Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 19. Mai 1995
Aktenzeichen: 6 U 23/95

(OLG Köln: Urteil v. 19.05.1995, Az.: 6 U 23/95)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

In dem vorliegenden Urteil des Oberlandesgerichts Köln vom 19. Mai 1995 mit dem Aktenzeichen 6 U 23/95 geht es um die Zulässigkeit einer Produktausstattung, genauer gesagt um die Verpackung eines Fruchtjoghurts. Im Verfahren der einstweiligen Verfügung hatte die Antragstellerin zuvor eine Unterlassungsverpflichtungserklärung für die verfahrensbetroffene Ausstattung abgeben und diese wurde vom Antragsteller angenommen. Nachdem der Antragsteller jedoch von einer zwischenzeitlichen Abwandlung des Produkts erfahren hat, wurde der Rechtsstreit für erledigt erklärt. Das Gericht erklärte in dem Urteil, dass dieses Verhalten des Antragstellers einem erneuten Antrag auf Unterlassung der neuen Gestaltung grundsätzlich nicht entgegensteht. Dies gilt auch, wenn das Gericht zuvor wettbewerbsrechtliche Einwände gegen die neue Form ausgeschlossen hatte.

Des Weiteren entschied das Gericht, dass in einem Zweikammerbecher, in dem ein Fruchtjoghurt angeboten wird, in der zweiten, kleineren Kammer kein Lebensmittel, sondern stattdessen ein Sammelobjekt (hier: Tierfigur) enthalten sein darf. Das Gericht kommt zu dem Schluss, dass der Verkehr durch diese Gestaltung in Bezug auf die Füllung oder Füllmenge relevant in die Irre geführt wird.

Das Gericht setzt außerdem fest, dass die Antragsgegnerin es untersagen muss, einen bestimmten Fruchtjoghurt mit einer bestimmten Ausstattung zu bewerben, anzubieten oder in den Verkehr zu bringen. Für den Fall der Zuwiderhandlung wird ein Ordnungsgeld in Höhe von DM 500.000,- oder eine Ordnungshaft bis zu 6 Monaten festgesetzt. Die Kosten des Verfahrens werden der Antragsgegnerin auferlegt.

Das Gericht bestätigt somit die einstweilige Verfügung des Oberlandesgerichts Köln und weist die Berufung der Antragstellerin zurück.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

OLG Köln: Urteil v. 19.05.1995, Az: 6 U 23/95


1. Wird im Verfahren der einstweiligen Verfügung über die Zulässigkeit einer Produktausstattung (hier: Verpackung) gestritten und zu der verfahrensbetroffenen Ausstattung eine gesicherte Unterlassungsverpflichtungserklärung abgegeben und diese vom Antragsteller angenommen und wird sodann von ihm - in Kenntnis einer zwischenzeitlich vorgenommenen Abwandlung des ursprünglich angegriffenen Produktes - der Rechtsstreit für in der Hauptsache erledigt erklärt, steht ein solches Verhalten einem Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung nunmehr auf Unterlassung der neuen Gestaltung (Ausstattung) grundsätzlich nicht entgegen. Das gilt auch, wenn das Gericht vor Abgabe der Erledigungserklärungen zu erkennen gegeben haben sollte, daß aus seiner Sicht wettbewerbsrechtliche Einwände gegen die neue Form nicht gegeben sein dürften. 2. Enthält ein sog. ,Zweikammernbecher", in dem ein Fruchtjoghurt angeboten wird in der zweiten (kleineren) Kammer kein Lebensmittel, sondern statt dessen ein Sammelobjekt (hier: Tierfigur), wird der Verkehr hierdurch im Hinblick auf die Füllung bzw. Füllmenge relevant irregeführt. 3. Zu den Anforderungen an die Hinweise, die geeignet sind, der Gefahr einer Irreführung über den tatsächlichen Inhalt des Angebots wirksam entgegenzuwirken.

Tenor

Auf die Berufung der Antragstellerin wird das am 9. Februar 1995 verkündete Urteil der 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln - 84 O 66/94 - wird folgt abgeändert:Die einstweilige Verfügung des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 23.12.1994 - 6 W 112/94 - wird mit der Maßgabe bestätigt, daß der Antragsgegnerin aufgegeben wird, es bei Meidung eines durch das Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zur Höhe von DM 500.000,-, ersatzweise - für den Fall, daß dieses nicht beigetrieben werden kann - einer an ihrem Vorstand zu vollstreckenden Ordnungshaft bis zur Dauer von 6 Monaten, oder Ordnungshaft bis zur Dauer von 6 Monaten zu unterlassen,einen Fruchtjoghurt mild mit Fruchzubereitung unter der Produktbezeichnung "YOG ' N TOYS" in den Ausstattungen zu bewerben und/oder anzubieten und/oder in den Verkehr zu bringen, wie sie nachfolgend in Farbfotografie als Deckelfolie und zur Darstellung des Zweikammersystems als Fotokopie des Becherbodens wiedergegeben sind: Die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen werden der Antragsgegnerin auferlegt.

Gründe

Die Berufung der Antragstellerin ist zulässig und auch in der

Sache erfolgreich.

Der Antrag auf Erlaß der einstweiligen Verfügung, deren

Dringlichkeit gem. § 25 UWG zu vermuten war, ist zulässig.

Bedenken gegen die Zulässigkeit dieses Antrags ergeben sich

insbesondere nicht aus dem Umstand, daß der Antragstellerin in der

am 23.11.1994 durchgeführten mündlichen Verhandlung des zu der

ursprünglichen Produktausstattung durchgeführten einstweiligen

Verfügungsverfahrens 84 O 56/94 (LG Köln) die vom hiesigen

Verfahren betroffene - geänderte - Produktausstattung vorgelegt

worden war.

Dabei bedarf es nicht der Entscheidung, ob - worin das

Landgericht ein unüberwindliches Zulässigkeitshindernis gesehen hat

- die Antragstellerin es sich als der Zulässigkeit des vorliegenden

einstweiligen Verfügungsverfahrens unter dem Gesichtspunkt der

unzulässigen Rechtsausübung entgegenstehendes widersprüchliches

Verhalten anrechnen lassen muß, daß sie in Kenntnis der

verfahrensbetroffenen geänderten Produktausstattung die Hauptsache

des vorbezeichneten früheren einstweiligen Verfügungsverfahrens für

erledigt erklärt hat. Dies setzt wiederum voraus, daß hierdurch auf

Seiten der Antragsgegnerin ein Vertrauenstatbestand dahin in dem

Sinne begründet worden wäre, die Antragstellerin werde die jetzige

geänderte Ausstattung des Fruchtjoghurts nicht angreifen, weil sie

andernfalls mit dem Argument, die geänderte Ausstattung entferne

sich nicht weit genug von der ursprünglichen Aufmachung des

Produkts, die Ernsthaftigkeit der hinsichtlich dieser alten,

inzwischen überholten Ausstattung abgegebenen

Unterlassungsverpflichtung bezweifelt, mithin eine insoweit

fortbestehende Wiederholungsgefahr angenommen und demzufolge die

Erledigung nicht erklärt hätte. Nur am Rande sei allerdings

erwähnt, daß die Annahme eines derartigen Vertrauenstatbestandes zu

Gunsten der Antragsgegnerin schon angesichts der in das Protokoll

über die mündliche Verhandlung vom 23.11.1994 des Vorprozesses

aufgenommenen Erklärung des damaligen Prozeßbevollmächtigten der

Antragstellerin, wonach dieser "aus pragmatischen Gründen ohne

Aufgabe des eingenommenen Rechtsstandpunkts" die Hauptsache für

erledigt erklärt hat, nicht unbedenklich scheint: Auch aus der

Sicht der Antragsgegnerin konnte diese Erklärung durchaus in dem

Sinn verstanden werden, daß sich die Antragstellerin (nur) dem

Druck prozeßökonomischer Erwägungen beuge, was insbesondere im

Hinblick darauf gilt, daß - wie die Antragsgegnerin selbst

vorbringt - die erkennende Kammer in dem Termin am 23.11.1994 zu

verstehen gegeben hat, die geänderte Produktausstattung werde für

wettbewerbsrechtlich zulässig gehalten.

Im Ergebnis kommt dem hier jedoch keine entscheidungserhebliche

Bedeutung zu. Selbst wenn die Antragsgegnerin der Antragstellerin

mit Erfolg den Einwand der unzulässigen Rechtsausübung

entgegenhalten könnte, beseitigte das die Zulässigkeit des auf den

Erlaß der einstweiligen Verfügung gerichteten Antrags jedenfalls

nur, soweit die Antragstellerin damit ein auf ihre

Individualinteressen gestütztes Unterlassungsbegehren verfolgt.

Soweit über die Individualinteressen der Antragstellerin hinaus

auch schutzbedürftige Belange der Allgemeinheit verletzt sein

können, kann dies hingegen der Zulässigkeit des

Unterlassungsbegehrens nicht entgegen gehalten werden. Letzteres

trifft aber regelmäßig bei aus Verstößen gegen § 3 UWG

hergeleiteten Unterlassungsansprüchen zu. Da der Schutzzweck des §

3 UWG den Allgemeininteressen dient, kommt der Verfolgung von

Individualinteressen eines Mitbewerbers dort nur insoweit Bedeutung

zu, als ihre Wahrung zugleich auch im Gesamtinteresse liegt (vgl.

BGHZ 27, 1 ff/3 f; Baumbach-Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 17. Aufl.,

Rdnr. 442 zu § 3 UWG). Soweit die Antragstellerin ihren im

vorliegenden Verfahren geltend gemachten Unterlassungsanspruch auch

auf einen durch die angegriffenen Produktaufmachung ihrer Ansicht

nach bewirkten Verstoß gegen § 3 UWG stützt, kann daher der Einwand

der unzulässigen Rechtsausübung wegen Selbstwiderspruchs von

vornherein nicht durchgreifen. Es ist lediglich für die weitere

Prüfung, ob tatsächlich die Voraussetzungen eines

Unterlassungsanspruchs aus § 3 UWG gegeben sind, allein auf die

Interessen der Verbraucher nicht aber auf ihre eigenen Interessen

als Mitbewerber abzustellen (BGH, a.a.O.).

Unter Anlegen dieses Prüfungsmaßstabs erweist sich der Antrag

auf Erlaß der einstweiligen Verfügung auch als begründet.

Der Antragstellerin steht gegen die Antragsgegnerin aus § 3 UWG

der geltend gemachten Unterlassunganspruch, mithin der für den

Erlaß der einstweiligen Verfügung vorauszusetzende

Verfügungsanspruch zu.

Die verfahrensbetroffene Ausstattung des in einem

Zweikammerbecher verpackten Fruchjoghurts ist geeignet, einen

zumindest nicht unbeachtlichen Teil der angesprochenen Verbraucher

über die tatsächliche Füllung/Füllmenge des Lebensmittels in die

Irre zu führen.

Ein nicht unerheblicher Teil der angesprochenen Verbraucher, zu

denen die Mitglieder des Senats zweifellos zählen, entnimmt der

konkreten Produktaufmachung die Angabe, daß die Verpackung im

Inneren eine der äußeren Aufmachung entsprechende

Lebensmittelfüllmenge enthalte, und zwar in beiden Kammern des

Bechers. Die Antragstellerin hat durch Vorlage verschiedener

Vergleichsprodukte (u.a. "Müller Knusper Joghurt", " Müller

Schlemmer Joghurt", "Tuffi Sahne Pudding" und " Dr. Oetker Erdbeer

- Rhabarber - Grütze") glaubhaft gemacht, daß durch die Verwendung

von Zweikammerbechern zur Verpackung von Lebensmitteln der hier

betroffenen oder ähnlicher Art in der Vorstellung eines nicht

unerheblichen Teils der angesprochenen Verkehrskreise der Eindruck

erweckt wird, in beiden Kammern seien Lebensmittel vorhanden, die

zum Verzehr gemischt werden können. In dieser Erwartung werden die

Verbraucher im gegebenen Fall jedoch enttäuscht, da sich in der

kleineren der beiden Kammern nur eine Tierfigur befindet.

Die damit zu bejahende Eignung der angegriffenen

Produktausstattung, die Verbraucher über die tatsächliche

Füllung/Füllmenge des verpackten Lebensmittel in die Irre zu

führen, wird auch nicht durch die auf der Verpackung im übrigen

angegebenen Zusätze über das Gewicht des verpackten Lebensmittels

sowie den Hinweis "mit Tierfigur im kleineren Becherteil!"

beseitigt.

Hinsichtlich der erstgenannten Angabe gilt das bereits deshalb,

weil die Beurteilung des Verhältnisses von einerseits dem Gewicht

eines Lebensmittels zu andererseits dessen - sich in der Verpackung

niedergeschlagenden - Volumen in aller Regel erhebliche

Unsicherheiten birgt, und daher aus diesem Grund allein die

Gewichtsangabe nicht hinreichend dafür Sorge trägt,

Fehlvorstellungen über die durch die Verpackungsgestaltung im

übrigen suggerierte Füllmenge zu vermeiden.

Was den auf der Deckelfolie angebrachten Hinweis "mit Tierfigur

im kleineren Becherteil!" angeht, gilt entsprechendes. Aus diesem

Hinweis geht zum einen schon nicht mit der erforderlichen

Deutlichkeit hervor, daß sich nur eine Tierfigur im kleineren der

beiden Becherteile befindet. Zum anderen ist der Hinweis, in dem

lediglich der Begriff "Tierfigur" optisch hervorgehoben ist, im

übrigen Text derart unauffällig gestaltet, daß er sich der

Wahrnehmung des flüchtigen Durchschnittslesers entzieht. Dessen

Aufmerksamkeit wird vielmehr gerade durch die graphische und

farbliche Hervorhebung nur des Begriffs "Tierfigur" vom übrigen

Text mit der Folge abgelenkt, daß sich der wahrgenommene Inhalt des

Hinweises auf die Information über eine im Inneren des Bechers

vorzufindende Tierfigur beschränkt und damit das Verständnis des

Hinweises auf das Vorhandensein der Tierfigur im kleineren der

beiden Becherteile sogar verstellt wird.

Die wettbewerbliche Relevanz der vorbezeichneten Fehlvorstellung

über die tatsächlichee Füllung/Füllmenge des Lebensmittels liegt

angesichts des Umstands, daß ein nicht unbeträchtlicher Teil der

Verbraucher sich wegen des in der Verpackung vermuteten Mehrinhalts

zum Kauf entschließen wird, auf der Hand und bedarf daher keiner

näheren Begründung.

Da sich die wettbewerbliche Unzulässigkeit der

Produktausstattung nach alledem bereits aus der Irreführungsgefahr

über die Lebensmittelfüllmenge ergibt, bedarf es schließlich nicht

des Eingehens auf die Frage, ob die Antragstellerin aus einer

etwaigen Irreführung über die Größe der im kleineren Becherteil

vorhandenen Tierfigur einen Unterlassungsanspruch herleiten

kann.

Die Kostenfolge ergibt sich aus § 91 ZPO.

Das Urteil ist gemäß § 545 Abs. 2 ZPO mit seiner Verkündung

rechtskräftig.






OLG Köln:
Urteil v. 19.05.1995
Az: 6 U 23/95


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/gerichtsentscheidung/d2c66b77a8c4/OLG-Koeln_Urteil_vom_19-Mai-1995_Az_6-U-23-95




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share