Bundespatentgericht:
Beschluss vom 21. September 2006
Aktenzeichen: 17 W (pat) 55/04
(BPatG: Beschluss v. 21.09.2006, Az.: 17 W (pat) 55/04)
Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung
Das Bundespatentgericht hat in seiner Entscheidung festgestellt, dass der Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse G 06 F des Deutschen Patent- und Markenamts, mit dem die Patentanmeldung der Anmelderin zurückgewiesen wurde, aufgehoben wird und das Patent erteilt wird. Der Beschluss basiert auf den Unterlagen, die am 11. August 2006 eingegangen sind. Es müssen jedoch noch einige offensichtliche Fehler korrigiert werden.
Die Anmeldung wurde am 26. November 2002 unter Inanspruchnahme der Priorität einer vorherigen Gebrauchsmusteranmeldung eingereicht. In der Begründung der Prüfungsstelle wurde der Hauptanspruch 1 als nicht gewährbar aufgrund mangelnder erfinderischer Tätigkeit abgelehnt. Die Anmelderin hat daraufhin Beschwerde eingelegt und überarbeitete Unterlagen eingereicht.
In der Beschwerde wird argumentiert, dass der Gegenstand der neu eingereichten nebengeordneten Patentansprüche nicht durch die im Verfahren befindlichen Druckschriften nahegelegt ist. Die nebengeordneten Patentansprüche beziehen sich auf die Gestaltung der Auswahl eines Teilfensters auf einem Bildschirm eines Kassensystems. Die Anmelderin beantragt die Patenterteilung aufgrund dieser neuen Textfassung.
Das Gericht beurteilt die Beschwerde als zulässig und erfolgreich. Die nunmehrigen Patentansprüche erfüllen die Kriterien zur Patenterteilung und sind nicht durch den Stand der Technik nahegelegt oder vorbekannt. Das Patentbegehren ist klar und deutlich offenbart und kann von einem Fachmann umgesetzt werden.
Die angegebenen Korrekturen in der Beschlussformel sind notwendige Berichtigungen von offensichtlichen Unrichtigkeiten. Das Gericht kommt zu dem Schluss, dass die Patentansprüche gewährbar sind.
Insgesamt erfüllen die neu eingereichten Unterlagen die Voraussetzungen zur Patenterteilung und das Bundespatentgericht hebt den Beschluss der Prüfungsstelle auf und erteilt das Patent. Die Beschwerde der Anmelderin war erfolgreich.
Die Gerichtsentscheidung im Volltext:
BPatG: Beschluss v. 21.09.2006, Az: 17 W (pat) 55/04
Tenor
Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse G 06 F des Deutschen Patent- und Markenamts vom 8. Januar 2004 aufgehoben und das Patent erteilt.
Der Erteilung liegen folgende Unterlagen zugrunde:
Patentansprüche 1 bis 9, Beschreibung Seite 1 bis 10 und ein Blatt Zeichnungen mit Figur 1, alle Unterlagen eingegangen am 11. August 2006, wobei noch folgende offensichtliche Fehler zu korrigieren sind:
Patentanspruch 6 kennz. Teil "Folge von Pixeln abtastet" statt "abgetastet";
Beschreibung Seite 2 Zeile 17 "Kassensystems";
Beschreibung Seite 3 Zeile 23 "Austastlücken" statt "Abtastlücken";
Beschreibung Seite 8 Zeile 36 "wird, welche dann" statt "wird und dann".
Gründe
I.
Die vorliegende Patentanmeldung ist am 26. November 2002 unter Inanspruchnahme der Priorität einer Gebrauchsmusteranmeldung vom 10. September 2002 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingereicht worden mit der Bezeichnung:
"Teilfenster-Auswahl mittels Bildinhalt".
Sie wurde durch Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse G 06 F des Deutschen Patent- und Markenamts vom 8. Januar 2004 mit der Begründung zurückgewiesen, dass der Patentanspruch 1 mangels erfinderischer Tätigkeit nicht gewährbar sei.
Gegen diesen Beschluss wendet sich die Beschwerde der Anmelderin (A... GmbH in B...). Sie hat mit Eingabe vom 9. August 2006, eingegangen am 11. August 2006, komplett überarbeitete Unterlagen eingereicht und beantragt:
- Patenterteilung aufgrund der nunmehr vorliegenden Textfassung,
- hilfsweise mündliche Verhandlung.
Sie ist der Auffassung, der Gegenstand der neu eingereichten nebengeordneten Patentansprüche 1 und 6 sei nicht durch die im Verfahren befindlichen Druckschriften nahegelegt.
Die nunmehr geltenden nebengeordneten Patentansprüche lauten:
"1. Kassensystem mit zumindest einem Bildschirm (26), einem Rechner (10) und einer Einrichtung (20) zur Selektion eines Teilfensters (18) einer graphischen Anzeige (16) des Rechners (10) zum Anzeigen des Teilfensters (18) auf dem Bildschirm (26) des Kassensystems, dadurch gekennzeichnet, dass die Einrichtung (20) ein vorbestimmtes, visuell erkennbares graphisches Element in der graphischen Anzeige (16) lokalisiert und aus dessen Position die Position des anzuzeigenden Teilfensters (18) bestimmt.
6. Kassensystem mit zumindest einem Bildschirm (26), einem Rechner (10) und einer Einrichtung (20) zur Selektion eines Teilfensters (18) einer graphischen Anzeige (16) des Rechners (10) zum Anzeigen des Teilfensters (18) auf dem Bildschirm (26) des Kassensystems, dadurch gekennzeichnet, dass die Einrichtung (20) eine vorgegebene Folge von Pixeln abtastet, digitalisiert und decodiert, deren decodierte Bits die Position des Teilfensters (18) bestimmen."
Ihnen soll jetzt (siehe Beschreibung eingeg. 11. August 2006 S. 2 Abs. 3) die Aufgabe zugrundeliegen, die Auswahl eines Teilfensters auf einem Bildschirm eines Kassensystems derart zu gestalten, dass die Auswahl mit einfachen Mitteln, leicht anpassbar und zuverlässig durch den Programmierer der Anwendungen erreicht werden kann.
Bezüglich der Unteransprüche und der weiteren Unterlagen wird auf die Akte verwiesen.
II.
Die Beschwerde ist frist- und formgerecht eingereicht. Sie hat auch Erfolg, da das nunmehrige Patentbegehren durch den im Verfahren zitierten Stand der Technik nicht nahegelegt ist und auch sonst die Kriterien zur Patenterteilung erfüllt (PatG §§ 1 bis 5, § 34).
1. Als Fachmann für die angegebene Aufgabenstellung wird ein Entwicklungsingenieur für Kassensysteme auf PC-Basis mit Fachhochschulausbildung und guten PC-Hardware- und Softwarekenntnissen angesehen.
2. Der Erteilungsantrag ist zulässig.
Die nebengeordneten Patentansprüche 1 und 6 sind Konkretisierungen des ursprünglichen Hauptanspruchs und ergeben sich insbesondere aus Seite 6 Zeile 21 bis 29 und Anspruch 8 der ursprünglichen Unterlagen.
Die Unteransprüche 2 und 7 leiten sich ab von Seite 3 Zeile 1 / 2, Seite 5 Zeile 6 / 7, Seite 9 Zeile 28 bis 31 der ursprünglichen Unterlagen.
Die Unteransprüche 3 bis 5 entsprechen den ursprünglichen Ansprüchen 5 bis 7, die Unteransprüche 8 und 9 den ursprünglichen Ansprüchen 9 und 10, wobei der Fachmann beim Anspruch 8 den Begriff "Wiedergewinnung" aufgrund seines Fachwissens automatisch ergänzt.
In der vorliegenden Fassung sind die Ansprüche klar verständlich und ihre Lehre ist so deutlich und vollständig offenbart, dass ein Fachmann sie ausführen kann.
Bei den in der Beschlussformel angegebenen Korrekturen handelt es sich um notwendige Berichtigungen offenbarer Unrichtigkeiten.
3. Der jeweilige Gegenstand der nunmehr geltenden nebengeordneten Patentansprüche 1 und 6 ist durch die im Prüfungsverfahren zitierten Druckschriften:
D1 DE 41 22 036 A1 D2 WO 99 / 14 658 A1 D3 DE 39 05 830 A1
(von denen D1 und D2 - dort umgekehrt bezeichnet - dem Zurückweisungsbeschluss zugrundeliegen) nicht neuheitsschädlich vorbekannt und wird dem Fachmann durch sie auch nicht nahegelegt.
D1 beschreibt ein Kopiergerät mit Markier-Editier-Funktion. Auf der Kopiervorlage kann mit einem farbigen Stift ein Markierung gezogen werden, die nach Scannen der Vorlage vom Kopierer erkannt wird, so dass entweder der Bereich innerhalb der Markierung oder der Bereich außerhalb der Markierung automatisch gelöscht werden kann. Hier findet sich allenfalls eine Anregung, in gescannten Bilddaten ein visuell erkennbares graphisches Element zu lokalisieren. Es ist schon fraglich, ob ein Fachmann für Kassensysteme diese Druckschrift heranziehen würde; darüber hinaus lehrt D1 aber nichts in der Richtung, dass die Position des lokalisierten Elementes benutzt werden könnte, um die Position und ggf. die Größe eines Teilfensters zur Anzeige auf einem separaten Bildschirm zu bestimmen.
D2 ist bereits in der Anmeldung als nächstkommender Stand der Technik benannt worden. Sie beschreibt ein Kassensystem auf PC-Basis mit einer Grafikkarte, bei der ein auf einem separaten Bildschirm anzuzeigender Bereich (das Teilfenster) fest oder durch Programmierung bestimmter Register definiert wird. Von irgendeiner Art der Bestimmung des Teilfensters aus dem angezeigten Bild heraus ist keine Rede.
D3 betrifft ein Kopiergerät ähnlich wie D1, bei dem eine Farbstiftmarkierung automatisch erkannt wird. Hinsichtlich des zu prüfenden Patentbegehrens geht sie nicht weiter als D1.
Somit sind die über D2 hinausgehenden Merkmale der nebengeordneten Patentansprüche 1 und 6 (nämlich die Merkmale des jeweils kennzeichnenden Teils) nirgendwo vorbeschrieben; ohne Hinweis und Anregung im Stand der Technik sind sie auch für den Fachmann nicht von sich aus naheliegend.
Folglich sind die Patentansprüche 1 und 6 gewährbar.
Die Patentansprüche 2 bis 5 und 7 bis 9 beinhalten zweckmäßige, nicht selbstverständliche Ausgestaltungen der Erfindung und sind in Verbindung mit Anspruch 1 bzw. Anspruch 6 ebenfalls gewährbar.
BPatG:
Beschluss v. 21.09.2006
Az: 17 W (pat) 55/04
Link zum Urteil:
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