Landgericht Düsseldorf:
Urteil vom 23. August 2006
Aktenzeichen: 12 O 396/05

(LG Düsseldorf: Urteil v. 23.08.2006, Az.: 12 O 396/05)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Das Landgericht Düsseldorf hat in dem Urteil vom 23. August 2006 mit dem Aktenzeichen 12 O 396/05 die Klage abgewiesen. Die Klägerin, ein Unternehmen aus Malta, bietet Sportwetten über das Internet auch in Deutschland an, obwohl sie keine Genehmigung einer deutschen Behörde besitzt. Die Klägerin behauptet, dass das beklagte Land, also die Bundesrepublik Deutschland, sie unbillig behindere, indem es ihr keine Genehmigung erteile und dadurch einem anderen Unternehmen einen Wettbewerbsvorteil verschaffe. Die Klägerin beruft sich dabei auf verschiedene Gesetze, unter anderem das Grundgesetz und europäisches Recht. Sie fordert das beklagte Land auf, sie nicht länger unbillig zu behindern und ihr die Genehmigung für das Anbieten von Sportwetten über das Internet zu erteilen. Das beklagte Land weist die Klage ab und argumentiert unter anderem, dass der Zivilrechtsweg nicht eröffnet sei und dass die Klage unzulässig und unbegründet sei. Das Landgericht Düsseldorf entscheidet, dass der Zivilrechtsweg eröffnet ist, die Klage zulässig ist, aber unbegründet ist. Es wird festgestellt, dass die Klägerin eine behördliche Genehmigung benötigt, um Sportwetten in Deutschland anzubieten. Das beklagte Land handelt nicht kartellrechtswidrig und verletzt auch keine europäischen Normen. Der Antrag auf Schadensersatz ist hinfällig und es wird keine Vorlage zum Europäischen Gerichtshof angeregt. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

LG Düsseldorf: Urteil v. 23.08.2006, Az: 12 O 396/05


Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aus dem Urteil zu vollstreckenden Betrages.

Tatbestand

Die Klägerin ist ein in Malta ansässiges Unternehmen, das von Malta aus im Rahmen der dort geltenden Gesetze Sportwetten über das Internet anbietet. Sie bietet auch in Deutschland Sportwetten über das Internet an, ohne eine Genehmigung einer deutschen Behörde zu besitzen. Auch hat sie keinen Antrag auf Erteilung einer entsprechenden Genehmigung bei einer deutschen Behörde gestellt. Die Klägerin macht mit der vorliegenden Klage einen Anspruch wegen unbilliger Behinderung bzw. eines Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung durch das beklagte Land geltend, da dieses ihr keine Genehmigung für die Veranstaltung von Sportwetten in der Bundesrepublik Deutschland erteile und damit der X einen Wettbewerbsvorsprung verschaffe.

Die Klägerin behauptet, ihr liege eine Genehmigung zur Veranstaltung von Sportwetten durch eine maltesische Behörde vor. Das beklagte Land veranstalte in der BRD Sportwetten. Es bediene sich hierfür der X, deren sämtliche Anteile es über die X sowie die X halte. Die Klägerin ist der Ansicht, das beklagte Land handele kartellrechtswidrig, indem es kraft seiner hoheitlichen Stellung in seiner Funktion als Legislative und bzw. oder Exekutive es privaten Anbietern insbesondere über öffentlichrechtliche Versagungsverfügungen unmöglich mache, in Deutschland Sportwetten anzubieten. Das gleiche Ziel verfolge es, indem es wettbewerbsrechtlich über die X, die es beherrsche, gegen private Anbieter von Sportwetten vorgehe. Das Vorliegen eines Genehmigungserfordernisses für Sportwettenanbieter sei rechtswidrig. Das beklagte Land verstoße gegen Art. 12 GG, Art. 43, 49, 81, 82, 86 EGV, §§ 19, 20 GWB, 3, 4 Nr. 10, 8 Abs. 1 und 2 UWG.

Die Klägerin beantragt,

I. das beklagte Land wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Einzelfall der

Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu € 250.000,--, an

dessen Stelle im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ordnungshaft bis zu sechs Monaten tritt, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall bis zu zwei Jahren - die Ordnungshaft zu vollziehen an den gesetzlich für sie handelnden Personen - es zu unterlassen,

die Klägerin dadurch unbillig zu behindern, dass es ihr keine Genehmigung dafür erteilt, dass die Klägerin von ihrem Firmensitz aus über das Internet Sportwetten anbietet, und dieses Angebot auch von deutschen Internetnutzern aufgerufen und entsprechende Wettverträge mit der Klägerin abgeschlossen werden können.

hilfsweise

die Klägerin dadurch unbillig zu behindern bzw. ungleich zu behandeln, dass es ihr keine Genehmigung dafür erteilt, dass die Klägerin von ihrem Firmensitz aus über das Internet Sportwetten anbietet, und diese Angebote auch von Internetnutzern in Deutschland aufgerufen und entsprechende Wettverträge mit der Klägerin abgeschlossen werden können, während das beklagte Land der Firma X, X eine Genehmigung zur Veranstaltung, Durchführung und Bewerbung von Sportwetten im Inland erteilt hat, insbesondere ohne jede Einschränkung und Auflagen.

höchst hilfsweise:

die Klägerin dadurch unbillig zu behindern bzw. ungleich zu behandeln, dass es ihr keine Genehmigung zu den gleichen Bedingungen (mit der Ausnahme der Eigenschaft als Unternehmen der öffentlichen Hand) wie der Firma X, X erteilt, und zwar für das Anbieten von Sportwetten über das Internet, und diese Angebote auch von Internetnutzern in Deutschland aufgerufen und entsprechende Wettverträge mit der Klägerin abgeschlossen werden können.

Es wird festgestellt, dass das beklagte Land der Klägerin zum Ersatz jeden

Schadens verpflichtet ist, der dieser dadurch entsteht, dass der Klägerin die Genehmigung gemäß Ziff. I. nicht unverzüglich nach Klagezustellung erteilt wird.

Das beklagte Land beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das beklagte Land ist der Ansicht, der Zivilrechtsweg sei bereits nicht eröffnet und die Klage daher bereits als unzulässig abzuweisen. Zudem ergebe sich die Unzulässigkeit der Klage daraus, dass in unzulässiger Weise mit den Unterlassungsanträgen ein positives Tun begehrt werde und dass sie unbestimmt formuliert seien. Auch fehle das Rechtsschutzbedürfnis. Darüber hinaus falle das Begehren der Klägerin nicht in die Kompetenzen der Zivilgerichte, da es den Erlass eines Verwaltungsaktes erfordere.

Die Klägerin hat eine Vorlage nach Art. 234 EGV angeregt.

Wegen des Vorbringens der Parteien im Übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist zulässig, aber sowohl hinsichtlich der Haupt- als auch der Hilfsanträge unbegründet.

I.

Die Klage ist zulässig.

1.

Der Zivilrechtsweg ist eröffnet. Es handelt sich um eine bürgerlichrechtliche Streitigkeit im Sinne des § 13 GVG. Der Rechtsweg richtet sich, wenn wie vorliegend eine Rechtswegzuweisung fehlt, nach der Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem der Klageanspruch hergeleitet wird. Entscheidend ist, durch welche Rechtssätze der Sachverhalt entscheidend geprägt ist und welche Rechtssätze für die Beurteilung des Klagebegehrens in Anspruch genommen werden können. Dabei kommt es in Abgrenzung des Zivilrechtswegs vom Verwaltungsrechtswegs darauf an, ob sich die an dem Rechtsstreit Beteiligten den für jedermann geltenden zivilrechtlichen Regelungen unterstellen oder nicht (Zöller-Gummer, GVG, 23. A., § 13 Rn. 19 m.N.). Die Klägerin stützt ihre Klageanträge unter anderem auf Normen des Privatrechts, GWB und UWG. Diese prägen die bürgerlichrechtliche Natur des dem Klageanspruch zugrundeliegenden, von der Klägerin behaupteten Rechtsverhältnisses. Dass die Befolgung des begehrten Unterlassens auch den Normen des öffentlichen Rechts untersteht, ist ein Aspekt, der die für die Frage des Rechtswegs entscheidende Natur des Klageanspruchs nicht berührt.

2.

Auch im übrigen bestehen keine Bedenken gegen die Zulässigkeit der Klage.

a.

Soweit das beklagte Land vorträgt, die Unzulässigkeit ergebe sich aus dem Umstand, dass im Ergebnis ein positives Tun verlangt werde, geht dies fehl. Dies ist keine Frage der Zulässigkeit, sondern der Begründetheit. Zudem genügen die Klageanträge dem Bestimmtheitserfordernis des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Das Klagebegehren wird hinreichend klar umschrieben. Die Frage, ob die Anträge zu weit gefasst sind, ist für die Zulässigkeit ohne Belang. Ein Unterlassungsantrag, der zu weit gefasst ist und über den bestehenden Anspruch hinausgeht, ist nicht unzulässig, sondern (teilweise) unbegründet (vgl. BGH, GRUR 1999, 509, 511).

b.

Der Klage kommt ein Rechtsschutzbedürfnis zu. Dies gilt, obwohl die Klägerin, die unstreitig keinen Genehmigungsantrag gestellt hat, auf dem Standpunkt steht, dass sie keiner Genehmigung bedürfe und auf dem deutschen Markt bereits tätig ist. Das Rechtsschutzbedürfnis fehlt nur bei objektiv sinnlosen Klagen, d.h. wenn der Kläger kein schutzwürdiges Interesse an dem begehrten Urteil haben kann. Dies kann nur in besonderen Fällen angenommen werden; ein solcher ist vorliegend nicht gegeben. Insbesondere ist das Rechtsschutzbedürfnis klar zu trennen von dem materiellrechtlichen Begehren und seiner Berechtigung, d.h. der Frage der Begründetheit (Zöller-Greger, 23. A., ZPO, vor § 253 Rn. 18). Das im Rahmen der Zulässigkeit zu prüfende Rechtsschutzinteresse ergibt sich regelmäßig schon aus der Nichterfüllung des behaupteten materiellrechtlichen Anspruchs, dessen Vorliegen für die Prüfung des Interesses an seiner gerichtlichen Durchsetzung zu unterstellen ist (BGH, GRUR 1973, 208, 209). Einen solchen unerfüllten Anspruch behauptet die Klägerin hinsichtlich einer ihr zu erlaubenden Betätigung im Bereich der Sportwetten in Deutschland. Die Parteien gehen übereinstimmend davon aus, dass die deutschen Behörden ein Genehmigungserfordernis annehmen. Es ist für die Frage des Rechtsschutzbedürfnisses unerheblich, dass die Klägerin bereits auf dem deutschen Markt tätig ist, denn es liegt ein berechtigtes Interesse der Klägerin dahingehend vor, auf gesicherter Rechtsgrundlage in Deutschland tätig zu sein.

II.

Die Klage ist unbegründet.

1.

Die mit den Anträgen zu I. verfolgten Begehren der Klägerin gehen sowohl in dem Hauptantrag als auch hinsichtlich der Hilfsanträge über die den Zivilgerichten zustehenden Befugnisse hinaus.

a.

Der Erlass des begehrten Urteils widerspräche dem verfassungsrechtlich verankerten Grundsatz der Gewaltenteilung. Die Zivilgerichte dürfen im Wege der wettbewerbs- und kartellrechtlichen Kontrolle nicht gegen öffentlichrechtliches Handeln als solches vorgehen. Der Erlass und die Aufhebung hoheitlicher Anordnungen ist den Verwaltungsgerichten vorbehalten (OLG Frankfurt, WRP 1992, 488, 489; Baumbach/Hefermehl/Köhler, UWG, 24. A., § 4 Rn. 13.16, jeweils zum Wettbewerbsrecht). Zwar ist der Klägerin zuzugeben, dass es auch in die Kompetenz der Zivilgerichte fällt, zivilrechtliche Verbote auszusprechen, die den öffentlichrechtlichen Tätigkeitsbereich von Hoheitsträgern betreffen. Darüber gehen die vorliegenden Anträge jedoch hinaus, mit denen die Klägerin - verkürzt gesprochen - unter anderem begehrt, dass es das beklagte Land unterlässt, ihr keine Genehmigung zu erteilen bzw. den Standpunkt einzunehmen, die streitgegenständliche Tätigkeit der Klägerin sei genehmigungspflichtig. Eine solche Genehmigung stellt einen Verwaltungsakt im Sinne des § 35 VwVfG NRW dar, zu dessen Erlass staatliche Stellen nicht im Rahmen eines Urteils der Zivilgerichtsbarkeit verurteilt werden können. Dies wäre ein unzulässiger Eingriff in die Kompetenz der zuständigen Ordnungsbehörden und für den Fall eines sich anschließenden Rechtsstreits in die Kompetenz der Verwaltungsgerichte. Eine andere Bewertung rechtfertigt nicht der von der Klägerin zitierte § 17 Abs. 2 S. 1 GVG. Dieser schreibt zwar eine rechtswegüberschreitende Sachkompetenz für einen einheitlichen prozessualen Anspruch vor (Musielak, 4. A., GVG, § 17 Rn. 7) und bezweckt, "dass das angerufene Gericht den Rechtsstreit umfassend entscheidet, sofern der zu ihm beschrittene Rechtsweg für einen Klagegrund zulässig ist" (BT-Drucks. 11/7030, S. 37). Die vorliegende Konstellation ist jedoch eine andere. Die Klägerin begehrt im Ergebnis auf der Grundlage einer zivilrechtlichen Anspruchsgrundlage so gestellt zu werden, als hätte sie eine öffentlichrechtliche Erlaubnis. Der zivilrechtliche Anspruch auf Unterlassung einerseits und der öffentlichrechtliche Anspruch hinsichtlich der Genehmigung andererseits sind aber kein einheitlicher prozessualer Anspruch in diesem Sinne, was auch schon darin zum Ausdruck kommt, dass die Klageanträge unterschiedlich zu formulieren sind; bei der vorliegenden Klage handelt es sich um einen Unterlassungsantrag, bei dem zweitgenannten Antrag müsste entweder ein auf die Erteilung der Genehmigung lautender Antrag formuliert werden, mithin ein positives Tun, oder ein Antrag auf Feststellung der Erlaubnisfreiheit gestellt werden.

b.

Entgegen der Ansicht der Klägerin ist es aus kartellrechtlicher Sicht nicht unerheblich, auf welche Art und Weise es ihr ermöglicht wird, auf dem deutschen Markt Sportwetten anzubieten. Ein öffentlichrechtliches Genehmigungserfordernis kann nicht ignoriert werden. Gemäß dem in der BRD geltenden öffentlichen Recht benötigt sie für das Anbieten von Sportwetten eine öffentlichrechtliche Genehmigung, die nur auf Antrag des jeweiligen Anbieters durch die zuständige Behörde erteilt werden kann. Über diesen Umstand kann sich die Zivilgerichtsbarkeit nicht hinwegsetzen. Dies würde unter anderem auch dem ordnungspolitischen Zweck des geltenden Rechts, der Spielsucht entgegenzuwirken, zuwiderlaufen und es aushöhlen.

c.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht unter Berücksichtigung der von der Klägerin angeführten Rechtsprechung zu der erwerbswirtschaftlichen Betätigung von Kommunen, wie etwa einem kommunalen Schilderprägebetrieb (beispielsweise BGH, Urt. v. 08.11.2005 - KZR 21/04, zit. nach juris), bzw. zu dem als kartellrechtswidrig erklärtem Vorgehen des Deutschen Toto- und Lottoblocks (BGH, NJW-RR 1999, 1266 ff.) und der Abmahnung der Lottogesellschaften durch das Bundeskartellamt (vgl. etwa Pressemeldung des Bundeskartellamts vom 30.05.2006, abrufbar unter www.bundeskartellamt.de). Bei erstgenanntem Urteil geht es um eine erwerbswirtschaftliche Tätigkeit der öffentlichen Hand in einem Bereich, der anders als das Glücksspiel keinen erhöhten Anforderungen im Hinblick auf die Gefahrenabwehr unterliegt. Das zweitgenannte Urteil und die Abmahnung durch das Bundeskartellamt richten sich gegen den Toto- und Lottoblock bzw. die jeweiligen Lotteriegesellschaften, nicht gegen die Bundesländer oder die BRD selbst. Hierin liegt ein entscheidender Unterschied, den die Klägerin verkennt. Darüber hinaus hat der BGH in der von der Klägerin zur Untermauerung ihres Anspruchs angeführten Entscheidung (NJW-RR 1999, 1266 ff.) ausgeführt, dass lediglich ein Ausschluss gewerblich organisierter Spielgemeinschaften auf der Grundlage des im damaligen Rechtsstreit gegenständlichen Beschlusses und ohne weitere sachliche Gründe untersagt werde. Von einer Zulassung zum Wettmarkt ohne jegliche Beschränkungen und Voraussetzungen - wie von der Klägerin begehrt - ging der BGH seinerzeit gerade nicht aus.

2.

Darüber hinaus folgt die Unbegründetheit der Klage auch aus anderen Aspekten. Das von der Klägerin beanstandete Vorgehen des beklagten Landes verstößt weder gegen nationales deutsches Recht noch gegen Europarecht. Die Klägerin wendet sich im Ergebnis gegen vermeintliches legislatives Unrecht - nämlich das sog. Glücksspielmonopol des Staates -, dem durch die ordentlichen Zivilgerichtsbarkeit nicht abgeholfen werden kann. Den klägerseitigen Vortrag zusammengefasst, wendet diese sich dagegen, dass die Behörden und Gerichte des Landes NRW bei der Handhabung des Lotteriewesens - nach ihrer Ansicht - kartell- und wettbewerbswidrig dadurch vorgehen, dass verwaltungsrechtlich keine Genehmigungen an Private erteilt werden, die Verwaltungsgerichte diese behördliche Praxis billigen, die Zivilgerichte im Rahmen des Wettbewerbsrechts private Sportwettenanbieter zum Unterlassen des Wettgeschäfts verurteilen und die Lotteriegesellschaften als "verlängerter Arm des Landes NRW" die einzigen Anbieter von Sportwetten sind.

a.

Es liegt kein Verstoß durch das beklagte Land gegen 3, 4 Nr. 10, 8 Abs. 1 und 2 UWG vor. Es behindert durch das von der Klägerin beanstandete Verhalten Mitbewerber nicht gezielt im Sinne des § 4 Nr. 10 UWG. Dass die Klägerin nicht genehmigungsfrei Sportwetten in der BRD anbieten kann, beruht vielmehr kausal auf dem Umstand, dass sie mit einem entsprechenden Sportwettenangebot gegen § 284 StGB verstoßen würde bzw. verstößt. Für die Geltendmachung der Verfassungswidrigkeit dieser Norm, also im Ergebnis legislativem Unrecht, ist die erkennende Kammer als Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit nicht zuständig. Zudem bestehen im Hinblick auf den Beschluss des BVerfG vom 28.03.2006 - 1 BvR 1054/01 (zit. nach juris) keine Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der Norm.

Das Veranstalten von Sportwetten durch die Klägerin in der BRD verstößt bzw. verstieße gegen § 284 Abs. 1 StGB. Sie begehrt es, in der BRD ein Glücksspiel im Sinne dieser Vorschrift anbieten zu können, nämlich ein Spiel, bei dem ein nicht unerheblicher Vermögenswert zum Einsatz gebracht werden muss und die Entscheidung über Gewinn und Verlust zumindest im Wesentlichen nicht von Fähigkeiten, Kenntnissen und dem Grad der Aufmerksamkeit des Spielers, sondern allein oder hauptsächlich vom Zufall abhängt (Schönke/Schröder, 27. A., StGB, § 284 Rn. 5, 8 m.w.N.; vgl. BT-Drs. 13/9064 Nr. 74, 13/8587 S. 67). Es geht ihr darum, Sportwetten ohne eine behördliche Erlaubnis anzubieten. Entgegen der Ansicht der Klägerin ist hierfür die Erlaubnis einer deutschen Behörde erforderlich (BGH, GRUR 2004, 693, 695 m.w.N.). Aber selbst wenn man mit einer Mindermeinung annimmt, dass Genehmigungen von anderen EU-Staaten gleichfalls eine Erlaubnis im Sinne des § 284 StGB darstellen (hierzu Schönke/Schröder, 27. A., StGB, § 284 Rn. 22c m.w.N.), würde dies im vorliegenden Fall keine andere rechtliche Bewertung rechtfertigen. Die Klägerin hat zwar behauptet, dass sein eine entsprechende Genehmigung von maltesischen Behörden erteilt worden sei. Trotz des Bestreitens durch das beklagte Land und die Aufforderung, diese Genehmigung vorzulegen, ist dies durch die Klägerin jedoch nicht erfolgt. Es fehlt an einem substantiierten Sachvortrag.

b.

Eine Ausnahme von dem Genehmigungserfordernis für das Veranstalten von Sportwetten in der BRD rechtfertigen entgegen der Ansicht der Klägerin weder verfassungsrechtliche noch europarechtliche Normen.

Ein Verstoß des geltenden Rechts in der BRD gegen die Niederlassungsfreiheit und den freien Dienstleistungsverkehr im Sinne der Art. 43, 49 EGV würde nicht zu der Erlaubnisfreiheit des Veranstaltens von Sportwetten führen. Ob ein solcher Verstoß unter Beachtung der Rechtsprechung des EUGH (NJW 2004, 139 - "Gambelli" m.w.N.) insbesondere unter Berücksichtigung der Werbeaufwendungen der Lotteriegesellschaften vorliegt, bleibt offen. Darüber hinaus ist auch vor dem Hintergrund der Entscheidung des BVerfG vom 28.03.2006 - 1 BvR 1054/01 (zit. nach juris) der bisherige Umfang der Tätigkeit der Lottogesellschaften der Länder inkl. der Sportwettenangebote und ihrer Werbetätigkeiten (K 2 - K 44) derzeit unerheblich. Einen entsprechenden Verstoß unterstellt, kann die Klägerin allenfalls einen Antrag auf Erteilung einer Erlaubnis bei den zuständigen Behörden stellen. Diese müssen dann die europarechtlichen Normen und die Rechtsprechung des EUGH im Rahmen ihrer Entscheidung über die Erlaubniserteilung berücksichtigen. Sollte die Erlaubnis nicht erteilt werden, obläge es der Klägerin, eine solche vor den Verwaltungsgerichten und ggf. dem BVerfG oder dem EuGH zu erstreiten. Aus der Gambelli-Entscheidung des EUGH (NJW 2004, 139) - die die Klägerin ausdrücklich zur Untermauerung der von ihr behaupteten Rechtsposition anführt - folgt, dass ein rechtswidriges staatliches Glücksspielmonopol keine Erlaubnisfreiheit herbeiführt. Es steht sogar im Ermessen jedes einzelnen Mitgliedsstaates, Glücksspiele umfassend zu verbieten (zum Ganzen: BGH, GRUR 2004, 693, 695; OLG Köln, Urt. v. 09.12.2005 - 6 U 91/05, zit. nach juris jeweils m.w.N.; a.A. in einem Eilverfahren VGH Kassel, GewArchiv 2004, 153, mittlerweile überholt durch VGH Kassel, Beschluss v. 29.08.2005 - 11 TG 1460/05 - Anlage CBH 29; OVG Münster, Beschluss v. 28.06.2006 - 4 B 961/06, zit. nach juris).

Darüber hinaus bleibt ausdrücklich offen, ob die geltende Gesetzeslage hinsichtlich der privaten Sportwettenanbieter im öffentlichen Recht in der BRD gegen das Grundgesetz verstößt. Sollte dies der Fall sein, so obliegt es - wie oben bereits hinsichtlich Art. 43, 49 EGV ausgeführt - der Klägerin, eine Erlaubnis zu beantragen und ggf. vor den Verwaltungsgerichten und dem BVerfG zu erstreiten.

c.

Das beklagte Land handelt auch nicht kartellrechtswidrig. Es liegt weder ein Verstoß gegen §§ 19, 20 GWB noch gegen Art. 81, 82, 86 EGV vor.

aa.

Das beklagte Land tritt im Rahmen des staatlichen Glücksspielmonopols nicht als Unternehmen im Sinne von §§ 19 Abs. 1, 20 Abs. 1 in Verbindung mit § 130 Abs. 1 GWB auf. Als unternehmerisch im Sinne des GWB ist jedwede, sich auf Waren oder gewerbliche Leistungen erstreckende Betätigung im geschäftlichen Verkehr anzusehen, ohne dass es auf die Rechtsform oder die Absicht der Gewinnerzielung ankommt (Immenga/Mestmäcker, 3. A., GWB, § 1 Rn. 30 ff. m.w.N.). Zwar ist auch der Staat grundsätzlich überall dort als Unternehmen zu behandeln, wo er sich, gleich in welcher Form, durch das Angebot von wirtschaftlichen Leistungen oder durch die Nachfrage nach solchen Leistungen wirtschaftlich betätigt (Immenga/Mestmäcker, 3. A., GWB, § 130, Rn. 31). Hier liegt indessen durch das beklagte Land keine auf das Angebot von wirtschaftlichen Leistungen oder auf die Nachfrage nach solchen Leistungen gerichtete Tätigkeit vor. Das beklagte Land nimmt vielmehr im Rahmen des Glücksspielmonopols eine Aufgabe von allgemeinem öffentlichen Interesse wahr. Es verfolgt legitime Gemeinwohlziele wie die Bekämpfung der Spiel- und Wettsucht, Schutz vor irreführender Werbung und betrügerischen Anbietern und die Abwehr von Gefahren aus mit den Wetten verbundener Folge- und Begleitkriminalität (vgl. BVerfG, Urteil v. 28.03.2006 - 1 BvR 1054/01). Das beklagte Land betätigt sich selbst nicht wirtschaftlich. Es vollzieht im Rahmen der Gesetzgebung und der Erteilung bzw. Nichterteilung von Erlaubnissen eine originär hoheitliche Tätigkeit. Es mag sein, dass der X und auch die X kartellrechtswidrig handeln. Diese Frage bleibt als nicht entscheidungserheblich ausdrücklich offen, denn das beklagte Land ist mit diesen nicht identisch und auch nicht deren Gesellschafter. Einen diesbezüglichen Sachverhalt hat die Klägerin nicht substantiiert vorgetragen. Rechtlich relevante Schlüsse lassen sich aus den klägerseitigen Ausführungen, dass das beklagte Land sich der X bediene, deren sämtliche Anteile es über die X sowie die X halte, nicht ziehen. Den diesbezüglichen Ausführungen des beklagten Landes, dass diese keine Gesellschafterin eines Sportwettenanbieters sei, ist die Klägerin nicht mit substantiiertem Sachvortrag entgegengetreten.

bb.

Auch unter Berücksichtigung der Art. 81, 82, 86 EGV, unabhängig von der hier offen gelassenen Frage, ob diese Normen unmittelbar Anwendung finden, folgt keine andere rechtliche Bewertung.

Die Tätigkeit des beklagten Landes ist nicht unternehmerisch im Sinne des EGV. Nach der Rechtsprechung des EuGH sind Unternehmen im Sinne des Kartellrechts eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübende Einheiten unabhängig von ihrer Rechtsform und der Art ihrer Finanzierung (EuGH, NJW 1993, 2344, 2345). Der Begriff der wirtschaftliche Tätigkeit ist zwar im weitesten Sinne zu verstehen, erfasst aber jedenfalls nicht den Bereich der eigentlichen Staatstätigkeit, also die Ausübung von staatlicher Hoheitsgewalt (Immenga/Mestmäcker, 1. A., EG-Wettbewerbsrecht, Art. 85 EGV Rn. 21, 30). Insofern kann hier auf die Ausführungen zu der unternehmerischen Tätigkeit im Sinne des GWB verwiesen werden.

III.

Soweit die Klägerin mit ihrem Antrag zu II. die Feststellung der Schadensersatzverpflichtung begehrt, ist dieser Antrag aufgrund der Abweisung der Haupt- und Hilfsanträge zu I. hinfällig.

IV.

Eine von der Klägerin angeregten Vorlage zum EUGH erfolgt nicht. Das der erkennenden Kammer hinsichtlich einer solchen Vorlage im Sinne des Art. 234 EGV zustehende Ermessen wird insbesondere im Hinblick auf die oben dargestellte Rechtsprechung des BVerfG, des EUGH und des BGH dahingehend ausgeübt.

V.

Die nicht nachgelassenen Schriftsätze vom 31.07.2006 und 17.08.2006 geben keinen Anlass zu Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung.

VI.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 709 Satz 1 und 2 ZPO.

Streitwert: € 150.000,00






LG Düsseldorf:
Urteil v. 23.08.2006
Az: 12 O 396/05


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/gerichtsentscheidung/d81a0c85d8db/LG-Duesseldorf_Urteil_vom_23-August-2006_Az_12-O-396-05




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