Bundespatentgericht:
Beschluss vom 20. Januar 2010
Aktenzeichen: 19 W (pat) 26/09

(BPatG: Beschluss v. 20.01.2010, Az.: 19 W (pat) 26/09)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Das Bundespatentgericht hat entschieden, dass der Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse H01H des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 18. Oktober 2004 aufgehoben wird. Stattdessen wird das nachgesuchte Patent mit der Bezeichnung "Leitungstrenner" und den entsprechenden Unterlagen erteilt. Diese umfassen 31 Patentansprüche, eine angepasste Beschreibung, Zeichnungen sowie handschriftliche Einfügungen in die Beschreibung. Der Patentanspruch 1 beschreibt eine Vorrichtung zum Trennen von elektrischen Starkstromkreisen mit einem freifliegenden Werkzeug, das entlang einer Beschleunigungsstrecke Geschwindigkeit und Impuls aufnimmt und dann auf den zu trennenden Leiter trifft. Dabei setzt das Werkzeug seine kinetische Energie frei und verwendet den Gasdruck zur Trennung der Leiterteile. In eine Brennkammer wird eine aus Thermit bestehende Heizmischung eingebracht, die den Gasdruck erzeugt und die Temperatur in der Brennkammer senkt.

Das Gericht hält fest, dass die geltenden Patentansprüche zulässig sind und in den ursprünglichen Anmeldunterlagen offenbart wurden. Die Ansprüche sind klar und haben ihren Gegenstand jeweils so definiert, dass sie neu und erfinderisch sind. Der Stand der Technik zeigt keine Vorrichtung, bei der der Gasdruck mittels einer aus einem Thermit bestehenden Heizmischung erzeugt wird. Die Frage, wie schnell der Strom nach dem Trennen eines Leiters abklingt, wird in den genannten Druckschriften nicht behandelt. Es gibt keinen Hinweis im Stand der Technik, Thermit als Heizmischung zur Trennung von Leitern in einer Sprengvorrichtung zu verwenden. Die geltenden Unteransprüche entsprechen den Hauptansprüchen und die Beschreibung wurde angepasst.

Der Beschluss der Prüfungsstelle wird daher aufgehoben und das Patent wird mit den geltenden Bedingungen erteilt.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

BPatG: Beschluss v. 20.01.2010, Az: 19 W (pat) 26/09


Tenor

Der Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse H01H des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 18. Oktober 2004 wird aufgehoben und das nachgesuchte Patent mit der Bezeichnung: "Leitungstrenner" und den folgenden Unterlagen erteilt:

- Patentansprüche 1 bis 31 mit - angepasster Beschreibung, Blatt 1 bis 9, 16 und 17, sowie ein Blatt handschriftliche Einfügungen in die Beschreibung, sowie - 1 Blatt Zeichnungen, Figuren 6a bis 6d, wie überreicht in der mündlichen Verhandlung,

- 4 Blatt Zeichnungen, Figuren 1 bis 5h, wie Offenlegungsschrift.

Gründe

I.

Das Deutsche Patent- und Markenamt - Prüfungsstelle für Klasse H01H - hat die am 29. Juli 1977 eingereichte Anmeldung aus den Gründen des bis zum Ablauf der Äußerungsfrist unbeantworteten Bescheides vom 6. März 2004 durch Beschluss vom 18. Oktober 2004 zurückgewiesen.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Anmelderin vom 29. November 2004, eingegangen per FAX am gleichen Tag.

Sie hat in der mündlichen Verhandlung neue Patentansprüche vorgelegt und beantragt, den angefochtenen Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse H01H des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 18. Oktober 2004 aufzuheben und das nachgesuchte Patent mit der Bezeichnung: "Leitungstrenner" und den folgenden Unterlagen zu erteilen:

- Patentansprüche 1 bis 31 mit - angepasster Beschreibung, Blatt 1 bis 9, 16 und 17, sowie ein Blatt handschriftliche Einfügungen in die Beschreibung, sowie - 1 Blatt Zeichnungen, Figuren 6a bis 6d, wie überreicht in der mündlichen Verhandlung,

- 4 Blatt Zeichnungen, Figuren 1 bis 5h, wie Offenlegungsschrift.

Der mit einer eingefügten Merkmalsgliederung versehene Patentanspruch 1 lautet:

"1. Vorrichtung zum definierten und schnellen Trennen von elektrischen Starkstromkreisen mit 2. einem freifliegenden, durch heiße Gase angetriebenen Werkzeug, das 2.1 entlang einer Beschleunigungsstrecke Geschwindigkeit und damit Impuls aufnimmt, 2.2 dann auf den zu trennenden stromdurchflossenen Leiter auftrifft und 2.3 dabei dort 2.3.1 sowohl seine inzwischen aufgesammelte kinetische Energie freisetzt, 2.3.2 als auch in herkömmlicher Weise die aus dem Produkt von Querschnittsfläche des Werkzeugs mal darauf einwirkendem Gasdruck zur Trennung und zum Voneinanderentfernen der geschnittenen Leiterteile verwendet, dadurch gekennzeichnet, 2.3.3 dass das Werkzeug aus einem elektrischen Nichtleiter besteht, und 3.

dass in eine Brennkammer eine aus einem Thermit bestehende Heizmischung eingebracht wird, die durch Aufheizung von ebenfalls eingebrachten inerten odere teilinerten Stützstoffen den Gasdruck erzeugt und die Stützstoffe gleichzeitig die Temperatur in der Brennkammer senken und den schiebenden Charakter der heißen Gase verstärken."

Der dem Patentanspruch 1 nebengeordnete und diesem entsprechend gegliederte Patentanspruch 2 lautet mit Korrektur des offensichtlich fehlerhaften Satzzeichens (Punkt) am Ende von Merkmal 2.3.3 in ein Komma:

"1. Vorrichtung zum definierten und schnellen Trennen von elektrischen Starkstromkreisen mit 2. einem freifliegenden, durch heiße Gase angetriebenen Werkzeug, das 2.1 entlang einer Beschleunigungsstrecke Geschwindigkeit und damit Impuls aufnimmt, 2.2 dann auf den zu trennenden stromdurchflossenen Leiter auftrifft und 2.3 dabei dort 2.3.1 sowohl seine inzwischen aufgesammelte kinetische Energie freisetzt, 2.3.2 als auch in herkömmlicher Weise die aus dem Produkt von Querschnittsfläche des Werkzeugs mal darauf einwirkendem Gasdruck zur Trennung und zum Voneinanderentfernen der geschnittenen Leiterteile verwendet, dadurch gekennzeichnet, 2.3.3 dass das Werkzeug vornehmlich aus einem relativ zum Leitermaterial schlechten elektrischen Leiter besteht, so dassder Stromfluß nicht vollständig unterbrochen wird, sondern mit relativ großem Übergangswiderstand gering aufrechterhalten wird, 3.

dass in eine Brennkammer eine aus einem Thermit bestehende Heizmischung eingebracht wird, die durch Aufheizung von ebenfalls eingebrachten inerten oder teilinerten Stützstoffen den Gasdruck erzeugt und die Stützstoffe gleichzeitig die Temperatur in der Brennkammer senken und den schiebenden Charakter der heißen Gase verstärken."

Die Anmelderin trägt vor, dass durch die Verwendung einer aus einem Thermit bestehenden Heizmischung, die durch Aufheizung von inerten oder teilinerten Stützstoffen den Gasdruck erzeugt, die anspruchsgemäße Vorrichtung insoweit nicht dem Sprengstoffgesetz und den zugehörigen Vorschriften unterliege, und deshalb in einer normalen Fabrikhalle gefertigt werden könne. Je nach der verwendeten Zündeinrichtung gelte dies auch für den Zünder, der aber als Kartusche auch nachträglich leicht in einer hierfür zugelassenen Einrichtung montierbar sei, falls er Explosivstoffe beinhalte.

Da als "Thermite" bezeichnete Materialmischungen weder wehrtechnisch noch zivil zur Beschleunigung von Bauteilen oder Massen eingesetzt würden, hätte der Fachmann auch keinen Anlass oder Anregung gehabt, zur Erzeugung des Gasdrucks für ein freifliegendes Werkzeug einer elektrischen Trennvorrichtung der im Oberbegriff der Ansprüche 1 bzw. 2 angegebenen Art ein Thermit anstelle der bisher gebräuchlichen Explosivstoffe als Heizmischung zur Erzeugung des Gasdrucks vorzusehen.

Die Art der Zündung des Thermits könne auf unterschiedliche Weise erfolgen, wenn nur die erforderliche hohe Zündtemperatur erreicht werde; die Zündung mit einem stromdurchflossenen Draht oder einer stromdurchflossenen Mittelelektrode, die ohne Explosivstoffe auskomme, sei fertigungstechnisch einfacher, aber nicht die einzige mögliche Zündart.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

Die statthafte und auch sonst zulässige Beschwerde hat im Umfang des geänderten Patentbegehrens Erfolg.

Als zuständiger Fachmann ist hier nach Auffassung des Senats ein Dipl.-Ing. (Univ.) der Elektrotechnik mit Berufserfahrungen in der Entwicklung und Anwendung von pyrotechnischen elektrischen Schaltgeräten anzusehen.

Nach Kenntnis des Senats ist diesem Fachmann die Bezeichnung "Thermit" sowohl als eingetragene Marke für eine Schweissmasse bekannt, mit der seit langem Schienen nach dem Verlegen miteinander verschweißt werden, als auch als allgemeine Bezeichnung für Materialmischungen aus Metallen mit bestimmten Metalloxiden, welche bei hohen Temperaturen zünden, und bei der Reaktion miteinander große Wärmemengen bei hohen Temperaturen freisetzen.

Da schon die Anmeldungsunterlagen den Begriff "Thermit" lediglich in dem genannten Sinne als allgemeine Sachangabe für eine solche Materialmischung verwenden, die - wie die Anmelderin in der mündlichen Verhandlung zur Überzeugung des Senats vorgetragen hat - von vielen Firmen in unterschiedlichen Zusammensetzungen gemischt werden, und für die die Sachbezeichnung "Thermite gebräuchlich ist, bestehen aus Sicht des Senats keine Bedenken hinsichtlich der Klarheit der Ansprüche (vgl. Schulte, PatG, 8. Aufl., § 34 Rdn. 144).

1. Die geltenden Patentansprüche sind zulässig und ihre Merkmale in den ursprünglichen Anmeldunterlagen als zur Erfindung gehörend offenbart.

1.1 Die einander nebengeordneten Ansprüche 1 und 2 unterscheiden sich lediglich in ihrem jeweiligen Merkmal 2.3.3.

Da eine Ausführungsform der Vorrichtung, bei der das Werkzeug nach der Auslösung nicht zwischen den Leiterenden verbleibt, wie Figur 1b zeigt, vom Fachmann aus den ursprünglichen Unterlagen nicht entnommen wird, kommt der Angabe "Trennen von elektrischen Starkstromkreisen" hier nicht die übliche Bedeutung zu, dass die voneinander entfernten Leiterenden durch eine Luftstrecke als Isolierzwischenraum voneinander getrennt sind.

Ursprünglich offenbart sind vielmehr die beiden Möglichkeiten, dass zwischen den Leiterenden ein Werkzeug aus einem Nichtleiter verbleibt oder ein vornehmlich aus einem relativ zum Leitermaterial schlechten Leiter bestehendes Werkzeug verbleibt (vgl. Fig. 1b).

Deshalb war das jeweilige Merkmal 2.3.3 als erfindungswesentlich in die nebengeordneten Ansprüche aufzunehmen.

1.1.1 Die Merkmale 1. bis 2.3.2 der Ansprüche 1 und 2 entsprechen inhaltlich dem ursprünglichen Anspruch 1.

Merkmal 2.3.3 entnimmt der Fachmann dem ursprünglichen Anspruch 4 (i. V. m. Bl. 6 Abs. 2 und 3 und Bl. 2 Abs 2 der u. U) als eine von zwei in den Anmeldeunterlagen offenbarten Möglichkeiten zum schnellen Trennen von Stromkreisen bei gleichzeitig nicht zu schnellem Unterbrechen des Stromflusses (Bl. 2 Abs 2 u. U).

Bei dieser ersten Möglichkeit entsteht zunächst ein Plasmabogen beim galvanischen Auftrennen des Leiters; nach dessen Erlöschen bleiben die Leiterenden durch das nichtleitende Werkzeug getrennt(vgl. Fig. 1b).

Das jeweilige Merkmal 3 entspricht inhaltlich der Zusammenfassung der nichtfakultativen Merkmale der ursprünglichen Ansprüche 9 und 10; dabei waren die Worte "die Stützstoffe" vor dem Wort "gleichzeitig" einzufügen, weil einerseits die Heizmischung nur noch im Singular zu verwenden ist und andererseits klarzustellen war, dass nicht der Heizmischung sondern den Stützstoffen die darauf folgend angegebenen Wirkungen zuzuordnen sind.

1.1.2 Das Merkmal 2.3.3 des geltenden Anspruchs 2 ist wortgleich mit den nichtfakultativen Merkmalen des ursprünglichen Anspruchs 5.

Dieses Merkmal beschreibt die zweite ursprünglich offenbarte Möglichkeit einer schnellen Leitertrennung bei nicht zu schneller Stromfluß-Unterbrechung, nämlich durch Einfügung eines hochohmigen Widerstandes in den elektrischen Starkstromkreis derart, dass der Stromfluß gering aufrechterhalten wird.

Hierzu muss das Werkzeug entweder vollständig aus schlechter leitendem Material bestehen oder aber zumindest an den Berührungsstellen mit den getrennten Leiterenden sowie in einem diese Berührungsstellen verbindenden Bereich aus diesem Material bestehen. Demgegenüber können andere Bereiche des Werkzeugs durchaus isolierend oder gut leitend sein (z. B. isolierender Kern in einer Hülse aus schlecht leitendem Material).

Diese zweite Alternative ist deshalb mit der - in anderen Zusammenhängen möglicherweise unklaren -Angabe "vornehmlich" klar beschrieben (vgl. Schulte, PatG, 8. Auflage, PatG § 34 Rdn. 128ff).

Ob eine Streichung der Angabe "vornehmlich" mangels Offenbarung eines vollständig aus einem schlechten elektrischen Leiter bestehenden Werkzeugs zu einer unzulässigen Erweiterung führen würde, kann deshalb dahingestellt bleiben.

1.2.Angaben zu den Zündmitteln für die Heizmischung brauchten nicht in die Ansprüche 1 bzw. 2 aufgenommen zu werden. Zur Überzeugung des Senats hat die Anmelderin ausgeführt, dass es für die vorteilhafte Erzeugung des Gasdrucks mittels Thermit gemäß jeweiligem Merkmal 3 ohne Bedeutung ist, wie dieses gezündet wird. Dies sei eine "nachgeschaltete Eigenschaft", für die es verschiedene, in den Unteransprüchen angegebene Lösungen gebe. Es käme jeweils nur darauf an, die Zündtemperatur der Thermite zu erreichen.

Der Senat stimmt ferner dem Vortrag der Anmelderin zu, dass der Fachmann im Merkmal 3 mitliest, dass der Thermit gezündet wird, und nicht die Stützstoffe. Deshalb konnte in den Ansprüchen 1 und 2 auf Merkmale zur Zündung verzichtet werden.

1.3 Die geltenden Unteransprüche 3 bis 15, 18 bis 24 und 29 bis 31 entsprechen jeweiligen ursprünglichen Ansprüchen, welche lediglich hinsichtlich ihrer Numerierung und Rückbeziehung sowie inhaltlich ggf. verbliebener Merkmale an die Ansprüche 1 bzw. 2 angepasst sind.

Da die beim "Glühen" eines Drahtes auftretenden Temperaturen deutlich unterhalb der Zündtemperatur von üblichen Thermiten liegen, waren in die geltenden Ansprüche 16 und 17 auch die zur Erzeugung eines (Lichtbogen)Plasmas gehörenden Merkmale aus dem ursprünglichen Anspruch 43 aufzunehmen.

Der lediglich in den ursprünglichen Ansprüchen 33 und 34 verwendete Begriff "Treibladung" war im geltenden Anspruch 25 zu ersetzen durch die zugehörigen - in den Ansprüchen 1 und 2 genannten und die Treibladung bildenden - Materialien.

Da der Fachmann den ursprünglichen Unterlagen keine "Treibladung" entnimmt, die aus Thermit-Formkörpern einerseits und aus Stützstoff-Formkörpern andererseits besteht, war in den geltenden Ansprüchen 26 bis 28 anzugeben, dass Thermit mit den Stützstoffen Formkörper bilden.

1.4 Abweichend vom üblichen Sprachgebrauch kommt der Angabe "freifliegend" (Merkmal 2) in den ursprünglichen und den geltenden Unterlagen hier lediglich die Bedeutung zu, dass die Expansion der "hinter" dem Werkzeug entstehenden heißen Gase zu einer Vorwärtsbewegung des Werkzeugs in Richtung auf den zu trennenden Leiter führt und das Auftreffen auf diesen Leiter zu einer abrupten Abbremsung führt (Merkmal 2.3.1), wobei das Werkzeug durch die Wände der Brennkammer (15) geführt ist (Fig. 1a und 1b).

Da aber der Gasdruck gemäß Merkmal 2.3.2 beim Auftreffen des Werkzeugs noch einwirkt, befindet sich das Werkzeug nach der Auslösung in der in der Figur 1b befindlichen Lage.

2.

Die Gegenstände gemäß den Patentansprüchen 1 und 2 sind gegenüber dem im Verfahren genannten Stand der Technik neu, und ergeben sich aus diesem für den Fachmann auch nicht in naheliegender Weise (§§ 3 und 4 PatG).

2.1 Keine der im Verfahren genannten Druckschriften zeigt eine elektrische Trennvorrichtung, bei der der auf ein Werkzeug einwirkende Gasdruck mittels einer aus einem Thermit bestehenden Heizmischung erzeugt wird, wie Merkmal 3 der nebengeordneten Ansprüche angibt.

2.2 In der deutschen Patentschrift 44 38 157 C1 ist eine Pyroelektrische Trennvorrichtung beschrieben, d. h. eine 1.

Vorrichtung zum definierten und schnellen Trennen von elektrischen Starkstromkreisen (Sp. 1 Z 3 bis 11) mit 2.

einem freifliegenden, durch heiße Gase angetriebenen Werkzeug 5 (Fig. 1 und Anspr. 1), das 2.1 entlang einer Beschleunigungsstrecke Geschwindigkeit und damit Impuls aufnimmt (Sp. 1 Z. 27 bis 34), 2.2 dann auf den zu trennenden stromdurchflossenen Leiter auftrifft (Anspr. 1) und 2.3 dabei dort 2.3.1 sowohl seine inzwischen aufgesammelte kinetische Energie freisetzt (Anspr. 1), 2.3.2 als auch in herkömmlicher Weise die aus dem Produkt von Querschnittsfläche des Werkzeugs mal darauf einwirkendem Gasdruck zur Trennung und zum Voneinanderentfernen der geschnittenen Leiterteile verwendet (Sp. 2 Z. 33 bis 36).

Für das Werkzeug sind keine Materialangaben vorhanden. Der Gasdruck wird durch Zündung einer Treibladung erzeugt, die beispielsweise aus Nitrozellulosepulver oder aus zweibasigem Pulver bestehen kann. Im Zusammenhang mit der Bezeichnung "pyrotechnisch" sind dem Fachmann dort ausschließlich den Sprengstoffen zugehörige Materialien als Treibladung offenbart.

Die Merkmale 2.3.3 und 3 der geltenden Ansprüche 1 und 2 sind demnach aus der deutschen Patentschrift 44 38 157 C1 nicht bekannt.

Auch die Frage, wie schnell ein durch den dortigen Leiter 9 fließender Strom nach dessen Durchtrennen abklingt, ist dort nicht angesprochen.

Ausgehend von der aus dieser Druckschrift bekannten Vorrichtung mag sich dem Fachmann das Problem, den Stromfluß im Leiter 9 nicht so schnell zu unterbrechen, dass das durch den beim Trennen noch im Stromkreis fließenden Strom erzeugte magnetische Feld nicht so schnell zusammenfällt, so dass im Ergebnis kleinere Gegenspannungen induziert werden (vgl. Bl. 2 Abs. 2 der geltenden Beschreibung), zwar in der Praxis von selbst stellen, wenn aus Beeinflussungsgründen Schaltüberspannungen vermieden werden sollen.

Zur Lösung dieser Aufgabe mag der Fachmann auch daran denken, das Werkzeug aus einem Nichtleiter anzufertigen, wie es aus dem deutschen Gebrauchsmuster 297 00 594 U1 bei einem elektrischen Sicherheitsschalter bekannt ist. Denn ein solches Bauteil kann zwischen den aufgetrennten Leiterenden verbleiben, ohne den beim Trennen des Stromkreises entstehenden Schaltlichtbogen zu sehr in die Länge zu ziehen, und dessen Spannung damit zu stark zu erhöhen.

Jedoch fehlt ihm schon jeder Anlass, von den dort vorgesehenen Sprengstoffen, die bekanntermaßen rasch eine große Gasmenge entwickeln, abzugehen, und dann auch noch an Thermit zu denken, das zwar eine große Hitze entwickelt aber keine vergleichbaren Gasmengen, wie die Anmelderin in der mündlichen Verhandlung glaubhaft dargelegt hat.

Mit einer pyroelektrischen Treibladung 10 (S. 6 Abs. 1 der DE 297 00 594 U1), mit einem pyrotechnischen Treibmittel , dessen Explosion auslösbar ist (Sp. 1 Z. 53 bis 56 und Sp. 2 Z. 41 bis 42 der DE 44 13 847 A1) oder mit einem Zündsatz, der den Trennkörper explosionsartig durch die Hauptstrombahn schießt (S. 3 Z. 23 bis 25 der DE 296 14 976 U1) entnimmt der Fachmann auch den jeweils genannten weiteren Druckschriften aus dem Prüfungsverfahren nichts anderes als die Verwendung von Explosivstoffen zur Gasdruckerzeugung.

Bei dem aus der deutschen Offenlegungsschrift 44 43 680 A1 bekannte Hybrid-Gasgenerator für Sicherheitssysteme in Kraftfahrzeugen (Zusammenfassung) mischt sich aus einem Behälter 1 nach dem Brechen einer Berstmembran ausströmendes Druckgas mit Treibgas, das mit einer - einem elektrischen Anzünder für pyrotechnische Gasgeneratoren entsprechenden - Anzündeinheit 5 erzeugt wird (Sp. 3 Z. 8 bis 11 und Z. 45 bis 53). Dass dabei Thermite verwendet werden, ist weder angegeben, noch wird dem Fachmann ein Hinweis auf derartige Materialien gegeben.

Bei gaserzeugenden Treibstoffen, wie sie z. B. im Zusammenhang mit Airbags benötigt werden, ist die Verwendung von Zusatzstoffen aus der WO 95/04015 A1 bekannt, die die Verbrennung beeinflussen (vgl. S. 2 Abs. 1, S. 6 Abs. 4 oder S. 9 Abs. 1). Thermite als Heizmischungen sind dort aber ebenfalls nicht erwähnt.

Die entgegengehaltenen Seiten 574-577 und 584-585 aus: Waffentechnisches Taschenbuch, Hrsg. Rheinmetall GmbH, Düsseldorf, 4. Auflage 1997 betreffen lediglich die Zündung von Treibladungen, offenbaren aber keine Thermite im Zusammenhang mit denselben.

Dem Fachmann fehlt somit im Stand der Technik jeder Hinweis darauf, bei einer gattungsgemäßen Sprengvorrichtung anstelle von Explosivstoffen zur Gasdruckerzeugung eine aus einem Thermit bestehende Heizmischung in Verbindung von inerten oder teilinerten Stützstoffen vorzusehen, deren Aufheizung den Gasdruck erzeugt.

Auch aus seinem allgemeinen Fachwissen konnte er daran nicht denken. So ist auf der im Verfahren entgegengehaltenen Seite 297 des Fachbuchs von R. Meyer: Explosivstoffe, VCH Verlagsgesellschaft, 6. Auflage 1985, die Eignung von Thermiten nur für Schienenschweißen oder für Brandbombenfüllung erwähnt.

3. Die geltenden Unteransprüche 3 bis 31 sind mit den Hauptansprüchen 1 und 2 gewährbar.

Die Beschreibung ist an die mit den geltenden Ansprüchen verbundene Beschränkung in üblicher Weise angepasst.

Bertl Dr. Kaminski Kirschneck Groß prö






BPatG:
Beschluss v. 20.01.2010
Az: 19 W (pat) 26/09


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/gerichtsentscheidung/d0e0770b4c74/BPatG_Beschluss_vom_20-Januar-2010_Az_19-W-pat-26-09




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