Landgericht Itzehoe:
Urteil vom 30. Oktober 2009
Aktenzeichen: 9 S 11/09
(LG Itzehoe: Urteil v. 30.10.2009, Az.: 9 S 11/09)
Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung
Das Landgericht Itzehoe hat in seinem Urteil vom 30. Oktober 2009 (Aktenzeichen 9 S 11/09) die Berufung des Beklagten gegen ein Urteil des Amtsgerichts Pinneberg zurückgewiesen. Der Beklagte wurde dazu verurteilt, die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
In dem Fall geht es um Schadensersatzansprüche, die die Klägerin gegen den Beklagten geltend macht. Die Klägerin ist ein Sachverständigenbüro, das im Auftrag eines Herrn ein Privatgutachten erstellt hat. Dieses Gutachten wurde an den Beklagten, einen Rechtsanwalt, geschickt. Die Klägerin hatte in dem Begleitschreiben ausdrücklich gebeten, das Gutachten nur zusammen mit der Sicherungsabtretung betreffend ihrer Kostenrechnung an die gegnerische Haftpflichtversicherung weiterzuleiten.
Es besteht Streit darüber, ob der Beklagte dieser Weisung entsprochen hat. Die Versicherung zahlte die Entschädigungssumme an den Beklagten aus, der sie ungekürzt an den Geschädigten weiterleitete. Aufgrund des Vermögensverfalls des Geschädigten erhielt die Klägerin jedoch keine Bezahlung für das Gutachten.
Das Amtsgericht hatte den Beklagten zur Zahlung eines Betrags in Höhe von 491,84 EUR nebst Zinsen verurteilt. Das Gericht entschied, dass zwar kein Treuhandverhältnis zwischen den Parteien bestand, da der Beklagte das klägerische Angebot nicht ausdrücklich angenommen hatte. Allerdings ergab sich ein Schadensersatzanspruch aus § 44 S. 2 BRAO, da der Beklagte seine Pflichten fahrlässig verletzt hatte.
Die Berufung wurde zugelassen, da es zur Schadensersatzpflicht gemäß § 44 S. 2 BRAO keine obergerichtliche Rechtsprechung gab. In der Berufung argumentierte der Beklagte, dass die Klägerin ihn nicht als Mandanten gewinnen, sondern als Ersatzschuldner gewinnen wollte.
Das Landgericht Itzehoe wies die Berufung des Beklagten jedoch zurück. Es bestätigte die erstinstanzliche Entscheidung und erklärte, dass allein der Hinweis der Klägerin in ihrem Anschreiben keinen Treuhandvertrag mit dem Beklagten begründete. Der Beklagte hätte den Auftrag ausdrücklich oder zumindest konkludent annehmen müssen. Da dies nicht geschah, gab es kein Treuhandverhältnis.
Dennoch hatte der Beklagte vorvertragliche Sorgfaltspflichten, die ihm auferlegten, sicherzustellen, dass das Gutachten nur unter Beachtung der Vorgaben weitergegeben wird. Er hatte die Sicherungsabtretung von Ansprächen gegen Schädiger und Versicherung an die Klägerin mitzuteilen. Diese Pflicht hat der Beklagte fahrlässig verletzt.
Das Gericht erklärte auch, dass gemäß § 44 BRAO der Beklagte ab dem Eingang des Auftragsschreibens der Klägerin eine schlüssige Annahme oder Ablehnung des Auftrags mitteilen musste. Da der Beklagte diese Pflicht verletzt hat, ist er gesetzlich zum Schadensersatz verpflichtet. Die Klägerin erlitt einen Schaden, da die Versicherung aufgrund der fehlenden Kenntnis von der Abtretung befreiend an den Geschädigten leisten konnte und die Klägerin dadurch ihren Vergütungsanspruch nicht mehr durchsetzen kann.
Eine Revision ist nicht zuzulassen, da die Rechtsfragen durch höchst- bzw. obergerichtliche Entscheidungen geklärt sind.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Beklagte.
Die Gerichtsentscheidung im Volltext:
LG Itzehoe: Urteil v. 30.10.2009, Az: 9 S 11/09
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Pinneberg vom 06.01.2009 - 65 C 234/08 - wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I.
Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Schadensersatz wegen behaupteter Verletzung anwaltlicher Pflichten in Anspruch.
Die Klägerin € ein Sachverständigenbüro € fertigte im Auftrag eines Herrn ... ein Privatgutachten zur Vorlage beim .... ... hatte der Klägerin am 02.03.2006 seinen Schadensersatzanspruch gegen die Versicherung zur Sicherheit abgetreten (Bl. 6). Die Klägerin übersandte das Gutachten an den Beklagten als den vom Geschädigten ... beauftragten Rechtsanwalt. In ihrem Anschreiben vom 07.03.2006 schrieb sie (Bl. 8):
€Wir bitten, das Gutachten nur zusammen mit der Sicherungsabtretung betreffend unserer Kostenrechnung an die gegnerische Haftpflichtversicherung weiterzuleiten. Sollten Sie hierzu nicht bereit sein, bitten wir um Rücksendung des Gutachtens. Wir sehen diese Bitte als Treuhandauftrag an.€
Zwischen den Parteien ist streitig, ob der Beklagte dieser Weisung entsprochen hat. Die Versicherung zahlte die gesamte Entschädigung an den Beklagten aus, der sie in voller Höhe an den Geschädigten ... weiterleitete. Da ... in Vermögensverfall geriet, hat die Klägerin ihre Gutachtertätigkeit nicht beglichen erhalten.
Das Amtsgericht hat den Beklagten zur Zahlung in Höhe von 491,84 EUR nebst gesetzlicher Zinsen seit dem 3. Februar 2007 verurteilt, weil zwar zwischen den Parteien kein Treuhandauftrag geschlossen worden sei, denn der Beklagte habe sich zu dem klägerischen Angebot nicht erklärt; sein Schweigen stelle keine konkludente Vertragsannahme dar. Ein Schadensersatzanspruch ergebe sich jedoch aus § 44 S. 2 BRAO. Danach sei ein Rechtsanwalt verpflichtet, unverzüglich mitzuteilen, falls er einen Auftrag nicht annehmen wolle. Komme er dieser Pflicht nicht nach und daraus erwachse ein Schaden, sei der Anwalt ersatzpflichtig. Hier sei ein Schaden dadurch ausgelöst worden, dass der ... von der Forderungsabtretung keine Kenntnis erlangt und deshalb die Auszahlung ungekürzt an den Geschädigten vorgenommen habe. Das habe der Beklagte zu verantworten.
Die Berufung werde zugelassen, weil obergerichtliche Rechtsprechung zur Schadensersatzpflicht gemäß § 44 S. 2 BRAO nicht ersichtlich sei.
Mit seiner Berufung verfolgt der Beklagte sein erstinstanzliches Ziel auf Klagabweisung weiter: Die Klägerin habe mit ihm kein Mandatsverhältnis begründen, sondern ihn vielmehr als Ersatzschuldner gewinnen wollen. Die Klägerin hätte darauf hinweisen müssen, dass sie zu einer Gutachtenerstattung nur bereit gewesen sei, falls er ihr ebenfalls hafte. Es handele sich um eine erzwungene Geschäftsführung ohne Auftrag, die für ihn als Rechtsanwalt eine Zumutung darstelle.
Der Beklagte beantragt,
unter Änderung des am 06. 01. 2009 verkündeten Urteils des Amtsgerichts Pinneberg die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil.
II.
Die zulässige Berufung des Beklagten bleibt in der Sache ohne Erfolg. Die erstinstanzliche Entscheidung des Amtsgerichts ist nicht zu beanstanden.
Zutreffend hat das Amtsgericht durch den bloßen Zugang eines Auftrages in der Kanzlei des beklagten Anwaltes oder auf dessen Schreibtisch den Anwalt noch nicht zum Vertreter gemacht (BGH, Beschl. v. 28. 11. 1962 € VIII ZB 34/62 - ). Ein Treuhandverhältnis zur Klägerin ist nicht allein durch den Hinweis der Klägerin in ihrem Anschreiben an den Beklagten zustande gekommen, unter welchen Voraussetzungen der Beklagte über das übergesandte Gutachten verfügen dürfe.
Es hätte einer ausdrücklichen oder zumindest konkludenten Annahme dieses Antrages bedurft. Daran fehlt es.
Nimmt ein Rechtsanwalt gleich aus welchem Grund einen Verwahrungsvertrag nicht an, treffen ihn aber gleichwohl vorvertragliche Sorgfaltspflichten, die ihm auch die Pflicht auferlegen, dafür Sorge zu tragen, dass die Weitergabe des Gutachtens nur unter Beachtung der ihm gesetzten Vorgaben erfolgt, also unter Mitteilung der Sicherungsabtretung von Ansprüchen gegen Schädiger und Versicherung an die Klägerin. Diese Pflicht hat der Beklagte fahrlässig verletzt ( so erkannt für Notar durch: OLG Frankfurt, Urt. v. 18. 06. 2008 € 4 U 229/07 - ). Überdies traf den beklagten Rechtsanwalt die Pflicht kraft Gesetzes gem. § 44 BRAO, sich ab Eingang des Auftragsschreibens der Klägerin über Annahme oder Ablehnung des Auftrages schlüssig zu werden und dies im Falle einer Ablehnung auch der Klägerin als Auftraggeberin mitzuteilen. Das Anschreiben der Klägerin war für den Beklagten erkennbar ein entsprechendes Auftragsschreiben, da es den Hinweis auf einen Treuhandauftrag und genaue Hinweise auf die gewünschte Handhabung gab. Hätte der Beklagte gegenüber der Klägerin abgelehnt, hätte diese den ... direkt über die Abtretung unterrichten und damit die Rechtsfolgen des § 407 Abs. 1 BGB auslösen können. Verletzt der Anwalt aber diese Pflicht, so ist er kraft Gesetzes ersatzpflichtig. Die Vorschrift des § 44 BRAO will den Auftraggeber schützen und vor Schaden bewahren (BGH, Urt. v. 19. 04. 1967 € VIII ZR 46/65 - ). Dieser Schaden ist für die Klägerin dadurch eingetreten, dass die Versicherung mangels Kenntnis von der Abtretung an den früheren Gläubiger mit befreiender Wirkung hat leisten können (§ 407 Abs. 1 BGB) und dass die Klägerin ihren Vergütungsanspruch gegenüber dem Geschädigten infolge Vermögensverfalls nicht mehr wird durchsetzen können.
Einer Zulassung der Revision bedarf es nicht, weil die streitgegenständlichen Rechtsfragen durch die genannten Entscheidungen höchst- bzw. obergerichtlich geklärt sind.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.
LG Itzehoe:
Urteil v. 30.10.2009
Az: 9 S 11/09
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