Oberlandesgericht Frankfurt am Main:
Beschluss vom 8. Februar 2010
Aktenzeichen: 14 U 221/09

(OLG Frankfurt am Main: Beschluss v. 08.02.2010, Az.: 14 U 221/09)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hat in dem Beschluss vom 8. Februar 2010, Aktenzeichen 14 U 221/09, entschieden, dass die Berufung des Beklagten zurückgewiesen wird. Der Senat hat dem Beklagten mitgeteilt, dass beabsichtigt ist, die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO durch Beschluss zurückzuweisen. Die Gründe hierfür sind, dass die Berufung nach Auffassung des Senats keine Erfolgsaussicht hat und die Voraussetzungen für eine Revisionszulassung nicht vorliegen.

Das Landgericht hatte zuvor der Klage auf Erstattung von Rechtsanwaltskosten stattgegeben. Der Anspruch der Klägerin ergab sich aus § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG, da die Abmahnung des Beklagten berechtigt war. Die Parteien, die online Töpfe und Pfannen vertreiben, sind Mitbewerber und der Beklagte hat es versäumt, Verbraucher auf ihr Widerrufs- und Rückgaberecht hinzuweisen.

Der Beklagte hatte geltend gemacht, dass die Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs gemäß § 8 Abs. 4 UWG unzulässig sei, da sie missbräuchlich wäre und nur darauf abzielen würde, Kosten zu verursachen. Das Gericht hat jedoch festgestellt, dass die Klägerin keinen missbräuchlichen Anspruch geltend macht. Es wurden auch keine weiteren Umstände vorgebracht, die auf ein Gebührenerzielungsinteresse der Klägerin hindeuten würden.

Das Gericht hat auch den von der Klägerin berechneten Streitwert von 7.500 Euro für angemessen befunden, da bei Verstößen gegen Belehrungspflichten ein angemessener Streitwert von 2.000 Euro anzusetzen ist. Da hier jedoch jegliche Belehrung fehlte, wurde ein höherer Streitwert von 7.500 Euro für angemessen erachtet.

Schließlich hat das Gericht entschieden, dass der Anspruch der Klägerin aus § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG nicht verjährt ist. Die Hemmung der Verjährung ergab sich aus der Einreichung eines Mahnbescheides durch die Klägerin.

Die Voraussetzungen für eine Revisionszulassung gemäß § 543 Abs. 2 ZPO lagen nicht vor. Das Gericht hat festgestellt, dass die rechtlichen Grundlagen für die Beurteilung des Falls nicht zweifelhaft sind und dass die konkreten Umstände des Einzelfalls keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung haben. Die Frage, ob ein Missbrauch vorliegt oder nicht, muss jeweils unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls beantwortet werden.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

OLG Frankfurt am Main: Beschluss v. 08.02.2010, Az: 14 U 221/09


Tenor

Der Beklagte wird darauf hingewiesen, dass der Senat beabsichtigt, seine Berufung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO durch Beschluss zurückzuweisen.

Gründe

Die Berufung wäre gemäß § 522 Abs. 2 ZPO durch Beschluss zurückzuweisen, weil sie nach übereinstimmender Auffassung des Senats keine Aussicht auf Erfolg bietet und die Voraussetzungen für eine Revisionszulassung nicht vorliegen.

Die angefochtene Entscheidung beruht weder auf einer Rechtsverletzung noch rechtfertigen nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung, § 513 ZPO. Das Landgericht hat der auf Erstattung von Rechtsanwaltskosten gerichteten Klage zu Recht unter zutreffender Würdigung des vorgetragenen Sachverhalts stattgegeben. Der Anspruch der Klägerin ergibt sich aus § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG, die unter dem 30.04.2008 ausgesprochene Abmahnung des Beklagten war berechtigt; dass es sich bei den Parteien, die im Internet Töpfe und Pfannen vertreiben, um Mitbewerber handelt und der Beklagte es unterlassen hat, auf das Widerrufs- bzw. Rückgaberecht der Verbraucher hinzuweisen, wird von der Berufung nicht in Abrede gestellt.

Entgegen der Auffassung des Beklagten war die Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs auch nicht gemäß § 8 Abs. 4 UWG unzulässig, weil sie unter Berücksichtigung der gesamten Umstände missbräuchlich wäre, insbesondere weil sie vorliegend dazu gedient habe, einen Aufwendungsersatzanspruch entstehen zu lassen. Ein Missbrauch ist anzunehmen, wenn das beherrschende Motiv des Gläubigers bei der Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs sachfremde Ziele wie beispielsweise das Gebührenerzielungsinteresse sind. Dies ist anzunehmen, wenn die äußeren Umstände in ihrer Gesamtheit aus Sicht eines wirtschaftlich denkenden Unternehmers deutlich machen, dass der Anspruchsberechtigte kein nennenswertes wirtschaftliches oder wettbewerbspolitisches Interesse an der Rechtsverfolgung haben kann und deshalb allein oder ganz überwiegend nur ein Gebühreninteresse verfolgt. Diese Beurteilung setzt eine Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalles voraus. Anhaltspunkte bilden Art und Schwere der Zuwiderhandlung, das Verhalten des Anspruchstellers bei der Rechtsverfolgung auch in anderen Fällen, wobei zu berücksichtigen ist, dass Abmahnungen auch im Interesse der Allgemeinheit liegen und aus diesem Grund auch bei umfangreichen Abmahntätigkeiten allein ein Missbrauch noch nicht hinreichend belegt ist. Es müssen weitere Umstände hinzutreten, die die Missbräuchlichkeit der Geltendmachung des Anspruchs begründen. Die Anzahl der Abmahnungen kann nicht durchschlagend sein, wenn spiegelbildlich eine entsprechende Vielzahl von Verstößen vorliegt (vgl. insoweit zuletzt OLG Hamm Urteil vom 26.05.2009 - 4 O 27/09, zitiert nach Juris Rdnr. 19, 20; OLG Hamm Urteil vom 17.11.2009 - 4 O 148/09 -, zitiert nach Juris). Für den in Rede stehenden Sachverhalt ist ein missbräuchliches Verhalten der Klägerin im Zusammenhang mit der Geltendmachung des Anspruchs nicht dargetan. Im Hinblick auf sonstige Abmahnungen der Klägerin sind in der Klageerwiderung lediglich drei weitere Abmahnungen gegenüber Mitbewerbern aus dem Zeitraum Januar 2008 aufgeführt worden, die die Klägerin auch eingeräumt hat. Insoweit kann der Klägerin auch nicht angelastet werden, ihr Prozessbevollmächtigter habe eine Frage nach weiteren Abmahnungen in der vorgerichtlichen Korrespondenz wahrheitswidrig verneint. Wie die Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 19.04.2009 unwidersprochen dargelegt hat, bezog sich seine Antwort vom 15.02.2008 auf den Zeitraum der letzten zwei Wochen. Unabhängig davon, ob der Prozessbevollmächtigte der Klägerin die Frage des Prozessbevollmächtigten der Beklagten nach weiteren Abmahnungen richtig oder falsch beantwortet hat, ist auch die unstreitige Abmahntätigkeit der Klägerin (4 Abmahnungen im Januar 2008) nicht geeignet, eine systematische Abmahntätigkeit zum Zwecke der Gebührenerzielung festzustellen. Soweit der Beklagte in seiner Klageerwiderung behauptet hat, die Abmahntätigkeit der Klägerin zeige sich auch darin, dass sie auf diversen von Rechtsanwälten betriebenen Internetseiten als Vielfachmahnerin gelistet sei, ist dieses Vorbringen, welchem die Klägerin entgegengetreten ist, nicht vertieft worden. Hieraus lässt sich eine systematische Abmahntätigkeit der Klägerin nicht ableiten. Sonstige Umstände, die den Schluss auf eine Gebührenerzielungsabsicht der Klägerin zuließen, wie beispielsweise ein Missverhältnis zwischen der wirtschaftlichen Betätigung der Klägerin und dem durch die Abmahntätigkeit entstandenen Kostenrisiko, Geltendmachung pauschaler Schadensersatzansprüche, Berechnung der Gebühren anhand überhöhter Streitwerte und/oder das Verlangen unangemessen hoher Vertragsstrafen, sind nicht dargetan. Ebenso wenig lässt sich aus dem Umstand, dass die Klägerin die Gebührenrechnung ihres Prozessbevollmächtigten erst kurz vor deren gerichtlicher Geltendmachung ausgeglichen hat, schlussfolgern, sie handele gemeinsam mit ihrem Prozessbevollmächtigten hauptsächlich zum Zwecke der Gebührenerzielung, wobei eine Zahlung ausschließlich durch die Mitbewerber erfolgen solle. Entsprechendes gilt, soweit die Klägerin in einem anderen Rechtsstreit gegen eine Mitbewerberin lediglich einen Freistellungsanspruch geltend gemacht hat. Es ist nicht gänzlich unüblich, dass Aufwendungsersatzberechtigte mit der Erfüllung der gegen sie gerichteten Ansprüche zuwarten und zunächst den Schädiger auf Zahlung bzw. Freistellung in Anspruch nehmen.

Mit dem Landgericht ist auch der der Gebührenberechnung zugrunde gelegte Streitwert von 7.500 Euro vorliegend nicht zu beanstanden. Wie der Senat wiederholt entschieden hat (zuletzt Beschluss vom 11.05.2009 - 14 W 46/09 -) erscheint bei einem Verstoß gegen die gegenüber einem Verbraucher bestehenden Belehrungspflichten, wie beispielsweise fehlender Informationen über die Rechtsfolgen des Widerrufs, ein Streitwert von 2.000 Euro als angemessen. Da vorliegend jegliche Belehrung fehlte, kann nicht auf einzelne Verstöße im Zusammenhang mit der Formulierung der Widerrufsbelehrung abgestellt werden. Allerdings ist das Unterlassen jeglicher Belehrung deutlich höher zu bewerten als einzelne Formulierungsverstöße, so dass der angesetzte Streitwert von 7.500 Euro angemessen erscheint.

Schließlich ist der Anspruch der Klägerin aus § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG auch nicht verjährt. Die 6monatige Verjährungsfrist des § 11 UWG beginnt, wenn der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. Der Anspruch auf Ersatz der für die Abmahnung erforderlichen Aufwendungen in Form der Rechtsanwaltsgebühren ist frühestens mit der Beauftragung des Prozessbevollmächtigten durch die Klägerin am 28.04.2008 dem Grunde nach entstanden, wobei Fälligkeit gemäß § 8 RVG und damit auch eines möglichen Freistellungsanspruchs der Klägerin gegen den Beklagten erst mit der Erledigung des Auftrages, d. h. mit der Absendung des Abmahnschreibens, eingetreten wäre. An den 28.04.2008 anknüpfend hat das Landgericht unter zutreffender Anwendung der Vorschriften der §§ 204 BGB und 167 ZPO eine Hemmung der Verjährung durch Einreichung des Antrages auf Erlass eines Mahnbescheides am 20.10.2008 bejaht. Es kann daher dahinstehen, ob die Klägerin entsprechend der Behauptung des Beklagten zu einem früheren Zeitpunkt Kenntnis von dessen Wettbewerbsverstoß erlangt hat. Darüber hinaus ist der Beklagte für die Voraussetzungen des Verjährungsbeginns darlegungs- und beweispflichtig. Seinem Antrag, der Klägerin auch die Vorlage von Unterlagen, aus denen sich der Zeitpunkt ihrer Kenntnis des Wettbewerbsverstoßes des Beklagten ergibt, ist nicht nachzugehen.

Die Voraussetzungen für eine Revisionszulassung gemäß § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Die rechtlichen Grundlagen für die Beantwortung der Frage, unter welchen Umständen ein Missbrauch im Sinne des § 8 Abs. 4 UWG angenommen werden kann, sind nicht zweifelhaft. Es besteht Einigkeit, dass eine Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalles vorzunehmen ist, wobei die Gesamtschau der jeweiligen Umstände ein hinreichendes Indiz für das Vorliegen eines überwiegenden Gebührenerzielungsinteresses ergeben kann. Diese allgemein anerkannten Bewertungsmaßstäbe haben sowohl das Landgericht als auch der Senat ihrer Beurteilung zugrunde gelegt. Die hiernach vorzunehmende Würdigung der konkreten Umstände wirkt über den Einzelfall nicht hinaus. Dem in Rede stehenden Sachverhalt kommt weder symptomatische Bedeutung zu noch besitzt er im Hinblick auf die rechtlichen Grundlagen allgemeine Bedeutung. Wie bereits ausgeführt, sind die rechtlichen Grundlagen nicht zweifelhaft. Die Würdigung der Umstände betrifft ausschließlich die in diesem konkreten Einzelfall vorgetragenen Tatsachen und hat keine Bedeutung für weitere Fälle dieser Art. Da die konkreten Umstände einer Abmahnung, insbesondere die Interessenlage des Wettbewerbers, sein wirtschaftliches Potential, die Art und Weise seines Vorgehens, vielfältig sind und nicht ersichtlich ist, dass die hier in Rede stehenden Umstände in einer Vielzahl von Fällen identisch sind, kommt der vorliegenden Beurteilung auch keine symptomatische Bedeutung zu. Die Gerichte werden jeweils unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des ihnen zur Entscheidung vorgelegten Einzelfalls zu beurteilen haben, ob ein Missbrauch vorliegt oder nicht.






OLG Frankfurt am Main:
Beschluss v. 08.02.2010
Az: 14 U 221/09


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/gerichtsentscheidung/d959322178c2/OLG-Frankfurt-am-Main_Beschluss_vom_8-Februar-2010_Az_14-U-221-09




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