Oberlandesgericht München:
Beschluss vom 4. Juli 2011
Aktenzeichen: 6 W 496/11
(OLG München: Beschluss v. 04.07.2011, Az.: 6 W 496/11)
Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung
Das Oberlandesgericht München hat in seinem Beschluss vom 4. Juli 2011 (Aktenzeichen 6 W 496/11) die Beschwerde des Beteiligten zu 3 gegen den vorherigen Beschluss vom 24. November 2010 zurückgewiesen. Der Beteiligte zu 3 wird außerdem dazu verurteilt, die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Im konkreten Fall hatte die Beteiligte zu 1 beantragt, der Beteiligten zu 2 die Löschung von Daten zu untersagen, aus denen ersichtlich ist, welchen Kunden zu welchem Zeitpunkt bestimmte IP-Adressen zugeordnet waren. Gleichzeitig sollte die Beteiligte zu 2 verpflichtet werden, Auskunft darüber zu geben, welchen Personen zu bestimmten Zeitpunkten die jeweiligen IP-Adressen zugeordnet waren. Das Landgericht hatte diesem Antrag zunächst stattgegeben.
Der Beteiligte zu 3 legte jedoch gegen diesen Beschluss Beschwerde ein. Er argumentierte, dass die Art und Weise, wie die IP-Adresse durch die beteiligte Firma geloggt worden sei, verfassungswidrig sei. Er bezog sich dabei auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, dass die Speicherung und Weitergabe von Daten, die im Zusammenhang mit dynamisch vergebenen IP-Adressen stehen, nur bei Verdacht auf schwere Straftaten zulässig sei. Der Beteiligte zu 3 stellte klar, dass Urheberrechtsverletzungen nicht zu den schweren Straftaten gehören.
Das Landgericht wies die Beschwerde des Beteiligten zu 3 ab, was vom Oberlandesgericht in dem jetzt vorliegenden Beschluss bestätigt wurde. Das Gericht argumentiert, dass die Vorgehensweise der beteiligten Firma nicht verfassungswidrig sei und dass die Ermittlung von IP-Adressen an sich noch keinen Eingriff in die Rechte deren Inhaber darstelle. Die Identität der Nutzer könne erst durch die Zusammenführung weiterer Angaben ermittelt werden. Das Gericht stützt sich dabei auf eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs. Weiterhin stellt das Gericht fest, dass die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Vorratsdatenspeicherung hier nicht relevant ist.
Somit bleibt die Beschwerde des Beteiligten zu 3 ohne Erfolg und der Beschluss des Landgerichts bleibt rechtmäßig. Die Kosten des Verfahrens werden dem Beteiligten zu 3 auferlegt. Eine Rechtsbeschwerde ist nicht möglich, da die Voraussetzungen dafür nicht vorliegen.
Die Gerichtsentscheidung im Volltext:
OLG München: Beschluss v. 04.07.2011, Az: 6 W 496/11
Tenor
1. Die Beschwerde des Beteiligten zu 3 gegen den Beschluss vom 24.11.2010 wird zurückgewiesen.
2. Der Beteiligte zu 3 hat die Kosten des Beschwerdefahrens zu tragen.
Gründe
I.
Auf Antrag der Beteiligten zu 1 wurde der Beteiligten zu 2 mit Beschluss vom 24.11.2010 untersagt, bis zum Abschluss des Verfahrens die Daten zu löschen, aus denen sich ergibt, welchen Kunden unter welcher Anschrift die in der Anlage ASt 1 aufgeführten IP-Adressen zu den dort genannten Zeitpunkten zugeordnet waren. Weiter wurde der Beteiligten zu 2 gestattet, gegenüber der Beteiligten zu 1 darüber Auskunft zu erteilen, wem zu den in der Anlage benannten Zeitpunkten die jeweils in der Anlage benannten IP-Adressen zugeordnet waren, unter Angabe von Namen Und Anschriften.
Gegen diesen Beschluss legte der Beteiligte zu 3 mit Schreiben vom 8.2.2010, eingegangen am 10.2.2011, Beschwerde ein, nachdem er mit Schreiben der Beteiligten zu 1 vom 3.2.2011 über die Datensicherung und Gestattung der Auskunftserteilung informiert wurde. Er ist der Auffassung, dass die Art und Weise, wie durch die ... Ltd. mit Sitz in Karlsruhe offenbar diejenige IP-Adresse geloggt worden sei, welche von der Beteiligten zu 2 zu dem fraglichen Zeitpunkt angeblich dem Beteiligten zu 3 geordnet worden sei, verfassungswidrig sei. Das Bundesverfassungsgericht habe zwischenzeitlich festgelegt, dass eine Speicherung und Weitergabe von Daten, die zu einem bestimmten Zeitpunkt im Zusammenhang mit einer dynamisch vergebenen Adresse gestanden haben, nur beim Verdacht auf schwere Straftaten zulässig sei. Hierzu gehören Verstöße gegen das ,Urheberrecht keinesfalls. Diese Auffassung werde auch durch den Bundesdatenschutzbeauftragten gestützt ("Die bisherige Praxis, Tauschbörsenteilnehmer über den IP-Adressen ermitteln zu lassen, sst nach den Karlsruher Vorgaben nicht mehr zulässig.").
Das Landgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 8.2.2011 nicht abgeholfen.
II.
1. Die Beschwerde des Beteiligten zu 3 ist gemäß § 58 Abs. 1 FamFG statthaft. Sie ist auch zulässig. Auch wenn der Beteiligte zu 3 an dem Verfahren der Sicherungsanordnung und Gestattung zur Auskunftserteilung nicht beteiligt war, ist seine materielle Beschwer (§ 69 Abs. 1 FamFG) aus den vom OLG Köln in der Entscheidung vom 5.10.2010 (GRUR-RR 2011, 88 = ZUM 2011, 56) eingehend dargelegten Gründen, zu bejahen. Auch der Umstand, dass von der Beteiligte zu 2 in Bezug auf den Beteiligten zu 3 eine Auskunftserteilung bereits erfolgt ist, steht der Zulässigkeit nicht entgegen, da ein fortbestehendes Rechtsschutzinteresse im Sinne von § 62 FamFG zu bejahen ist, denn die - ohne anwaltliche Vertretung - eingelegte Beschwerde ist dahingehend zu verstehen, dass eine nur noch als nachträgliche Feststellung mögliche Entscheidung des (Beschwerde-)Gerichts erstrebt wird (OLG Köln aaO).
2. In der Sache bleibt die Beschwerde ohne Erfolg, da der Beschluss des Landgerichts rechtmäßig ergangen ist.
a. Soweit mit der Beschwerde geltend gemacht wird, die Vorgehensweise der ... Ltd. sei verfassungswidrig, kann dem nicht gefolgt werden. Wie sich aus dem Vorbringen in der Antragsschrift vom 23.11.2010 (Seite 4) ergibt, wurde dieses Unternehmen von der Beteiligte zu 1 mit der Oberwachung der Filesharing-Systeme im Hinblick auf die Filmwerke aus dem Rechtekatalog der Antragstellerin beauftragt. Hierbei ist dieses Unternehmen auch beauftragt, die IP-Adressen derjenigen Nutzer der Tallschbörsen, die die Filmaufnahmen des oben genannten Filmwerkes anderen Nutzern zum Download anbieten, sowie die Uhrzeiten zu sichern und zu dokumentieren. Dies erfolgt unter Einsatz einer Software, wie in der Antragsschrift ebenfalls ausgeführt ist. Inwiefern diese Tätigkeit als rechtswidrig und der Beteiligte zu 3 hierdurch in seinen Recht verletzt sein soll, ist weder dargetan noch sonst ersichtlich. Insbesondere ist mit der Ermittlung der IP-Adressen als solche noch kein Eingriff in die Rechte deren Inhaber verbunden, da die IP-Adressen der Beteiligten zu 1 (bzw. dem von ihr beauftragten Unternehmen) noch keinen Aufschluss über die Identität des jeweiligen Nutzers geben, diese vielmehr erst durch die Zusammenführung mit weiteren Angaben ermittelbar ist (vgl. BGH ZUM-RD 2011, 151 Tz. 28).
Dieser Ermittlung der Identität dient das in § 101 Abs. 9 UrhG geregelte Verfahren.
b. Soweit mit der Beschwerde geltend gemacht wird, das Landgericht hätte aufgrund der Entscheidung des BVerfG vom 10.3.2010 zur Vorratsdatenspeicherung (NJW 2010, 633) dem Antrag nicht entsprecnen dürfen, ist dem das Landgericht im Nichtabhilfebschluss zu Recht nicht gefolgt. Die Entscheidung des BVerfG bezieht sich, worauf das Landgericht bereits zutreffend hingewiesen hat, auf die gesetzliche Regelung in § 113a TKG, nicht auf das in § 101 Abs. 9 UrhG geregelte Verfahren. Die Gestattung zur Auskunftserteilung unterliegt dem Richtervorbehalt und trägt so dem Schutz der rechtlichen Interessen der noch unbekannten Anschlussinhaber Rechnung (OLG Köln aaO mwN).
c. Wie das Landgericht zu Recht ausgeführt hat, bezog sich die Sicherungsanordnung sowie die Gestattung zur Auskunftserteilung nicht auf anlasslos gespeicherte Daten bzw. Daten, die rechtswidrig von der Beteiligten zu 2 vorgehalten wurden (vgl. hierzu auch BGH ZUM-RD 2011, 151 Tz. 29 ff).
d. Dass das Landgericht die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 101 Abs. 9 UrhG verkannt hat, ist nicht ersichtlich. Die Beteiligte zu 1 hat die Inhaberschaft von ausschließlichen Rechten an dem Filmwerk "Ong Bak 3" für die Bundesrepublik Deutschland dargetan und belegt. Da zum Zeitpunkt der Antragstellung die Auswertung des Filmes noch nicht begonnen hatte, wurde auch zu Recht eine offensichtliche Rechtsverletzung im gewerblichen Ausmaß bejaht. Da dies auch von der Beschwerde nicht in Abrede gestellt wird, sind hierzu keine weiteren Ausführungen veranlasst.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 84 FamFG.
3. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor (§ 70 Abs. 2 FamFG). Dass die gesetzliche Regelung des § 101 Abs. 9 UrhG auch nach der Entscheidung. des BVerfG weiterhin als Grundlage für entsprechende Verfahren herangezogen werden kann, entspricht der allgemeinen Auffassung.
OLG München:
Beschluss v. 04.07.2011
Az: 6 W 496/11
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