Bundespatentgericht:
Beschluss vom 21. März 2001
Aktenzeichen: 7 W (pat) 11/00
(BPatG: Beschluss v. 21.03.2001, Az.: 7 W (pat) 11/00)
Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung
Das Bundespatentgericht hat in einer Entscheidung vom 21. März 2001 die Beschwerde der Anmelderin gegen den Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse F 15 B des Deutschen Patent- und Markenamts vom 21. Januar 2000 angenommen und das Patent erteilt. Die Patentinhaberin ist die Firma R... GmbH in W...straße in S..., und das Patent betrifft ein hydraulisches Stellglied, insbesondere für eine Scheinwerfer-Waschanlage. Die Anmeldung wurde am 29. Januar 1999 eingereicht und basiert auf mehreren Unterlagen, darunter Patentansprüche, eine Beschreibung und Zeichnungen.
Die Prüfungsstelle hatte zunächst mitgeteilt, dass der Stand der Technik einer Patenterteilung auf Basis der ursprünglichen Patentansprüche entgegensteht. Die Anmelderin widersprach dieser Ansicht in ihrer Erwiderung und hielt an den ursprünglichen Ansprüchen fest. Daraufhin wurde die Anmeldung von der Prüfungsstelle zurückgewiesen.
Die Anmelderin legte daraufhin Beschwerde ein und reichte am 15. Dezember 2000 neue Patentansprüche und neue Beschreibungsseiten ein. Sie beantragte die Erteilung des Patents auf der Grundlage dieser neuen Unterlagen sowie der ursprünglichen Unterlagen.
Das Bundespatentgericht entschied, dass die Patentansprüche zulässig sind und auf den ursprünglichen Ansprüchen basieren. Das hydraulische Stellglied gemäß dem Hauptanspruch ist neu im Vergleich zum Stand der Technik. Die deutschen Patentschrift und das deutsche Gebrauchsmuster, die von der Prüfungsstelle als Stand der Technik angeführt wurden, weisen zwar ähnliche Merkmale auf, aber kein volumenelastisches Element wie im Hauptanspruch angegeben.
Das Gericht kam zu dem Schluss, dass der Anmeldungsgegenstand patentfähig ist und eine erfinderische Tätigkeit darstellt. Der Stand der Technik, wie in den entgegengehaltenen Dokumenten beschrieben, gibt keine Anregung für das volumenelastische Element im Hauptanspruch. Die Anmeldung löst das Problem, dass bei Frost das Einfrieren der Hydraulikflüssigkeit zu einer Auslenkung des Stellgliedes führt, auf eine erfinderische Weise. Das Gericht befand, dass der geltende Patentanspruch und die darauf bezogenen weiteren Ansprüche gewährbar sind.
Dr. Schnegg, Eberhard, Dr. Pösenrup und Frühauf haben die Entscheidung mitgetragen.
Die Gerichtsentscheidung im Volltext:
BPatG: Beschluss v. 21.03.2001, Az: 7 W (pat) 11/00
Tenor
Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluß der Prüfungsstelle für Klasse F 15 B des Deutschen Patent- und Markenamts vom 21. Januar 2000 aufgehoben und das Patent erteilt.
Patentinhaberin: R... GmbH in W...straße in S..., Bezeichnung: Hydraulisches Stellglied, insbesondere für eine Scheinwerfer-Waschanlage Anmeldetag: 29. Januar 1999 Der Erteilung liegen folgende Unterlagen zugrunde:
Patentansprüche 1 bis 10, eingegangen am 15. Dezember 2000, Beschreibung Seiten 1, 5, 6, 6a, eingegangen am 15. Dezember 2000, Beschreibung Seiten 2 bis 4 und 7 bis 11, eingegangen am 29. Januar 1999, Zeichnungen 2 Blatt mit Figuren 1, 2, 3A, 3B, 3C, eingegangen am 29. Januar 1999.
Gründe
I Die Patentanmeldung 199 03 424.9-14 ist am 29. Januar 1999 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingegangen.
Mit Prüfungsbescheid vom 8. Juli 1999 hat die Prüfungsstelle für Klasse F 15 B des Deutschen Patent- und Markenamts der Anmelderin mitgeteilt, daß der Stand der Technik gemäß der deutschen Patentschrift 41 21 316 und des deutschen Gebrauchsmusters 85 00 855 einer Patenterteilung auf der Basis der ursprünglichen Patentansprüche entgegenstehe.
Die Anmelderin hat in ihrer Erwiderung auf diesen Bescheid der Ansicht der Prüfungsstelle widersprochen und die ursprünglichen Ansprüche weiterhin aufrechterhalten.
Mit Beschluß vom 21. Januar 2000 hat die Prüfungsstelle daraufhin die Anmeldung mit der Begründung zurückgewiesen, daß der Anmeldungsgegenstand nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.
Gegen diesen Beschluß hat die Anmelderin Beschwerde eingelegt. Sie hat beantragt, den Beschluß aufzuheben.
Mit ihrer am 15. Dezember 2000 eingegangenen Eingabe hat sie zuletzt neue Patentansprüche 1 bis 10 sowie neue Beschreibungsseiten 1, 5, 6, 6a eingereicht und sinngemäß beantragt, das Patent auf der Grundlage der vorlegten neuen, im übrigen den ursprünglichen Unterlagen, zu erteilen.
Der geltende Patentanspruch 1 hat folgenden Wortlaut:
"Hydraulisches Stellglied mit einem Zylinder und einem in dem Zylinder durch eine gefrierfähige Hydraulikflüssigkeit gegen die Kraft eines Rückstellelements aus einer Anschlagposition verschiebbaren Kolben, insbesondere für Scheinwerfer-Waschanlagen in Fahrzeugen, dadurch gekennzeichnet, daß es ein volumenelastisches Element umfaßt, das durch die Hydraulikflüssigkeit in der Verschiebungsrichtung des Kolbens komprimierbar ist und dessen Steife in einem nicht komprimierten Zustand geringer ist als die des Rückstellelements in der Anschlagposition."
Weitere Patentansprüche 2 bis 10 sind dem Patentanspruch 1 nachgeordnet und auf ihn rückbezogen.
Für weitere Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II Die frist- und formgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig und in der Sache auch gerechtfertigt.
Die geltenden Patentansprüche sind zulässig. Die Merkmale des Anspruchs 1 gehen auf die ursprünglichen Ansprüche 1 und 2 in Verbindung mit der Problembeschreibung, die Merkmale der Ansprüche 2 bis 10 auf die ursprünglichen Ansprüche 3 bis 11 zurück.
Der Anmeldungsgegenstand stellt eine patentfähige Erfindung iSd §§ 1 bis 5 PatG dar.
Das hydraulische Stellglied gemäß Patentanspruch 1 ist gegenüber dem aufgezeigten Stand der Technik neu.
Die deutsche Patentschrift 41 21 316 beschreibt ein hydraulisches Stellglied für eine Scheinwerfer-Waschanlage in Fahrzeugen (Fig 1 und zugehörige Beschreibungsteile), das in Übereinstimmung mit den Merkmalen des Oberbegriffs des Patentanspruchs 1 der vorliegenden Anmeldung einen Zylinder (3) mit einem darin mittels einer Hydraulikflüssigkeit (hier eine bekanntermaßen einfriergefährdete Waschflüssigkeit) gegen die Kraft einer Feder (14) aus einer Anschlagposition verschiebbaren Kolben (31, 32, 33) aufweist. Es umfaßt jedoch kein volumenelastisches Element gemäß den Merkmalen im kennzeichnenden Teil des Patentanspruchs 1.
In der Gebrauchsmusterschrift 85 00 855 ist ein hydraulisches Stellelement beschrieben, das einen Zylinder umfaßt, in dem ein mit einer Kolbenstange verbundener Kolben gleitbeweglich geführt ist, wobei der Kolben den mit einer Hydraulikflüssigkeit gefüllten Zylinderraum in zwei Räume unterteilt, die über einen im Kolben vorgesehenen, durch ein Ventil absperrbaren Kanal miteinander verbindbar sind. Zur Kompensation der temperaturbedingten Ausdehnung der Hydraulikflüssigkeit ist eine axialbewegliche Trennwand vorhanden, die gegen einen im Zylinder axial abgestützten elastischen Ausgleichskörper, der als volumenelastisches Element im Sinne der Anmeldung angesehen werden kann, anliegt. Es fehlt bei diesem Stellglied jedoch ein gegen die hydraulische Verstellung des Kolbens gerichtetes Rückstellelement, so daß auch die Steife des volumenelastischen Elements - anders als im kennzeichnenden Teil des Anspruchs 1 angegeben - nicht in Relation zur Steife des Rückstellelements vorgebbar ist.
Der Gegenstand des Patentanspruchs 1, dessen gewerbliche Anwendbarkeit nicht in Zweifel steht, ist auch das Ergebnis einer erfinderischen Tätigkeit.
Den Ausgangspunkt des Anmeldungsgegenstandes bildet der Stand der Technik nach der in der Beschreibungseinleitung gewürdigten deutschen Patentschrift 41 21 316 (S 5 Abs 2). Das daraus bekannte hydraulische Stellglied dient zum Positionieren eines Spritzdüsenhalters einer Scheinwerfer-Wascheinrichtung, wobei die Waschflüssigkeit gleichzeitig als Hydraulikfluid zur Verschiebung des Kolbens des Stellgliedes aus einer Ruhe- bzw Anschlagposition in eine Arbeitsstellung dient, in welcher bei Überschreitung eines Grenzdruckes Waschflüssigkeit an der Spritzdüse austritt. In der Ruheposition des Stellgliedes bleiben der Zylinder und die Zuleitungen zu ihm in der Regel mit Waschflüssigkeit gefüllt. Enthält nun die Waschflüssigkeit nicht genügend Frostschutzmittel, kann es vorkommen, daß diese bei Frost gefriert und infolge ihrer Volumenzunahme der Kolben aus seiner Ruheposition ein Stück weit herausgedrängt wird. Weil damit auch die Spritzdüse, die in Ruheposition häufig knapp hinter einer mit dem Stoßfänger bündig schließenden Klappe angeordnet ist, über die Stoßfängerbegrenzung hinaus verschoben wird, besteht die Gefahr, daß der Fahrer oder Werkstattpersonal versucht, die Klappe zuzudrücken, wobei die Klappe, die Spritzdüse oder das Stellglied beschädigt werden können (Beschreibung S 4, Z 16 bis S 5 Z 7). Hieraus leitet sich die dem Anmeldungsgegenstand zugrundeliegende Aufgabe her, ein hydraulisches Stellglied anzugeben, bei dem das Gefrieren der Hydraulikflüssigkeit im Stellglied nicht zu einer Auslenkung des Stellgliedes aus seiner Ruheposition führt.
Zur Lösung dieser Aufgabe ist gemäß dem kennzeichnenden Teil des Anspruches 1 im Kern vorgeschlagen, ein volumenelastisches Element im Flüssigkeitsraum des Zylinders anzuordnen, das in Verschieberichtung des Kolbens komprimierbar ist und dessen Steife im nicht komprimierten Zustand geringer ist als die des Rückstellelements in der Anschlag- bzw Ruheposition des Kolbens.
Der Fachmann - als hier zuständig wird ein Maschinenbauingenieur angesehen, der mit der Konstruktion von hydraulischen Stellgliedern befaßt ist - findet hierzu im aufgezeigten Stand der Technik weder Vorbild noch Anregung.
So läßt sich schon die anmeldungsgemäße Aufgabe den Entgegenhaltungen nicht entnehmen. Die gattungsbildende deutsche Patentschrift 41 31 316 befaßt sich mit der Funktionssicherung sowie mit der Miniaturisierung der Bauweise und der Verbesserung des äußeren Erscheinungsbildes der Scheinwerfer-Waschanlage (Sp 3 Zeilen 42 bis 49). Dem Gebrauchsmuster 85 00 855 liegt die Aufgabe zugrunde, ein Verstellelement mit hoher Funktionssicherheit zu schaffen, bei dem die durch Erwärmung auftretende Volumenausdehnung der Flüssigkeit ohne unzulässige Druckanstiege im Stellelement kompensiert ist (Beschreibung S 1 Abs 3). Soweit die Funktionssicherheit allgemein angesprochen ist, spielt der Gesichtspunkt der Vermeidung der Kolbenverstellung bei eingefrorenem Hydraulikfluid keine Rolle.
Selbst wenn der Fachmann das hydraulische Stellelement nach der Gebrauchsmusterschrift näher auf einen verwertbaren Lösungsgedanken untersucht, weil hierbei in Übereinstimmung mit dem Anmeldungsgegenstand eine Volumenausdehnung der Hydraulikflüssigkeit kompensiert werden soll, führt ihn das nicht ohne weiteres zu der Lehre des Patentanspruchs 1. Zwar schlägt das Gebrauchsmuster hierfür ebenfalls ein volumenelastisches Element vor. Dieses soll jedoch eine von der Temperatur des Hydraulikfluids abhängige Charakteristik aufweisen, hier eine mit steigender Temperatur verminderte Rückstellkraft hervorrufen, und damit einen Druckanstieg in den Zylinderräumen zu beiden Seiten des Kolbens entgegenwirken. Damit soll sichergestellt werden, daß das Reibungsverhalten der Kolbenteile nicht verändert wird und eine leichte Verstellbarkeit des Kolbens bei geöffneter Verbindung zwischen beiden Zylinderräumen in jedem Betriebszustand gewährleistet bleibt (S 4 Abs 2). In der konstruktiven Anordnung des elastischen Volumenelements im bekannten hydraulischen Stellelement hinter einer vom Hydraulikfluid beaufschlagbaren Trennwand würde im Falle des Einfrierens der Hydraulikflüssigkeit im übrigen die Verstellung des Kolbens - anders als beim Anmeldungsgegenstand - noch gefördert, weil der gegebenenfalls im sich ausdehnenden Eis festsitzende Kolben nur in Richtung des elastischen Volumenelementes bewegt werden könnte.
Nach alledem ist der Patentanspruch 1 gewährbar.
Das gleiche gilt auch für die Ansprüche 2 bis 10, die auf Merkmale gerichtet sind, durch die der Gegenstand des Anspruchs 1 weiter ausgebildet wird.
Dr. Schnegg Eberhard Dr. Pösentrup Frühauf Cl
BPatG:
Beschluss v. 21.03.2001
Az: 7 W (pat) 11/00
Link zum Urteil:
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