Bundesgerichtshof:
Urteil vom 13. Dezember 2007
Aktenzeichen: I ZR 71/05
(BGH: Urteil v. 13.12.2007, Az.: I ZR 71/05)
Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung
Die Klägerin stellt Ultraschallgeneratoren her und vertreibt diese. Der Beklagte war als Entwicklungstechniker bei der Klägerin beschäftigt und gründete später die Beklagte zu 2, die ebenfalls Ultraschallgeneratoren vertreibt. Die Klägerin behauptet, der Beklagte habe technische Unterlagen und Konstruktionszeichnungen mitgenommen, um die Generatoren der Klägerin nachzubauen. Sie fordert daher Unterlassung, Auskunft und Herausgabe von den Beklagten und beantragt Schadensersatz. Das Landgericht gab der Klage statt, das Oberlandesgericht wies sie jedoch ab. In der Revision wurde das Urteil aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Das Berufungsgericht hatte zu hohe Anforderungen an den substantiierten Vortrag der Klägerin gestellt und zu Unrecht angenommen, dass nur die Verwertung konkret umschriebener Betriebsgeheimnisse untersagt werden könne. Das Berufungsgericht hatte außerdem nicht geprüft, ob die Klägerin Ansprüche aus unlauterer Nachahmung geltend gemacht hatte. Die Sache muss nun erneut vor dem Berufungsgericht verhandelt werden, da wesentliche Feststellungen noch nicht getroffen wurden.
Die Gerichtsentscheidung im Volltext:
BGH: Urteil v. 13.12.2007, Az: I ZR 71/05
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 13. April 2005 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen.
Tatbestand
Die Klägerin stellt her und vertreibt Ultraschallgeneratoren. Der Beklagte zu 1 (im Folgenden: der Beklagte) war bei ihr vom 1. Januar 1997 bis 30. Juni 1999 als Entwicklungstechniker unter anderem für Ultraschallgeneratoren beschäftigt. Ein mit Hilfe weiterer Mitarbeiter der Klägerin weiterentwickelter Schweißmodulgenerator erreichte Ende 1998 Serienreife.
Am 10. Dezember 1998 gründete der Beklagte die Beklagte zu 2 (im Folgenden: die Beklagte), die sich ebenfalls mit dem Vertrieb von Ultraschallgeneratoren befasst. Der Beklagte ist alleiniger Geschäftsführer und Mitgesellschafter der Beklagten.
Nachdem er das Angestelltenverhältnis bei der Klägerin durch Kündigung zum 30. Juni 1999 beendet hatte, bot der Beklagte einem Hauptkunden der Klägerin die Lieferung von Schweißmodulgeneratoren zu Preisen an, die unter denen der Klägerin lagen. Die Klägerin hat vorgetragen, der Beklagte habe insbesondere technische Unterlagen und Konstruktionszeichnungen bei der Klägerin mitgenommen, um deren Ultraschallgeneratoren identisch nachbauen zu können. Er habe auch den Zeugen P., den Geschäftsführer der m. GmbH, die die Leiterplatinen für die Generatoren der Klägerin geliefert habe, überredet, die Produktionslayouts für die Leiterplatinen herauszugeben. Dadurch sei es ihm möglich gewesen, die Platinen im Verhältnis 1 zu 1 nachzubauen.
Die Klägerin hat die Beklagten auf Unterlassung, Auskunftserteilung und Herausgabe in Anspruch genommen; ferner hat sie die Feststellung der Schadensersatzverpflichtung der Beklagten beantragt. Sie hat die Klage auf die rechtswidrige Verwertung von Betriebsgeheimnissen und auf wettbewerbswidrige Leistungsübernahme gestützt.
Das Landgericht hat die Beklagten - im Wesentlichen antragsgemäß - verurteilt. Das Berufungsgericht hat die Klage abgewiesen.
Mit der vom Senat zugelassenen Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils. Die Beklagten beantragen, die Revision zurückzuweisen.
Gründe
I. Das Berufungsgericht hat die Klage abgewiesen, weil die Klägerin nicht dargelegt habe, welches Betriebsgeheimnis die Beklagten durch den Vertrieb von Ultraschallgeneratoren verletzt hätten. Nach den Angaben, die der Sachverständige S. vor dem Landgericht gemacht habe, könne allenfalls bei 20% der Schaltungen, die bei der Herstellung des als Verletzungsform angegriffenen Generators verwendet würden, ein Betriebsgeheimnis angenommen werden. Den im Klageantrag wie im landgerichtlichen Urteil abgebildeten vollständigen Schaltplänen könne nicht entnommen werden, für welchen Teil Geheimnisschutz bestehe und welche Schaltungen technisch vorgegeben seien. Dazu hätte es einer konkreten Darlegung bedurft, nachdem der Zeuge P. vor dem Landgericht angegeben habe, dass er früher für das Unternehmen W. Layouts hergestellt habe und deshalb sagen könne, dass der Generator von W. demjenigen der Klägerin ähnele. Ansprüche wegen Verletzung eines Betriebsgeheimnisses stünden der Klägerin mithin nicht zu; Ansprüche aus unlauterer Nachahmung mache die Klägerin im Berufungsverfahren nicht mehr geltend.
II. Die Revision der Klägerin ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Auf der Grundlage der Feststellungen des Landgerichts, die das Berufungsgericht seiner Entscheidung - ohne eigene Feststellungen zu treffen - zugrunde gelegt hat, durfte die Klage nicht abgewiesen werden. Rechtsfehlerhaft ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass dem Beklagten nur die Verwertung konkret umschriebener Betriebsgeheimnisse untersagt werden könne.
1. Der Unterlassungsantrag der Klägerin ist hinreichend bestimmt. Die Klägerin hat die angegriffene Ausführungsform im Antrag konkret umschrieben, indem sie sich auf die Schaltpläne und Layouts bezogen hat, die dementsprechend auch als Anlagen 1 bis 10 dem landgerichtlichen Urteilstenor angeheftet sind. Aus dem Antrag muss sich nicht ergeben, in welchen Elementen die angegriffene Ausführungsform rechtsverletzend ist.
Wie die Revision zutreffend ausführt, ergibt sich etwas anderes auch nicht aus der Senatsentscheidung "Spritzgießwerkzeuge" (BGH, Urt. v. 3.5.2001 - I ZR 153/99, GRUR 2002, 91, 95 = WRP 2001, 1174). Danach ist zwar Voraussetzung einer Verurteilung, die die Benutzung einzelner Merkmale einer Vorrichtung untersagt, dass diese Merkmale als Betriebsgeheimnis anzusehen sind. Im Unterschied dazu umschreibt der Unterlassungsantrag im Streitfall Ultraschallgeneratoren, in denen die im Antrag bezeichneten Schaltpläne und Layouts vollständig enthalten sind, und ist damit auf die konkrete Verletzungshandlung gerichtet.
2. Während des Berufungsverfahrens ist das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb vom 3. Juli 2004 in Kraft getreten. Soweit die Klägerin einen in die Zukunft gerichteten Unterlassungsantrag geltend macht, kann ihre Klage nur Erfolg haben, wenn das beanstandete Verhalten der Beklagten zu der Zeit, zu der es erfolgt ist, solche Ansprüche begründet hat und wenn diese Ansprüche auch auf der Grundlage der neuen Rechtslage noch bestehen. Die Frage, ob der Klägerin Schadensersatz- und Auskunftsansprüche zustehen - auch die als Schadensersatz beanspruchte Herausgabe gehört hierher -, richtet sich dagegen allein nach dem zur Zeit der beanstandeten Handlungen in den Jahren 1998 und 1999 geltenden früheren Recht.
Die für diese Beurteilung maßgebliche Rechtslage hat sich allerdings inhaltlich durch das In-Kraft-Treten des neuen Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb nicht geändert. Die im Streitfall maßgeblichen Bestimmungen des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb entsprechen inhaltlich den Bestimmungen des früheren Rechts, so dass im Folgenden nicht zwischen altem und neuem Recht unterschieden zu werden braucht (vgl. BGH, Urt. v. 27.4.2006 - I ZR 126/03, GRUR 2006, 1044 Tz. 8 f. = WRP 2006, 1511 - Kundendatenprogramm).
3. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts setzt die Begründetheit des von der Klägerin verfolgten Unterlassungsantrags nicht voraus, dass die antragsgemäßen Schaltpläne und Layouts in allen Elementen Betriebsgeheimnisse der Klägerin darstellen. Ausreichend ist vielmehr, dass diese Schaltpläne und Layouts Betriebsgeheimnisse der Klägerin enthalten.
a) Das Berufungsgericht hat den Vortrag der Klägerin nicht als ausreichend erachtet. Die Klägerin habe nicht dargelegt, welche konkreten Schaltungen Betriebsgeheimnisse darstellten und welche dem Stand der Technik zuzurechnen seien. Damit hat das Berufungsgericht zu hohe Anforderungen an den substantiierten Vortrag der Tatbestandsvoraussetzungen des § 17 Abs. 1 UWG gestellt.
Zu Unrecht hat das Berufungsgericht angenommen, das Vorbringen, wonach ein bestimmter Schaltplan ein Betriebsgeheimnis enthalte, sei unsubstantiiert, solange nicht im Einzelnen dargelegt sei, in welchen konkreten Schaltungen das Betriebsgeheimnis zu sehen sei.
Nach dem vom Berufungsgericht festgestellten Sachverhalt enthalten die antragsgemäßen Schaltpläne und Layouts Betriebsgeheimnisse der Klägerin. Zwar hatte die vom Landgericht durchgeführte Beweisaufnahme ergeben, dass die Schaltungen zu einem großen Teil vorgegeben waren. Dennoch ist das Landgericht aufgrund der Beweisaufnahme davon ausgegangen, dass ein bestimmter Teil der Schaltungen - nach Angaben des Sachverständigen ca. 20% - als Betriebsgeheimnis bewertet werden könne. Auf dieser Grundlage stellt sich das Klagevorbringen nicht als unsubstantiiert dar.
Steht fest, dass ein Schaltplan neben Schaltungen, die allgemeinem Standard entsprechen, auch Schaltungen und Layouts enthält, die als Betriebsgeheimnis der Klägerin anzusehen sind, ist ein Antrag begründet, der darauf gerichtet ist, dem Beklagten den Handel mit Geräten zu untersagen, die einen derartigen Schaltplan enthalten. Lässt sich dem Klagevorbringen nicht entnehmen, in welchen Schaltungen sich das Betriebsgeheimnis verkörpert, führt dies nicht zur Unbegründetheit der Klage, sondern beeinflusst lediglich den Umfang des auszusprechenden Unterlassungsgebots. Der Schuldner kann bei einer Abänderung des Schaltplans verhältnismäßig leicht aus dem aufgrund eines solchen Vortrags sowie entsprechender Feststellungen ausgesprochenen Verbot herausgelangen. Denn wenn den Urteilsgründen lediglich zu entnehmen ist, dass jedenfalls der verwendete Schaltplan als ganzes ein Betriebsgeheimnis enthält, kann bei einer Abänderung des Schaltplans nicht mehr davon ausgegangen werden, dass das Betriebsgeheimnis gerade in dem noch übereinstimmenden Teil des Schaltplans verkörpert ist.
Lassen sich dagegen dem Klagevorbringen und dementsprechend den Urteilsgründen konkrete Feststellungen dazu entnehmen, in welchen Elementen des Schaltplans das Betriebsgeheimnis zu sehen ist, kann nach dem Grundsatz, dass auch im Kern gleichartige Verletzungshandlungen von dem Unterlassungsgebot erfasst werden, aufgrund des Unterlassungsurteils auch die Verwendung eines abgeänderten Schaltplans verboten werden, soweit er die das Betriebsgeheimnis bildenden Elemente unverändert enthält.
b) Soweit das Berufungsgericht darauf abstellt, dass der überwiegende Teil der Schaltpläne sich vom Stand der Technik nicht abhebe, verkennt es, dass nicht jede im Patentrecht neuheitsschädliche Tatsache den Geheimnisschutz nach § 17 UWG ausschließt (vgl. BGH, Urt. v. 7.11.2002 - I ZR 64/00, GRUR 2003, 356, 358 = WRP 2003, 500 - Präzisionsmessgeräte; Köhler in Hefermehl/Köhler/Bornkamm, UWG, 26. Aufl., § 17 Rdn. 11; Harte-Bavendamm in Harte/Henning, UWG, § 17 Rdn. 4; Kraßer, GRUR 1977, 177, 179). Für den Schutz als Betriebsgeheimnis kommt es darauf an, ob die fragliche Information allgemein, d.h. ohne großen Zeit- und Kostenaufwand, zugänglich ist. Der Stand der Technik umfasst dagegen eine Fülle von unaufbereiteten Informationen, die nur mit großem Aufwand ausfindig und zugänglich gemacht werden können.
4. Mit Erfolg wendet sich die Revision darüber hinaus gegen die Annahme des Berufungsgerichts, die Klägerin habe in der Berufungsinstanz die in der ersten Instanz verfolgten Ansprüche aus unlauterer Nachahmung eines wettbewerblich eigenartigen Leistungsergebnisses nicht mehr geltend gemacht. Die Revision weist zutreffend darauf hin, dass das Gegenteil der Fall sei. Die Klägerin hat sich in der Berufungserwiderung ausdrücklich darauf gestützt, dass es sich bei dem beanstandeten Verhalten auch um eine unmittelbare Leistungsübernahme handele, die nach § 1 UWG (a.F.) zu untersagen sei (GA III 77). Aber auch wenn die Klägerin sich im Berufungsverfahren nicht mehr ausdrücklich auf den wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz gestützt hätte, hätte das Berufungsgericht diesen Gesichtspunkt nicht ungeprüft lassen dürfen.
III. Die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Der Senat ist an einer eigenen Sachentscheidung gehindert, weil das Berufungsgericht wesentliche zur Beurteilung des Klagebegehrens erforderliche tatrichterliche Feststellungen noch nicht getroffen hat (§ 563 Abs. 1, 3 ZPO). Das Berufungsgericht hat zwar pauschal auf die Feststellungen des Landgerichts zum Sach- und Streitstand verwiesen. Nachdem es auf der Grundlage der fehlerhaften Rechtsauffassung des Berufungsgerichts darauf nicht mehr ankam, kann aber nicht angenommen werden, dass sich das Berufungsgericht auch die weiteren Feststellungen des Landgerichts zum Tatbestand des § 17 UWG zu eigen gemacht hat, die die Beklagten mit der Berufung angegriffen haben.
Bornkamm Pokrant Büscher Bergmann Kirchhoff Vorinstanzen: LG Karlsruhe, Entscheidung vom 30.12.2003 - 15 O 164/99 KfH IV - OLG Karlsruhe, Entscheidung vom 13.04.2005 - 6 U 15/04 -
BGH:
Urteil v. 13.12.2007
Az: I ZR 71/05
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