Bundespatentgericht:
Beschluss vom 26. November 2003
Aktenzeichen: 28 W (pat) 4/03
(BPatG: Beschluss v. 26.11.2003, Az.: 28 W (pat) 4/03)
Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung
In dieser Gerichtsentscheidung hat das Bundespatentgericht einen Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts aufgehoben. Es ging dabei um eine internationale Markenregistrierung, die von einem Widersprechenden angegriffen wurde. Der Widersprechende verfügte über eine ältere nationale Wortmarke, aufgrund dessen er Widerspruch erhoben hat. Das Patent- und Markenamt hat den Widerspruch jedoch zurückgewiesen, da es der Meinung war, dass der erforderliche Markenabstand eingehalten war.
Der Widersprechende legte daraufhin Beschwerde ein und argumentierte, dass die Marken sehr ähnlich seien und die erforderliche Kennzeichnungskraft deshalb nicht gewahrt sei. Er führte außerdem an, dass die Bekanntheit seiner Marke dazu führe, dass dem Verkehr die fehlende Endbuchstabe der angegriffenen Marke automatisch zuschreiben würde.
Das Bundespatentgericht entschied, dass die Beschwerde zulässig und auch in der Sache erfolgreich ist. Es berücksichtigte dabei Faktoren wie die Ähnlichkeit der Waren, die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke und die Ähnlichkeit der Marken. Die Waren und Dienstleistungen, die von den beiden Marken abgedeckt wurden, waren weitgehend identisch oder sehr ähnlich. Das Gericht stimmte dem Widersprechenden zu, dass der erforderliche Abstand zwischen den Marken nicht mehr eingehalten wurde. Obwohl die ersten drei Buchstaben beider Marken identisch waren, reichte die einzige Abweichung am Wortende der Widerspruchsmarke nicht aus, um die Verwechslungsgefahr auszuschließen.
Das Gericht stellte fest, dass auch bei Abkürzungen wie in diesem Fall, bei denen die Marken in Einzelbuchstaben ausgesprochen werden können, die Unterschiede deutlich sein müssen. Es argumentierte, dass aufgrund der klanglichen Ähnlichkeiten der beiden Marken Verwechslungen unvermeidbar seien, insbesondere unter ungünstigen Übermittlungsbedingungen wie im Straßenverkehr oder bei mündlichen Besprechungen im Geschäftslokal. Das Gericht kam zu dem Schluss, dass eine Verwechslungsgefahr besteht und gab der Beschwerde des Widersprechenden somit statt.
Das Bundespatentgericht traf keine Kostenentscheidung.
Die Gerichtsentscheidung im Volltext:
BPatG: Beschluss v. 26.11.2003, Az: 28 W (pat) 4/03
Tenor
Auf die Beschwerde der Widersprechenden wird der Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts - Markenstelle für Klasse 12 - vom 4. November 2002 aufgehoben.
Der angegriffenen IR-Marke IR 732 855 wird der Schutz für die Bundesrepublik Deutschland verweigert.
Gründe
I.
Am 21. April 2000 ist die Wortmarke IR 732 855 ADA als Kennzeichnung für folgende Waren und Dienstleistungen international registriert worden:
"9 Enregistrements magnetiques en relation avec les services de vehicules.
12 Vehicules, appareils de locomotion par terre, par air ou par eau.
16 Imprimes et publications publicitaires en relation avec la location de vehicules.
35 Services rendus par un franchiseur, à savoir aide dans l'exploitation ou dans la direction d'une etreprise commerciale.
36 Services d'assurance et de carte de credit en relation avec la location de vehicules.
37 Reparation, entretien et depannage de vehicules.
38 Communication, transmission de messages et d'images assistee par ordinateur, communications par terminaux d'ordinateurs, transmission d'informations contenues dans une banque de donnees.
39 Location de vehicules à moteur.
42 Services rendus par un franchiseur à savoir transfert de mise à disposition de savoir faire, concession de licences de propriete intellectuelle. "
Hiergegen hat der Inhaber der rangälteren Wortmarke 398 26 729 ADAC Widerspruch erhoben. Diese Marke ist seit dem 23. Oktober 1998 unter anderem für folgende Waren und Dienstleistungen eingetragen:
Kl. 09: Magnetaufzeichnungsträger; Fahrzeuge;
Kl. 12: Apparate zur Beförderung auf dem Lande, in der Luft oder auf dem Wasser, deren Teile und Zubehör, ...;
Kl. 16: Druckereierzeugnisse; Zeitschriften, Bücher; touristisches Informationsmaterial, nämlich Landkarten, Reisebeschreibungen, Reiseführer;
Kl. 35: Werbung (einschließlich Sponsoring und Merchandising), Marketing; Geschäftsführung; Unternehmensverwaltung; Büroarbeiten;
Kl. 36: Versicherungswesen, einschließlich Versicherungsvermittlung und Rückversicherung; Kreditgewährung, Kreditvermittlung;
Kl. 37: Reparatur, Instandsetzung und Instandhaltung von Kraftfahrzeugen; Abschleppen und Bergen von Kraftfahrzeugen; Rettung von Personen; Bergung und Transport von Kranken, Kl. 38: Online-Dienste, nämlich Sammeln, Bereitstellen und Übermitteln von Informationen, Nachrichten, Texten, Zeichnungen und Bildern über Online-Dienste sowie Multi-Media-Dienste, nämlich Erfassen von Bildern auf CD-Rom, Scannen von Unterlagen, Digitalisierung von Papierunterlagen; Telekommunikation; Bereitstellen und Übermitteln von Informationen im Internet;
Kl. 39: Vermietung von Kraftfahrzeugen (auch an Selbstfahrer);
Kl. 42: Rechtsberatung und -vertretung; Vermittlung und Vergabe von Lizenzen und technischem Knowhow.
Die Markenstelle für Klasse 12 des Deutschen Patent- und Markenamts hat den Widerspruch durch einen Beamten des gehobenen Dienstes im wesentlichen mit der Begründung zurückgewiesen, dass trotz der teilweise identischen Waren und Dienstleistungen der erforderliche Markenabstand eingehalten sei. Es handle sich um Kurzworte, bei deren Vergleich schon Abweichungen in nur einem Buchstaben für ein sicheres Auseinanderhalten genügen könne. Der zusätzliche Buchstabe "C" in der Widerspruchsmarke bewirke hier sowohl bei flüssiger als auch bei buchstabierender Aussprache einen deutlichen Klangunterschied. Die Frage, ob die Widerspruchsmarke eine erhöhte Kennzeichnungskraft besitze, könne deshalb dahingestellt bleiben.
Der Widersprechende hat hiergegen Beschwerde eingelegt und Unterlagen zum Nachweis einer gesteigerten Kennzeichnungskraft seiner Marke eingereicht, die nach seiner Ansicht auch nicht durch Drittmarken geschwächt ist. Er hält den erforderlichen Zeichenabstand angesichts der in den Markenwörtern enthaltenen identischen Buchstaben mit identischer Vokalfolge und Silbengliederung nicht mehr für gewahrt, denn der stimmlose Gaumenlaut am Ende seiner Marke werde leicht überhört. Wegen der Bekanntheit der Widerspruchsmarke werde ihr auch die angegriffene Marke schriftbildlich zugerechnet, denn der Verkehr ergänze automatisch den fehlenden Endbuchstaben in der irrigen Annahme, dieser sei in der angegriffenen Marke verdeckt oder überklebt etc..
Der Widersprechende beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und der internationalen Registrierung IR 732 855 "ADA" in Deutschland den Schutz zu versagen.
Die IR-Markeninhaberin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie beruft sich auf die Ausführungen der Markenstelle und hält an ihrer Auffassung fest, dass die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke allenfalls durchschnittlich sei, denn bei Abkürzungen wie hier sei sie von Hause aus gering. Eine "Verkehrsgeltung" habe der Widersprechende nicht hinreichend dargetan.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde ist gemäß § 165 Abs. 4 MarkenG zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.
Die Rechtsfrage, ob eine Verwechslungsgefahr im Sinne des § 9 Absatz 1 Nr 2 Markengesetz vorliegt, ist unter Berücksichtigung des Einzelfalls durch die Abwägung insbesondere der Faktoren Ähnlichkeit der Waren, Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke und Ähnlichkeit der Marken zu entscheiden (ständige Rechtsprechung zB EuGH MarkenR 1999, 20 - Canon; BGH MarkenR 2001, 204 - EVIAN/REVIAN).
Da sich Benutzungsfragen nicht stellen, ist von der Registerlage auszugehen. Die danach für die Warenähnlichkeit zu berücksichtigenden Produkte und Dienstleistungen der Widerspruchsmarke bewegen sich ganz überwiegend im Identitäts- oder engsten Ähnlichkeitsbereich, wie die Markenstelle zu Recht ausgeführt hat und was von der IR-Markeninhaberin auch nicht in Abrede gestellt worden ist.
Im Bereich von identischen und sehr ähnlichen Waren und Dienstleistungen kann der Rechtsinhaber des älteren Markenrechts einen besonders deutlichen Abstand der jüngeren Marke verlangen, der hier nach Auffassung des Senates nicht mehr eingehalten ist.
Die ersten drei Buchstaben der beiden Marken sind identisch. Die einzige Abweichung der Vergleichswörter besteht in dem zusätzlichen Buchstaben "C" am Wortende der Widerspruchsmarke, was aber angesichts der im übrigen vorliegenden Übereinstimmungen nicht ausreicht. Zwar ist der IR-Markeninhaberin darin zuzustimmen, dass Wortanfänge im allgemeinen stärker beachtet werden und Kurzwörter durch einzelne Abweichungen stärker beeinflusst werden. Diese Erfahrungssätze dürfen aber nicht verallgemeinert werden. Insbesondere müssen auch bei solchen Marken die Unterschiede in jeder Hinsicht deutlich in Erscheinung treten (vgl. Ströbele/ Hacker, MarkenG, 7. Aufl. 2003, § 9 Rdn. 184 und 193 m.w.N.). Hierbei ist zu bedenken, dass die für die klangliche Verwechslungsgefahr maßgeblichen Kriterien der Silbengliederung, Betonung und Vokalfolge allesamt erfüllt sind. Gerade bei den hier vielfach betroffenen Waren des täglichen Bedarfs kann von einer besonderen Aufmerksamkeit des Verkehrs nicht ausgegangen werden. Ein abweichender Sinngehalt, der in der Erinnerung an die Marken ein Auseinanderhalten erleichtern könnte, ist nicht ohne weiteres erkennbar. Der Mädchenname "Ada", der in dem Film "Das Piano" vorkommt, dürfte nur sehr wenigen Verkehrskreisen geläufig sein. Deshalb greift auch die Auffassung nicht durch, die IR-Marke werde ausschließlich als Wort und die Widerspruchsmarke buchstabiert wiedergegeben. In den hier betroffenen Branchen gibt es viele Firmennamen und Marken, die als Einzelbuchstaben ausgesprochen werden: MAN (Autos), DAS (Versicherungsschutz), AM (= Aachener und Münchener, Versicherung), DER (Touristik), ABS (Bremsen), SAP (Software) etc. Es ist also damit zu rechnen, dass ein nicht unerheblicher Teil der Verkehrskreise die angegriffene Marke nicht als Wort kennen und sie deshalb in Einzelbuchstaben aussprechen wird, zumal die Firma der IR-Markeninhaberin ("A.D.A.") dies aufgrund der Punkte zwischen den Buchstaben nahelegt. Dann aber sind klangliche Verwechslungen unvermeidlich, insbesondere wenn man die ungünstigen Übermittlungsbedingungen berücksichtigt, wie sie in der Hektik des Straßenverkehrs auftreten, was bei einem Großteil der betroffenen Waren und Dienstleistungen durchaus zutreffen kann. Aber auch bei telefonischer oder mündlicher Besprechung im Geschäftslokal herrschen oftmals Bedingungen, unter denen auch ein ansonsten aufmerksamer Verbraucher Verwechslungen unterliegt. Gerade solche Umstände machen es dem Verbraucher im vorliegenden Fall unmöglich, die Marken bei derart nahen Waren und Dienstleistungen vor allem aus der Erinnerung heraus sicher auseinander zu halten.
Für die Entscheidung kann deshalb dahinstehen, ob der Widerspruchsmarke eine erhöhte Bekanntheit zukommt, die ihre Kennzeichnungskraft stärkt. Entgegen der Auffassung der IR-Markeninhaberin ist die Kennzeichnungskraft von Abkürzungen nicht von Hause aus geschwächt, es sei denn, es handelt sich um aus sich heraus verständliche, die Waren oder Dienstleistungen beschreibende Abkürzungen, was hier aber nicht vorliegt.
Eine Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG ist damit zu bejahen.
Die Beschwerde des Widersprechenden musste daher Erfolg haben.
Eine Kostenentscheidung war nicht veranlasst, § 71 Abs 1 Satz 2 Markengesetz.
Schwarz-Angele Schramm Paetzold Bb
BPatG:
Beschluss v. 26.11.2003
Az: 28 W (pat) 4/03
Link zum Urteil:
https://www.admody.com/gerichtsentscheidung/d1927cfca457/BPatG_Beschluss_vom_26-November-2003_Az_28-W-pat-4-03