Verwaltungsgericht München:
Urteil vom 29. Juni 2011
Aktenzeichen: M 9 K 11.2929
(VG München: Urteil v. 29.06.2011, Az.: M 9 K 11.2929)
Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung
Die vorliegende Gerichtsentscheidung betrifft ein Verfahren vor dem Verwaltungsgericht München. In dem Verfahren ging es um die Klage gegen eine Nebenbestimmung einer Baugenehmigung für den Bau und Betrieb einer Biogasanlage. Mit Bescheid vom ... 2009 wurde der Klägerin die Baugenehmigung erteilt, jedoch wurden insgesamt dreiundsiebzig Nebenbestimmungen festgelegt, von denen sieben Gegenstand des vorliegenden Verfahrens waren.
In dem Verfahren wurden fünf Auflagen in der mündlichen Verhandlung im Januar 2011 eingestellt, während die Klage gegen die Nebenbestimmung Nr. 9 des Bescheids weiterverhandelt wurde. Diese Nebenbestimmung besagte, dass die Baugenehmigung entfällt, sobald der Inhaber des Basisbetriebs keinen maßgeblichen Einfluss auf die Betreibergesellschaft der Biogasanlage mehr besitzt. Die Klägerin argumentierte, dass diese Forderung nicht gerechtfertigt sei und verwies auf einschlägige ministerielle Erlasse, die von einem "maßgeblichen" Einfluss sprechen, aber nicht von einem "beherrschenden" Einfluss.
Das Gericht stellte fest, dass die Nebenbestimmung rechtmäßig sei und den gesetzlichen Anforderungen entspreche. Sie sei notwendig, um die dauerhafte Zuordnung der Biogasanlage zu dem landwirtschaftlichen Betrieb sicherzustellen. Weiterhin argumentierte das Gericht, dass eine Aktiengesellschaft nur dann Bauherr oder Betreiber einer Biogasanlage im Rahmen eines landwirtschaftlichen Betriebs sein könne, wenn der Inhaber des Basisbetriebs mindestens 50 % plus eine Aktie der Aktiengesellschaft halte und gleichzeitig als alleinvertretungsberechtigtes Vorstandsmitglied bestellt sei.
Das Gericht wies die Klage daher ab und erlaubte die Berufung zum Bayerischen Verwaltungsgerichtshof. Die Kosten des Verfahrens trug die Klägerin.
Das Verwaltungsgericht München setzt den Streitwert des Verfahrens auf 50.000 Euro fest.
Die Gerichtsentscheidung im Volltext:
VG München: Urteil v. 29.06.2011, Az: M 9 K 11.2929
Tenor
I. Das hinsichtlich der Nebenbestimmung Nr. 10 in der Fassung des Änderungsbescheids des Beklagten vom ... 2011 (Az.: B-2009-294) übereinstimmend für erledigt erklärte Verfahren wird eingestellt.
II. Die Klage gegen die Nebenbestimmung Nr. 9 des Bescheids des Beklagten vom ... 2009 (Az.: B-2009-98) in der Fassung des Änderungsbescheids vom ... 2011 (Az.: B-2009-294) wird abgewiesen.
III. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
IV. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
V. Die Berufung zum Bayerischen Verwaltungsgerichtshof wird zugelassen.
Tatbestand
Mit Bescheid vom ... 2009 (B-2009-98) erhielt die Klägerin die Baugenehmigung für die Errichtung und den Betrieb einer Biogasanlage auf dem im Osten der Stadt G... gelegenen Grundstück FlNr. 673 (Gemarkung O...). Der Bauerlaubnis wurden dreiundsiebzig Nebenbestimmungen beigefügt, sieben hiervon waren Gegenstand des Ausgangsverfahrens M 9 K 09.4268. In Bezug auf fünf Auflagen wurde dieses Verfahren in der mündlichen Verhandlung vom 19. Januar 2011 eingestellt. Im Übrigen erklärten die Beteiligten ihr Einverständnis mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren.
Im gegenständlichen Verfahren ist nur noch folgende Nebenbestimmung - in der Fassung des Änderungsbescheids vom ... 2011 (B-2009-294) - streitig:
€9. Die Baugenehmigung entfällt (auflösende Bedingung), sobald der Inhaber des Basisbetriebs (landwirtschaftlicher Betrieb auf dem Grundstück R... Straße 52, FlNr. 694 der Gemarkung O...) keinen maßgeblichen Einfluss auf die Betreibergesellschaft des Biogasbetriebs mehr besitzt; dies ist dann nicht mehr gegeben, wenn der Inhaber des Basisbetriebs nicht mindestens 50 % plus eine Aktie der Aktien der Betreibergesellschaft Bioenergie G... AG hält und gleichzeitig deren alleinvertretungsberechtigtes Vorstandsmitglied ist.
Im Todesfall des jeweiligen Inhabers des Basisbetriebs tritt anstelle der auflösenden Bedingung folgender Widerrufsvorbehalt:
Bei Tod des jeweiligen Inhabers des Basisbetriebs kann die Genehmigung widerrufen werden, sofern nicht innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach dem Todesfall folgende Voraussetzungen erfüllt und dem Landratsamt ... schriftlich angezeigt sind:
- Der neue Inhaber des landwirtschaftlichen Basisbetriebs auf FlNr. 694 der Gemarkung O... muss mindestens 50 % plus eine Aktie der Bioenergie G... AG halten
und
- der neue Inhaber des landwirtschaftlichen Basisbetriebs auf FlNr. 694 der Gemarkung O... muss als alleinvertretungsberechtigtes Vorstandsmitglied der Bioenergie G... AG bestellt sein.€
Die Klägerin hat über ihre Prozessbevollmächtigten am 14. September 2009 gegen den Ausgangsbescheid Klage erhoben, mit Schriftsatz vom 24. März 2011 wurde der Änderungsbescheid in das Verfahren einbezogen.
Die Klägerin beantragte zuletzt,
die Nebenbestimmung Nr. 9 des Bescheids vom ... 2009 in der Fassung des Änderungsbescheids vom ... 2011 aufzuheben.
Sie macht zur Begründung im Wesentlichen geltend, dass diese Nebenbestimmung nicht erforderlich sei, um die gesetzlichen Privilegierungsvoraussetzungen für das Vorhaben sicherzustellen. Unter Berücksichtigung der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 11. Dezember 2008 könne aus § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB nicht abgeleitet werden, dass der Inhaber des Basisbetriebs einen maßgeblichen Einfluss auf die Betreibergesellschaft der Biomasseanlage haben müsse. Jedenfalls sei die Forderung, der Inhaber des Basisbetriebs müsse 50 % und eine Aktie an der Betreibergesellschaft halten und gleichzeitig deren alleinvertretungsberechtigtes Vorstandsmitglied sein, nicht zu rechtfertigen.
Einschlägige ministerielle Erlasse sprächen von einem €maßgeblichen€, nicht aber von einem €beherrschenden Einfluss€. Die Mehrheit der stimmberechtigten Aktien reiche aus, um einen €maßgeblichen Einfluss€ zu sichern.
Selbst eine beherrschende Stellung sei andererseits gegeben, wenn zwar keine Mehrheitsbeteiligung, aber eine €faktische Hauptversammlungsmehrheit€ vorhanden sei. Das demgegenüber aufgestellte Beteiligungserfordernis verhindere daneben eine erleichterte Kapitalbeschaffung durch die Ausgabe stimmrechtsloser Vorzugsaktien, die nach aktienrechtlichen Vorschriften bis zur Hälfte des Grundkapitals möglich sei. Die Nebenbestimmung vereitele ferner einen wesentlichen Vorteil der Rechtsform der Aktiengesellschaft, durch die Ausgabe von Aktien die Notwendigkeit, anderweit Fremdkapital zu beschaffen, nachhaltig zu verringern.
Statt einer auflösenden Bedingung hätte ein Widerrufsvorbehalt für den Fall einer entscheidungserheblichen Änderung der Verhältnisse ausgereicht. Entfielen nachträglich die Privilegierungsvoraussetzungen, könne die Bauaufsichtsbehörde daneben gemäß Art. 76 Satz 2 BayBO die materiell baurechtswidrige Nutzung untersagen. Bei einer auflösenden Bedingung entfiele die Genehmigung unabhängig vom Willen der Behörde und unabhängig davon, ob die Umstände des Einzelfalles den Fortbestand der Genehmigung rechtfertigen oder sogar gebieten würden.
Der Beklagte trat der Auffassung der Klägerseite ohne ausdrückliche Antragstellung mit Schriftsatz vom 2. März 2011 entgegen.
Eine Beschränkung der geforderten Mehrheit auf stimmberechtigte Aktien reiche aus seiner Sicht zur dauerhaften Gewährleistung der gesetzlichen Privilegierungsvoraussetzungen nicht aus. Gemäß § 140 Abs. 2 Aktiengesetz könnten auch Inhaber von Vorzugsaktien ein Stimmrecht erlangen, der Inhaber des Basisbetriebs würde in einem solchen Fall seinen über die Mehrheit der stimmberechtigten Aktien erlangten maßgeblichen Einfluss verlieren.
Die Ausgestaltung als auflösenden Bedingung entspreche der Bedeutung der inmitten stehenden Zulässigkeitsvoraussetzung. Dem maßgeblichen Einfluss des Inhabers des Basisbetriebs auf die die Biogasanlage betreibende Aktiengesellschaft komme hier ein ausschlaggebendes Gewicht zu.
Wegen der weiteren Einzelheiten und des sonstigen Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten M 9 K 09.4268 und M 9 K 11.2929 und die beigezogenen Bauakten des Landratsamts ... verwiesen.
Gründe
1. Soweit der Gegenstand des Verwaltungsstreits übereinstimmend für erledigt erklärt worden ist, war das Verfahren einzustellen, § 92 Abs. 3 VwGO analog.
2. Die nur noch gegen die Nebenbestimmung Nr. 9 gerichtete Klage ist als Anfechtungsklage zulässig, vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 22. November 2000, 11 C 2/00 <Juris>, RdNr. 25.
Angesichts der zum Thema nicht zuletzt im Schrifttum kontrovers geführten Diskussion (vgl. insbesondere Mantler, Baurecht 2007, 50 ff. m.z.w.N.) kann nicht davon gesprochen werden, dass eine isolierte Aufhebung dieser Nebenbestimmung von vorneherein offenkundig ausscheidet.
3. Die Klage bleibt erfolglos, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO, Art. 55 Abs. 1 BayBO, § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB.
§ 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB hat folgenden Wortlaut:
€Im Außenbereich ist ein Vorhaben nur zulässig, ..., wenn es
6. der energetischen Nutzung von Biomasse im Rahmen eines Betriebs nach Nummer 1 oder Nummer 2 oder eines Betriebs nach Nummer 4, der Tierhaltung betreibt, sowie dem Anschluss solcher Anlagen an das öffentliche Versorgungsnetz dient, unter folgenden Voraussetzungen:
a) das Vorhaben steht in einem räumlich-funktionalen Zusammenhang mit dem Betrieb,
b) die Biomasse stammt überwiegend aus dem Betrieb oder überwiegend aus diesem und aus nahegelegenen Betrieben nach Nummern 1, 2 oder 4, soweit letzterer Tierhaltung betreibt,
c) es wird je Hofstelle oder Betriebsstandort nur eine Anlage betrieben und
d) die installierte elektrische Leistung der Anlage überschreitet nicht 0,5 MW.€
3.1 Die grundsätzliche Genehmigungsfähigkeit der Biogasanlage an Ort und Stelle steht zwischen den Beteiligten fest.
3.2 Im Hinblick darauf, dass nicht eine natürliche Person, sondern eine Aktiengesellschaft als juristische Person als Bauherr auftritt, bestehen Meinungsverschiedenheiten darüber, unter welchen Bedingungen diese Form der Betreiberschaft die gesetzliche Voraussetzung €im Rahmen eines Betriebs nach Nummer 1€ erfüllt.
3.3 Allgemein gilt, dass die Privilegierung eines Vorhabens in allen Alternativen des § 35 Abs. 1 BauGB die dauerhafte Zuordnung dieses Vorhabens zu dem die Privilegierung rechtfertigenden Zweck erfordert (st. Rspr., vgl. BVerwG, Urteil vom 24.08.1979, IV C 3.77 <Juris>, RdNr. 17 m.w.N., ergangen zu § 35 Abs. 1 BBauG).
Vor diesem Hintergrund bestehen keine generellen Bedenken gegen die Erteilung der verfahrensgegenständlichen Genehmigung unter einer auflösenden Bedingung.
3.4 Mit dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg (Beschluss vom 06.04. 2009, OVG 11 S 59.08 <Juris>, Orientierungssatz 1 und RdNr. 13) geht die Kammer ferner davon aus, dass der Gesetzgeber mit der mit dem ... Bau am 20. Juli 2004 in Kraft getretenen Einfügung des § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB eine die Zulässigkeit von Biomasseanlagen abschließende Regelung getroffen hat.
Es entspricht regelmäßiger Praxis, einen derart speziell zugeschnittenen Sondertatbestand eng auszulegen.
3.5 Das auf das BBauG 1960 zurückgehende Leitbild landwirtschaftlicher Betriebsinhaberschaft hat seither die natürliche Person eines Land-/Forstwirts im Blick.
3.5.1 Beim Zusammenschluss dieses Personenkreises in beliebigen Gesellschaftsformen (GbR, OHG, KG, GmbH, AG) ergeben sich solange keine die bauplanungsrechtliche Privilegierung in der jeweiligen Gesellschaftsform geführter Betriebe infrage stellenden Probleme, solange entweder alle oder die Mehrheit der Beteiligten die Privilegierungsvoraussetzungen in ihrer Person erfüllen.
3.5.2 Weshalb der Gesetzgeber die nahe liegende Frage der Kapitalbeschaffung anlässlich der Ausformulierung der detaillierten Voraussetzungen für die bevorrechtigte Zulassung der erhebliche Investitionen bedingenden Biomasseanlagen praktisch ausgeblendet hat, ist nicht verständlich. Die augenfällige gesetzgeberische Unschärfe erscheint vor allem deshalb erstaunlich, weil die Erlaubnisfähigkeit dieser neuartigen Vorhaben wesentlich von der Zuordnung zu einem vorhandenen landwirtschaftlichen Betrieb abhängig gemacht wurde.
Legt man die allgemein bekannten Strukturen bäuerlicher Betriebe namentlich im Süden der Bundesrepublik zu Grunde, dürften nicht all zu viele von natürlichen Personen bzw. Familien betriebene Landwirtschaften in der Lage sein, den Aufwand für die Errichtung einer ausreichend leistungsfähigen Biomasseanlage problemlos aufzubringen bzw. entsprechende Kredite zu wirtschaftlich vertretbaren Konditionen zu erlangen.
3.6 Ungeachtet dessen ist festzuhalten, dass der gesetzgeberische Wille, im Außenbereich keine von der Landwirtschaft i.S.v. § 201 BauGB losgelöste €Biomassen-Industrie€ bevorrechtigt erlauben zu wollen vor allem in der Wendung €im Rahmen eines Betriebs nach Nr. 1€ sowie mit der Beschränkung auf eine Anlage je Hofstelle oder Betriebsstandort (§ 35 Abs. 1 Nr. 6 c) BauGB) einen eindeutigen Niederschlag gefunden hat.
Daher verfängt der Vorhalt der Klägerseite, mit der angegriffenen Bedingung würden die Möglichkeiten und Vorteile der Rechtsform der Aktiengesellschaft praktisch vereitelt, nicht. Es sollte keine allgemeine Förderung wirtschaftlicher Unternehmungen im Außenbereich erfolgen, die - insoweit eher €alibiartig€ - landwirtschaftliche Produkte in €räumlich-funktionalem Zusammenhang€ mit Hofstellen verarbeiten, um sie in Strom oder Wärme umzuwandeln (€energetische Nutzung€).
3.7 Vor dem Hintergrund dieser Erkenntnisse und grundsätzlicher Überlegungen hält die Kammer die Auslegung der die Zuordnung zu einem konkreten landwirtschaftlichen Betrieb steuernden gesetzlichen Wortwahl €im Rahmen eines Betriebs€ durch die Fachkommission Städtebau anlässlich der Bauministerkonferenz vom 22. März 2006 für ebenso zutreffend wie die dazu in den einschlägigen Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums des Innern vom 4. August 2005 (II. B 5-4112.79-003/05) und vom 17. Juli 2009 (Az.: wie vor, Schreiben an das Landratsamt ...) zum Ausdruck gebrachte Rechtsmeinung.
Das zuletzt genannte ministerielle Schreiben führt auf Seite 4 u.a. aus: € ..., dass immer dann, wenn die Identität zwischen Betreiber des Basisbetriebs und der Biomasseanlage nicht besteht, also auch in den Fällen, in denen ein €Zusammenschluss€ die Biomasseanlage errichten und betreiben will, besondere Umstände hinzutreten müssen, um die Zuordnung zum Basisbetrieb sicherzustellen. Konsequenterweise hält das Rundschreiben vom 4. August 2005 (...) fest, dass diese besonderen Umstände vorliegen, wenn der Inhaber des Betriebs, in dessen räumlich funktionalen maßgeblichen Zusammenhang die Anlage errichtet wird, maßgeblichen Einfluss auf den Zusammenschluss hat (...). ... Jedenfalls kann eine Aktiengesellschaft (AG) nur dann Bauherr oder Betreiber einer Biogasanlage i.S.v. § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB sein, wenn der Inhaber des Basisbetriebs mindestens 50 % plus eine Aktie der Aktien hält und gleichzeitig alleinvertretungsberechtigtes Mitglied des Vorstandes ist.€
Weiter hält dieses Schreiben auf Seite 6 unten fest, €dass § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB nicht die einzig denkbare Rechtsgrundlage für die Ansiedlung der beabsichtigten Biomasseanlage am vorgesehenen Standort ist. Es ist der Gemeinde unbenommen, die Grundlage für die Ansiedlung der Anlage durch einen Bebauungsplan zu schaffen. Biomasseanlagen, die in durch qualifizierten Bebauungsplan ausgewiesenen Baugebieten errichtet werden sollen, unterliegen nicht den Beschränkungen des § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB: Insbesondere besteht dann keine Beschränkung des Anlagenbetreibers auf Betreibergesellschaften, die maßgeblichen Einfluss des Inhabers eines Basisbetriebs ermöglichen.€
3.8 Aus der Sicht der Kammer lassen es die allgemeinen juristischen Auslegungsregeln - im Gegensatz zu Mantler, a.a.O., Seiten 53 bis 57 - zu, dem Tatbestandsmerkmal €im Rahmen eines Betriebs€ über die bloße Anbindung an einen landwirtschaftlichen Betrieb hinausgehende qualitative Anforderungen zu entnehmen. Eine entsprechende Auslegung drängt sich auf (dazu im Einzelnen 3.8.3 bis 3.8.5).
3.8.1 Geklärt ist in diesem Zusammenhang seit dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 11. Dezember 2008, 7 C 6/08 <Juris>, RdNrn. 18/19, in €negativer€ Hinsicht lediglich, dass eine Biogasanlage dem Basisbetrieb weder im Sinne des €Dienens€ (§ 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB) untergeordnet sein noch die Bedingungen für eine €mitgezogene Nutzung€ erfüllen muss.
3.8.2 Bei der Auslegung von Gesetzen ist der in der jeweiligen Bestimmung zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Normgebers zu ermitteln (st. Rspr. seit dem Urteil des BVerfG vom 21.05.1952, BVerfGE 1, 299, 312).
3.8.3 Zustimmung verdient hier die Auffassung des Verwaltungsgerichts Stade im Urteil vom 9. Dezember 2008, 2 A 1457/07 <Juris>, RdNrn. 40 bis 42, dass der Eingangssatz des § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB nicht nur die €Überleitungsvorschrift€ zu den unter den Buchstaben a) bis d) im Einzelnen beschriebenen Voraussetzungen bildet. Wenn eine so weitgehende €qualitative€ Entkoppelung von Biomasseanlagen vom jeweiligen Basisbetrieb gewollt wäre, wie es beispielsweise Mantler (a.a.O.) vertritt, hätte es nahe gelegen, auf das Erfordernis des €Rahmens€ ganz zu verzichten und es allein bei den weiteren Voraussetzungen der Buchstaben a) bis d) zu belassen.
3.8.4 Vergegenwärtigt man sich die in der Bundestagsdrucksache 15/2250 Seite 54 f. angesprochene Motivation des Gesetzgebers, den Strukturwandel in der Landwirtschaft zu erleichtern und gleichzeitig dem Außenbereichsschutz soweit wie möglich Rechnung zu tragen, kann es kaum ernstlich zweifelhaft sein, dass zwischen dem Basisbetrieb und der Biomasseanlage eine Verbindung erforderlich ist, die über die in Nr. 6 des § 35 Abs. 1 BauGB unter a) bis d) anhand äußerlicher Anknüpfungen formulierten Voraussetzungen hinausgeht.
Beließe man es allein bei den einzelnen Anforderungen der Buchstaben a) bis d), wäre überall dort, wo im Außenbereich ein land- oder forstwirtschaftlicher Betrieb vorhanden ist, eine gewerbsmäßige Ansiedlung seitens der €Biomasseanlagen-Industrie€ erleichtert möglich. Es reichte aus, dass die Errichter und Betreiber dieser Anlagen sich vom Inhaber des jeweiligen Basisbetriebs die Berechtigung zur Aufstellung ihrer Anlage an Ort und Stelle verschaffen (€räumlich-funktionaler Zusammenhang€) und den Bezug der Biomasse entsprechend den weiteren gesetzlichen Vorgaben regelten. Der Landwirt erhielte bei einer derartigen Gestaltung eine von den Beteiligten frei aushandelbare finanzielle Gegenleistung. Einen Einfluss auf das hinzutretende gewerbliche Geschehen an der Hofstelle hätte er nicht, ein solcher müsste ihm auch nicht eingeräumt werden.
Eine so verstandene Privilegierung käme in erster Linie der €Biomasseanlagen-Wirtschaft€ zugute. Eine Förderung der Landwirtschaft und ihres Strukturwandels wäre damit allenfalls mittelbar verbunden, indem ihr eine neue Einnahmequelle verschafft würde.
Letzten Endes stünde bei dieser Konstruktion die Übernahme des Basisbetriebs durch die weitverzweigt handelnden Betreiber der Biomasseanlage im Raum und damit das Gegenteil dessen, was der Gesetzgeber nach seinen eigenen Worten mit der streitigen Neuregelung bezweckt hat. Die vielerorts kleinteilig vorhandene Landwirtschaft übernähme in einer Übergangsphase die Rolle eines €Platzhalters€ für Energiekonzerne bzw. deren Unternehmungen.
3.8.5 Diese Betrachtung lässt es notwendig erscheinen, dem Inhaber des Basisbetriebs durch eine substantielle Ausfüllung des Begriffs €im Rahmen eines Betriebs€ eine Stellung zu verschaffen, die ihn in die Lage versetzt, dass er auch für den hinzukommenden Betriebsteil unternehmerische Verantwortung tragen kann. Die Förderung dieses Ziels kann ihrerseits nicht davon abhängen, in welcher Rechtsform der neue Betriebszweig der Strom- oder Wärmegewinnung mit dem Basisbetrieb verbunden wird, ob er rechtlich voll integriert ist oder als eigenständige Rechtsperson (GbR, OHG, KG, GmbH oder AG) auftritt. In jedem Fall müssen die Einflussmöglichkeiten des Inhabers des Basisbetriebs soweit reichen, dass gegen seinen Willen keine wesentlichen Entscheidungen getroffen werden können, die die Biomasseanlage betreffen. Für diese Position verwenden nicht zuletzt die zitierten Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums des Innern vom 17. September 2009 und vom 4. August 2005 zurecht den Ausdruck €maßgeblicher Einfluss€.
3.9 Klärungsbedürftig ist weiter, auf welche Weise der maßgebliche Einfluss des Inhabers des Basisbetriebs auf die €Bioenergie G... AG€ sicherzustellen ist.
Auch in diesem Punkt gebührt der in den zitierten ministeriellen Schreiben vertretenen Meinung der Vorzug. Danach muss der Inhaber des Basisbetriebs 50 % und eine Aktie der AG halten und gleichzeitig alleinvertretungsberechtigtes Vorstandsmitglied sein.
Die dagegen zuletzt von der Klägerseite erhobenen Einwände, namentlich das Abstellen auf die Mehrheit der €stimmberechtigten€ Aktien, erscheinen zwar verständlich. Nicht zuletzt wegen der Schwierigkeiten, die sich im Einzelfall bei Anwendung von § 140 Abs. 2 AktG für die Feststellung der Stimmberechtigung von Vorzugsaktionären ergeben können, würde es aus der Sicht der Kammer eine in jedem Fall zu vermeidende weitere Belastung bei der Klärung der Frage des wesentlichen Einflusses auf die AG bedeuten, wollte es man es hier auf die stimmberechtigten Anteilsscheine anstelle der €schlichten€ Mehrheit der Akten ankommen lassen.
Eindeutige, klare und von außen - auch durch die Bauaufsichtsbehörde - ohne weiteres erkennbare Verhältnisse ließen sich so nicht auf Dauer gewährleisten. Wie schon unter 3.6 erwähnt, zielt die Gesetzeslage nicht auf eine allgemeine Wirtschaftsförderung ab, weshalb die hier vertretene restriktive Auslegung dem Zweck der Regelung am nächsten kommen dürfte.
3.10 Auch unter Berücksichtigung der Ausführungen zur Frage der Widerruflichkeit der Genehmigung auf den Seiten 2 bis 4 des Schriftsatzes des Klägerbevollmächtigten vom 24. März 2011 stellt sich die vom Beklagten gewählte Fassung der Nebenbestimmung Nr. 9 als auflösende Bedingung nicht als rechtswidrig dar.
3.10.1 Jedenfalls mit der Herausnahme des Namens des Inhabers des Basisbetriebs aus dem Text dürfte geklärt sein, dass es im ersten Absatz dieser Nummer abstrakt um den jeweiligen Inhaber dieser Landwirtschaft geht. Ein Wechsel in der Person des Inhabers allein bringt die Bauerlaubnis daher nicht zum Erlöschen.
3.10.2 Die Darstellung der Möglichkeiten zur Untersagung der Nutzung gemäß Art. 76 Satz 2 BayBO in dem zitierten Schriftsatz ist unscharf.
Gegenüber einer genehmigten Nutzung kommt diese Maßnahme grundsätzlich nicht in Betracht.
Wird nachträglich erkennbar, dass die Bestimmungen einer Bauerlaubnis nicht eingehalten sind oder werden, mag zwar in €minderschweren€ Einzelfällen, bei Defiziten in €Randbereichen€, die Nutzungsuntersagung - gegebenenfalls bis zur Klärung der Zulassungsfähigkeit der jeweiligen Abweichung vom Sollzustand - eine adäquate behördliche Reaktion darstellen. Fallen aber Ist- und Sollzustand von vorneherein in einem nicht behebbaren Maß auseinander - mit anderen Worten, wird ein €aliud€ realisiert - stellt sich regelmäßig eher die Frage nach der Beseitigung einer solchen Anlage. Mit der bloßen Nutzungsuntersagung lassen sich bei einer derartigen Fallgestaltung baurechtmäßige Verhältnisse nicht erreichen.
3.10.3 Weil es, wie auch der Beklagte in seinem letzten Schriftsatz vom 2. März 2011 an das Gericht auf Seite 2 zurecht betont hat, im vorliegenden Zusammenhang um eine wesentliche Voraussetzung der Genehmigungsfähigkeit des Vorhabens überhaupt geht und nicht nur um typischerweise mit Auflagen regelbare sonstige Gesichtspunkte der baurechtlichen Zulässigkeit, ist die von der Behörde getroffene Entscheidung, die Verwendung einer auflösenden Bedingung, hier nicht als unverhältnismäßig anzusehen.
4. Die Klage war nach alledem mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die im erledigten Teil erfolgte Korrektur der Nebenbestimmung Nr. 10 fällt kostenmäßig nicht ins Gewicht, §§ 161 Abs 2 Satz 1, 155 Abs 1 Satz 3 VwGO.
5. Die Berufung wurde zugelassen, weil die Rechtssache aus der Sicht der Kammer grundsätzliche Bedeutung hat (§§ 124 a Abs. 1 Satz 1, 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) und aus jüngerer Zeit - soweit ersichtlich - keine einschlägige Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vorliegt.
Beschluss
Der Streitwert wird auf EUR 50.000,00 festgesetzt (§ 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz -GKG-).
VG München:
Urteil v. 29.06.2011
Az: M 9 K 11.2929
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https://www.admody.com/gerichtsentscheidung/d1086b31c080/VG-Muenchen_Urteil_vom_29-Juni-2011_Az_M-9-K-112929