Bundespatentgericht:
Beschluss vom 18. Februar 2003
Aktenzeichen: 27 W (pat) 7/02
(BPatG: Beschluss v. 18.02.2003, Az.: 27 W (pat) 7/02)
Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung
Das Bundespatentgericht hat in einem Beschluss vom 18. Februar 2003 (Aktenzeichen 27 W (pat) 7/02) über einen Widerspruch gegen die Eintragung einer Wortbildmarke entschieden. Die Widersprechende hatte Widerspruch gegen die Eintragung einer Marke für integrierte Schaltkreise, elektrische Steuerschaltkreise, gedruckte Schaltungen, elektrische Schalter und Computer eingelegt. Als Begründung wurde eine prioritätsältere Wortbildmarke für elektrische und elektronische Steuer- und Regelgeräte, Prüf- und Überwachungsapparate, Stromversorgungseinrichtungen, Computer, Computer-Hardware sowie Computer-Peripheriegeräte, Datenanzeigegeräte, Geräte zur Daten- und Befehlseingabe, Geräte zur Erzeugung, Aufzeichnung, Übertragung und/oder Wiedergabe von Bild und/oder Ton oder sonstigen Signalen, Datenverarbeitungsgeräte, Schnittstellengeräte, Software, Computerprogramme, elektrische Kabel und Leitungen, Steckverbinder, Anschluss- und Verbindungsteile für elektrische Kabel und Leitungen, Teile sämtlicher vorgenannter Waren, Telekommunikation, EDV-Beratung und Erstellen von EDV-Programmen angeführt. Die Markenstelle des Deutschen Patent- und Markenamtes hatte den Widerspruch zurückgewiesen, da die jüngere Marke trotz der Frage der Waren- und Dienstleistungsähnlichkeit ausreichend von der älteren Marke abweiche. Die Widersprechende legte dagegen Beschwerde ein und argumentierte, dass die Widerspruchsmarke eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft habe und der vorhandene Abstand der jüngeren Marke nicht ausreichend sei. Das Gericht gab der Beschwerde recht und hob den Beschluss der Markenstelle auf. Die Vergleichsmarken seien klanglich stark ähnlich und auch schriftbildlich bestehe Verwechslungsgefahr. Die jüngere Marke halte den erforderlichen Abstand zur Widerspruchsmarke nicht ein. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nach § 71 Abs. 1 Satz 2 MarkenG zu tragen.
Die Gerichtsentscheidung im Volltext:
BPatG: Beschluss v. 18.02.2003, Az: 27 W (pat) 7/02
Tenor
Auf die Beschwerde der Widersprechenden wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 13. November 2001 aufgehoben.
Gründe
I Gegen die Eintragung der Wortbildmarkefür
"Integrierte Schaltkreise, elektrische Steuerschaltkreise, gedruckte Schaltungen, elektrische Schalter, Computer."
ist Widerspruch eingelegt aus der prioritätsälteren Wortbildmarkeeingetragen unter der Nr 398 41 620 für
"Elektrische und elektronische Steuer- und Regelgeräte; Meß-, Prüf- und Überwachungsapparate; Stromversorgungseinrichtungen; Computer, Computer-Hardware sowie Computer-Peripheriegeräte; Datenanzeigegeräte, insbesondere Monitore; Geräte zur Daten- und Befehlseingabe; Geräte zur Erzeugung, Aufzeichnung, Übertragung und/oder Wiedergabe von Bild und/oder Ton oder sonstigen Signalen; Datenverarbeitungsgeräte; Schnittstellengeräte; Software; Computerprogramme; mit Programmen versehene maschinenlesbare Datenträger; elektrische Kabel und Leitungen; Steckverbinder, Anschluß- und Verbindungsteile für elektrische Kabel und Leitungen; Teile sämtlicher vorgenannter Waren; Telekommunikation; EDV-Beratung; Erstellen von EDV-Programmen".
Die Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamtes hat den Widerspruch zurückgewiesen, weil die jüngere Marke ungeachtet der Frage der Waren- und Dienstleistungsähnlichkeit einen hinreichend großen Abstand zur Widerspruchsmarke einhalte. Denn wegen der beiden kennzeichnungsschwachen Bestandteile "chip" und "@" sei der Schutzumfang der älteren Marke auf deren Eigenprägung beschränkt, von der die vom Verkehr anders ausgesprochene angegriffene Marke deutlich abweiche.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden, mit der sie die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses anstrebt. Sie bestreitet, dass die Widerspruchsmarke kennzeichnungsschwach sei. Zwar würden Schaltkreise bisweilen auch als "Chips" bezeichnet, das weitere aus dem "@"-Zeichen bestehende Element sei aber für Hardware nicht beschreibend, weil es lediglich im Softwarebereich für die Bildung von E-Mail-Adressen üblich sei; dementsprechend sei der Widerspruchsmarke eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft zuzubilligen. Angesichts der bestehenden Warenidentität, jedenfalls aber hochgradigen Warenähnlichkeit reiche der vorhandene Abstand der jüngeren Marke keineswegs aus. Die Widerspruchsmarke werde von den Verkehrskreisen in der Regel in einem Wort als "Ätschip" oder "Atschip" ausgesprochen, was nicht nur der entsprechenden (auf dem hier in Rede stehenden Warensektor bevorzugten) englischen ("Äschip"), sondern auch der deutschen ("Aschip") Aussprache der angegriffenen Marke sehr nahe komme. Neben der klanglichen komme daneben auch eine schriftbildliche Ähnlichkeit der Vergleichsmarken in Betracht, weil das "@"-Zeichen häufig nur als Abwandlung des Buchstaben "A" aufgefasst werde.
Die Inhaberin der jüngeren Marke hat mitgeteilt, an der aktiven Weiterverfolgung des Verfahrens nicht interessiert zu sein und hat um Entscheidung nach Lage der Akten gebeten.
Wegen sonstiger Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II Die zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg, weil die Markenstelle zu Unrecht den Widerspruch der Widersprechenden zurückgewiesen hat; denn die Gefahr von Verwechslungen der Vergleichsmarken im Sinne des §§ 42, 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG lässt sich im Ergebnis nicht verneinen.
Die Vergleichsmarken, die jeweils für zumindest hochgradig ähnliche Waren Schutz genießen, sind - wovon auch die Markenstelle zutreffend ausgegangen ist - klanglich stark ähnlich, wenn nicht gar identisch. Soweit der Verkehr sie - wovon sowohl im Hinblick auf die Gepflogenheiten im hier in Rede stehenden Warensektor als auch wegen des bei Teilen des Verkehrs möglichen Verständnisses des übereinstimmenden englischsprachigen Bestandteils "chip" als Anspielung an die jeweiligen Waren auszugehen ist - englisch, dh die Widerspruchsmarke wie "Ättschip" und die jüngere Marke wie "Ätschip", ausspricht, kommen sie sich klanglich sehr nahe; aber auch die zahlenmäßig weitaus geringeren Teile der angesprochenen Verkehrskreise, welche sie wie deutsche Wörter artikulieren, werden sie klanglich kaum auseinander halten können. Ob daneben auch schriftbildliche Verwechslungen zu befürchten sind, kann bei dieser Sachlage auf sich beruhen.
Der klanglichen Verwechslungsgefahr steht nicht aus Rechtsgründen eine originäre Schwächung der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke entgegen. Denn entgegen der Auffassung der Markenstelle ist das in der Widerspruchsmarke enthaltene "@"-Zeichen - anders als das weitere Element "chip" - nicht unmittelbar warenbeschreibend. Zwar hat sich dieses Zeichen, das in seiner Grundbedeutung im englischsprachigen kaufmännischen Verkehr seit langer Zeit als Symbol statt des englischen Wortes "at" zur Angabe einer Zuordnung üblich und seit Jahrzehnten im EDV-Bereich nicht nur als Sonderzeichen im Rahmen des genormten ASCII-Zeichensatzes geführt, sondern auch seit langem unverzichtbarer Bestandteil von E-mail-Adressen ist, um den Provider-Server-Rechner zu bezeichnen und ihn zugleich von der übrigen Adresse zu unterscheiden, über diese konkreten Bedeutungen hinaus zu einem umfassenden Symbol für das Internet und seine Kultur weiterentwickelt (vgl 29 W (pat) 195/98 - @). Es lässt sich aber nicht feststellen, dass dieses Symbol zur Bezeichnung der Waren, für welche die Widerspruchsmarke Schutz genießt, üblich geworden ist, auch wenn die Verwendung des "@"-Symbols im gesamten EDV-Bereich, zu dem auch die von der Widerspruchsmarke beanspruchten Waren zu zählen sind, einer beschreibenden Angabe sehr nahe kommt (vgl aaO - @; 30 W (pat) 198/01 - @ctive IO). Auch wenn die Gesamtmarke demnach wegen des beschreibenden Bestandteils "chip" und des die beanspruchten Waren andeutenden, aber nicht unmittelbar beschreibenden weiteren Elements "@" durchaus sprechend ist, ist ihr Schutzumfang zwar eng, aber über die bloße Eigenprägung hinaus zu bemessen. Hierfür spricht schließlich auch, dass dieses Symbol in der allgemeinen Werbesprache üblicherweise auch als grafisch abweichende Gestaltung des Buchstabens "A" gebraucht wird, so dass nicht vernachlässigbare Teile des Verkehr es weniger als bloße Anspielung auf die beanspruchten Waren, sondern vielmehr allein als eine andere Form des Buchstabens "A" verstehen werden. Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ist daher wegen ihres sprechenden Charakters nicht insoweit geschwächt, dass ihre Verwechselbarkeit mit der jüngeren Marke - die ja, worauf die Widersprechende zu Recht hingewiesen hat, wegen ihrer Nähe zur englischen Wortfolge "a chip", welche ebenfalls als erkennbare Andeutung der beanspruchten Waren aufgefasst werden kann, gleichermaßen als beschreibend angesehen werden kann - aus Rechtsgründen auszuschließen wäre.
Wegen der im übrigen bestehenden hochgradigen Waren- und Markenähnlichkeit hält daher die jüngere Marke den erforderlichen Abstand zur Widerspruchsmarke nicht ein. Aus diesem Grund war auf die Beschwerde der Widersprechenden der den Widerspruch zurückweisende Beschluss der Markenstelle aufzuheben.
Wegen der Kosten des Beschwerdeverfahrens wird auf § 71 Abs 1 Satz 2 MarkenG verwiesen.
Dr. van Raden Friehe-Wich Schwarz Pü
BPatG:
Beschluss v. 18.02.2003
Az: 27 W (pat) 7/02
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