Oberlandesgericht Frankfurt am Main:
Beschluss vom 29. März 2011
Aktenzeichen: 11 AR 23/10
(OLG Frankfurt am Main: Beschluss v. 29.03.2011, Az.: 11 AR 23/10)
Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung
Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hat entschieden, dass bei der Zurücknahme eines Antrags auf Zuständigkeitsbestimmung keine Kostenentscheidung veranlasst ist. In dem konkreten Fall war das Hauptsacheverfahren bereits rechtshängig und die Antragsgegner wurden im Zuständigkeitsbestimmungsverfahren durch dieselben Anwälte vertreten wie im Hauptsacheverfahren.
Gemäß § 19 Absatz 1 Satz 2 Nr. 3 RVG gehört das Zuständigkeitsbestimmungsverfahren kostenrechtlich zu dem Hauptsacheverfahren, wodurch grundsätzlich die für das Hauptsacheverfahren anfallenden Gebühren abgegolten sind. Früher wurde unter der Geltung von §37 BRAGO entschieden, dass bei einer Rücknahme des Antrags auf Bestimmung des zuständigen Gerichts über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden sei, doch diese Regelung ist nicht mehr anwendbar, da das RVG ausdrücklich auf mit dem Rechtszug zusammenhängende "Verfahren" Bezug nimmt.
Die aktuelle Rechtsprechung und Lehre gehen davon aus, dass ein durch Rücknahme oder Antragszurückweisung endendes Zuständigkeitsbestimmungsverfahren keinen anwaltlichen Gebührenanspruch auslöst, wenn das Hauptsacheverfahren bereits rechtshängig ist und die Antragsgegner im Zuständigkeitsbestimmungsverfahren durch dieselben Anwälte wie im Hauptsacheverfahren vertreten werden.
Es bleibt offen, ob dies anders zu beurteilen ist, wenn das Zuständigkeitsbestimmungsverfahren vor Einleitung eines Hauptsacheverfahrens durchgeführt wird und / oder der Bevollmächtigte des Bestimmungsverfahrens nicht identisch ist mit demjenigen des Hauptsacheverfahrens.
Da im vorliegenden Fall keine Kosten geltend gemacht werden können, fehlt das Rechtsschutzbedürfnis für eine Kostenentscheidung. Die frühere Rechtsprechung des zuständigen 21. Zivilsenats, in solchen Fällen eine Kostenentscheidung zu treffen, wird vom derzeit zuständigen 11. Zivilsenat nicht mehr geteilt.
Die Gerichtsentscheidung im Volltext:
OLG Frankfurt am Main: Beschluss v. 29.03.2011, Az: 11 AR 23/10
Wird ein Antrag auf Zuständigkeitsbestimmung nach § 36 Absatz 1 Nr. 3 ZPO zurückgewiesen oder zurückgenommen, ist jedenfalls dann keine Kostenentscheidung veranlasst, wenn das Hauptsacheverfahren bereits rechtshängig ist und die Antragsgegner im Zuständigkeitsbestimmungsverfahren durch dieselben Anwälte vertreten werden.
Tenor
Der Antrag des Beklagten zu 3), dem Kläger die Kosten des Zuständigkeitsbestimmungsverfahrens aufzuerlegen, wird zurückgewiesen.
Gründe
Bei der Zurücknahme des Antrags auf Zuständigkeitsbestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO ist nach Auffassung des Senats keine Kostenentscheidung veranlasst, weil durch das Zuständigkeitsbestimmungsverfahren weder Gerichts- noch Anwaltsgebühren angefallen sind.
Das Zuständigkeitsbestimmungsverfahren gehört nach § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 RVG kostenrechtlich zu dem Hauptsacheverfahren, so dass es grundsätzlich durch die für das Hauptsacheverfahren anfallenden Gebühren abgegolten wird.
Zwar hat der Bundesgerichtshof unter der Geltung der Vorläufervorschrift des § 37 BRAGO entschieden, dass bei einer Rücknahme des Antrags auf Bestimmung des zuständigen Gerichts in entsprechender Anwendung des § 269 Abs. 3 ZPO bzw. bei einer Ablehnung des Antrags gem. § 91 ZPO über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden sei (BGH NJW-RR 1987, 757; ihm folgend etwa BayObLG NJW 2002, 2888).
Allerdings war in § 37 BRAGO nur bestimmt, dass u.a. €die Bestimmung des zuständigen Gerichts€ zum Rechtszug gehöre, während § 19 Abs. 1 Satz 1 RVG ausdrücklich Bezug nimmt auf mit dem Rechtszug zusammenhängende €Verfahren€ - darunter u.a. gemäß S. 2 Nr. 3 die Bestimmung des zuständigen Gerichts. Damit besteht keine Veranlassung mehr, im Rahmen des Zuständigkeitsbestimmungsverfahrens kostenrechtlich danach zu differenzieren, ob dieses €Verfahren€ mit einer Bestimmung des zuständigen Gerichts, mit einer Ablehnung der Bestimmung oder mit einer Antragsrücknahme endet (vgl. Bischof in Bischof/Jungbauer/Bräuer/Curcovic/Mathias/Uher, RVG, 3. Aufl. 2009, § 19 Rdnr. 37a). Es erscheint nicht sachgerecht, einen anwaltlichen Vergütungsanspruch davon abhängig zu machen, ob ein (selbst oder von der Gegenseite gestellter) Antrag Erfolg hat oder nicht.
Dementsprechend geht die mittlerweile herrschende Rechtsprechung und Lehre davon aus, dass auch ein durch Rücknahme oder Antragszurückweisung endendes Zuständigkeitsbestimmungsverfahren jedenfalls dann keinen anwaltlichen Gebührenanspruch auslöst, wenn € wie im vorliegenden Fall € das Hauptsacheverfahren bereits rechtshängig ist und die Antragsgegner im Zuständigkeitsbestimmungsverfahren durch dieselben Anwälte vertreten werden wie im Hauptsacheverfahren (OLG München, Beschluss vom 13.6.2007, 31 AR 79/07 € in ausdrücklicher Abkehr von der anderslautenden Rechtsprechung des früher für die Bestimmungsverfahren zuständigen BayObLG sowie Beschluss vom 21.9.2007, 11 W 2271/07; OLG Dresden, Beschluss vom 14.7.2005, 1 AR 120/04; OLG Köln, Beschluss vom 21.12.2007, 8 W 23/07 ; Zöller-Herget, ZPO, 27. Aufl., § 91 ZPO Rdnr. 13 €Bestimmung des zuständigen Gerichts€; Mock in: Schneider/Wolf, AnwaltKommentar RVG, 5. Aufl. 2010, § 19 Rdnr. 49; Ebert in: Mayer/Kroiß, RVG, 4. Aufl. 2009, § 19 Rdnr. 45; Müller-Rabe in: Gerold/Schmidt, RVG, 19. Aufl. 2010, § 19 Rdnr. 41. Bei der im Antrag für die Gegenauffassung zitierten Entscheidung des OLG Koblenz vom 28.3.2006, 4 SmA 48/05 stand zum Zeitpunkt der Kostenentscheidung noch nicht fest, ob überhaupt ein Hauptsacheverfahren durchgeführt wird; ebenso wohl bei der Entscheidung des 5. Zivilsenates des OLG Köln vom 13.3.2007, 5 W 87/06. A.A.: OLG Celle, Beschluss vom 23.1.2009, 2 W 2/09)
Ob dies anders zu beurteilen ist, wenn das Zuständigkeitsbestimmungsverfahren vor Einleitung eines Hauptsacheverfahrens durchgeführt wird und / oder der Bevollmächtigte des Bestimmungsverfahrens nicht identisch ist mit demjenigen des Hauptsacheverfahrens, ist vorliegend nicht zu entscheiden.
Zwar ist eine Kostengrundentscheidung regelmäßig unabhängig davon zu treffen, ob im Einzelfall Kosten anfallen oder nicht. Steht jedoch € wie hier € fest, dass keinerlei Kosten geltend gemacht werden können, so fehlt das Rechtsschutzbedürfnis für eine derart ins Leere laufende Entscheidung (vgl. OLG München, Beschluss vom 13.6.2007, 31 AR 79/07). Soweit der früher für Zuständigkeitsbestimmungsverfahren zuständige 21. Zivilsenat auch in Fällen wie dem vorliegenden eine Kostenentscheidung getroffen hat, hält der nunmehr zuständige 11. Zivilsenat an dieser Rechtsprechung nicht fest.
OLG Frankfurt am Main:
Beschluss v. 29.03.2011
Az: 11 AR 23/10
Link zum Urteil:
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