "Dauersignal" zur Übertragung verwendet, das den Sendebereich des Empfangskonverters bestimmt bzw. zumindest mitbestimmt (Merkmal M1b).
Aufgrund dieser Anregung aus der Druckschrift NK11 wird der Fachmann die Lehre der Druckschrift NK5 bzw. deren Übersetzung NK7 abwandeln und anstelle des separaten Trägersignals ein vorhandenes, sendebereichsbestimmendes Dauersignal in Betracht ziehen. Er gelangt so, ohne erfinderisch tätig werden zu müssen, zum Gegenstand des Patentanspruchs 3 in der Fassung des Hauptantrags.
Folglich ist der Anspruchsgegenstand nicht patentfähig, § 21 Abs. 1 Nr. 1 PatG i. V.m. §§ 1, 4PatG.
IV.
Angesichts der unzulässigen Erweiterung gegenüber dem Inhalt der Anmeldung in der Fassung, in der sie bei der für die Einreichung der Anmeldung zuständigen Behörde ursprünglich eingereicht worden ist (vgl. unter II) und der fehlenden Patentfähigkeit (vgl. unter III) kommt es zwar auf den von der Klägerin weiter geltend gemachten Nichtigkeitsgrund der nicht hinreichend deutlichen und unvollständigen Offenbarung (§ 21 Abs. 1 Nr. 2 PatG) nicht mehr an.
Der Senat ist zwar zu der Überzeugung gelangt, dass der genannte Widerrufsgrund tatsächlich nicht vorliegt. Soweit die Klägerin nämlich geltend macht, dass bestimmte Begriffe im Anspruch unklar wären, trifft dies, wie die unter I vorgenommene Auslegung des Patentanspruchs 3 ergibt, nicht zu. Die Merkmale sind zwar weit gefasst, aber nicht unklar. Im Übrigen belegt die praktische Realisierung des erfindungsgemäßen Verfahrens durch einen in einem parallelen Verletzungsverfahren Verurteilten (OLG Karlsruhe, Urteil vom 25. Februar 2009, 6 U 182/06, von der Klägerin in Kopie vorgelegt als Anlage NK12) die Nacharbeitbarkeit, so dass auch die Offenbarung als hinreichend deutlich und vollständig anzusehen ist.
V.
Der Gegenstand des Patentanspruchs 3 kann auch in der Fassung des Hilfsantrags keinen Bestand haben.
1. Das unter II zum Hauptantrag Ausgeführte gilt auch für den Hilfsantrag, bei dem an die Stelle des nicht näher spezifizierten, den Sendebereich bestimmenden Dauersignals ein den Sendebereich bestimmendes 22-kHz-Dauersignal tritt.
Der Gegenstand des Anspruchs 3 gemäß Hilfsantrag ist zwar gegenüber dem Hauptantrag durch ein Merkmal eingeschränkt, das ursprünglich offenbart ist, geht aber gleichfalls inhaltlich über den Inhalt der Anmeldung in ihrer ursprünglich eingereichten Fassung hinaus.
Wie beim Patentanspruch 3 gemäß Hauptantrag umfasst nämlich der Patentanspruch gemäß Hilfsantrag ein Verfahren zur Übermittlung von Steuersignalen auch bei Multifeedund Multiswitch-Antennen, das in diesem Umfang ursprünglich nicht offenbart ist.
2. Der Gegenstand des Patentanspruchs 3 in der Fassung des Hilfsantrags beruht daneben auch nicht auf erfinderischer Tätigkeit, weil er für den Fachmann durch eine Kombination der aus den Druckschriften NK4/NK7 und NK11 nahegelegt ist, § 21 Abs. 1 Nr. 1 PatG.
Die Druckschrift NK11 vermittelt dem Fachmann zwar die konkrete Anregung, das 14V/18V-Signal zur Polarisationseinstellung gleichzeitig zur Übertragung von Steuersignalen für die Positionierung des Empfangskonverters zu verwenden. Der Fachmann wird aber nicht bei dieser Anregung verharren, sondern im Rahmen üblicher Alternativabwägungen auch sonst ihm bekannte Dauersignale, die neben dem 14V/18V-Signal zur Polarisationseinstellung bei Satellitenantennen verwendet werden, in Betracht ziehen.
Zu diesen ihm bekannten Dauersignalen gehört das 20-bzw. 22-kHz-Signal zur Einstellung des Empfangsfrequenzbereichs (Highband, Lowband, vgl. z. B. Druckschrift NK4, Fig. 4). Durch rein auf seinem Fachwissen beruhende Überlegungen gelangt der Fachmann somit zum Gegenstand des Patentanspruchs 3 in der Fassung des Hilfsantrags.
VI.
Als Unterlegene hat die Beklagte die Kosten des Rechtsstreits gemäß § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO zu tragen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 99 Abs. 1 PatG und § 709 ZPO.
Schuster Gutermuth Gottstein Dr. Müller Kleinschmidt Pü
BPatG:
Urteil v. 29.04.2009
Az: 5 Ni 23/09
Link zum Urteil:
https://www.admody.com/gerichtsentscheidung/cdcf2fc19088/BPatG_Urteil_vom_29-April-2009_Az_5-Ni-23-09