Oberlandesgericht Karlsruhe:
Beschluss vom 2. Oktober 2007
Aktenzeichen: 6 W 58/07

(OLG Karlsruhe: Beschluss v. 02.10.2007, Az.: 6 W 58/07)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Der Beschluss vom Oberlandesgericht Karlsruhe behandelt die Frage, ob bei einem Widerspruch gegen eine einstweilige Verfügung im Kostenpunkt die Prozessgebühr aus dem ursprünglichen Gegenstandswert des Verfahrens oder nur aus dem Wert der streitigen Kosten berechnet werden kann.

In dem konkreten Fall hatte das Landgericht Mannheim der Verfügungsklägerin per einstweiliger Verfügung untersagt, für eine bestimmte Musikgruppe zu werben. Die Verfügungsbeklagte hatte daraufhin Widerspruch gegen die Kostenentscheidung eingelegt. Das Landgericht entschied, dass die Verfügungsbeklagte korrekterweise nicht ordnungsgemäß abgemahnt worden war und daher die Kosten des Verfahrens tragen müsse. Die Höhe des Gegenstandswerts wurde für den Zeitraum bis zum 23. Februar 2007 auf 20.000 Euro und danach auf 3.000 Euro festgesetzt.

Im Kostenfestsetzungsverfahren setzte das Landgericht neben einer Terminsgebühr auch eine Verfahrensgebühr fest. Hiergegen legte die Verfügungsklägerin Beschwerde ein, da ihrer Meinung nach auch die Verfahrensgebühr nur auf Basis des Gegenstandswerts von 3.000 Euro berechnet werden sollte.

Das Oberlandesgericht Karlsruhe gab der Beschwerde der Verfügungsklägerin statt und entschied, dass nur eine Verfahrensgebühr aus einem Gegenstandswert von 3.000 Euro erstattungsfähig ist. Der Bundesgerichtshof hatte bereits in einer früheren Entscheidung festgestellt, dass bei einem Widerspruch gegen eine einstweilige Verfügung im Kostenpunkt nur der Wert der streitigen Kosten und nicht der ursprüngliche Gegenstandswert maßgeblich ist. Dies gelte auch für das neue anwaltliche Gebührenrecht.

Das Oberlandesgericht hielt die Entscheidung des Bundesgerichtshofs für weiterhin gültig und folgte nicht der Auffassung des Oberlandesgerichts München, dass ein Widerspruch gegen eine Kostenentscheidung mit einem Anerkenntnis nach Erhebung einer Hauptsacheklage gleichzusetzen sei. Der Senat des Oberlandesgerichts Karlsruhe änderte daher den Kostenfestsetzungsbeschluss entsprechend dem Antrag der Verfügungsklägerin ab.

Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens wurde gemäß § 91 Abs. 1 ZPO getroffen, wobei der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens die Differenz zwischen dem vom Landgericht festgesetzten und dem von der Verfügungsklägerin angestrebten Betrag darstellt. Gründe für die Zulassung einer Rechtsbeschwerde lagen nicht vor, da der Senat die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs befolgte und keine Anhaltspunkte für eine Änderung dieser Rechtsprechung erkennbar waren.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

OLG Karlsruhe: Beschluss v. 02.10.2007, Az: 6 W 58/07


Hat der Verfügungsbeklagte den Widerspruch gegen die einstweilige Verfügung auf die Kostenentscheidung beschränkt, so ist für die Höhe der vom Gegner zu erstattenden Verfahrensgebühr nicht der ursprüngliche Gegenstandswert des Verfügungsverfahrens maßgeblich, sondern nur der Wert der im Streit stehenden Kosten.

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Verfügungsklägerin wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Mannheim vom 26.04.2007 - 22 O 7/07 - wie folgt geändert:

Die Verfügungsklägerin hat auf Grund des Urteils des Landgerichts Mannheim vom 13.04.2007 an die Verfügungsbeklagte Kosten in Höhe von 492,50 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszins seit 25.04.2007 zu erstatten.

Der weitergehende Kostenfestsetzungsantrag der Verfügungsbeklagten wird zurückgewiesen.

1. Die Verfügungsbeklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

2. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 594,10 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Die Parteien streiten darüber, ob die Verfügungsbeklagte nach einem erfolgreichen Kostenwiderspruch gegen eine einstweilige Verfügung die Erstattung einer Verfahrensgebühr aus dem ursprünglichen Gegenstandswert verlangen kann.

Auf Antrag der Verfügungsklägerin hat das Landgericht Mannheim der Verfügungsbeklagten mit Beschluss vom 2. Februar 2007 im Wege der einstweiligen Verfügung verboten, für eine Musikgruppe mit einer bestimmten Bezeichnung zu werben. Die einstweilige Verfügung wurde der Verfügungsbeklagten am 8. Februar 2007 zugestellt. Mit Schreiben vom 13. Februar 2007 ließ die Verfügungsklägerin die Verfügungsbeklagte auffordern, eine Abschlusserklärung abzugeben.

Am 21. Februar 2007 beauftragte die Verfügungsbeklagte ihre Prozessbevollmächtigten mit der Abwehr gegen die ergangene Verfügung, soweit dies rechtlich möglich ist. Nach Prüfung und Rücksprache mit der Verfügungsbeklagten legte deren Prozessbevollmächtigter mit Schriftsatz vom 21. Februar 2007, bei Gericht eingegangen am 23. Februar 2007, Kostenwiderspruch ein. Mit Urteil vom 13. April 2007 legte das Landgericht die Kosten des Verfahrens der Verfügungsklägerin auf, mit der Begründung, die Verfügungsbeklagte sei nicht ordnungsgemäß abgemahnt worden. Der Gegenstandswert wurde für die Zeit bis zum 23. Februar 2007 auf 20.000 Euro, für die Zeit danach auf 3.000 Euro festgesetzt.

Auf Antrag der Verfügungsbeklagten hat das Landgericht im Kostenfestsetzungsverfahren neben einer 1,2 Terminsgebühr aus 3.000 Euro auch eine 1,3 Verfahrensgebühr aus 20.000 Euro berücksichtigt. Hiergegen wendet sich die Verfügungsklägerin mit ihrer Beschwerde, der das Landgericht nicht abgeholfen hat.

Die Verfügungsklägerin macht geltend, auch die Verfahrensgebühr dürfe nur nach einem Gegenstandswert von 3.000 Euro bemessen werden.

Die Verfügungsklägerin beantragt,

den Kostenfestsetzungsbeschluss dahingehend abzuändern, dass die erstattungsfähigen Auslagen der Verfügungsbeklagten auf 492,50 Euro netto nebst Zinsen festgesetzt werden.

Die Verfügungsbeklagte beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen,

hilfsweise:

die Kosten unter Berücksichtigung einer 1,3 Verfahrensgebühr aus 3.000 Euro und einer 0,8 Verfahrensgebühr aus 20.000 Euro festzusetzen.

Die Verfügungsbeklagte macht geltend, die zur BRAGO ergangene Entscheidung des Bundesgerichtshofs, wonach bei einem Kostenwiderspruch keine Prozessgebühr aus dem Gegenstandswert des Verfügungsverfahrens anfalle, sei nicht mehr einschlägig, weil die Gebührensystematik des RVG sich deutlich von derjenigen der Systematik der BRAGO unterscheide.

II.

Die zulässige Beschwerde ist begründet. Die Verfügungsklägerin hat lediglich eine 1,3 Verfahrensgebühr aus einem Gegenstandswert von 3.000 Euro zu erstatten.

1. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs war bei Einlegung eines auf die Kostenentscheidung beschränkten Widerspruchs gegen eine einstweilige Verfügung für die Höhe der vom Gegner zu erstattenden Prozessgebühr gemäß § 31 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO nicht der ursprüngliche Gegenstandswert des Verfügungsverfahrens, sondern ausschließlich der Wert der in Streit stehenden Kosten maßgeblich (BGH NJW-RR 2003, 1293 f.).

Zur Begründung führte der Bundesgerichtshof aus, der Auftrag an den Rechtsanwalt, gegen eine einstweilige Verfügung im Kostenpunkt Widerspruch zu erheben, ziele ausschließlich auf die Abänderung der Kostenentscheidung ab. Dass mit dem Kostenwiderspruch möglicherweise auch die Erklärung verbunden sei, auf einen Widerspruch gegen die Sachentscheidung zu verzichten, führe zu keiner anderen Beurteilung. Der Sache nach enthalte eine solche Erklärung lediglich einen teilweisen Rechtsbehelfsverzicht. Eine Vergütung für eine vorausgegangene Prüfung der Erfolgsaussichten sei auch dann nicht erstattungsfähig, wenn dem Anwalt zunächst ein uneingeschränktes Mandat erteilt worden sei. Die Kosten einer anwaltlichen Beratung, die nicht dem Führen, sondern der Vermeidung eines Rechtsstreits dient, seien nicht als im Sinne des § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig anzusehen.

2. Entgegen der Auffassung der Verfügungsbeklagten ist diese Entscheidung durch die Neuregelung des anwaltlichen Gebührenrechts nicht obsolet geworden.

Der Bundesgerichtshof hat auch für das alte Gebührenrecht die Entstehung einer (reduzierten) Prozessgebühr aus dem vollen Gegenstandswert bejaht, wenn dem Prozessbevollmächtigten zunächst ein uneingeschränktes Mandat erteilt wird. Er hat aber entschieden, dass eine solche Gebühr nicht nach § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO erstattungsfähig ist. Hieran hat sich durch die Neuregelung des anwaltlichen Gebührenrechts nichts geändert.

Unabhängig davon unterscheidet sich die Systematik des neuen Anwaltsvergütungsrechts in diesem Punkt nicht von der Systematik des früheren Rechts. Die Voraussetzungen für die Entstehung einer Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3100 i.V.m. Vorbemerkung 3 Abs. 2 VV RVG sind dieselben wie diejenigen für das Entstehen einer Prozessgebühr gemäß § 31 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO, nämlich das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information. Auch die Voraussetzungen, unter denen die Gebühr bei vorzeitiger Beendigung zu reduzieren ist, sind in § 32 Abs. 1 BRAGO und Nr. 3101 Nr. 1 VV RVG identisch formuliert.

3. Der Senat vermag sich nicht der Auffassung des Oberlandesgerichts München (OLGR München 2005, 818 f. im Anschluss an Schneider, AGS 2003, 447 und Gerold/Schmidt/Müller/Rabe, 16. Aufl., Anhang Rn. 150 ff.) anzuschließen, das - in Abweichung von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs - ausgeführt hat, die Einlegung eines Kostenwiderspruchs sei nicht mit der Einlegung einer auf einen Teil des Streitgegenstandes beschränkten Berufung oder Revision, sondern mit einem Anerkenntnis nach Erhebung einer Hauptsacheklage gleichzusetzen.

Zwar ist die Situation nach Zustellung einer einstweiligen Verfügung insoweit mit derjenigen nach Zustellung einer Hauptsacheklage vergleichbar, als der Verfügungsbeklagte - trotz der bereits ergangenen Entscheidung des Gerichts - erstmals Gelegenheit erhält, auf das prozessuale Begehren des Verfügungsklägers zu reagieren. Dennoch greift nach Auffassung des Senats auch in dieser Situation die Erwägung des Bundesgerichtshofs, dass die Kosten einer anwaltlichen Beratung, die nicht dem Führen, sondern der Vermeidung eines Rechtsstreits dient, nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung im Sinne von § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO notwendig sind. Anders als im Falle einer Klage bedarf es nach Erlass einer einstweiligen Verfügung auch keiner Mitwirkung des Verfügungsbeklagten, um den Weg zu einer Kostenentscheidung nach § 93 ZPO zu eröffnen. Eine Entscheidung über den Gegenstand des Verfügungsverfahrens ist mit dem Erlass der einstweiligen Verfügung bereits getroffen. Ein Anerkenntnisurteil kann hingegen nur nach entsprechender Mitwirkung des Beklagten ergehen.

4. Nach allem kann die Verfügungsbeklagte weder die Erstattung einer 1,3 Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG noch die Erstattung einer gemäß Nr. 3101 Nr. 1 VV RVG auf 0,8 reduzierten Verfahrensgebühr aus dem vollen Gegenstandswert verlangen. Anzusetzen ist vielmehr lediglich eine 1,3 Verfahrensgebühr aus 3.000 Euro. Der angefochtene Kostenfestsetzungsbeschluss war daher entsprechend dem Antrag der Verfügungsklägerin abzuändern.

5. Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens entspricht der Differenz zwischen dem vom Landgericht festgesetzten und dem von der Verfügungsklägerin angestrebten Betrag.

6. Gründe für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor. Der Senat folgt - anders als das Oberlandesgericht München - der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Anhaltspunkte für eine Änderung dieser Rechtsprechung sind nicht ersichtlich. Insbesondere ist, soweit ersichtlich, gegen die Entscheidung des Oberlandesgerichts München trotz Zulassung keine Rechtsbeschwerde eingelegt worden.






OLG Karlsruhe:
Beschluss v. 02.10.2007
Az: 6 W 58/07


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/gerichtsentscheidung/d7b46729eea7/OLG-Karlsruhe_Beschluss_vom_2-Oktober-2007_Az_6-W-58-07




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