Kammergericht:
Beschluss vom 16. März 2010
Aktenzeichen: 1 W 457/09, 1 W 508/09, 1 W 517/09, 1 W 509/09, 1 W 510/09,

(KG: Beschluss v. 16.03.2010, Az.: 1 W 457/09, 1 W 508/09, 1 W 517/09, 1 W 509/09, 1 W 510/09, )




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Das Kammergericht Berlin hat in seinem Beschluss vom 16. März 2010 über die Kostenfestsetzung in einem Beschwerdeverfahren entschieden. Das Landgericht hatte zuvor die Kostenberechnungen des Beschwerdegegners gegenüber der Beschwerdeführerin aufgehoben. Das Kammergericht hat nun festgelegt, dass die Beschwerdeführerin nur eine Kostenpauschale von 620 Euro zu erstatten hat. Zudem wurde der Beschwerdeführerin auch die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens auferlegt. Der Wert der Beschwerde wurde auf höchstens 4500 Euro festgelegt. Die Rechtsbeschwerde wurde zugelassen.

Die Beschwerdeführerin hat Ausfertigungen verschiedener Kostenberechnungen des Beschwerdegegners angefochten. Das Landgericht hat daraufhin die Kostenberechnungen aufgehoben, da die Beschwerdeführerin nicht zur Zahlung verpflichtet sei. Die Kostenbeamtin des Landgerichts hat daraufhin die der Beschwerdeführerin zu erstattenden Kosten auf insgesamt 5137,60 Euro festgesetzt. Der Beschwerdegegner ist der Meinung, dass ihm nur 0,5 Gebühren nach der Kostenrechtsvereinbarung entstanden sind und dass die Verfahren identisch seien, wodurch nur eine Angelegenheit vorliege. Er beantragt außerdem, das Verfahren bis zur endgültigen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über eine Verfassungsbeschwerde auszusetzen.

Das Kammergericht hat die Beschwerde für zulässig und begründet erklärt. Eine Aussetzung des Verfahrens aufgrund der Verfassungsbeschwerde sei nicht nötig, da die Verfassungsbeschwerde ein eigenständiges Rechtsschutzmittel sei und die Entscheidung im vorliegenden Verfahren nicht beeinflusse. Das Gericht hat zudem festgelegt, dass die Verfahrensgebühr nach einer anderen Kostenrechtsvereinbarung als von der Kostenbeamtin angenommen zu berechnen sei. Sie beträgt nur 0,5 Gebühren. Des Weiteren hat das Gericht entschieden, dass die verschiedenen Verfahren als eine Angelegenheit behandelt werden können. Daher sind die Gebühren nicht nach den Einzelwerten zu berechnen, sondern nach den kumulierten Werten. Dies führt zu einer pauschalen Erstattung von 620 Euro. Die Entscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Rechtsbeschwerde wurde zugelassen, um die Frage des Gebührenansatzes nach einer bestimmten Kostenrechtsvereinbarung zu klären.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

KG: Beschluss v. 16.03.2010, Az: 1 W 457/09, 1 W 508/09, 1 W 517/09, 1 W 509/09, 1 W 510/09,


Tenor

In Änderung der angefochtenen Beschlüsse werden die nach dem Beschluss des Landgerichts Berlin vom 09.09.2009 von dem Beschwerdegegner an die Beschwerdeführerin zu erstattenden Kosten auf - lediglich -

620,00 EUR

- in Worten: sechshundertzwanzig Euro -

nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24.07.2009 festgesetzt.

Die Beschwerdeführerin hat dem Beschwerdegegner die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens zu erstatten.

Der Wert der Beschwerde beträgt bis 4500,00 EUR.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

I.

Die Beschwerdeführerin hat in dem vorliegenden Verfahren gegen vollstreckbare Ausfertigungen verschiedener Kostenberechnungen des Beschwerdegegners vom 11. Februar 2009, in der berichtigten Fassung vom 11.03.2009, Beschwerde nach § 156 KostO eingelegt. Das Landgericht Berlin hat durch Beschluss vom 06.07.2009 die Kostenberechnungen, wegen derer genauen Bezeichnung auf den Tenor des landgerichtlichen Beschlusses Bezug genommen wird, gegenüber der Beschwerdeführerin aufgehoben, weil diese nicht Kostenschuldnerin sei.

Für das Beschwerdeverfahren hat die Kostenbeamtin des Landgerichts die der Beschwerdeführerin zu erstattenden Kosten durch Beschluss vom 09.09.2009 in der Form des Berichtigungsbeschlusses vom 09.02.2010 auf 5.137,60 EUR festgesetzt. Zur Begründung ist ausgeführt, dass es sich entsprechend dem Kostenfestsetzungsantrag der Beschwerdeführerin bei den Kostenrechnungen um verschiedene Angelegenheiten im Beschwerdeverfahren handele und die Gebühren gemäß Nr. 3100 VV RVG berechnet werden können.

Die Rechtspflegerin hat mit dem Kostenfestsetzungsbeschluss vom 09.09.2009 antragsgemäß für jedes Beschwerdeverfahren gegen die jeweiligen Kostenberechnungen des Beschwerdegegners eine 1,3 Verfahrensgebühr gemäß RVG VV Nr. 3100 sowie die Auslagenpauschale gemäß VV Nr. 7002 festgesetzt, insgesamt 5137,60 EUR. Als Gegenstandswert hat sie jeweils den Rechnungsbetrag angesetzt.

Der Beschwerdegegner ist der Auffassung, im Kostenbeschwerdeverfahren nach § 156 KostO sei nur eine 0,5 Verfahrensgebühr nach RVG VV Nr. 3500 entstanden. Zudem betreffe das Beschwerdeverfahren identische Sachverhalte, weshalb nur von einer Angelegenheit mit Addition der Gegenstandswerte auszugehen sei.

Er beantragt zudem, das Verfahren gem. §§ 13 a Abs.3 FGG, 104 Abs.3 Satz 2 ZPO bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die mit Schriftsatz vom 22.12.2009 eingelegte Verfassungsbeschwerde (Az. 2 BVR 2971/09) auszusetzen.

II.

Die gemäß § 13a Abs. 3 FGG, §§ 103 ff. ZPO statthafte sofortige Beschwerde, der das Landgericht nicht abgeholfen hat, ist gemäß §§ 567, 569 ZPO zulässig und begründet.

1. Eine Aussetzung des Verfahrens im Hinblick auf die eingelegte Verfassungsbeschwerde ist nicht veranlasst. Bei der Verfassungsbeschwerde handelt es sich nicht um einen zusätzlichen Rechtsbehelf zum fachgerichtlichen Verfahren, sondern um ein eigenständiges, besonderes Rechtsschutzmittel zur prozessualen Durchsetzung der Grundrechte oder diesen gleichgestellter Rechte (vgl. BVerfG, NJW 1987, 1191 m.w.N.), das im Falle des Erfolges zur Durchbrechung der Rechtskraft führt. Sie hindert mithin nicht die Entscheidung im vorliegenden Verfahren, unabhängig davon, ob ohnehin eine Aussetzung nur bei Annahme der Verfassungsbeschwerde durch das Bundesverfassungsgericht in Betracht käme (vgl. OVG Bremen, NVwZ-RR 2009, 273).

82. Die Verfahrensgebühr bestimmt sich vorliegend in Abweichung zur Auffassung der Kostenbeamtin nach RVG VV Nr. 3500, so dass die Beschwerde insoweit Erfolg hat.

Der Senat hat in NJOZ 2009, 4596, 4597 ausgeführt:

€Für die Notarkostenbeschwerde nach § 156 KostO hat das LG Berlin (AGS 2006, 484) entschieden, dass dem Verfahrensbevollmächtigten die Gebühren nach Nrn. 3100ff. VV-RVG und nicht nach Nrn. 3500ff. entstehen; denn dieses Verfahren sei kostenrechtlich als erstinstanzliches Verfahren zu behandeln (zust. N. Schneider in: AnwK-RVG Rdn.6 zu VV 3500 <dort mit Fehlzitat, da es zu Fn.4 statt KG LG heißen muss>). ....

Die Notarkostenbeschwerde ist in § 156 KostO zwar als Beschwerde gegen die Kostenberechnung des Notars (§ 154 KostO) ausgestaltet, unterscheidet sich insoweit aber nicht von der Beschwerde gegen den gerichtlichen Kostenansatz nach § 14 Absatz III KostO. Das legt es nahe, die Gebühr nach Nr. 3500 VV-RVG zu bestimmen, zumal auch das erstinstanzliche Verfahren der Erinnerung unter diese Bestimmung fällt. Andererseits hat der Gesetzgeber der Eigenart des gegen die Notarkostenberechnung gerichteten Rechtsbehelfs inzwischen dadurch Rechnung getragen, dass er diesen in § 156 KostO in der ab 1. 9. 2009 geltenden Fassung (abgedr. bei Hartmann, Kostengesetze, 39. Aufl.) nunmehr als Antrag auf gerichtliche Entscheidung ausgestaltet hat, für den zweifellos die Verfahrensgebühr des 1. Rechtszuges nach Nrn. 3100ff. VV-RVG anfällt. ...

12Ein kostenrechtlicher Begriff des ersten Rechtszuges, dem die Notarbeschwerden nach § 15 BNotO, § 54 BeurkG trotz ihrer verfahrensrechtlichen Ausgestaltung als Beschwerden nach § 19ff. FGG zuzuordnen wären, ist dem RVG nicht zu entnehmen. Richtig ist, dass in Teil 3 VV-RVG für die gerichtlichen Verfahren € auch der freiwilligen Gerichtsbarkeit, anders als nach Abschnitt 3 der BRAGO € für alle Verfahren des 1. Rechtszugs durch die Auffangregelung in Vorb. 3.1 I zu Abschnitt 1 eine einheitliche und umfassende Regelung getroffen wurde. Ein Begriff des 1. Rechtszugs, der auch ein verfahrensrechtlich in 2. Instanz geführtes Verfahren umfassen würde, lässt sich daraus aber nicht entwickeln. Insbesondere kann nicht darauf abgestellt werden, die in Abschnitt 5 geregelten Beschwerden setzten notwendig voraus, dass zuvor in 1. Instanz ein dem 1. Abschnitt unterfallendes gerichtliches Verfahren geführt wurde. Das wäre eine petitio principii. Es lässt sich, auch in kostenrechtlicher Betrachtung, kein zwingender Grund dafür angeben, das vom Gesetzgeber vorausgesetzte €Verfahren€ der 1. Instanz vor dem Notar müsse außer Betracht bleiben und der erste Rechtszug mit der beim LG einzulegenden Beschwerde beginnen. ...€.

Nach Ansicht des Senats ist die bisher offen gelassene Frage, ob im Notarkostenbeschwerdever-fahren (nach altem Recht) die Vergütung nach Nrn. 3500 ff. VV oder aber nach Nr. 3100 VV zu bemessen ist, dahingehend zu beantworten, dass Nr. 3500 VV einschlägig ist.

14Neben den vorstehend zitierten Erwägungen des Senat spricht hierfür auch, dass in der Vorbemerkung 3.5. ausdrücklich bestimmt ist, dass die Gebühren nach diesem Abschnitt nicht in den in Vorbemerkung 3.1 Abs.2 und Vorbemerkung 3.2.1 genannten Beschwerdeverfahren entstehen. Das Notarkostenbeschwerdeverfahren ist insoweit nicht von der Anwendbarkeit ausgenommen.

15Die Verfahrensgebühr Nr.3500 entsteht somit für alle anderen als den in den vorgenannten Vormerkungen bzw. in den gesondert in Abschnitt 5 aufgeführten Beschwerdeverfahren und zwar unabhängig davon, gegen welche Maßnahme sich die Beschwerde richtet (so zu Recht Bräuer in Bischof RVG, 3.Aufl., Rdn.2 zu Nr.3500 VV).

2. Die somit anzusetzende 0,5 Gebühr nach Nr. 3500 VV ist in den verschiedenen Verfahren zudem nicht nach den Einzelwerten zu berechnen, sondern nach den kumulierten Werten.

Die Verfahren betreffen dieselbe Angelegenheit im Sinne des § 15 Abs. 2 Satz 1 RVG mit der Folge, dass gemäß § 22 Abs. 1 RVG die Werte der Gegenstände zusammenzurechnen sind.

18Unter einer €Angelegenheit€ ist das gesamte Geschäft zu verstehen, das der Rechtsanwalt für die Auftraggeber besorgen soll. Im Allgemeinen ist die Angelegenheit bei der Tätigkeit in einem gerichtlichen Verfahren mit diesem Verfahren identisch, jedes gerichtliche Verfahren also (mindestens) eine gesonderte Angelegenheit . Trotz der in § 15 Abs. 2 Satz 2 RVG normierten gebührenrechtlichen Einheit des Rechtszugs gilt allerdings unter bestimmten Voraussetzungen ausnahmsweise etwas anderes. Eine solche Ausnahme wird angenommen, wenn mehrere Verfahren miteinander verbunden werden. Eine Verbindung der Verfahren ist hier zwar nicht erfolgt, das Landgericht hat jedoch in einem einheitlichen Beschluss über die festzusetzenden Kosten entschieden. Auch in einem solchen Fall liegt ausnahmsweise nur eine Angelegenheit im Sinne von § 15 Abs. 2 Satz 1 RVG vor, wenn diese von einem einheitlichen Auftrag umfasst wird, zwischen den Gegenständen der einen Angelegenheit ein innerer Zusammenhang besteht und der Rechtsanwalt einen einheitlichen Tätigkeitsrahmen wahrt (vgl. BGH, NJW 2007, 769, 770 m.w.N.).

Vorliegend sind diese Voraussetzungen erfüllt.

Von einem einheitlichen Auftrag ist auszugehen. Die Frage, ob eine Angelegenheit oder mehrere vorliegen, bemisst sich unter dem Gesichtspunkt des einheitlichen Auftrags danach, ob es noch im Rahmen einer ordnungsgemäßen Bearbeitung der Aufträge liegt, die verschiedenen Gegenstände in gemeinsamen Besprechungsterminen mit der Mandantschaft zu erörtern.

21Dies ist zu bejahen. Es ist anzunehmen, dass die Mandate dem Prozessbevollmächtigten im Rahmen eines gemeinsamen Termins erteilt worden sind und im Hinblick auf die Verfahren tatsächlich gemeinsame Besprechungstermine durchgeführt worden sind. Dafür spricht, dass die Problemstellung - Frage der Kostenschuldnerschaft - sowie das jeweiliges Begehren € Aufhebung der Zahlungsverpflichtung - identisch waren. Jedenfalls aber hätte sich die Anberaumung gemeinsamer Besprechungstermine aufgedrängt und war davon auszugehen, dass eine im Wesentlichen gleich gerichtete Bearbeitung erfolgen würde, weil die sich stellenden Rechtsfragen identisch waren.

Ein innerer Zusammenhang lag angesichts der im Wesentlichen gleichen Sachverhaltsgestaltungen und Anträge, die in parallelen Verfahren mit gleichgerichtetem Vorgehen verfolgt wurden, zweifellos vor.

Der Verfahrensbevollmächtigte der Beschwerdegegnerin hat auch einen einheitlichen Tätigkeitsrahmen gewahrt. In den in Rede stehenden Notarkostenbeschwerdeverfahren hat der Verfahrensbevollmächtigte alle Verfahren in einheitlichen Schriftsätzen mit identischer Argumentation behandelt.

24Auch der Verfahrensablauf im Übrigen war identisch. Mithin ist von einer Angelegenheit auszugehen.

4. Die zu erstattenden Gebühren sind daher wie folgt festzusetzen:

Gegenstandswert bis 75.000,00 EUR 0,5 Verfahrensgebühr Nr. 3500 VV600,00 EURPauschale Nr. 7002 20,00 EURDas Urteil ist vorläufig vollstreckbar. 620,00 EURSoweit der Beschwerdegegner 737,80 EUR errechnet hat, beruht dies auf der fehlerhaften Annahme, dass Umsatzsteuer anzusetzen sei. Diese ist jedoch von der Beschwerdeführerin nicht in Ansatz gebracht worden. Auch wenn eine Abänderung im Kostenfestsetzungsverfahren nur im Umfang der Anfechtung zulässig ist, können offensichtliche Fehlberechnungen korrigiert werden.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Die Rechtsbeschwerde war nach § 574 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 ZPO zur Frage des Gebührenansatzes nach Nr. 3100 oder Nr. 3500 VV RVG zuzulassen.






KG:
Beschluss v. 16.03.2010
Az: 1 W 457/09, 1 W 508/09, 1 W 517/09, 1 W 509/09, 1 W 510/09,


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/gerichtsentscheidung/d672714f7824/KG_Beschluss_vom_16-Maerz-2010_Az_1-W-457-09-1-W-508-09-1-W-517-09-1-W-509-09-1-W-510-09-




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