Bundespatentgericht:
Beschluss vom 3. August 2004
Aktenzeichen: 24 W (pat) 84/03
(BPatG: Beschluss v. 03.08.2004, Az.: 24 W (pat) 84/03)
Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung
Das Bundespatentgericht hat in seinem Beschluss vom 3. August 2004 (24 W (pat) 84/03) einer Beschwerde stattgegeben und den Beschluss der Markenstelle des Deutschen Patent- und Markenamts vom 7. Januar 2003 teilweise aufgehoben. Die Markenstelle hatte die Anmeldung für die Ware "nichtmedizinische Zahncremes" zurückgewiesen, da die angemeldete Kennzeichnung keine Unterscheidungskraft aufweise. Das Bundespatentgericht stimmte dieser Einschätzung zu und wies die Beschwerde in allen Punkten zurück, außer in Bezug auf die Waren "nichtmedizinische Zahncremes". Hier sah das Gericht eine ausreichende Unterscheidungskraft gegeben und hob den entsprechenden Teil des Beschlusses auf. Die Anmelderin hatte argumentiert, dass auch dreidimensionale Marken schutzfähig sein können und dass die angemeldete Form sich von anderen auf dem Markt üblichen Verpackungen unterscheide. Das Gericht war jedoch der Ansicht, dass die angemeldete Marke keine ausreichende Unterscheidungskraft aufweise, da sie sich innerhalb des üblichen Formen und Farbenreichtums auf dem Markt für Körper- und Schönheitspflegeprodukte einfüge. Bei den meisten Verbrauchern würde die Form der Verpackung keine Assoziation mit einem bestimmten Unternehmen hervorrufen. Das Gericht verneinte daher die erforderliche Unterscheidungskraft, außer für "nichtmedizinische Zahncremes", da bei diesen Produkten keine vergleichbaren Formen verwendet werden und die Aufbewahrung in einer Flasche mit Ausgießöffnung unüblich sei.
Die Gerichtsentscheidung im Volltext:
BPatG: Beschluss v. 03.08.2004, Az: 24 W (pat) 84/03
Tenor
Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluß der Markenstelle für Klasse 3 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 7. Januar 2003 aufgehoben, soweit die Anmeldung für die Ware "nichtmedizinische Zahncremes" zurückgewiesen worden ist.
Im übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die nachstehend abgebildete Darstellungist als dreidimensionale Marke für die Waren
"Seifen, Parfümerien, ätherische Öle, Mittel zur Körper- und Schönheitspflege insbesondere Schaum- und Duschbäder, Hautcremes in flüssiger und in fester Form, Körperdeodorantien, chemische Haarpflege- und -behandlungsmittel, nichtmedizinische Zahncremes und Mundwässer"
zur Eintragung in das Markenregister angemeldet.
Die Markenstelle für Klasse 3 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Anmeldung nach vorheriger Beanstandung mit Beschluß vom 7. Januar 2003 durch eine Beamtin des höheren Dienstes zurückgewiesen, weil der angemeldeten Kennzeichnung die nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG erforderliche Unterscheidungskraft fehle. Die angemeldete Kennzeichnung sei zwar als dreidimensionale Gestaltung markenfähig, jedoch nicht als betriebliche Herkunftskennzeichnung geeignet. Es handele sich um eine beschreibende Darstellung, die vom Verkehr nur als solche verstanden werde. Der Verkehr sehe in der vorliegenden Marke lediglich eine Flasche mit Körper- oder Haarpflegemitteln, wie sie auf dem betreffenden Warensektor üblich sei. Der Verbraucher sei es gewohnt, solche Waren in verschiedensten Flaschenformen angeboten zu bekommen. Die Flasche habe keinerlei besonders auffällige Form oder Aufmachung. Die Verbreiterung am unteren Ende diene der besseren Standfestigkeit, der praktischen Handhabbarkeit der Flasche und möglicherweise der ansprechenderen ästhetischen Gestaltung, nicht aber als betrieblicher Herkunftshinweis.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Zur Begründung der Beschwerde wird vorgetragen, für die Beurteilung der Schutzfähigkeit von dreidimensionalen Marken gälten gleiche Grundsätze wie für andere Markenformen. Auch wenn der Verkehr in der Regel nicht dazu neige, in der Form eines Produkts einen Herkunftshinweis zu sehen, schließe dies doch nicht aus, daß solche Formen im Einzelfall schutzfähig sein könnten. Nicht als Marke eintragungsfähig seien Verpackungsformen, die lediglich einen Hinweis auf ihren Inhalt gäben oder durch ganz einfache geometrische Formen oder sonst bloß schmückende Elemente bestimmt würden. Bei der angemeldeten Verpackung handele es sich jedoch nicht um eine auf dem betreffenden Warengebiet übliche Gestaltung. Handelsüblich seien schlichte Flaschen, die von vorn betrachtet eine rechteckige Form hätten und an Ecken und Seiten leicht abgerundet seien. Der Deckel sei bei handelsüblichen Flaschen als weiteres abgerundetes oder eckiges Element aufgesetzt, ohne in die Flaschenform integriert zu sein. Die angemeldete Gestaltung dagegen unterscheide sich hiervon insbesondere durch die tief gesetzte Taille im unteren Drittel, die flügelförmigen Verbreiterungen im Fußteil sowie die unmittelbar unter der Kappe angesetzte Einbuchtung. Von oben betrachtet stelle die angemeldete Flasche eine längliche, leicht ovale Form mit in die Formgebung eingebundenem Deckel dar. Insbesondere die flügelförmigen Verbreiterungen des Fußteils der Flasche wirkten als charakteristisches betriebskennzeichnendes Merkmal, auch wenn sie der Standfestigkeit dienten. Im übrigen seien ähnliche oder vergleichbare Formen als Marken eingetragen worden.
Die Anmelderin beantragt, den angefochtenen Beschluß aufzuheben.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen, insbesondere auf die Internet-Recherche des Senats zur Form von Behältern und Verpackungen auf dem Gebiet der Klasse 3, die der Anmelderin übersandt worden ist.
II.
Die Beschwerde ist zulässig, aber in der Sache überwiegend nicht begründet. Die angemeldete Marke ist für die Waren der Anmeldung mit Ausnahme von "nichtmedizinische Zahncremes" gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1, § 37 MarkenG von der Eintragung ausgeschlossen.
1) Wie die Markenstelle zu Recht festgestellt hat, werden die von der Anmeldung erfaßten Waren seit jeher aufgrund ihrer Konsistenz und zur besseren Handhabbarkeit in Behältern und Verpackungen angeboten. Bei Verpackungen von Waren, die aus mit der Art der Ware zusammenhängenden Gründen üblicherweise verpackt Gegenstand des Wirtschaftsverkehrs sind, ist markenrechtlich die Verpackung der Warenform gleichzusetzen (vgl. dazu EuGH GRUR 2004, 428, 430 Rn. 33, 35, 37 "Henkel"). Die Markenstelle ist zu Recht davon ausgegangen, daß der Eintragung des angemeldeten Zeichens nicht § 3 Abs. 2 MarkenG entgegensteht. Insbesondere sind im vorliegenden Fall nicht die Tatbestandsvoraussetzungen des § 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG gegeben. Nach dieser Vorschrift sind dem Markenschutz Zeichen nicht zugänglich, die ausschließlich aus einer Form bestehen, die zur Erreichung einer technischen Wirkung erforderlich ist. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes setzt dieser Ausschlußtatbestand nicht voraus, daß die konkrete angemeldete Form zwingend erforderlich ist, um eine bestimmte technische Wirkung zu erreichen. Vielmehr reicht es aus, daß die wesentlichen Formmerkmale technisch bedingt sind. Unerheblich ist insoweit, ob dieselbe technische Wirkung auch mit Hilfe einer anderen Formgestaltung verwirklicht werden könnte (EuGH GRUR 2002, 804, 809 Rn. 81 ff. "Philips"). Die angemeldete Marke stellt eine längliche, schmale Form dar, die oben und unten eckig geformt ist und aus der im unteren Teil zwei flügelähnliche Verbreiterungen hervortreten. Der Flaschenkörper ist leicht geschwungen, der Verschluss der Flasche in die Flaschenform integriert. Diese Form als solche ist zwar technischfunktionaler Natur, z.B. soweit sie eine typische Flaschengestalt als Grundform und einen Verschluß am oberen Ende enthält. Die Gestaltung der angemeldeten Marke weist jedoch in ihrer Formgebung Elemente auf, die nicht nur technischen Vorgaben folgen. So dienen die Verbreiterungen am unteren Ende des Behälters zwar auch der Standfestigkeit, diese Gestaltung sowie die Integration des Verschlusses in die Flaschenform haben jedoch in erster Linie ästhetische Funktion. Dies gilt ebenso für die Proportionen der einzelnen Formelemente.
2) Der Eintragung der angemeldeten Marke steht jedoch für alle beanspruchten Waren mit Ausnahme von "nichtmedizinische Zahncremes" der Schutzversagungsgrund der fehlenden Unterscheidungskraft (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG) entgegen.
a) Unterscheidungskraft in diesem Sinne setzt nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs voraus, daß die Marke geeignet ist, die Ware, für welche die Eintragung beantragt wird, als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und diese Ware somit von den Waren anderer Unternehmen zu unterscheiden (vgl. EuGH GRUR 2003, 514, 517 Rn. 40 "Linde, Winward u. Rado"; GRUR 2004, 428, 431 Rn. 48 "Henkel"). Dabei dürfen von Rechts wegen an die Unterscheidungskraft von Marken, welche die Form der Ware selbst oder deren Verpackung darstellen, keine höheren Anforderungen gestellt werden als bei herkömmlichen Markenformen, wie z.B. Wort- oder Bildmarken (EuGH GRUR 2003, 514, 517 Rn. 46 "Linde, Winward u. Rado"; vgl. auch EuG GRUR Int. 2003, 944, 946 Rn. 32 "Zigarrenform/Goldbarren"; GRUR Int. 2003, 462, 464 Rn. 38 "Kühlergrill"). Dessen unbeschadet hat der Europäische Gerichtshof mehrfach darauf hingewiesen, daß die Form einer Ware oder deren Verpackung vom Verkehr in der Regel nicht als Herkunftshinweis aufgefaßt wird (vgl. EuGH GRUR 2003, 514, 517 Rn. 48 i.V.m. Rn. 32-35 "Linde, Winward u. Rado"; GRUR 2004, 428, 431 Rn. 52 "Henkel"; MarkenR 2004, 224, 229 Rn. 38 "Waschmitteltabs"; MarkenR 2004, 231, 236 Rn. 36 "Quadratische Waschmitteltabs"). Auch der Bundesgerichtshof betont, daß der Verkehr in der Form einer Ware regelmäßig nur einen Hinweis auf die ästhetische oder funktionelle Gestaltung der Ware, nicht aber auf ihre betriebliche Herkunft sieht (BGH GRUR 2003, 332, 334 "Abschlußstück"; GRUR 2003, 712, 714 "Goldbarren"). Demnach kann zwar nicht gefordert werden, daß die Marke eine besondere Originalität aufweist oder sonst eigenartig ist (vgl. BGH GRUR 2001, 56, 58 - Likörflasche). Andererseits kann die Schutzfähigkeit einer aus der Form der Ware oder deren Verpackung bestehenden Marke aber auch nicht losgelöst von dem wettbewerblichen Umfeld beurteilt werden, in dem sie nach Maßgabe des Warenverzeichnisses eingesetzt werden soll. Die beanspruchte Marke muß sich vielmehr erheblich von diesem Umfeld absetzen, damit ihr die erforderliche Herkunftskennzeichnungsfunktion zugesprochen werden kann (EuGH GRUR 2004, 428, 431 Rn. 49 "Henkel"; MarkenR 2004, 224, 229 Rn. 39 "Waschmitteltabs"; MarkenR 2004, 231, 236 Rn. 37 "Quadratische Waschmitteltabs"). Weist dieses Umfeld bereits eine große Vielfalt an Formen und Farben auf, in die sich die angemeldete Marke ohne weiteres einfügt, so ist die Unterscheidungskraft zu verneinen (vgl. BGH GRUR 2001, 416, 417 "OMEGA"; GRUR 2001, 418, 420 "Montre"), sofern sich nicht (ausnahmsweise) feststellen läßt, daß der Verkehr die Produkte der verschiedenen Hersteller auf dem betreffenden Warengebiet anhand der Form und/oder Farbe voneinander unterscheidet (vgl. hierzu auch BGH GRUR 2004, 329, 330 "Käse in Blütenform"; GRUR 2004, 683, 684 f. "Farbige Arzneimittelkapsel").
b) Nach diesen Grundsätzen kann nicht angenommen werden, daß die angemeldete Marke die erforderliche Unterscheidungskraft aufweist. Ihrer Form nach stellt sie eine längliche, schmale Form dar, die oben und unten eckig geformt ist und aus der im unteren Teil zwei flügelförmige Verbreiterungen hervortreten. Der Flaschenkörper ist leicht geschwungen, der Verschluß der Flasche in die Flaschenform integriert. Diese Form ist - wie oben ausgeführt - teilweise technischfunktional bedingt und liegt auch hinsichtlich der rein ästhetisch bedingten Gestaltung im Rahmen der auf dem vorliegenden Warengebiet üblichen Formen. Die Internetrecherche des Senats hat eine große Formenvielfalt von Warenverpackungen auf den angesprochenen Sektoren der Körper- und Schönheitspflege, Parfümerien, Haarpflegemitteln und Seifen (auch flüssige Seifen) belegt. Die verwendeten Formelemente der angemeldeten Marke wie eine längliche, geschwungene Formgebung, die Integration von Verschlüssen in die Flaschenform sowie Verbreiterungen des unteren Teils von Flaschenkörpern zur besseren Standfestigkeit kommen häufig vor, wobei die Proportionen der Formelemente stark differieren. Der angemeldeten Form ähnliche bzw. vergleichbare Formen von Behältern gibt es insbesondere bei Flaschen von Duschgels, Shampoos, Lotionen etc.. So sind etwa Waren der Marken Nivea, SANA med, duschdas, axe usw. zu nennen (vgl. Internetrecherche des Senats). Solche Formgestaltungen sind bei Waren der Klasse 3 denkbar und naheliegend, die flüssige bzw. fließbare oder schüttbare Substanzen darstellen, wie Parfümerien, Duftwässer, Cremes oder flüssige Seifen. Die Verbreiterung des unteren Teils des Flaschenkörpers ("Flügel"), das die Anmelderin als besonders starke Abweichung von auf dem betreffenden Warensektor üblichen Formen ansieht, wirkt nur als gefällig gestaltete Verbesserung der Standfestigkeit. Bei dieser Sachlage widerspricht es der Lebenserfahrung, daß der Verkehr die Form einem bestimmten Unternehmen zuordnet. Vielmehr ist anzunehmen, daß dieser die beanspruchte Verpackungsform nur als solche zur Kenntnis nimmt, ohne damit einen Hinweis auf die betriebliche Herkunft der Waren zu verbinden (vgl. hierzu EuGH GRUR 2004, 428, 431 Rn. 52 "Henkel"; EuG GRUR Int 2004, 664, 665 Rn. 24-27 "Flasche mit Zitrone"). Die angemeldete dreidimensionale Marke stellt sich nach alledem als eine zum Teil technisch, zum Teil ästhetisch bedingte Verpackungsgrundform in einer figürlichen Ausgestaltung dar, die technischfunktionale Eigenschaften der Ware andeutet, sich im übrigen in das gegebene wettbewerbliche Umfeld einfügt und nicht erheblich von der üblichen Form abweicht, die der Verkehr bei Verpackungen von Seifen, Parfümerien, ätherischen Ölen, Mitteln zur Körper- und Schönheitspflege, Körperdeodorantien, Haarpflege- und -behandlungsmitteln und Mundwässern erwartet. Insoweit besteht kein Anhaltspunkt dafür, daß der Verkehr in der angemeldeten Marke einen individuellen betrieblichen Herkunftshinweis erkennen kann. Die Unterscheidungskraft ist daher zu verneinen (vgl. auch BGH GRUR 2004, 507, 509 "Transformatorengehäuse").
3) Die von der Anmelderin angeführten anderweitigen Markeneintragungen betreffen andere Flaschengestaltungen. Sie sind für das vorliegende Verfahren unbeachtlich (vgl. EuGH GRUR 2004, 428, 432 Rn. 64 "Henkel"; BGH Bl. f. PMZ 1998, 248, 249 "Today").
4) Hinsichtlich der Ware "nichtmedizinische Zahncremes" kann allerdings der angemeldeten Marke die Unterscheidungskraft nicht abgesprochen werden. Insoweit konnte der Senat eine Verwendung vergleichbarer Formen oder Formelemente nicht ermitteln. Auch liegt bei der pastenförmigen Konsistenz dieser Waren, die in aller Regel in kleineren, relativ genau abgemessenen Portionen verwendet werden, eine Aufbewahrung in einer Flasche mit Ausgießöffnung (anders als bei Mundwässern) fern. Der angefochtene Beschluß war darum insoweit aufzuheben.
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BPatG:
Beschluss v. 03.08.2004
Az: 24 W (pat) 84/03
Link zum Urteil:
https://www.admody.com/gerichtsentscheidung/d775b906d6bb/BPatG_Beschluss_vom_3-August-2004_Az_24-W-pat-84-03